Bioptische Sicherung von gut- und bösartigen Knochentumoren

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Knochentumoren
© Schattauer 2009
Bioptische Sicherung von gutund bösartigen Knochentumoren
J. Bruns1; G. Delling2; C. Habermann3
1Schwerpunkt
orthopädische Chirurgie, Diakonieklinikum Hamburg, Standort „Alten Eichen“, Hamburg; 2Institut für
Pathologie, MVZ, Marienkrankenhaus Hamburg; 3Klinik und Poliklinik für diagnostische und interventionelle Radiologie, Diagnostikzentrum Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Schlüsselwörter
Tumor, Knochen, Sarkom, Biopsie
Zusammenfassung
Knochentumoren, meist benigne Läsionen
oder tumorähnliche Läsionen, sind relativ
häufig. Maligne Primärtumoren des Skelettapparates, meist Osteo-, Chondro- und
Ewing-Sarkome, dagegen relativ selten, Knochenmetastasen wiederum sehr häufig. Die
Symptome dieser Tumoren oder tumorähnlichen Läsionen sind unspezifisch. Am dramatischten sind pathologische Frakturen. Die
Therapie dieser Erkrankungen ist sehr unterschiedlich: Benigne Läsionen werden in der
Regel ohne Sicherheitsabstand reseziert. Zystische Tumoren und tumorähnliche Läsionen
meist „intraläsional“ ausgeräumt. Zusätzliche intraoperative Maßnahmen, sogenannte
Kautherisierungen, helfen, mikroskopische
Tumorreste abzutöten. Anschließend wird der
Defekt meist mit einer Knochenzementplombe (thermische Kautherisierung) aufgefüllt
und erst zweizeitig mit autogenem Knochen
aufgefüllt. Bei Knochenmetastasen besteht
meist ein palliatives Therapiekonzept, da die
Grunderkrankung einen wesentlichen Einfluss auf die Prognose quoad vitam hat. Dagegen hat bei primären Malignomen des Knochens die Therapie in aller Regel ein kuratives
Ziel. Die operative Resektion steht dabei im
Zentrum der Behandlung, Chemo- und Strahlentherapie stellen neo- und adjuvante Maßnahmen dar und haben einen wesentlichen
Einfluss auf die Prognose. Der bioptischen
Korrespondenzadresse
Professor Dr. med. Juergen Bruns
Schwerpunkt orthopädische Chirurgie
Diakonieklinikum Hamburg Standort „Alten Eichen“
Jütländer Allee 48, 22527 Hamburg
Tel.: + 49 40 54 87 21 01, Fax: + 49 40 54 87 21 09
E-Mail: [email protected]
Diagnostik kommt ein wesentlicher Stellenwert zu. Biopsien werden in Inzisions- und Exzisionsbiopsien unterschieden. Bei den Inzisionsbiopsien unterscheidet man Nadel- oder Stanzvon offenen Biopsien. Für die Probenentnahme
gibt es genau beschriebene Leitlinien. Da die
Biopsiestelle durch Tumorzellen kontaminiert
ist, muss diese bei malignen Tumoren bei der
späteren operativen Tumorresektion mit kurativem Operationsziel zusammenhängend mit
dem Tumor entfernt werden. Von der Inzisionsist die Exzisionsbiopsie zu unterscheiden. Aufgrund der multimodalen Therapie bei Sarkomen ist eine Exzisionsbiopsie nur bei Tumoren
und tumorähnlichen Läsionen des Knochens indiziert, bei denen keine oder nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit eines malignen Geschehens besteht. Auch dann sind die Kriterien
„möglichst geringe Kontamination der Umgebung“ und „Berücksichtigung einer eventuellen Nachresektion“ zu beachten. Im Zweifelsfall ist immer eine Inzisionsbiopsie der Exzisionsbiopsie vorzuziehen. Da die Komplikationsrate von Biopsien, egal welcher Technik, durchgeführt in einer Institution außerhalb eins Tumorzentrums signifikant höher ist, sollte der
Patient im Zweifelsfall noch vor einer Biopsie in
ein Tumorzentrum überwiesen werden, zumindest sollten die Durchführungskriterien mit einem derartigen Zentrum vor der Biopsie abgesprochen werden. Erfolgt eine Biopsie außerhalb eines Tumorzentrum, ist für den späteren
Operateur eine bildgebende Dokumentation
zur Identifikation der Biopsiestelle zwingend
notwendig.
