theater: die kunst der improvisation

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6 Theater 10.13
Die Kunst der Improvisation
Barbara Mundel und Klaus Engert über die alte, die neue Spielzeit –
und eine örtliche Intervention
10.13 Theater 7
E
von Lars Bargmann
Blicken – für ungewöhnlich
überzeugende Theaterarbeit frisch
ausgezeichnet – optimistisch auf
die neue Spielzeit: Barbara Mundel
und Klaus Engert. Der erwartet
durch das viermonatige Gastspiel
bei Ganter auch keinen Einbruch in
den Zuschauerzahlen.
Fotos: © Theater Freiburg
Mit Büchners Dantons Tod (Bild
links) ist das Theater in eine
Spielzeit gestartet, in der die Bühnentechnik im eigenen Haus für 13
Millionen Euro saniert wird.
Foto: © Maurice Korbel
s wird so oder so eine denkwürdige Spielzeit
am Freiburger Theater, die achte unter der
Regie von Intendantin Barbara Mundel und
dem kaufmännischen Direktor Klaus Engert.
Denn ob der rund 13 Millionen Euro teuren
Sanierung der Bühnentechnik – die Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach schon
mal als das „sechste Museum der Stadt“ bezeichnet – muss das Theater im kommenden
März für vier Monate vom Rotteckring an die
Schwarzwaldstraße umziehen. Lars Bargmann hat sich nach der Premiere von Dantons Tod mit Mundel und Engert getroffen.
interessantes Programm haben und beim
Übergang vom Theater in die Zelthalle mit
einer Premiere am 29. März fast nahtlos
weitermachen.
cultur.zeit: Die neue Spielzeit ist jetzt gestartet, eine der großen Aufgaben ist im kommenden März der Umzug aufs Ganter-Gelände, wo bis zum 27. Juli dann unter einem
Zeltdach gespielt wird. Was kommt künstlerisch, was organisatorisch auf Sie zu?
Mundel: Ich merke bei der Vorbereitung mit
den Teams hier im Haus, dass das als
künstlerisch und organisatorisch spannende Herausforderung begriffen wird, weil
wir bei Ganter ja kein klassisches Theater
haben, sondern ein Zelt oder besser eine
Theaterhalle. Aber es gibt dort auch eine
sehr schöne Nähe zwischen Bühne und
Tribüne. Wir müssen und dürfen lustvoll
improvisieren.
cultur.zeit: Ihr Etat liegt bei knapp 27 Millionen Euro. 8 kommen vom Land, 15 von der
Stadt, für die restlichen 4 Millionen Euro
müssen Sie selber sorgen. Wenn Sie den
finanziellen Rahmenbedingungen in Freiburg einen Schulnote geben müssten …
Mundel: … hm, das ist eine schwierige Frage.
Der Großteil meines Jobs besteht ja darin,
Künstlern zu sagen, warum sie das alles nicht
machen können, was sie gerne machen möchten (lacht). Man kann sagen, dass die Stadt,
das Rathaus und der Gemeinderat, sich in den
vergangenen Jahren sehr angestrengt haben,
um zu zeigen, dass sie dieses Theater unterstützen wollen. Das verdient eine tolle Note.
Engert: Obwohl wir schon in der Spielzeit
11/12 Rekorderlöse geschafft haben, haben
wir diese in 12/13 noch einmal leicht gesteigert. Wir machen also gute Arbeit.
Mundel: Es ist wichtig, dass Sponsoren, unsere Theaterfreunde und Stiftungen einzelne Projekte fördern. Und da haben wir
stark zugelegt.
cultur.zeit: Wie bewerten Sie die abgelaufene
Spielzeit? Es gab nach 218.000 Zuschauern
in der Spielzeit 2011/12 einen Zuschauerrückgang um 2,9 Prozent oder 6000 …
Engert: In der Zielvereinbarung mit dem Rathaus sind 210.000 als Zielmarke definiert.
