SWR2 OPER Moderationsmanuskript von Wolfgang Molkow Walter Braunfels: „Der Traum ein Leben“ Sonntag, 13.07.14, 20.03 Uhr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. 1 Wenig kann das Glück uns geben; / Denn ein Traum ist alles Leben / Und die Träume selbst ein Traum. Diesen Versen aus Calderons Barockdrama Das Leben ein Traum eifert romantisierend Franz Grillparzers Märchenstück Der Traum ein Leben nach. Auf ihm basiert wiederum die gleichnamige Oper von Walter Braunfels, die wir heute Abend in der Produktion des Theaters Bonn vom 30. März dieses Jahres senden. Reich ist der Fundus an Opern, die in den letzten Jahrzehnten dem Schlummer der Vergessenheit entrissen wurden. Unter die einstmals Vergessenen der inneren und äußeren Emigration reiht sich auch der 1882 geborene, 1954 gestorbene Walter Braunfels. Der Komponist Braunfels steht stilistisch zwischen Spätromantik und Moderne und gehört als Schüler von Ludwig Thuille der sogenannten ´Münchner Schule an, der auch der wohl berühmteste Münchner, nämlich Richard Strauss, nahesteht. Braunfels ist Sinfoniker und Schöpfer großer geistlicher Werke. Zugleich aber ist er Opernkomponist und erlebt 1920 mit der Aufführung seiner Vögel unter Bruno Walter in München den entscheidenden Durchbruch. Der Prolog der Nachtigall Liebwerte Freunde, gegrüßt! zum Aristophanes-Stück bildet fortan das Motto seines Erfolges. Der wird jedoch 1933 jäh gestoppt durch den Nationalsozialismus; der ´Halbjude´ Braunfels verliert sein Amt als Kölner Musikhochschuldirektor und erhält kompositorisches Schweigegebot. Ausdruck seines Rückzuges ins Private und künstlerischen Protestes bilden nunmehr wieder religiöse Werke: Verkündigung nach Paul Claudel und Szenen aus dem Lebender heiligen Johanna. Dazwischen kehrt Braunfels mit dem Traum ein Leben zur Märchenoper zurück. Man kann in diesem klangspröden und nur gelegentlich schwelgenden Werk ein Stück des moralischen Widerstandes sehen. Aber Braunfels will auch ganz naiv dem Schwergewicht seiner religiösen Werke das leichtfüßige einer Spieloper entgegensetzen, die das Zauberflöteninventar von Prinzessin, ausziehendem Ritter, Riesenschlange und bösem Mohr zeitgemäß umdeutet. Und um das noch nachzuholen, - unter den seinerzeit herrschenden politischen Umständen war an eine Uraufführung in Deutschland nicht zu denken. Immerhin interessierte sich Bruno Walter, der sich nach Wien zurückgezogen hatte, für eine Premiere an der Staatsoper. Doch diese Perspektive war nach 1938, nach dem sogenannten ‚Anschluss‘ versperrt. Erst nach dem Krieg kam es zu einer durchaus provisorischen Uraufführung beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt, für die sich 1950 der Dirigent Kurt Schröder stark machte. Erst 2001 erfolgte eine, bzw. die szenische Uraufführung in Regensburg. 13 Jahre später kam es zu dem neuerlichen Versuch in Bonn, den wir in Zusammenarbeit mit dem WDR und Deutschlandradio heute gerne dokumentieren. - Also, Walter Braunfels: "Der Traum ein Leben", ein dramatisches Märchen nach Franz Grillparzer op. 51, die Besetzung: Im Vor- und Nachspiel singen: Massud, ein reicher Landmann: Rolf Broman Mirza, seine Tochter: Manuela Uhl Rustan, sein Neffe: Endrik Wottrich Zanga: Mark Morouse Erster Genius: Christina Kallergis Zweiter Genius: Nina Unden Und im Traum agieren: Der König von Samarkand: Rolf Broman Gülnare, seine Tochter: Manuela Uhl Ein altes Weib: Anjara I. Bartz Der Alte Kaleb: Graham Clark Karkhan, sein Neffe: Johannes Mertes Kämmerer: Josef Michael Linnek 2 Der Mann vom Felsen: Ludwig Grubert Es singen der Chor des Theater Bonn und es spielt das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Will Humburg Das Vorspiel präsentiert uns den jungen Jäger Rustan, der sich im Landhaus seines Oheims Massud langweilt und auf die Zärtlichkeit von Massuds Tochter Mirza eher unwillig reagiert. Bestärkt wird Rustan in seinem Ehrgeiz zu neuen Taten von seinem schwarzen Diener Zanga, der ihm den Märchenflitter des Fürsten von Samarkand und seiner schönen Tochter vorgaukelt. Der besorgten Mirza gesteht Rustan noch eine Nacht zu. Doch alsbald versinkt er in der Traumwelt seiner Wünsche. Der erste Aufzug