Finanzwissenschaft II Normative Besteuerungsansätze III: Polit-ökonomische Ansätze Vorlesung an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg WS 2007/2008 Prof. Dr. Lars P. Feld Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universität St. Gallen (SIAW-HSG), CREMA und CESifo FiWi II 1 Normative Besteuerungsansätze III: Polit-ökonomische Ansätze Aufbau der Vorlesung • • • • • Der Medianwähleransatz Probabilistische Wahlmodelle Strukturinduzierte Gleichgewichtsmodelle Die Leviathan-Theorie der Besteuerung Eine Theorie der demokratischen Besteuerung? • Zusammenfassung FiWi II 2 Literatur • Feld, L.P. (1997), Exit, Voice and Income Taxes: The Loyalty of Voters, European Journal of Political Economy 13, 455 – 478. • Hettich, W. und S.L. Winer (1999), Democratic Choice and Taxation: A Theoretical and Empirical Analysis. Cambridge: Cambridge University Press. • Brennan, G. und J.M. Buchanan (1980), The Power to Tax, Cambridge: Cambridge University Press. FiWi II 3 Der Medianwähleransatz I • Die Wahl der Höhe des Steuerbetrags und der Steuerstruktur folgt nicht notwendigerweise der Optimalsteuertheorie • Sie sind eine Funktion des politischen Prozesses. • In einer reinen (direkten) Demokratie entscheidet der Medianwähler über die Besteuerung. FiWi II 4 Der Medianwähleransatz II Präferenzordnung tp tM tR Steuersatz Abbildung 1: Die Besteuerungsentscheidung im Medianwählermodell FiWi II 5 Der Medianwähleransatz III • Drei Wähler, die unterschiedliche Steuerbelastungen präferieren. • Der ‚mittlere‘ Wähler, der genau so viele Stimmen über wie unter sich weiß, gibt den Ausschlag. • Das Medianwählermodell ist nur in der direkten Demokratie anwendbar. • Problem mehrdimensionaler Entscheidungen und progressiver Steuern. FiWi II 6 Probabilistische Wahlmodelle • Die Wähler suchen sich eine Partei aus, die ihren Nutzen maximiert. • Die Opposition zwingt die Regierungspartei dazu, die Anzahl der erwarteten Wählerstimmen bei der Wahl zu maximieren. • Bei probabilistischem Wahlverhalten verursacht eine kleine Änderung in der Politik einer Partei auch nur eine kleine Änderung in der Unterstützungswahrscheinlichkeit. FiWi II 7 Strukturinduzierte Gleichgewichtsmodelle I Abbildung 2: Strukturinduziertes Gleichgewicht in der Besteuerungsstruktur FiWi II 8 Strukturinduzierte Gleichgewichtsmodelle II • x1 und x2 sind die Steuersätze zweier verschiedener Steuerarten, etwa Einkommen- und Körperschaftsteuer. • 1 ist die vom Parlament am meisten bevorzugte Kombination. • 2 ist die von der Regierung bevorzugte Kombination. • 3 bis 5 sind von spezifischen Gruppen präferierte Positionen. FiWi II 9 Die Leviathantheorie der Besteuerung I • Der Leviathan-Staat ist wie ein allmächtiger eigennütziger Diktator. • Er maximiert sein Budget. • Versuch der bestmöglichen Ausschöpfung von Steuerquellen. • Die Steuerbasis wird im Rahmen ihrer Vermeidungsmöglichkeiten ausgebeutet. • Der Leviathan verhält sich wie ein Monopolist. FiWi II 10 Die Leviathantheorie der Besteuerung II Geldeinheiten tx GK GU 0 X* N Mengeneinheiten X Abbildung 3: Besteuerungsverhalten bei Steuerertragsmaximierung FiWi II 11 Die Leviathantheorie der Besteuerung III • Der Leviathan-Staat setzt den Mengensteuersatz tx so, dass GK = GU. • Gewinnmaximum des Monopolisten. • Er schöpft die Monopolrente tx0X* ab. • Bei optimaler Besteuerung aus Sicht der Optimalsteuertheorie lässt sich die Zusatzlast der Besteuerung durch Verbreiterung der Steuerbasis verringern. FiWi II 12 Die Leviathantheorie der Besteuerung IV • Der Leviathan-Staat schöpft aber auch dabei die Monopolrente ab. • Die Zusatzlast der Besteuerung steigt. • Die Bürger werden bei der Feststellung des gewünschten Niveaus an öffentlichen Leistungen neben dem tatsächlichen kostendeckenden Preis und der Zusatzlast der Besteuerung noch einen ‚Steuerschwund‘ einkalkulieren. FiWi II 13 Eine Theorie der demokratischen Besteuerung? I • Optimalsteuertheorie und Leviathantheorie als zwei Extreme. • Welche Steuerstruktur und -höhe ergibt sich im demokratischen Prozess? • Hettich und Winer (1999): Je effizienter die Steuerstruktur, desto mehr lässt sich auf die Parteien oder Interessengruppen verteilen. • Zusatzlast, politische Kosten und Verwaltungskosten. FiWi II 14 Eine Theorie der demokratischen Besteuerung? II • Zusatzlast der Besteuerung und die politischen Kosten der Besteuerung erfordern individuell differenzierte Steuersätze. • Verwaltungskosten erfordern möglichst allgemeine undifferenzierte Steuersätze. • Trade-off mit einem Steuersystem mit – verschiedenen Steuerarten (Doppelbesteuerung) – differenzierten Steuersätzen (Progression) – Pauschalierungen und Steuerklassen • Die Rolle von Besteuerungsregeln FiWi II 15 Zusammenfassung • Polit-ökonomische Ansätze kommen zu grundsätzlich anderen Resultaten und Empfehlungen als die wohlfahrtsökonomische Theorie der Besteuerung. • Breite vs. schmale Bemessungsgrundlage. • Die Rolle des politischen Prozesses. • Warum gibt es so viele Steuerschlupflöcher? • Die Rolle von Besteuerungsregeln. FiWi II 16