RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT HEIDELBERG ALFRED-WEBER-INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN LEHRSTUHL FÜR FINANZWISSENSCHAFT PROF. DR. LARS P. FELD* FINANZWISSENSCHAFT I FÖDERALISMUS: GRÜNDE FÜR EINEN FÖDERALISTISCHEN STAATSAUFBAU SOMMERSEMESTER 2008 * RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT HEIDELBERG, ZEW MANNHEIM, UNIVERSITÄT ST. GALLEN (SIAW-HSG), CREMA BASEL, CESIFO MÜNCHEN PROF. DR. LARS P. FELD Gründe für einen föderalistischen Staatsaufbau Präferenz- und Frustrationskosten Die Effizienz dezentraler Organisation Zusammenfassung FINANZWISSENSCHAFT I 2 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Präferenz- und Frustrationskosten I Die Berücksichtigung individueller Präferenzen Meinung der Einwohner Schulsystem X Schulsystem Y Einwohner in A 20’000 30’000 Einwohner in B 35’000 15’000 Einwohner insgesamt 55’000 45’000 Tabelle 1 FINANZWISSENSCHAFT I 3 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Präferenz- und Frustrationskosten II Frustrationskosten bei Entscheidung über zwei öffentliche Güter Zentralistischer Staatsaufbau = Entscheidung ohne Gruppenbildung Dezentraler Staatsaufbau =Bildung von (in diesem Fall) zwei gleich großen Gruppen (I und II) Günstigster Fall Ungünstigster Fall in I in II in I in II A wird B vorgezogen 60 50 10 30 30 B wird A vorgezogen 40 0 40 20 20 Gruppengröße (z.B. in Tausend 100 50 50 50 50 Überstimmte (frustrierte) Minderheit 40 10 Tabelle 2 Quelle: Zimmermann 1999 FINANZWISSENSCHAFT I 40 4 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Präferenz- und Frustrationskosten III Preis p MZBB MZBA F C E G tp D xA x* xB öff. Gut Abbildung 1: Präferenzkosten bei zentraler Bereitstellung FINANZWISSENSCHAFT I 5 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation I Informationsprobleme Fiskalischer Wettbewerb als Entdeckungs-verfahren Abstimmung zu Fuss (‘voting by feet’) als Denkfigur: » optimale Kombination von Steuerbelastung und öffentlichen Leistungen gemäss den Präferenzen der Bürger (Informationsvorteil). » Effizienzvermutung FINANZWISSENSCHAFT I 6 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation II Korrespondenzprinzip: » Gebietskörperschaft, die die Menge des bereitgestellten Gutes bestimmt, sollte die Individuen umfassen, die das Gut konsumieren und dafür zahlen (fiskalische Äquivalenz, institutionelle Symmetrie). Dezentralisierungstheorem: » In einer Welt mobiler Individuen mit unterschiedlichen Präferenzen ist eine dezentrale Bereitstellung und Finanzierung öffentlicher Güter effizient. FINANZWISSENSCHAFT I 7 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation III Ein wohlwollender Diktator könnte zur Reduktion der Präferenzkosten eine dezentrale Verwaltung vorsehen. Gewaltenteilung ökonomischen Vorteilen der Zentralisierung stehen politische Vorteile des Föderalismus entgegen. » Besley und Coate (2003) FINANZWISSENSCHAFT I 8 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation IV Politische Externalitäten. Fiskalischer Wettbewerb als Substitut für fehlenden politischen Wettbewerb. » Internalisierung politischer Externalitäten durch Steuerwettbewerb. » ‘yardstick competition’. Common Pool Problem FINANZWISSENSCHAFT I 9 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation V Vergleichswettbewerb: Verbreitung dezentral vorhandenen Wissens. Innovationen können dezentral erprobt werden. » Reform der Sozialhilfe in den USA unter Clinton. Imitation oder Adaption erfolgreicher Politiken. Höhere Reformbereitschaft versus Innovationsexternalitäten Positiver Einfluss auf das regionale oder gesamtwirtschaftliche