80 Grundzüge der politischen Ordnung in Deutschland 1. Die Verfassungsorgane im Überblick Bundestag Der Bundestag ist das von der wahlberechtigten Bevölkerung gewählte Parlament in Deutschland und damit wie in allen demo­kratischen Staaten das oberste Organ der Gesetzgebung. Er wird alle vier Jahre neu gewählt und erfüllt neben den Beratungen und Abstimmungen über Gesetze weitere Funktionen. So werden im Bundestag aktuelle Ereignisse politisch relevanten Charakters diskutiert und Gedenkstunden abgehalten. Zu seinen Kernaufgaben aber gehören die Kontrolle der Regierung und die Wahl des Bundeskanzlers, wodurch Parlament und Regierung miteinander verzahnt werden. Den Vorsitz im Bundestag hat der Bundestagspräsident. Bundesregierung Die Bundesregierung besteht aus dem vom Bundestag gewählten Bundeskanzler und seinen Ministern. Zusammen bilden sie das sogenannte Kabinett. Die Bundesminister werden vom Bundeskanzler ohne Wahl ernannt und müssen nicht zwangsläufig einer in der Regierung vertretenen Partei angehören. Der Bundeskanzler kann jedoch nur de facto Personen zu Ministern ernennen, die sich auf die Zustimmung der Mehrheit der regierenden Parteien stützen können. In wöchentlichen Sitzungen berät das Kabinett Gesetzesentwürfe und stimmt sein politisches Handeln ab. Im Vergleich zu den anderen Verfassungsorganen hat die Regierung den breitesten Gestaltungsspielraum. Klassische Ministerien sind das Außen-, das Innen-, das Finanz-, das Justiz- und das Verteidigungsministerium. Bundesrat Der Bundesrat repräsentiert den föderativen Charakter unserer Verfassung. Hier können – im Gegensatz zu ei­nem zentralistischen Staat – die einzelnen Länderre­gierun­gen Einfluss auf die Bundespolitik nehmen. Da­ bei stellt der Bun­desrat als Bundesorgan aber nicht nur ei­ne Interessenvertretung der Län­der dar, sondern wirkt bei der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes mit. Die Länder sind je nach Einwoh­nerzahl unter­ schied­ lich stark im Bundesrat vertreten. Der Vorsitzende des Bundesrates wird in einem festgelegten Turnus je­des Jahr von einem anderen Landes­chef gestellt. Dieser ist dann zugleich der Stellvertreter des Bundespräsidenten. Die Verfassungsorgane im Überblick Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Auch wenn ihm laut Verfassung vielfältige Aufgaben obliegen – er ist z. B. an der Regierungsbildung und der Gesetzgebung beteiligt, ernennt und entlässt hohe Staatsbeamte und Offiziere und kann Strafgefangene begna­digen –, so hat er doch hauptsächlich eine repräsentative Funktion. Dies hat historische Gründe und bedeutet, dass sich der Bundespräsident im Normalfall nicht an tagespolitischen Auseinandersetzungen beteiligt. Joachim Gauck (seit 2012) Theodor Heuss (1949–1959) Heinrich Lübke (1959–1969) Gustav Heinemann (1969–1974) Walter Scheel (1974–1979) Karl Carstens (1979–1984) Richard von Weiz­ säcker (1984–1994) Roman Herzog (1994–1999) Johannes Rau (1999–2004) Horst Köhler (2004–2010) Christian Wulff (2010–2012) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist der oberste Hüter der Verfassung. Seine Bundesverfassungs­ 16 Richter werden zwar je zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt und vom gericht Bundespräsidenten ernannt, in ihrer Tätigkeit – und insbesondere in ihren Entscheidungen – aber sind sie frei und von keinem anderen staatlichen Organ abhängig oder zu beeinflussen. Darum ist die Amtsdauer eines Verfassungsrichters mit zwölf Jahren auch relativ lang. Ihre Entscheidungen stützen sich nur auf das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht trägt dafür Sorge, dass das Grundgesetz in seinem Kern von niemandem angetastet wird – auch nicht von anderen Bundesorganen. Daher kann sich jedes Bundes- oder Landesorgan, aber auch jeder Bürger an das Gericht wenden, wenn der Verdacht besteht, dass die verfassungsmäßig garantierten Rechte verletzt wurden. Von sich aus tätig werden kann das Gericht allerdings nicht. Daher ist die mitunter vorfindbare Bezeichnung des „heimlichen Mitregenten“ auch übertrieben. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht in der Geschichte der Bundesrepublik oft korrigierend bei der Gesetzgebung eingegriffen und manchmal auch politische Entscheidungen unterstützt. 81