Das haben wir erreicht und insofern können
wir damit auch zufrieden sein.
cultur.zeit: Man könnte das Gastspiel inhaltlich als Chance sehen. Das Freiburger Theater ist nicht zuletzt durch Ihre Intendanz in
der Stadt stark dialogisch orientiert, ist in
die Stadtteile wie nach Haslach gegangen.
Nun können Sie diesen Prozess in der Oberwiehre ausprobieren …
Mundel: … genau das wollen
wir tun. Wir stoßen bei Ganter Mit ungewöhnlichen Projekten
auf kulturaffine Eigentümer, einen guten Ruf erworben
der Bürgerverein OberwiehreWaldsee ist in gutem Kontakt
mit uns. Wir machen ein Projekt Schwarz- cultur.zeit: Das Theater wurde von der Fachzeitwaldstraße, uns interessiert die Geschichte schrift „Deutsche Bühne“ erneut für seine
der Stadtteile an dieser Straße, wir machen „ungewöhnlich überzeugende Theaterarbeit
ein Projekt im Senioren-Wohnstift, wir abseits großer Theaterzentren“ ausgezeichnet.
Mundel: Wir freuen uns darüber wirklich sehr.
wollen das Viertel einbeziehen.
Engert: In den 90er Jahren musste das Ich glaube, dass wir uns auf verschiedenen
Theater ja schon einmal in ein Zelt im Ebenen mit sehr ungewöhnlichen Projekten,
Eschholzpark ausweichen. Damals wurde nicht nur im Bereich kulturelle Bildung, eidas vom Publikum sehr gut angenommen nen guten Ruf erworben haben. Frau Bauer
und deswegen sind wir auch optimistisch. (Theresia Bauer, baden-württembergische
Die Theaterhalle bei Ganter kann auch Kult Ministerin für Forschung, Wissenschaft und
werden. Vielleicht bekommen wir da Publi- Kunst, d. Red.) hat uns zu der Auszeichnung
kum, das sonst nicht ins Große Haus gehen sehr gratuliert, das wird auch in Stuttgart
würde. Wir denken, dass wir über die ge- wahrgenommen.
samte Spielzeit die gleiche Gesamtbesu- cultur.zeit: Inwiefern sind die Schwerpunkte
cherzahl erreichen werden, weil wir ein sehr der Spielzeit in Tanz, Schauspiel und Mu-
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Mundel: Der Schwerpunkt liegt klar auf dem
Team. Dieses Theater zeichnet eine starke inhaltliche Arbeit aus, die in so scheinbar seltsamen Projekten wie dem Finkenschlag Ausdruck findet, das man nicht mit drei
Stichworten erklären kann. Wir denken sehr
intensiv über die Ensembles und die sogenannte kulturelle Bildung nach. Wir entwickeln Ideen für Regisseure, das sind sehr komplexe Prozesse. Und wenn wir das Programm
dann im Mai veröffentlichen, dann wissen wir
zwar ziemlich genau, wie etwa die Opern besetzt sind. Aber beim Tanz oder auch beim
Schauspiel gibt es dann noch
sehr viele Unwägbarkeiten: BühFoto: © Maurice Korbel
nenbilder, Kostüme, die endgültigen Fassungen …
siktheater auf die Zelthalle bei Ganter ausgerichtet?
Mundel: Wir haben versucht, für diese vier Monate in der besonderen Spielstätte zu denken,
uns Inhalte zu überlegen, die da besonders
interessant werden. Wir bleiben uns im großen Haus aber auch treu und setzen unsere
Beschäftigung mit Wagner fort. Die Regisseurin Eva-Maria Höckmayr, die hier schon erfolgreich gearbeitet hat, wird Tannhäuser in
Szene setzen.
cultur.zeit: Gänzlich neu hingegen ist die Beschäftigung mit der Operette …
Reif für den Export: Mit Parsifal
gastiert das Freiburger Theater Ende
Juli im Royal Opera House im englischen Norwich – vor vielleicht 1800
Zuschauern.
