rbb PRAXIS sucht Ihre Krankengeschichte! Sie haben gesundheitliche Beschwerden? Sie sind schon bei verschiedenen Ärzten gewesen und haben immer noch keine klare Diagnose? Sie wären bereit, sich einer LiveDiagnose im Studio zu unterziehen? Sie wohnen in Berlin oder Brandenburg? Wir können Ihnen vielleicht helfen. Dann bitten wir Sie, uns kurz Ihre Krankengeschichte zu schildern und Kopien Ihrer Arztbefunde zu schicken. Wenn möglich, legen Sie bitte ein Foto von sich bei. Wir arbeiten mit einer Reihe von Ärzten zusammen, die zur Live-Diagnose zu uns ins Studio kommen. Vielleicht finden wir Ärzte, die Ihnen helfen könnten. Schreiben Sie uns eine E-Mail und schicken Sie Arztbefunde als Anhang an: [email protected] oder schicken Sie uns alles per Post an: Redaktion rbb PRAXIS Masurenallee 8-14, 14057 Berlin rbb Praxis – Das Gesundheitsmagazin 13.11.2013, 20.15 – 21.00 Uhr Die Themen: • • • • Implantierbarer Gehstimulator Besser Schlafen im Winter Live-Diagnose im Studio: Chronischer Husten Hilfe für die Seele – so findet man die richtige Psychotherapie Implantierbarer Gehstimulator Wenn nach einem Schlaganfall das Gehen schwer fällt, weil Muskeln teilweise oder ganz gelähmt sind kann ein brandneues technisches Hilfsmittel helfen: Der implantierbare Gehstimulator, der die Bewegung des gelähmten Beines durch einen Fußschalter beim Auftreten durch einen elektrischen Impuls unterstützt. Experten nennen den Schlaganfall die Epidemie des 21. Jahrhunderts: Mittlerweile zählt er zu den häufigsten Erkrankungen in den Industrienationen. Weltweit stellt er die zweithäufigste Todesursache dar. Knapp 270.000 Schlaganfälle ereignen sich pro Jahr in Deutschland, etwa 200.000 davon zum ersten Mal. Fast eine Million Bundesbürger leiden an den Folgen dieser Erkrankung. Etwa jeder zweite Schlaganfall-Patient bleibt nach dem Ereignis dauerhaft behindert und ist auf fremde Hilfe angewiesen. In den meisten Fällen entsteht der Schlaganfall, wenn eine Hirnarterie durch ein Blutgerinnsel verstopft, wenn also schlagartig die Durchblutung im Gehirn gestört wird. Das Gerinnsel kann sich in dem Hirngefäß selbst bilden. Es kann aber auch durch 1 Herzrhythmusstörungen oder durch Ablagerungen in der Halsschlagader entstehen. Seltener kommt es zum Hirnschlag – wenn im Gehirn plötzlich ein Gefäß platzt und Blut in das umliegende Gewebe austritt. Die Folgen der folgenden zerebralen Minderdurchblutung variieren, je nachdem, wo, wie lange und wie stark das Gehirn geschädigt wird. Typisch sind Lähmungen wie zum Beispiel ein schleppender Fuß, motorische Ausfälle, Sprachstörungen. Für Schlaganfallpatienten, die nach dem Schlaganfall beispielsweise unter einer sogenannten Fußheberschwäche leiden und auf den Rollstuhl angewiesen sind, bietet sich nur eine neue Hoffnung: Ein implantierbarer Gehstimulator, der die unzureichende Kontrolle der Fußhebung während des Gehens kompensiert. Bei der Fußheberschwäche kann der Patient den Fuß nur noch inadäquat während des Gehens anheben. Der Patient verbessert durch den Gehstimulator sein bestehendes Gangbild und erlangt auf diese Weise weitestgehend einen beständigen und sicheren Gang wieder. Die Neuheit funktioniert wie folgt: Wenn der Patient den Hacken hebt, sendet ein Fußschalter drahtlos ein Signal an einen Empfänger. Dieser leitet den Impuls weiter an den implantierten Stimulator. Der Fußheber-Nerv bekommt so elektrische Impulse, die er an den zuständigen Muskel weiterleitet. Der Fuß hebt und senkt sich nun wie beim normalen Gangbild – und fast wie vor dem Schlaganfall. Nach Aussagen des Herstellers beweisen wissenschaftliche Studien, dass dieser Gangstimulator zur signifikanten Steigerung der Gehgeschwindigkeit