Bioptical confirmation of benign and malignant
bone tumors
Osteologie 2009; 18: 177–183
eingereicht: 31. Juli 2009
angenommen: 25. August 2009
Keywords
Tumor, sarcoma, bone, biopsy
Summary
Musculo-sceletal tumors are rare and their
symptoms are not specific. A physician should
be particularly aware of these diseases. Since
malignant primary bone tumors are treated
with a multimodal regimen, a bioptical confirmation of the diagnosis is necessary. During
biopsies, strict rules must be complied with in
order to avoid complications which would
probably result in more extensive surgery or
even amputation of the limb. Technically, incisional biopsies can be differentiated from excisional ones. Incisional biopsies can be divided into needle or needle-core biopsies or in
open biopsies. Needle biopsies provide only a
very small amount of tissue, often enabling
only a cytological diagnosis and are not appropriate for bone biopsies. An open biopsy is
the gold-standard and is a safe procedure regarding the diagnosis, but it is more complicated than a needle-core biopsy. Contamination of the biopsy channel is unavoidable.
Thus, during the tumor resection procedure,
the biopsy channel has to be completely removed together with the tumor. Excisional
biopsies for bone tumors are only indicated in
small cystic (< 5 cm) bone lesions and bonetumors with a slow growth and a low likelihood of malignancy. Strict rules for all kinds of
biopsies are described to minimize tumor-cell
contamination of the surrounding. In cases of
unclear diagnoses, incisional biopsies are recommended. Since it is well-known that complication rates of biopsies performed in a
tumor centre are significantly lower than
those performed in a referral institution, patients with musculo-sceletal tumors suspected of being malignant should be referred
to such a centre prior to the biopsy.
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J. Bruns et al.: Bioptische Sicherung von gut- und bösartigen Knochentumoren
Gutartige Knochentumoren und sogenannte
tumorähnliche Läsionen (TÄL) sind relativ
häufig. Diese benignen Entitäten können teilweise eine hohe Rezidivrate aufweisen (1, 2).
Unter den malignen Tumoren stellen die
Knochenmetastasen die häufigsten Läsionen
dar. Sehr viel seltener sind primäre Malignome des Knochens, wie Osteo- und Ewing-Sarkome, die besonders im Kindes- und Jugendalter auftreten (3, 4), und das Chondrosarkom, das das häufigste Knochensarkom im
Erwachsenenalter darstellt (5, 6). Die Chance
für einen nicht onkologisch tätigen Orthopäden, einen malignen Tumor des Skelettapparates zu sehen, beträgt weniger als einen
Tumor in drei Jahren (7).
Benigne Knochentumoren und TÄL werden in der Regel ohne Sicherheitsabstand reseziert bzw. es erfolgt eine „intraläsionale
Ausräumung“ und anschließende Defektauffüllung, meist mit Knochenzement nach zusätzlicher chemischer, mechanischer und/
oder thermischer Kautherisierung mit verschiedenen Maßnahmen wie hochprozentigem Alkohol für Minuten, Radiofrequenzablation oder Knochenzement (Polymerisationshitze) (8).
Anders gestaltet sich die Behandlung von
primären Malignomen des Knochens. Während bei Sarkomen meist ein kuratives Therapieziel besteht (3), hat die Behandlung von
Knochenmetastasen dagegen in den meisten
Fällen ein palliatives Behandlungsziel (9–12).
Nur in Ausnahmefällen kann auch bei Knochenmetastasen ein kuratives Behandlungsziel bestehen.
Da klinisch die Symptome völlig unspezifisch sind, laborchemische Untersuchungen
nur selten helfen und die bildgebende Diagnostik, obwohl sie in den letzten Jahren wesentliche Verbesserungen erzielt hat, eine definitive Diagnose nicht erlaubt, ist diese in fast
allen Fällen erst mittels Biopsie und histopathologischer Untersuchung zu stellen.
Auch wenn die Bildgebung (meist MRT
und Röntgen) eindeutige Malignitätskriterien zeigt, ist es für die nach Diagnosestellung
wahrscheinlich indizierte multimodale Therapie wichtig, den Grad der Malignität und
die Sarkomentität zu kennen, da die neoadjuvante Behandlung mit Chemotherapie und
gegebenenfalls Strahlentherapie (Ewing-Sarkomgruppe) dieser Tumoren unterschiedlich
ist.
