RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT HEIDELBERG ALFRED-WEBER-INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN LEHRSTUHL FÜR FINANZWISSENSCHAFT PROF. DR. LARS P. FELD* FINANZWISSENSCHAFT II Normative Besteuerungsansätze III: Polit-ökonomische Ansätze WINTERSEMESTER 2008/2009 * RUPRECHT-KARLS-UNIVERSITÄT HEIDELBERG, ZEW MANNHEIM, UNIVERSITÄT ST. GALLEN (SIAW-HSG), CREMA BASEL, CESIFO MÜNCHEN PROF. DR. LARS P. FELD Normative Besteuerungsansätze III: Polit-ökonomische Ansätze Aufbau der Vorlesung Der Medianwähleransatz Probabilistische Wahlmodelle Strukturinduzierte Gleichgewichtsmodelle Die Leviathan-Theorie der Besteuerung Eine Theorie der demokratischen Besteuerung? Zusammenfassung FINANZWISSENSCHAFT II 2 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Literatur Feld, L.P. (1997), Exit, Voice and Income Taxes: The Loyalty of Voters, European Journal of Political Economy 13, 455 – 478. Hettich, W. und S.L. Winer (1999), Democratic Choice and Taxation: A Theoretical and Empirical Analysis. Cambridge: Cambridge University Press. Brennan, G. und J.M. Buchanan (1980), The Power to Tax, Cambridge: Cambridge University Press. FINANZWISSENSCHAFT II 3 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Der Medianwähleransatz I Die Wahl der Höhe des Steuerbetrags und der Steuerstruktur folgt nicht notwendigerweise der Optimalsteuertheorie Sie sind eine Funktion des politischen Prozesses. In einer reinen (direkten) Demokratie entscheidet der Medianwähler über die Besteuerung. FINANZWISSENSCHAFT II 4 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Der Medianwähleransatz II Präferenzordnung tp tM tR Steuersatz Abbildung 1: Die Besteuerungsentscheidung im Medianwählermodell FINANZWISSENSCHAFT II 5 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Der Medianwähleransatz III Drei Wähler, die unterschiedliche Steuer-belastungen präferieren. Der ‚mittlere‘ Wähler, der genau so viele Stimmen über wie unter sich weiß, gibt den Ausschlag. Das Medianwählermodell ist nur in der direkten Demokratie anwendbar. Problem mehrdimensionaler Entscheidungen und progressiver Steuern. FINANZWISSENSCHAFT II 6 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Probabilistische Wahlmodelle Die Wähler suchen sich eine Partei aus, die ihren Nutzen maximiert. Die Opposition zwingt die Regierungspar-tei dazu, die Anzahl der erwarteten Wäh-lerstimmen bei der Wahl zu maximieren. Bei probabilistischem Wahlverhalten ver-ursacht eine kleine Änderung in der Politik einer Partei auch nur eine kleine Ände-rung in der Unterstützungswahrscheinlich-keit. FINANZWISSENSCHAFT II 7 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Strukturinduzierte Gleichgewichtsmodelle I Abbildung 2: Strukturinduziertes Gleichgewicht in der Besteuerungsstruktur FINANZWISSENSCHAFT II 8 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Strukturinduzierte Gleichgewichtsmodelle II x1 und x2 sind die Steuersätze zweier verschiedener Steuerarten, etwa Einkommen- und Körperschaftsteuer. 1 ist die vom Parlament am meisten bevorzugte Kombination. 2 ist die von der Regierung bevorzugte Kombination. 3 bis 5 sind von spezifischen Gruppen präferierte Positionen. FINANZWISSENSCHAFT II 9 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Die Leviathantheorie der Besteuerung I Der Leviathan-Staat ist wie ein allmächtiger eigennütziger Diktator. Er maximiert sein Budget. Versuch der bestmöglichen Ausschöpfung von Steuerquellen. Die Steuerbasis wird im Rahmen ihrer Ver-meidungsmöglichkeiten ausgebeutet. Der Leviathan verhält sich wie ein Monopolist. FINANZWISSENSCHAFT II 10 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Die Leviathantheorie der Besteuerung II Geldeinheiten tx GK GU 0 N X* Mengeneinheiten X Abbildung 3: Besteuerungsverhalten bei Steuerertrags-maximierung FINANZWISSENSCHAFT II 11 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Die Leviathantheorie der Besteuerung III Der Leviathan-Staat setzt den Mengensteu-ersatz tx so, dass GK = GU. Gewinnmaximum des Monopolisten. Er schöpft die Monopolrente tx0X* ab. Bei optimaler Besteuerung aus Sicht der Optimalsteuertheorie lässt sich die Zusatzlast der Besteuerung durch Verbreiterung der Steuerbasis verringern FINANZWISSENSCHAFT II 12 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Die Leviathantheorie der Besteuerung IV Der Leviathan-Staat schöpft aber auch dabei die Monopolrente ab. Die Zusatzlast der Besteuerung steigt. Die Bürger werden bei der Feststellung des gewünschten Niveaus an öffentlichen Leistungen neben dem tatsächlichen kosten-deckenden Preis und der Zusatzlast der Besteuerung noch einen ‚Steuerschwund‘ einkalkulieren. FINANZWISSENSCHAFT II 13 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Eine Theorie der demokratischen Besteuerung? I Optimalsteuertheorie und Leviathantheorie als zwei Extreme. Welche Steuerstruktur und -höhe ergibt sich im demokratischen Prozess? Hettich und Winer (1999): Je effizienter die Steuerstruktur, desto mehr lässt sich auf die Parteien oder Interessengruppen verteilen. Zusatzlast, politische Kosten und Verwaltungskosten. FINANZWISSENSCHAFT II 14 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Eine Theorie der demokratischen Besteuerung? II Zusatzlast der Besteuerung und die politi-schen Kosten der Besteuerung erfordern individuell differenzierte Steuersätze. Verwaltungskosten erfordern möglichst allgemeine undifferenzierte Steuersätze. Trade-off mit einem Steuersystem mit » verschiedenen Steuerarten (Doppelbesteuerung) » differenzierten Steuersätzen (Progression) » Pauschalierungen und Steuerklassen Die Rolle von Besteuerungsregeln FINANZWISSENSCHAFT II 15 WINTERSEMESTER 2008/2009 PROF. DR. LARS P. FELD Zusammenfassung Polit-ökonomische Ansätze kommen zu grundsätzlich anderen Resultaten und Em-pfehlungen als die wohlfahrtsökonomische Theorie der Besteuerung. Breite vs. schmale Bemessungsgrundlage. Die Rolle des politischen Prozesses. Warum gibt es so viele Steuerschlupflöcher? Die Rolle von Besteuerungsregeln FINANZWISSENSCHAFT II 16 WINTERSEMESTER 2008/2009