Mundel: … mit diesem Genre haben wir uns
bisher tatsächlich stark zurückgehalten. Aber
nun kommt Frank Hilbrich und bringt
Kálmáns „Csárdásfürstin“. Aber auch auf
Verdis „Sizilianische Vesper“ darf man gespannt sein. Neu ist übrigens auch, dass wir
erstmals eine Uraufführung, „Oskar und die
Dame in Rosa“, im Musiktheater zeigen, die
unser Generalmusikdirektor Fabrice Bollon
komponiert hat.
Infos
· Im Freiburger Theater arbeiten
derzeit 400 Menschen auf 325
Vollzeitstellen.
· Der Jahresetat liegt bei 27
Millionen Euro.
· Die wirtschaftlichen Eckdaten
sind in einer Zielvereinbarung mit
der Stadtverwaltung festgeschrieben, die noch bis
einschließlich 2018 gilt.
Tariferhöhungen
trägt die Kommune.
· Der Vertrag mit der Intendantin
Barbara Mundel läuft noch bis
2016, der von Klaus Engert endet
ein Jahr früher. Ob sie darüber
hinaus in Freiburg bleiben wollen,
wollten/konnten sie im Interview
nicht beantworten.
www.theater.freiburg.de
cultur.zeit: Wie wird sich der Tanz zeigen?
Mundel: Der trägt in dieser Spielzeit stärker
die Handschrift von Anna Wagner, die sehr
spürbar die Vernetzung des Tanzes weitertreibt. Wir sind bei Triptic dabei, ein neues
Projekt zum Kulturaustausch am Oberrhein, wo wir mit der Kaserne in Basel und
den Theatern Le Maillon & Pôle Sud in
Strasbourg gemeinsam was auf die Bühnen
bringen werden. Und wir machen weiter
mit dem sehr spannenden Schulprojekt
Learning by moving, das von der Bundeskulturstiftung gefördert wird. Der Tanz wird
sich auch drei Monate lang im WintererFoyer mit einem Tanzarchiv festsetzen, in
dem sich Choreografen aus Indonesien, Algerien und Südafrika mit der deutschen
Tanzgeschichte auseinandersetzen. Das gab
es auch noch nie.
cultur.zeit: Wie baut sich das Programm für
eine Spielzeit auf? Läuft der Mailkasten mit
Gastspiel-Anfragen über oder passiert das
mehr aus dem Team heraus?
cultur.zeit: Haben Sie beide
persönliche Lieblingsvorstellungen?
Mundel (denkt lange nach): Hm,
das ist sehr schwer zu beantworten. Nicht, weil dann jemand beleidigt sein könnte,
sondern weil es einfach heute
noch nicht ganz klar ist, wie die Stücke wirklich werden, weil man noch zu wenig weiß.
Ich freue mich total auf die Premiere der
Csárdásfürstin, eben weil wir uns an dieses
Genre noch nicht gewagt haben, es eine tolle Fassung gibt und ein ungewöhnliches
Raumkonzept.
Engert: Konkrete Lieblinge habe ich auch
nicht. Aber ich finde es sehr bemerkenswert,
dass wir zum Ende der Spielzeit mit Tannhäuser und Parsifal vier Vorstellungen im Royal Opera House in Norwich in England spielen, mit 1800 Plätzen. Das ist eine Bestätigung
für das, was wir hier machen, Freiburg wird
international wahrgenommen.
cultur.zeit: Wie kam das zustande?
Mundel: Über einen Kritiker, der das hier gesehen hat. Die Freude ist sicher groß, aber
es ist eine große Herausforderung. Wir sind
auch mit unserer Produktion „Gottes kleiner Krieger“ zum Lessing-Festival nach
Hamburg eingeladen. Die Volksbühne (Berlin, wo Mundel früher arbeitete, d. Red.)
hatte nie Probleme, auf Gastspiel-Reise zu
gehen und gleichzeitig zu proben und das
Haus zu bespielen. Das schaffen wir mit unserer Personalstärke aber nicht – leider
nicht. Aber wir spielen ja auch in erster Linie für die Menschen hier.
cultur.zeit: Frau Mundel, Herr Engert, vielen
Dank für dieses Gespräch.
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