Nicht nur bei Verdacht auf einen malignen
Primärtumor des Knochens ist aufgrund der
therapeutischen Konsequenzen eine Biopsie
unverzichtbar. Auch wenn es sich um eine
Knochenmetastase oder um eine maligne
hämatologische Erkrankung wie ein Plasmozytom oder Lymphom handeln könnte,
besonders wenn derartige Erkrankungen
bisher nicht bekannt sind, kann eine Biopsie,
ebenso wie bei unklaren, aber benignen
Läsionen, notwendig sein (13, 14).
Die Eröffnung des Tumors bzw. der TÄL
durch die Biopsie führt unvermeidbar zu einer Kontamination des Biopsiekanals durch
Tumorzellen. Dies ist während der Biopsie
hinsichtlich der späteren operativen Therapie
mit kurativem Therapieziel eines malignen
Prozesses zu berücksichtigen.
Eine inadäquate Resektion, d. h. keine
„weite Resektion“ (SSS-Definition nach Enneking) oder keine „R-0-Resektion“ (UICCDefinition) verschlechtert die Behandlungsergebnisse eindeutig. Auch durch eine adjuvante Therapie kann dieser Nachteil nicht
ausgeglichen werden (15–19). Daraus folgert,
dass der Biopsiekanal als Teil des Tumors gilt.
Eine kurative Resektion maligner Knochentumoren erfordert daher, den Biopsiekanal zusammenhängend mit dem Tumor zu
entfernen.
Ist der Biopsiekanal aufgrund mangelnder
Markierung bzw. Dokumentation nicht wiedererkennbar und somit nicht zusammenhängend mit dem eigentlichen Tumor zu entfernen, kann das kurative Ziel einer „weiten“
oder R0-Resektion nicht erreicht werden. Es
besteht die Gefahr, dass sich eine sogenannte
Implantationsmetastase bzw. ein Rezidiv entwickelt (20–22).
Diese Betrachtungsweise des Biopsiekanals stellt eines der Hauptkriterien für eine
Probenentnahme dar.
Vor einer Biopsie sollte immer eine interdisziplinäre Besprechung zwischen dem
Operateur, dem Radiologen und dem Pathologen erfolgen. Es sollten dabei drei Differenzialdiagnosen genannt werden, um die Aufmerksamkeit zu steigern und um möglichst
früh weitere therapeutische Schritte einleiten
zu können. Außerdem sollte definiert werden, aus welchem Teil der Läsion bzw. des Tumors Gewebe zu entnehmen ist (13, 14).
Liegt ein extraossärer Tumoranteil vor,
wird in der Regel aus diesem Bereich die
Biopsie entnommen. Bei rein ossären Prozes-
sen ist es wichtig, die Biopsie nicht aus der
meist zentral befindlichen Nekrose zu entnehmen, da es dem Pathologen unmöglich
ist, anhand nekrotischen Gewebes eine Diagnose zu stellen.
Eine Besonderheit unter den primären
Malignomen des Knochens stellt das dedifferenzierte Chondrosarkom dar (23, 24) (siehe
auch Kapitel Kasuistiken, Beispiel 2). Bei diesem Tumor liegen nebeneinander zwei sehr
unterschiedliche Tumoranteile vor: Der
chondroide Anteil, der für die Prognose relativ unwichtig ist, und der dedifferenzierte Anteil, der die Prognose wesentlich bestimmt.
Fatal wäre es, ein Areal mit fraglich dedifferenziertem Tumorgewebe zu übersehen und
die Biopsie aus dem chondroiden Bereich zu
entnehmen. Dies könnte zur Folge haben,
dass der Tumor in seinem Grading zu niedrig
eingestuft wird, ein Grad-I–III-Chondrosarkom oder gar ein Enchondrom ohne Dedifferenzierung angenommen wird und „nur“ eine operative Resektion ohne adjuvante Therapie erfolgen würde. Das dedifferenzierte
Chondrosarkom ist eines der wenigen Chondrosarkome, die nicht nur operativ zu behandeln sind, sondern auch einer neo- und/oder
adjuvanten Chemotherapie zugänglich sind.
