Die Olympia-Hymne von Richard Strauss Die Olympia

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Die Olympia-Hymne von Richard Strauss
Tatsächlich nahmen das internationale Publikum und die Weltpresse weniger den politischen Alltag in Deutschland als vielmehr
die durch die neuen Medien (Film, Funk, Fernsehen) perfekt gestaltete Selbstinszenierung
des nationalsozialistischen Regimes wahr.
Für die Mehrzahl der Teilnehmer, Besucher
und internationalen Beobachter waren die
Berliner Spiele ein grandioses und unvergessliches Erlebnis. Nicht zuletzt die perfekte Organisation und die sorgfältige Durchführung
der Spiele fanden im Spiegel der internationalen Presse hohe Anerkennung.
1. H
ört euch die Olympia-Hymne an und
beschreibt ihre musikalische Wirkung.
II, 6
2. Überlegt euch, in
welcher Art und Weise
heute Eröffnungsfeiern bei Olympischen
Spielen stattfinden.
3. Tragt die Reihe der
Staaten zusammen,
in denen die Ausrichtung der Olympischen
Spiele seit 1936 auch
eine politische Diskussion auslöste. Welche
Rolle spielte bei der
Eröffnung die musikalische Inszenierung?
4. Fasst zusammen,
welche Bedeutung
bzw. welche Funktion
Stefan Zweig der
Olympia-Hymne beimisst.
5. Stellt fest, welches
offizielle kulturpolitische Amt Richard
Strauss in der NS-Zeit
innehatte. Warum
musste Strauss davon
„zurücktreten“?
6. Informiert euch,
welche anderen deutschen Komponisten
an der öffentlichen
Inszenierung der
Olympischen Spiele
beteiligt wurden.
Die Olympia-Hymne von Richard Strauss
Richard Strauss und das IOC
Die Hauptstadt Berlin bewirbt sich noch während der Weimarer Republik um die Austragung der Olympischen Spiele 1936. Und
tatsächlich erhält Berlin vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) 1931 den Zuschlag. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wächst allerdings der internationale Widerstand gegen die Austragung
der Spiele in Deutschland. Doch das IOC hält
trotz aller internationalen Proteste an Berlin
als Austragungsort für die Sommerspiele
fest. Ein Boykott der Spiele wäre nach offizieller Sprachregelung eine unzulässige Vermischung von Sport und Politik gewesen.
So konnte der Reichskanzler Adolf Hitler am
1. August 1936 die XI. Olympischen Sommerspiele im Berliner Olympiastadion feierlich
eröffnen. Die Nationalsozialisten nutzten die
Gunst der Stunde, um sich international als
weltoffenes, modernes und friedfertiges System zu präsentieren. Mit einer nie zuvor gekannten, großangelegten Werbekampagne
(Propaganda) im In- und Ausland instrumentalisierte man geschickt den Sport zum massenwirksamen Ereignis. Erstmals sicherten
Rundfunk- und Fernsehübertragungen eine
überwältigende nationale und internationale
Beachtung der sportlichen Wettkämpfe. Die
Selbstdarstellung des nationalsozialistischen
Regimes äußerte sich zudem in vielen kulturellen Begleitveranstaltungen.
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Richard Strauss wurde bereits im Herbst 1931,
dann noch einmal Anfang 1933 angefragt und
schließlich 1934 offiziell vom Internationalen
Olympischen Komitee mit der Komposition
der Olympia-Hymne beauftragt. So schrieb
Strauss diese Auftragsmusik also nicht für
den NS-Staat, sondern für das IOC. Der Text
von Robert Lubahn wurde in einem Wettbewerb ausgewählt und von Strauss für geeignet befunden. Die Musik für gemischten Chor
und großes Orchester steht nicht im direkten
Zusammenhang mit dem Strauss’schen komplexen und harmonisch reichen Chorwerk.
Für ihn, den Grandseigneur der deutschen
Musik, war diese Arbeit lediglich ein Gelegenheitswerk, wenngleich sie ihm auch internationale Beachtung verschaffte. In einem Brief
an seinen Librettisten Stefan Zweig äußert er
sich über die Hymne:
„Ich vertreibe mir in der Adventslangeweile die
Zeit damit, eine Olympiahymne für die Proleten zu componieren, ich – der ausgesprochene
Feind und Verächter des Sports.“
Richard Strauss, 1934
Richard Strauss und der Sport
Wenngleich der im Jahr 1934 bereits siebzigjährige Komponist auch seinen Standpunkt
gegenüber dem Sport deutlich bezieht, ist
seine eigene sportliche Aktivität tatsächlich
nicht nur negativ besetzt. So nennt er in
einem anderen Zusammenhang das Skifahren zwar „eine Beschäftigung für norwegische
Landbriefträger“, gleichwohl geht er mit seiner Frau Pauline gerne zum Eislaufen und mit
seinen Enkeln zum Rodeln. Schließlich beschreibt er auch in seiner autobiografischen
Oper Intermezzo (1924) eine Rodelszene und
verewigt so seine Frau Pauline musikalisch.