und der Gehsicherheit führt. Das System habe einen direkten positiven Effekt auf die Lebensqualität des Patienten: Mehr Sicherheit beim Gehen, die Patienten könnten schneller ihre früheren Aktivitäten wieder aufnehmen. Der kleine Stimulator kann im Oberschenkel unter die Haut implantiert werden. Die Implantation kann sowohl unter Vollnarkose als auch mit Spinalanästhesie durchgeführt werden. Um den Gehstimulator regelrecht einpflanzen zu können, müssen die Operateure aber einen bestimmten Nerv, den Fußheber-Nerv freilegen – eine neurochirurgische Herausforderung. Derzeit implantieren nur zwei Kliniken – eine in Dresden und eine in Göttingen - in einer etwa dreistündigen Operation den Stimulator. Es müssen einige Kriterien erfüllt sein, um das Gehstimulatorsystem implantieren zu können: 1. Es muss eine Fußheberschwäche als Konsequenz einer Halbseitenlähmung nach einem Schlaganfall vorliegen. 2. Die passive Bewegung des oberen Sprunggelenks der betroffenen Seite muss mindestens 30 Grad erreichen. 3. Der Patient muss die Entfernung von 20 Metern mit oder ohne Hilfsmittel, aber ohne Hilfe von anderen Personen in weniger als 2 Minuten gehen können. 4. Die maximale Gehgeschwindigkeit liegt unter 1,2m/sek. Nach der Implantation und Wundheilung wird der Stimulator auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst. Der Patient trainiert zudem Muskeln, Gelenke, Bänder – denn alle Strukturen des Beines müssen sich schließlich auf den richtigen, den stimulierten Gang einstellen. 2 Experten im Beitrag: Prof. Dr. med. Michael Jöbges Chefarzt der Neurologie Ärztlicher Direktor der Brandenburg Klinik Brandenburg Klinik Bernau bei Berlin Brandenburgallee 1 16321 Bernau-Waldsiedlung Tel.: 033 397 - 341 73 Dr. med. K. Daniel Martin FA für Neurochirurgie Neurochirurgie der Dresdner Uniklinik Carl Gustav Carus Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie Fetscherstr. 74 01307 Dresden Tel.: 0351 - 458 2883 E-Mail: [email protected] Besser Schlafen im Winter Übermüdet, schlaflos, matt – viele Menschen finden in der kalten Jahreszeit keinen ruhigen Schlaf. Grund dafür ist die mangelnde Bewegung und der Lichtentzug, der es unserem Körper erschwert, den Tag- und Nachtrhythmus zu koordinieren. Genau jetzt stellen wir auf den Energiesparmodus um und benötigen Experten zufolge durchschnittlich mindestens 30 Minuten mehr Schlaf. Es ist also nicht ungewöhnlich, jetzt ein bisschen müder zu sein als im Spätsommer. Doch mehr Schlafbedürfnis bedeutet nicht, dass man im Winter auch erholsamer schläft. Jeder kann allerdings ein bisschen nachhelfen, damit die Nächte länger und erholsamer werden: 1) Lüften Sie das Zimmer, bevor Sie ins Bett gehen. Auch tagsüber sollte das Zimmer mindestens zwei- bis dreimal stoßgelüftet werden. Die ideale Temperatur im Schlafzimmer liegt bei 17 bis maximal 22 Grad. Ist der Raum wärmer, kühlt der Körper nicht genug ab. Ist der Raum hingegen zu kalt, muss der Körper gegensteuern und es droht eine Erkältung. Die Heizung sollte aber in jedem Fall ausbleiben. Denn Heizungsluft kann dazu führen, dass die Atemwege austrocknen. Folgen können gereizte und brennende Augen, eine trockene Nase und ein kratzender Rachen sein. 2) Die Luftfeuchtigkeit im Schlafzimmer sollte eher hoch sein. Genaue Untersuchungen bzw. Studien zu der besten Raumtemperatur haben die Schlafforscher nicht parat. Zimmerpflanzen helfen dabei, die Luftfeuchtigkeit im Schlafzimmer zu erhöhen. 