Nach der Biopsie muss nachvollziehbar
sein, an welcher anatomischen Lokalisation
diese erfolgte. Bei einer offenen Inzisionsbiopsie markiert die spätere Narbe auf dem
Hautniveau die Zugangsstelle. Bei Nadeloder Stanzbiopsien ist es unabdingbar, diese
Stelle in geeigneter Weise permanent zu markieren, damit der Operateur den – wenn auch
dann kleinen – Biopsiekanal mit dem Tumor
zusammen entfernen kann.
Vorgehensweisen
Bei den Biopsien sind prinzipiell zwei
Vorgehensweisen zu unterscheiden
– Eine Inzisionsbiopsie hat das Ziel, einen
repräsentativen Teil des Tumors für diagnostische Zwecke zu gewinnen. Dabei verbleibt der größte Teil des Tumors vorerst
im Patienten. Erst zweizeitig erfolgt nach
Diagnosestellung und eventuell neoadjuvanter Therapie die Tumorresektion,
meist mit dem Ziel einer „weiten Resektion“ (13, 14, 25, 26).
– Bei einer Exzisionsbiopsie wird dagegen
der gesamte Tumor ohne Sicherheits-
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abstand entfernt und der histo-pathologischen Untersuchung zugeführt. Dies ist
die Vorgehensweise bei benignen Läsionen bzw. TÄL, bei denen nach der interdisziplinären Besprechung keine oder nur
eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit für ein Malignom besteht.
Die Inzisionsbiopsie, ob offen oder mittels
Nadeln oder Stanzen durchgeführt, ist
immer dann indiziert, wenn der Verdacht
auf einen malignen Prozess besteht.
Die Inzisionsbiopsie kann prinzipiell in Form
einer offenen Inzisionsbiopsie oder einer
Nadel- oder Stanzbiopsie erfolgen.
Die offene Inzisionsbiopsie gilt als „Goldener
Standard“ (7). Bei ihr wird nach vorheriger
Definition der Zugangsstelle der Tumor auf
möglichst direktem Wege transmuskulär
über eine Längsinzision erreicht und ein ausreichend großes Gewebestück entnommen.
Liegt ein extraossärer Tumoranteil vor, sollte
aus diesem Bereich Gewebe entnommen werden. Bei ausschließlich im Knochen liegenden Läsionen ist aus möglichst vitalen Arealen Gewebe zu entnehmen, um dem Pathologen die Diagnosestellung zu ermöglichen
(s. o.).
Bei einer Nadel- oder Stanzbiopsie handelt es sich um eine minimal-invasive Methode. Prinzipiell wird dabei mittels einer Nadel
oder Stanze aus dem zuvor definierten
Tumorareal eine Probe zur histologischen
Untersuchung entnommen. Die wesentliche
Problematik besteht darin, ausreichend
Gewebe zu gewinnen. Nadelbiopsien können
im Unterschied zu Stanzen nur geringe
Gewebemengen fördern und sind für Biopsien am Knochen aufgrund seiner Härte
wenig geeignet. Auch wenn mittels Nadelbiopsie Gewebe gewonnen werden kann, ist
häufig nur eine zytologische und keine
histologische Diagnostik möglich.
Für die Stanzbiopsie von hartem Knochengewebe hat sich die Jamshidi-Stanze bewährt (27–30). Mit ihr lässt sich ein je nach
Größe bzw. Länge der Stanze unterschiedlich
großer Stanzzylinder gewinnen, der auch eine
histologische und nicht nur eine zytologische
Diagnostik möglich macht. Bei zu hartem
Knochengewebe oder zu flüssigem Gewebe
kann jedoch auch mit einer Stanze die Biopsie
frustran verlaufen.
Wegen obengenannter Kriterien ist immer
die Lage der Instrumente während der Biopsie durch ein geeignetes bildgebendes Verfahren zu dokumentieren. In aller Regel sollte es
sich um eine radiologische Methode (Röntgen, CT, oder eventuell MRT) handeln. Dabei
ist darauf zu achten, dass zweifelsfrei wiedererkennbare anatomische Landmarken abgebildet werden.