Zudem war Strauss in seinen frühen Jahren
ein hervorragender Reiter.
Richard Strauss in der NS-Zeit
Die Rolle Richard Strauss´ in der Zeit des Nationalsozialismus wird vielfach sehr kritisch gesehen. In vielerlei Hinsicht handelte Strauss
naiv, instinkt- und bisweilen auch taktlos.
Letztendlich war er wohl immer von der inneren Überzeugung getrieben, dass seine
Werke an deutschen Opernhäusern unter
allen Umständen gespielt werden mussten.
Deshalb kam offener Widerstand für ihn nie
in Frage. Erst als die deutschen Opernhäuser
am Ende des Zweiten Weltkrieges allesamt
in Schutt und Asche lagen, brach für Strauss
eine Welt zusammen.
Stefan Zweig, der für Strauss das Libretto zur
Oper Die schweigsame Frau (Dresden, 1935)
schrieb, resümiert in seiner 1940 begonnenen
Autobiografie „Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers“ aus seiner Sicht
über die Gründe für Richard Strauss´ Arrangement mit dem NS-Regime:
„Bei Strauss dagegen war die Teilnahme bedeutend absichtsvoller. Bei seinem Kunstegoismus, den er jederzeit offen und kühl bekannte,
war ihm jedes Regime innerlich gleichgültig. Er
hatte dem deutschen Kaiser gedient als Kapellmeister und für ihn Militärmärsche instrumentiert, dann dem Kaiser von Österreich als Hofkapellmeister in Wien, war aber ebenso in der
österreichischen und deutschen Republik persona gratissima gewesen. Den Nationalsozialisten besonders entgegenzukommen, war außerdem von vitalem Interesse für ihn, da er in
nationalsozialistischem Sinne ein mächtiges
Schuldkonto hatte. Sein Sohn hatte eine Jüdin
geheiratet, und er musste fürchten, dass seine
Enkel, die er über alles liebte, als Auswurf von
den Schulen ausgeschlossen würden; seine
neue Oper war durch mich belastet, seine früheren Opern durch den nicht ‚rein arischen‘
Hugo von Hofmannsthal, sein Verleger war ein
Jude. Um so dringlicher schien ihm geboten,
sich Rückhalt zu schaffen, und er tat es in beharrlichster Weise. Er dirigierte, wo die neuen
Herren es gerade verlangten, er setzte für die
Olympischen Spiele eine Hymne in Musik und
schrieb mir gleichzeitig in seinen unheimlich
freimütigen Briefen über diesen Auftrag mit
wenig Begeisterung. In Wirklichkeit bekümmerte ihn im sacro egoismo des Künstlers nur eines: sein Werk in lebendiger Wirksamkeit zu erhalten und vor allem die neue Oper aufgeführt
zu sehen, die seinem Herzen besonders nahe
stand.“
Richard Strauss (1864–1949)
und der Propagandaminister Joseph Goebbels
Die Olympia-Hymne
Der Text von Robert Lubahn (1903–1974) „Völker! Seid des Volkes Gäste, kommt durch‘s
offne Tor herein!“ bringt den Wunsch von
Olympia als ein Sieges- und Friedensfest zum
Ausdruck, hebt aber auch – insbesondere
nach der auf Betreiben Goebbels vorgenommenen Textrevision – Tugenden wie Ehre und
Treue hervor. Die vollständige Textfassung ist
im Internet verfügbar.
Überdies findet diese Olympia-Hymne auch
in Leni Riefenstahls nationalsozialistischem
Propagandafilm „Olympia“ Verwendung. Der
im Jahre 1938 veröffentlichte berühmt-berüchtigte Olympia-Film ist in zwei Teile gegliedert: „Olympia – Fest der Völker“ (Teil I)
und „Olympia – Fest der Schönheit“ (Teil II).
Im Rahmen eines Prologs fasst Riefenstahl
wesentliche Elemente der Berliner Eröffnungsfeier zusammen; im Soundtrack des
Filmkomponisten Herbert Windt erklingt u. a.
die Olympia-Hymne von Richard Strauss.
Stefan Zweig, 1942
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