3) Das Bettzeug sollte Stiftung Warentest zufolge im Winter aus reinen Daunendecken bestehen. Naturstoffe sind atmungsaktiv, sehr leicht und kuschelig. Doch ganz gleich ob eine Decke aus Schafwolle, Kamelhaar, Daune oder Kaschmir ist: Da die Temperaturen im Winter stark schwanken, müssen Winterdecken besonders gut isolieren können, ohne zu warm oder kalt zu sein. Synthetikfasern halten Wärme ebenfalls verhältnismäßig gut und sind 3 atmungsaktiv. Durch die einfache Waschbarkeit bieten sie sich besonders für Allergiker an. 4) Niemals mit kalten Füßen ins Bett: Kurzfristig helfen immer die gute alte Wärmflasche, das altbewährte Kirschkernkissen oder eine Heizdecke. Wer jedoch permanent Probleme mit kalten Füßen hat, sollte regelmäßig Fußbäder oder Heiß-Kalt-Duschen vor dem Schlafen durchführen, um so längerfristig die Durchblutung anzuregen. Sport ist ebenfalls eine gute Ergänzung, sowie Großmutters Patentrezept: einfach ein paar amtungsaktive Wollsocken überziehen. Nicht sexy, aber hilfreich für einen gesunden Schlaf in der kalten Jahreszeit. Experte im Beitrag: Prof. Dr. med. Ingo Fietze Schlafmedizinisches Zentrum der Charité Tel. 030 - 450 513 122 Terminvereinbarung: Mo-Fr von 08:00 - 16:00Uhr [email protected] Internet: http://schlafmedizin.charite.de Live-Diagnose im Studio: Chronischer Husten Wenn der Husten nicht weggehen will, dann kann auch eine chronische Erkrankung dahinter stecken. Ein sportlicher Pensionär aus Berlin leidet seit Wochen an Atemnot mit unangenehmen Hustenattacken. Er wird sich live im Studio einem Lungenfunktions-Test unterziehen, um zu erfahren, welche medizinische Hilfe für ihn die richtige ist. In Deutschland leiden etwa drei bis fünf Millionen Menschen an der sogenannten COPD (chronic obstructive pulmonary disease). Die englische Abkürzung steht für die chronisch-obstruktive Bronchitis mit und ohne Lungenemphysem. Die Häufigkeit dieser heimtückischen Erkrankung nimmt zu. Wichtig ist, dass die COPD früh erkannt und gezielt behandelt wird. Denn je später es dazu kommt, desto mehr Lungengewebe wird unwiederbringlich zerstört. Die Bronchien sind mit einer Schleimhaut ausgekleidet, die von hauchfeinen Flimmerhärchen bedeckt ist. Durch die Bewegung dieser Härchen werden eingeatmete Schadstoffe wie Staub, Abgase und andere giftige Bestandteile - z.B. Zigarettenrauch nach außen befördert. Flimmerhärchen und Schleimhaut sind sehr empfindlich. Gelangen häufig Schadstoffe in die Lunge, wird die Schleimhaut gereizt. Bei immer wiederkehrenden Entzündungen wird die Schleimhaut dicker und vernarbt. Es wird vermehrt zäher Schleim produziert, der trotz heftigem Husten nicht richtig abtransportiert werden kann und die Atemwege verstopft. Die Folge ist eine Bronchitis – eine Entzündung der Bronchien. Bleibt sie unbehandelt, wird die Bronchitis „chronisch-obstruktiv“. Obstruktiv bedeutet verengt. Später entwickelt sich das Lungenemphysem. Dabei sind die Lungenbläschen und die ganz kleinen Atemwege (Bronchiolen) überbläht, das Lungengewebe wird zerstört. 4 Nach Definition der WHO liegt eine chronisch-obstruktive Bronchitis vor, wenn ein schleimig-eitriger, produktiver Husten vorliegt, der in zwei aufeinander folgenden Jahren über eine Zeitperiode von mindestens drei Monaten an den meisten Tagen auftritt. Weitere typische Symptome einer COPD sind Luftnot und ein pfeifender Atem. Ursächlich für die COPD ist vor allem das Rauchen von Zigaretten. Rauchen führt dazu, dass sich die Schleimhäute in den Bronchien entzünden, anschwellen und so kaum mehr Schleim abtransportieren. Aber auch andere Schadstoffe aus der Umwelt setzen dem zarten Lungengewebe zu: So schadet den kleinsten Lungenbläschen zum Beispiel auch die jahrelange Luftverschmutzung in einem Braunkohlegebiet ganz erheblich. Die COPD wird oft viel zu spät erkannt, denn die Betroffenen gehen selten rechtzeitig zum Arzt. Die Erkrankung stellt sich im frühen Stadium oft eher