Eine Dokumentation mittels Ultraschall
erscheint nicht nur den Autoren als unzureichend, da anatomische Landmarken nicht
ausreichend sicher erkennbar sind. Insbesondere zur Abbildung des Knochens reicht eine
Sonografie nicht aus. Außerdem ist die maximale Vordringtiefe des Instrumentes zu dokumentieren. Fatal wäre es, wenn durch eine
zu forsche Vorgehensweise der Tumor durchstoßen wird und somit das gegenseitige gesunde Gewebe bzw. ein weiteres Kompartiment oder gar Leitungsstrukturen wie Nerven oder Gefäße kontaminiert oder verletzt
werden.
Bei einer Exzisionsbiopsie wird dagegen
der Tumor komplett im Sinne einer Enukleation entfernt und histopathologisch untersucht. Diese Vorgehensweise ist nur bei geringem Malignitätsverdacht, kleiner Tumorgröße (< 5 cm) und oberflächlicher, epifaszialer
Lage im Weichteil bzw. entsprechenden Kriterien am Knochen (z. B. Enchondrom) oder
bei zystischen Läsionen und sogenannter „intraläsionaler Ausräumung“ indiziert.
Auch bei einer Exzisionsbiopsie ist es
wichtig, die Kontamination der Umgebung
möglichst gering zu halten, da sich trotz Annahme eines benignen Prozesses nach der
histopathologischen Untersuchung ein maligner Prozess ergeben könnte. Werden die
Durchführungskriterien einer Inzisionsbiopsie – soweit möglich – auch bei Exzisionsbiopsien beachtet, ist auch in derartigen Fällen eine Nachresektion mit „weiten“ Resektionsrändern“ möglich und somit das operativ-onkologische Ziel weiterhin erreichbar.
Grundregeln für Biopsien
bei Verdacht auf einen
malignen Knochentumor
Das oberste Gebot lautet: Vermeidung einer
größeren Kontamination der gesunden Umgebung, denn es könnte sich ergeben, dass es
sich doch um ein Malignom handelt, das zur
Nachresektion zwingt. Werden also auch bei
benignen Läsionen die allgemeinen Kriterien
eingehalten, kann eine Nachresektion ohne
große Probleme ablaufen.
1. Präoperativ ist in einer interdisziplinären
Besprechung zwischen Radiologen, Pathologen und Operateur anhand der Bildgebung (meist Röntgen und Magnetresonanztomografie) das Tumorareal zu definieren, das die größte Wahrscheinlichkeit
bzw. höchste Trefferquote besitzt, um repräsentatives, möglichst nicht ossifiziertes
und nicht nekrotisches Gewebe zu gewinnen.
2. Bei der Operation kann eine Blutsperre
fakultativ angelegt werden. Eine Blutleere
verbietet sich, da das notwendige Auswickeln der Extremität zum verstärkten
Auspressen von Tumorzellen führen kann.
Eine Blutsperre sollte vor Wundverschluss
geöffnet werden, um etwaige Blutungen
suffizient versorgen zu können und um
Hämatome zu vermeiden.
3. An Extremitäten sollten nur längsverlaufende Inzisionen erfolgen. Sie sollten möglichst weit distal und so lokalisiert sein,
dass sie bei der späteren Resektion des Tumors im Verlauf der Inzision zur Tumorresektion liegen. Die verheilte Biopsienarbe gilt als durch Tumorzellen kontaminiert und wird mit dem Tumor zusammenhängend später reseziert. Bei Knochentumoren, die auf den Knochen begrenzt sind und keinen Weichteilanteil
aufweisen, wird durch eines der Muskelkompartimente eingegangen. Eine Präparation im Spaltraum der Faszien zwischen zwei Muskelkompartimenten ist zu
vermeiden. Dies unterscheidet sich deutlich von einer Präparation bei nichttumorösen Erkrankungen. Die Präparation erfolgt direkt auf den Tumor zu, eine Präparation zur Seite ist zu vermeiden, da sie
das Kontaminationsareal vergrößert. Eine
Präparation nahe von Gefäßen und Nerven ist zu vermeiden, da diese – ebenso wie
Faszien – als Ausbreitungsschienen für Tumorzellen gelten. Dadurch würde die
Kontaminationsgefahr in der Umgebung
erhöht werden. Weist eine knöcherne Läsion einen Weichteilanteil auf oder könnte
es sich um ein Weichteilsarkom mit sekundärer Beteiligung des Knochen handeln, sollte aus dem extraossären Anteil
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c)
a)
d)
e)
g)
f)
b)
Abb. 1 MRT (sagittale Ebene) mit Darstellung einer Osteolyse im distalen Femur (a); Röntgenbild mit Verbundosteosynthese (b); präoperative Situation mit
eingezeichnetem Resektionsbereich unter Mitnahme der Austrittsstelle der Drainage (c); intraoperativer Situs: Die alte Inzisionsnarbe wird komplett und am
Resektat anhaftend reseziert (d); Situs nach Resektion und Implantation eines distalen Femurteilersatzes (Modell MUTARS®, Fa. Implantcast, Buxtehude) (e);
postoperative Röntgenaufnahmen (f, g)
bzw. aus dem nichtossifizierten Areal die
Gewebeprobe entnommen werden, soweit
andere Kriterien nicht verletzt werden.