Wirtschaftswachstum? FINANZWISSENSCHAFT I 10 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation V Allokative Rechtfertigung eines dezentralen Staatsaufbaus I Vorteile eines dezentralen Staatsaufbaus Verschiedene Gestaltungsprinzipien Pareto-Optimalität des Angebots staatlicher Leistungen – beinhaltet: •Prinzip der fiskalischen Äquivalenz •Prinzip der dezentralen Konkurrenz •Prinzip der Autonomie •Prinzip bürgernaher und transparenter Entscheidungen •Prinzip der Minimierung intrakollektiver Entscheidungskosten •Prinzip der Subsidiarität •Präferenzgerechtigkeit des Angebots öffentlicher Güter („Frustrationskosten“) •Minimierung der Produktionskosten des Angebots öffentlicher Güter („diseconomies of scale“) •Dezentralisierungstheorem •Minimierung politischer Informations-, Kontrollund Integrationskosten Quelle: Döring 2005 FINANZWISSENSCHAFT I 11 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation VI Allokative Rechtfertigung eines dezentralen Staatsaufbaus II Dezentralisierungstheorem Politische Transaktionskosten Wenn ein öffentliches Gut in geographisch abgeschlossenen Teilräumen angeboten werden kann und wenn dessen Erzeugungsgrenz- und -durchschnitts- kosten bei jedem Outputniveau in jedem Teilraum die gleichen sind, unabhängig davon, ob die Leistung zentral oder dezentral angeboten wird, dann ist es immer effizienter oder gleich effizient, wenn lokale Regierungen den an die jeweilige Nachfrage angepassten Output bereitstellen, als wenn die Zentralregierung einen einheitlichen Output bereitstellt. Analog kann argumentiert werden für den Fall identischer Präferenzen, aber abnehmender Skalenerträge. Eine Dezentralisierung reduziert: •die politischen Kontrollkosten für den Wähler, da die größere Transparenz auf dezentraler Ebene die Verfolgung von Eigeninteressen durch Politiker und Bürokraten erschwert •die Informationskosten von Politik und Verwaltung bezüglich ortsspezifischer Gegebenheiten •bei heterogenen individuellen Interessen die Konsensfindungskosten in Form v. Verhandlungsund Durchsetzungskosten •die Zersplitterung regional gebundenen sozialen Kapitals (politische Kultur) Quelle: Döring 2005 FINANZWISSENSCHAFT I 12 SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Die Effizienz dezentraler Organisation VII Allokative Rechtfertigung eines dezentralen Staatsaufbaus III Fiskalische Äquivalenz Die räumliche Koinzidenz von Nutznießern und Kosten-trägern staatlicher Leistungen setzt Anreize für ein kostenbewußtes Entscheidungsverhalten. Dezentrale Konkurrenz Dezentraler Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften sorgt für Innovationen und die Vermeidung von Verschwendung im öffentlichen Sektor. Bürgernähe und Transparenz Entscheidungskosten Dezentralisierung fördert die politischen Kontroll- und Partizipationsmöglichkeiten der Bürger bezüglich des staatlichen Entscheidungsprozesses. Konsensfindungs- und individuelle Frus­trationskosten fallen um so geringer aus, je kleiner das entscheidungs-relevante Kollektiv (Gebietskörperschaft) ist. FINANZWISSENSCHAFT I 13 Autonomie Jede Gebietskörperschaft soll das Recht und die Möglichkeit besitzen, über das jeweilige Angebot an öffentl. Leistungen selbst zu bestimmen. Subsidiarität Eine Zentralisierung sollte nur dann erfolgen, wenn unteren Gebietskörperschaften zur Aufgabenerfüllung nicht (mehr) in der Lage sind. SOMMERSEMESTER 2008 PROF. DR. LARS P. FELD Zusammenfassung Die Vorteile des Föderalismus werden vor allem im allokativen Bereich gesehen. Statisch: Tiebout und Oates Dynamisch: Hayek Aber: vornehmlich polit-ökonomische Vorteile (Besley und Coate 2003). FINANZWISSENSCHAFT I 14 SOMMERSEMESTER 2008