zufällig heraus, wenn sich eine akute Bronchitis (also eine Bakterienentzündung) auf die verengten Bronchien gesetzt hat. Meistens macht die COPD sich im Alter von 50 - 60 Jahren bemerkbar. Sie entwickelt sich aber über viele Jahrzehnte hinweg. In vielen Fällen führt langjähriges Rauchen bei älteren Patienten irgendwann zu einem erheblichen Luftmangel. Nicht selten entsteht sogar eine Behinderung durch die chronische Atemnot: Die Patienten können sich nicht mehr allein waschen, ihre Einkäufe und den Haushalt nicht mehr selbstständig erledigen. Schon bei den kleinsten Alltagsbeschäftigungen benötigen sie Sauerstoff aus der Flasche. Die Diagnose der COPD wird anhand des klinischen Bilds, der bakteriologischen Untersuchung des Auswurfs, einem Lungenfunktionstest an einem Spirometer, einer Blutgasanalyse und dem Röntgen-Thorax gestellt. Wichtigste Diagnoseform ist die Lungenfunktionsanalyse. Dabei stellt sich häufig heraus, dass 50 bis 60 Prozent der Atemfähigkeit im Vergleich zu Gesunden verloren gegangen ist. Die Atemfunktion unter steigender Belastung analysieren die Lungenexperten durch die Lungenfunktionsanalyse am mobilen Ergospirometer auf einem Laufband oder einem Fahrrad. Die Therapie der COPD ist komplex. Ziel der Behandlung ist immer, die Krankheit nicht fortschreiten zu lassen, Symptome zu lindern, die körperliche Belastbarkeit zu steigern und die Lebensqualität zu verbessern. An erster Stelle stehen präventive Maßnahmen und die Ausschaltung von Risikofaktoren. Zudem stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die allein oder kombiniert verschrieben werden. Die Arzneien verfolgen unterschiedliche Ansätze. Inhalative Kortikoide sollen die Entzündung minimieren. Bronchodilatatoren ebenso wie die Anticholinergika und Beta2-Sympathomimetika führen über verschiedene Mechanismen dazu, dass das Lungengewebe sich weitet und mehr Fläche zum Gasaustausch zur Verfügung steht. Sogenannte Mukopharmaka sollen den Schleim lösen. Bei sehr ernsten Verläufen werden chronisch Lungenkranke sogar operiert oder ihnen wird eine fremde Lunge transplantiert. Die medikamentöse Therapie ist jedoch oft nicht gut wirksam. Besonders wichtig ist daher auch eine Atemtherapie: Sie stärkt die Muskulatur und fördert den Schleim nach außen. Zusätzlich sollten die Patienten sich körperlich betätigen: Das verbessert ihre 5 generelle Belastbarkeit, reduziert die Atemnot und Ermüdung. Oft aber meiden sie körperliche Aktivitäten aus Angst vor Atemnot. Dadurch kommt es zu einer Abnahme der Muskelmasse, der Muskelkraft, der körperlichen Belastbarkeit und zu einer weiteren Verschlechterung der Lungenfunktion. Menschen mit COPD sollten gerade jetzt in der Winterzeit aufpassen: bei jeglicher Infektion der Atemwege ihren Arzt aufsuchen. Denn eine bakterielle Infektion kann bei COPD-Patienten eher als bei gesunden Menschen eine Antibiotikabehandlung notwendig machen. Experten im Studio: Prof. Dr. Torsten Bauer, Chefarzt Christian Boch, Assistenzarzt Pneumologische Abteilung I HELIOS Klinikum Emil von Behring Zum Heckeshorn 33, 14109 Berlin Tel.: 030 – 81 02-22 22 Adressen und Linktipps: Dr. Thomas Hering Lungenfachpraxis Tegel Schloßstraße 5 13507 Berlin Tel: 030 – 434 50 11 Dr. Isabel Zülke Krankenhaus Großhansdorf Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie, Wöhrendamm 80 22927 Großhansdorf Telefon: 04102 - 601-0 E-Mail: [email protected] http://www.lungenclinic.de/ Raucherentwöhnung: Vivantes Klinikum Neukölln Institut für Tabakentwöhnung und Raucherprävention am Klinikum Neukölln Rudower Straße 48 12351 Berlin Karin Vitzthum Tel: 030 - 130 14 2487 Email: [email protected] Internet: http://www.vivantes.de/praevention-und-entwoehnung/institut-fuertabakentwoehnung-und-raucherpraevention/ Aufatmen in Deutschland http://www.aufatmen-in-deutschland.de 6 Selbsthilfegruppe COPD http://www.lungenemphysem-copd.de Patientenliga Atemwegserkrankung e.V. Berliner Str. 84 55276 Dienheim Tel: 06133 - 3543 Geschäftszeiten: Mo – Do: 8.30 - 13.30 Uhr [email protected] Internet: http://www.patientenliga-atemweg.de Deutsche Atemwegsliga e.V. Burgstraße 12 33175 Bad Lippspringe Tel: 05252 - 933-615 Fax: 05252 - 933-616 Email: [email protected] Internet: http://www.atemwegsliga.de Buchtipp: „Training bei COPD“ von Dr. Oliver Göhl ISBN: 978-3-00-040743-7 Preis: 24,80 € Hilfe für die Seele – so findet man die richtige Psychotherapie Ob die Anzahl der psychischen Erkrankungen in Deutschland wirklich zunimmt, ist umstritten. Sicher ist jedoch: Nicht jeder, der eine Therapie braucht, findet einen Therapeuten. Die rbb Praxis gibt Tipps, wie man schnell Hilfe bekommt. Und auch, wann welche Behandlung der richtige Weg ist. Was ist eine psychische Störung? Nach den derzeit verfügbaren Daten für Deutschland leidet knapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung im Verlauf eines Jahres an einer psychischen Erkrankung. Die häufigsten psychischen Erkrankungen sind Depressionen, Angststörungen und Alkoholabhängigkeit (die psych. Erkrankung bei Männern). Seltener, aber meist schwerwiegender und auch komplizierter zu behandeln sind die Essstörungen und Schizophrenie. In Bezug auf die Berentung, Behinderung und die finanziellen Belastungen für das Gesundheitswesen nehmen psychische Störungen längst Platz eins ein. Viele Patienten aber werden jedoch nur unzureichend behandelt. Gründe dafür gibt es mehrere: 1) Es gibt zu wenige Plätze bei ambulanten Psychotherapeuten, die Patienten müssen oft bis zu sechs Monate auf eine Therapie warten. 2) Die Therapeuten sind nicht verpflichtet, jeden Patienten anzunehmen. Patienten, die chronisch psychisch krank sind und damit für den Therapeuten vielleicht eine 7 „harte Nuss“, bekommen daher oft seltener einen Platz als Menschen mit einem „leicht lösbaren“ Problem. 3) Zahlreiche neu entwickelten evidenzbasierten Therapien wie beispielsweise die Dialektische Behaviorale Therapie (EBT) beim Borderline-Syndrom kommen bisher im Alltag kaum zur Anwendung, weil es keinen Anreiz gibt für die Psychotherapeuten, diese durchzuführen. Was ist ein Psychotherapeut? Grundsätzlich gibt es mehrere Experten, die sich um psychisch kranke Menschen kümmern. Der Psychiater/Neurologe legt den Schwerpunkt auf die medikamentöse Therapie. Psychotherapeuten legen den Schwerpunkt auf die nicht-medikamentöse Behandlung, sie bieten also das Gespräch an oder arbeiten mit Verhaltenstherapie und anderen Verfahren. Es gibt ärztliche und psychologische Psychotherapeuten. Ärztliche Psychotherapeuten haben Medizin studiert und Weiterbildung für psychische Erkrankungen abgeschlossen, sind Fachärzte für Psychiatrie, Psychotherapie oder Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Sie dürfen Betroffenen mit meist schwereren psychischen Erkrankungen mit Medikamenten und Psychotherapie behandeln. Der nicht-ärztliche Experte ist Psychologe. Er hat ein Psychologiestudium abgeschlossen und nach einer drei- bis fünfjährigen staatlich geregelten Zusatzausbildung die Approbation als Psychotherapeut/in erhalten. Er darf keine Medikamente verschreiben. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten behandeln Patienten unter 20 Jahren. Sie sind meist psychologisch und ärztlich ausgebildet. Einige haben aber auch Pädagogik oder Sozialpädagogik studiert – der Begriff Psychotherapeut ist nicht geschützt. Wann wird psychotherapeutische Hilfe nötig? Seelische Hochs und Tiefs kennt fast jeder, und die meisten Menschen kommen damit gut zurecht. Um zum inneren Gleichgewicht zurückzufinden, kann es auch helfen, sich mit vertrauten Personen auszutauschen. Wann aber ist jemand therapiebedürftig? Das ist nicht so einfach zu beantworten, da hierbei zum einen individuelle und zum anderen gesellschaftliche Einschätzungen eine Rolle spielen. Professionelle Hilfe für psychische Probleme sollten Menschen dann in Erwägung ziehen, wenn sie allein ihren Alltag nicht mehr bewältigen können. Ob eine psychische Störung vorliegt und welche, können in der Regel nur speziell geschulte „Fachleute“ entscheiden: Hausärzte untersuchen zunächst, ob eine organische Ursache für die häufig auftretenden Beschwerden wie Schlafstörungen, Magen- oder andere Schmerzen oder Herzrasen vorliegt. Finden sie nichts, überweisen sie den Patienten zu einem Psychotherapeuten, Psychiater oder Psychosomatiker. Der professionelle Therapeut findet dann zusammen mit dem Betroffenen heraus, welche Form der Hilfe für ihn in dem Moment am besten passt. Einige Störungen erfordern zumindest zeitweise die Behandlung in einer Klinik, dann meist in Form einer Psychotherapie und medikamentösen Therapie mit so genannten Psychopharmaka. In psychosomatischen Krankenhäusern werden Patienten stationär oder teilstationär in der Psychiatrie und der Abteilung für Psychosomatik behandelt. Psychosoziale Beratungsstellen hingegen sind meist auf bestimmte Personengruppen spezialisiert, wie 8 zum Beispiel Kinder, Jugendliche und Eltern, Paare und Familien, chronisch kranke Menschen, Frauen. Oder aber sie konzentrieren sich auf spezielle Schwerpunkte wie Schwangerschaft, Sexualität, Sucht. Sogenannte psychotherapeutische Ambulanzen sind meist an ein Universitäts- oder Hochschulinstitut für Klinische Psychologie und oder Psychotherapie angeschlossen oder auch an Krankenhäuser. Sie können bei Bedarf direkt aufgesucht werden. Außerdem gibt es Heilpraktiker, die über keine Approbation verfügen, sondern über eine Behandlungserlaubnis nach Heilpraktikergesetz, manche auch nur über eine eingeschränkte Heilkundeerlaubnis auf dem Gebiet der Psychotherapie. Bei ihnen ist nicht sichergestellt, dass sie ausreichend qualifiziert sind, um psychische Erkrankungen mit wissenschaftlichen anerkannten Methoden zu behandeln. Die Behandlung bei ihnen ist keine Kassenleistung. Wie findet man eine geeignete Therapie? Mittlerweile gibt es – auch in Berlin und Brandenburg – mehrere sogenannte psychiatrische Institutsambulanzen“ (PIA), welche die langen Wartezeiten mit stützenden Angeboten überbrücken sollen. Zudem vermitteln die Psychotherapeutenkammer oder der Berliner Krisendienst Therapieplätze und machen Hausbesuche. Für Suchende gilt zudem: Ist es nicht möglich bei einem Psychotherapeuten einen Termin zu bekommen, sollte man sich Namen der Angefragten und Datum der Kontaktaufnahme genau notieren. Bei der Krankenkasse können die Patienten dann eine Psychotherapie bei einem psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten ohne Kassenarztsitz beantragen. Die Kosten trägt die Kasse. Was ist das Ziel einer Psychotherapie? Psychotherapie ist nicht gleich Psychotherapie. Es gibt verschiedene Ansätze und Schulen. 1. So eignet sich beispielsweise die Verhaltenstherapie, wenn konkrete Lösungen im Hier und Jetzt gefragt sind, wenn der Patient also in der Behandlung lernen soll, mit seinem Problem täglich umzugehen und sich das eigene Verhalten klarzumachen. Die Verhaltenstherapie eignet sich nachweislich gut bei Ängsten und Zwängen. Sie arbeitet mit praktischen Übungen. So fährt der Patient beispielsweise in Begleitung des Therapeuten wieder Bus, er konfrontiert sich mit seinem Problem. In den Gesprächen der VT sitzen sich Psychotherapeut und Patient gegenüber. Die Anzahl und Frequenz der Therapiesitzungen und Übungen werden je nach Störung zwischen Patient und Therapeut vereinbart. Die Behandlung dauert in der Regel 6 bis 12 Monate, bei Bedarf auch länger. 