4. Eine weitere Prämisse besteht darin, vitales Tumorgewebe zu gewinnen. Da viele
Tumoren eine zentrale Nekrose aufweisen,
ist eine Gewebeentnahme aus meist zentral liegendem Nekroseareal zu vermeiden. Sinnvoller ist die Probenentnahme
aus der Tumorperipherie, da hier die
Chance, vitales Tumorgewebe zu erhalten,
sehr viel größer ist.
5. Nach Entnahme von ausreichendem Gewebe erfolgt bei offenen Biopsien eine
subtile Blutstillung, gegebenenfalls zusätzlich die Einlage von Hämostyptika.
Die Verwendung einer Drainage ist obligat, jedoch darf der Drainagekanal nicht
zusätzlich gesundes Gewebe bzw. andere,
intakte Kompartimente durchqueren und
somit kontaminieren. Daher ist die Drainage aus dem Wundwinkel oder in einer
Entfernung von ca. 1 cm unmittelbar in
Verlängerung des Schnittes auszuleiten.
6. Der Hautverschluss hat atraumatisch mit
intrakutaner Naht oder mit schmaler
transkutaner Naht zu erfolgen. Breite,
durchgreifende Nähte sind wegen der
Kontaminationsgefahr zu vermeiden.
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Kasuistiken
Beispiel 1
Ein 74-jähriger Mann mit bekanntem Prostata-Karzinom klagt seit Wochen über Kniegelenksbeschwerden rechts. Das MRT zeigt
eine große Osteolyse im Bereich des distalen
Femurs (씰Abb. 1a). Unter der Annahme einer Knochenmetastase des Prostata-Karzinoms erfolgte andernorts ohne vorherige Inzisionsbiopsie die palliative, intraläsionale
Stabilisierung mittels Verbundosteosynthese
(씰Abb. 1b). Die histo-pathologische Untersuchung ergab überraschenderweise die
Diagnose eines malignen, fibrösen Histiozytoms des Femurs. Daraufhin erfolgt
zunächst die neoadjuvante Chemotherapie.
Da glücklicherweise nach der Erstoperation
die Kontamination der Umgebung gering
war, war eine weite Resektion mit Implantation eines distalen Femurteilersatzes möglich (씰Abb. 1c–d = intraoperativer Situs;
씰Abb. 1f, 씰Abb. 1g = postoperatives Röntgenbild).
Beispiel 2
Ein 65-jähriger Mann klagt seit mehreren
Wochen über Schmerzen und Schwellung im
mittleren Oberschenkel. Die bildgebende
Diagnostik ergibt einen großen diaphysär lokalisierten Knochentumor des Femurs mit einem großen extraossären Tumoranteil. Das
MRT-Bild zeigt zwei Komponenten des
Tumors, einen chondroiden Anteil sowie
einen nichtchondroiden Anteil (씰Abb. 2a,
씰Abb. 2b) Die Pfeile kennzeichnen den
nichtchondroiden extraossären Tumoranteil.
Nach interdisziplinäer Besprechung erfolgt unter der Verdachtsdiagnose „dedifferenziertes Chondrosarkom“ trotz pathologischer Fraktur (씰Abb. 2c [die Pfeile kennzeichnen den nichtchondroiden – langer Pfeil
– und den chondroiden intramedullären Tumoranteil – kurzer Pfeil]) zunächst die Inzisionsbiopsie aus dem nichtchondroiden extraossären Tumoranteil. Die Verdachtsdiagnose
wird bestätigt. Daraufhin erfolgt aufgrund
der Weichteilbeteiligung und prospektiv
mangelnden Weichteildeckung einer möglichen Tumorendoprothese eine weite Tumorresektion im Sinne der Hüftexartikulation
und anschließender Stumpfaufbauplastik
a)
b)
c)
d)
Abb. 2 MRT (koronale Ebene) eines dedifferenzierten Chondrosarkoms mit den zwei Komponenten
(die Pfeile markieren den dedifferenzierten Anteil) (a); transversales MRT-Bild: zu erkennen ist der große extraossäre Anteil (b); Röntgenbild der pathologischen Fraktur: kurzer Pfeil = chondroide Tumorkomponente; langer Pfeil: dedifferenzierte Komponente (c); postoperatives Röntgenbild nach „weiter Resektion“ und Stumpfaufbauplastik (Modell MUTARS®, Fa. Implantcast, Buxtehude) (d)
(씰Abb. 2d). Damit war eine bessere Prothesenversorgung möglich als nach einer Hüftexartikulation.
Diskussion
Anders als Karzinome sind muskuloskelettale
Sarkome selten und stellen für den nichtonkologisch tätigen erstbehandelnden Arzt
außerhalb eines Tumorzentrums eine Rarität
dar (7). Dies gilt für Knochen- und Weichteilsarkome. In beiden Fällen sind benigne Läsionen etwa hundertmal häufiger als maligne
(1, 2). Das mag der Grund dafür sein, dass das
korrekte Prozedere einer Biopsie häufig nicht
eingehalten wird. Schon 1982 hatten Mankin
et al. (25) berichtet, dass die Komplikationsrate von Biopsien bei Tumoren des MuskelSkelett-Apparates bei Institutionen, die keine
Tumorzentren darstellten, signifikant höher
lag als in Tumorzentren. Erschreckend war
die Erfahrung, dass trotz intensiver Aufklä-
rung über die Gefahren einer insuffizienten
Biopsie der gleiche Erstautor 14 Jahre später
(25, 26) nach einer erneuten Analyse feststellen musste, dass sich keine signifikante Änderung hinsichtlich der Komplikationsrate ergeben hatte: Weiterhin unterschieden sich die
Komplikationsraten und Fehler signifikant:
Biopsien, durchgeführt in zuweisenden, nicht
spezialisierten Institutionen, wiesen trotz
zahlreicher Aufklärungskampagnen abermals eine zwei- bis zwölfmal höhere Fehlerquote auf als diejenigen, die an einem Zentrum erfolgten.
Aufgrund der unspezifischen Symptomatik muskuloskelettaler Tumoren besteht die
wichtigste diagnostische Maßnahme darin,
überhaupt an das Vorliegen eines malignen
Tumors zu denken.
Besteht der Verdacht auf ein malignes oder
in seiner Dignität unklares Tumorleiden, sollte noch vor einer Biopsie ein Tumorzentrum
konsultiert werden.
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J. Bruns et al.: Bioptische Sicherung von gut- und bösartigen Knochentumoren
Diverse Untersuchungen haben gezeigt,
dass die Entwicklung von diagnostischen und
therapeutischen Strategien in einem spezialisierten Tumorzentrum mit interdisziplinärem Vorgehen die Behandlungsergebnisse
deutlich verbessert (7, 25, 26). Welche Form
der Inzisionsbiopsie gewählt wird, hängt u.a.
von der Erfahrung der einzelnen Zentren ab.
Die offene Biopsie gilt als „Gold-Standard“
(7).
Mehrere Untersuchungen über die Wertigkeit von Biopsien am Muskel-Skelettappa-
Fazit für die Praxis
Maligne Primärtumoren des Knochens stellen seltene Entitäten des Muskel-Skelettapparates dar. Ihre Symptome sind nicht richtungsweisend. Für den Erstbehandelnden ist
es daher besonders wichtig, überhaupt an
die Möglichkeit, dass es sich um ein Sarkom
des Knochens handeln könnte, zu denken.
Die bildgebende Diagnostik mittels Röntgenbild und Magnetresonanztomografie
stellt nichtinvasiv die wichtigste Methode
bzw. Methode der Wahl dar. Eine Sonografie
ist nicht ausreichend.