2. Die Psychoanalyse hingegen arbeitet tiefere Ursachen von Problemen und frühkindliche Ereignisse auf. Der Bezug zum Alltag ist hier nur insofern gegeben, als dass der Patient neue Einsichten bekommt, um aktuelle Probleme aus seiner Vergangenheit heraus zu verstehen und zu bewältigen. Die analytische Psychotherapie findet in der Regel im Liegen statt, ohne Blickkontakt zum Therapeuten. So ist der Patient in seinen Gedanken und Gefühlen freier und kann sich mehr seiner inneren Welt und inneren Bildern zuwenden. 9 3. Eine aus der klassischen Psychoanalyse abgeleitete Therapieform ist die tiefenpsychologisch fundierte Therapie (TP). Mit der auf Sigmund Freud (1856 – 1939) zurückgehenden Psychoanalyse teilt die TP die Theorien über das Entstehen von psychischen Krankheiten. Im Gegensatz zur Psychoanalyse erhält der Patient auch Ratschläge vom Therapeuten. Welches Therapieverfahren sich wann am besten eignet, ist in der Fachwelt umstritten und wurde bisher kaum in Studien überprüft. Ebenso wenig hat die Wissenschaft die einzelnen Verfahren bisher miteinander verglichen. Neben der Psychoanalyse, der tiefenpsychologisch fundierten Therapie (TP) und der Verhaltenstherapie sind auch die der Gesprächspsychotherapie und die Systemische Therapie wissenschaftlich anerkannt. Die beiden letzteren werden aber nicht von der Kasse bezahlt. Kommt es zu einem ersten Kontaktgespräch beim Psychotherapeuten, halten diese mehrere sogenannte probatorische Sitzungen ab. Das Ziel der Kennlernphase: Der Patient soll genau wie der Therapeut schauen, ob man gut miteinander klarkommt. Denn nachgewiesen ist: Nicht allein das Verfahren ist für den Behandlungserfolg entscheidend. Auch die Chemie zwischen Patient und Therapeut muss stimmen. Experte im Studio: Prof. Dr. med. Andreas Bechdolf Chefarzt Kliniken für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Vivantes Klinikum Am Urban und Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Klinikum der Universität zu Köln und ORYGEN Youth Health University of Melbourne, Melbourne, Australia Tel: 030 – 13022 - 6001 E-Mail: [email protected] Am 1.11.2013 wurde im Vivantes Klinikum Am Urban ein Therapiezentrum für junge Erwachsenen mit Psychosen eröffnet. Das Fritz (Frühinterventions- und Therapiezentrum) ist laut Prof. Bechdolf die einzige Einrichtung bundesweit, die sowohl stationäre als auch ambulante Behandlung anbietet. Durch eine frühzeitige Behandlung könne ein chronischer Krankheitsverlauf oft vermieden werden. Infos für Hilfesuchende unter der Tel.-Nummer: 030 - 130-22 72 28. Experten im Beitrag: PD Dr. Lydia Fehm Leiterin der Ambulanz Zentrum für Psychotherapie der Humboldt-Universität Klosterstr. 64 10179 Berlin Dipl.-Psych. Michael Krenz Psychologischer Psychotherapeut Präsident der Psychotherapeutenkammer Berlin Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut Psychotherapeutenkammer Berlin 10 Kurfürstendamm 184 10707 Berlin Tel. 030 – 887 140-13 http://www.psychotherapeutenkammer-berlin.de/ Linktipps: Borderline Netzwerk Berlin http://www.borderline-netzwerk-berlin.de/ Liste der Berliner Psychotherapeuten http://www.psych-info.de/ RBB „rbb Praxis“ Masurenallee 8 –14 14057 Berlin www.rbb-praxis.de Redaktion: Redaktionsassistenz: Moderation: Infotext: Stand der Information: Benjamin Kaiser Ingelore Eirich Raiko Thal Beate Wagner 13.11.2013 11