Die Inzisionsbiopsie stellt bei hohem Malignitätsverdacht bzw. unklaren Prozessen die
Methode der Wahl dar. Die offene Biopsie gilt
als Gold-Standard. Stanzbiopsien (Needlecore-Biopsie) weisen eine gleich gute Verlässlichkeit auf. Biopsien sind nach standardisierten Kriterien durchzuführen, um Komplikationsraten gering zu halten.
Eine Exzisionsbiopsie, bei der der Tumor
komplett entfernt wird, ist nur bei kleinen,
oberflächlich liegenden Tumoren bzw. bei
zystischen Läsionen bzw. geringem Malignitätsverdacht indiziert. Auch bei Exzisionsbiopsien sind die obengenannten Kriterien
weitgehend einzuhalten, um im Fall eines
malignen Geschehens die Nachresektion im
Gesunden ohne wesentliche onkologische
Einbußen durchführen zu können.
Komplikationsraten von Biopsien in einem
Tumorzentrum sind wesentlich geringer als
an nicht spezialisierten Institutionen. Dementsprechend wird empfohlen, vor einer
Biopsie derartige Zentren zu kontaktieren
und den Patienten vor der Biopsie dorthin zu
überweisen.
rat, die leider aufgrund der unterschiedlichen
Nomenklatur nicht direkt vergleichbar sind,
unterschiedliche Rahmenbedingungen aufweisen und meist Weichteil- und Knochentumoren gleichzeitig untersuchten, haben aus
verschiedenen Tumorzentren Folgendes gezeigt: Mit einer „needle-core“-Biopsie kann
in 87 Prozent der Fälle eine adäquate Histologie gewonnen werden. Dabei betrug die Treffsicherheit 81,1 Prozent. Zu 100 Prozent
konnten benigne von malignen Läsionen unterschieden und eine spezifische Diagnose gestellt werden (27). Bei 56 Knochenläsionen
zeigte sich 1999 eine „Accuracy“ von 73 Prozent und eine Effectiveness von 75 Prozent
(31). Biopsien unter CT-Kontrolle mit einer
Jamshidi-Nadel ergaben bei 91 Knochentumoren, dass in 100 Prozent der Fälle gutartige
von bösartigen Läsionen unterschieden werden konnten und eine „Accuracy“ von
85 Prozent erzielt wurde (28). Bei 110 Knochenläsionen fanden Puri et al. 2006 (32) einen sogenannten „diagnostischen Gehalt“
von 81,03 Prozent sowie „Accuracy“ von
95,74 Prozent. Bei 253 Knochenbiopsien unter CT-Kontrolle, die mit den Ergebnissen
von Weichteilprozessen verglichen wurden,
ergab sich am Knochen eine geringere „Treffsicherheit“ (68 %) als bei Weichteiltumoren
(79 %). Die „Treffsicherheit“ war abhängig
von der Entität: Sie betrug bei Chondrosarkomen 95 Prozent, bei Ewing-Sarkomen
94 Prozent, bei Metastasen 88 Prozent, bei
Osteosarkomen 87 Prozent und bei benignen
Knochentumoren 81 Prozent. Zudem war die
„Treffsicherheit“ von der anatomischen Lage
des Tumors abhängig: Tumoren an der Wirbelsäule (61 %) wiesen gegenüber einer Lokalisation außerhalb der Wirbelsäule (75 %) eine geringe Trefferquote auf, Beckentumoren
dagegen eine höhere als Tumoren, die nicht
am Becken lokalisiert waren (30).
Biopsien, die unter MRT-Kontrolle erfolgten, ergaben am Knochen einen sogenannten
„diagnostischen Gehalt“ von 95 Prozent, eine
Sensitivität von 92 Prozent sowie eine Spezifität von 100 Prozent. Der positive Vorhersagewert lag bei 100 Prozent, der negative bei
86 Prozent. Somit waren alle beschriebenen
Kriterien besser als bei Weichteiltumoren
(33). Ähnliche Ergebnisse werden mittlerweile auch über Biopsien berichtet, die mittels
Navigationstechniken erfolgen (34).
Literatur
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Dtsch Ges Path 1998; 82: 121–132.
2. Freyschmidt J, Ostertag H, Jundt G. Knochentumoren. Klinik, Radiologie, Pathologie. Berlin, Heidelberg, New York, Hongkong, London, Mailand,
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3. Bielack SS, Kempf-Bielack B, Delling G et al. Prognostic Factors in High-Grade Osteosarcoma of the
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