führt direkt ins Reich der Abenteuer. Auf den Hilferuf eines Mannes schleudert Rustan seinen Speer nach der Riesenschlange. Er fehlt und sieht einen Mann auf dem Felsen, der das Untier erlegt. Wie Papageno aus der Zauberflöte gibt sich Rustan auf Einflüsterung Zangas hin dem erwachenden König als Retter zu erkennen. Zu dieser Lüge verführt ihn vor allem des Königs nahendes Töchterlein Gülnare. Sie schenkt Rustan ihre Huld, der König übergibt ihm seinen kostbaren Dolch. In dieses Traumidyll bricht der Mann vom Felsen, der den Lohn für seine Rettungstat einfordert. Im Zweikampf auf der Brücke stößt Rustan ihm den Dolch ins Herz und stürzt ihn in den Fluss. Der Traum ein Leben. Vorspiel und Erster Akt. „Der Traum ein Leben“, 1. Aufzug = 45‘21“ SWR 2 Opernabend. Walter Braunfels Der Traum ein Leben, Vorspiel und 1. Aufzug. In den Hauptrollen singen Endrik Wottrich den Rustan, Mark Morouse den Diener Zanga, Manuela Uhl gibt die Doppelrolle der Mirza und Gülnare sowie Ralf Bromann den Massud und König von Samarkand. Das Beethovenorchester der Stadt Bonn spielt unter der Leitung von Will Humburg. Genau 100 Jahre vor Entstehung der Oper, 1834, schreibt Grillparzer sein Märchendrama, dessen verworrene Handlungsmotive neben Calderon Voltaires Fabel Der Schwarze und der Weiße und der Zauberposse entlehnt sind. Das Stück entspricht dem Wunsch seines Helden: in das rege, wirre Leben hinabzustürzen. Doch propagiert der Dichter am Ende das ´holde Bescheiden´ seines Rustan, nämlich biedermeierliche Rückkehr zu Haus und Herd. Damit weist er romantischen Märchen wie das vom Geheimen Königreich den Weg, das wiederum in die Oper Der Traumgörge von Alexander Zemlinskys eingeht. In den Opern um 1900 darf ungehemmt geträumt und phantasmagoriert werden. Nicht nur Zemlinskys Görge, sondern auch Franz Schrekers Oper Der ferne Klang stehen Pate bei der Braunfels-Oper und ihrem finalen Motto: …dass der Schatz, den fern ich suchte/ hier an meiner Seite strahlt! Wie bei Schreker zeigen auch in Braunfels´ Musik Harfen- , Celestaklänge und Vokalisen ferner Geister den Übergang von Tag zu Traum an. Dieser Traum kündet allerdings im 2. Aufzug mit Fanfarengeschmetter seinen martialischen Umschwung an: Der siegreich aus dem Feldzug heimkehrende Rustan empfängt die Huldigung von König und Gülnare. Im Festzelt besprechen gerade Herrscher und Ritter die künftige Vermählung des Paares, als der Kämmerer die Nachricht eines im Fluss angeschwemmten Toten überbringt, ermordet durch des Königs Dolch. Dieser, misstrauisch geworden, fordert von Rustan den Dolch zurück. In Abwesenheit des Königs schleicht sich eine Hexe mit einem Giftbecher ins Zelt und vertauscht ihn mit dem Becher des Königs. Rustan hindert sie nicht und lässt zu, dass der König trinkt und stirbt. Der Feige will die Flucht ergreifen, doch die ahnungslose Gülnare tritt ihm Schutz flehend entgegen. Das Heer rebelliert und ruft Rustan zum König aus. Gülnare will mit ihm die Krone teilen. Der Traum ein Leben zweiter Aufzug. 3 „Der Traum ein Leben“, 2. Aufzug = 41‘49“ SWR Opernabend: wir senden Der Traum ein Leben – Oper von Walter Braunfels. Neben den Hauptpartien des Königs, der Gülnare, Rustans und Zengas – gesungen von Ralf Bromann, Manuela Uhl, Endrik Wottrich und Mark Morouse – hörten wir Anjara I. Bartz als altes Weib sowie den Chor des Theaters Bonn und das Beethovenorchester unter Will Humburg. Mit brillanter Sängerbesetzung und nuancenreicher orchestraler Widergabe reiht sich das Traum-Opus würdig in die Bonner Serie von Schreker-, Delibes- und Massenetaufführungen ein. Braunfels´ Musik nähert sich Grillparzers Märchenstoff weniger phantastisch als vielmehr skurril oder durch den deutschen Gemütston. Das Vorspiel zum 3. Aufzug trägt Züge eines Mahlerscherzos, die Szene der bangenden Mirza schlägt dagegen ein schlichtes Lamento an. Aufschwünge und große Ensembles machen sich rar; die Leitmotive ritterlichen, dämonischen oder prahlerischen Charakters verstecken sich im kunstvollen Orchestergewebe. Gegenüber dem hymnischen Espressivo seiner sakralen Werke herrscht in Braunfels´ Oper ein gedrückter, wenn nicht unterdrückter Ausdrucksgestus vor; er könnte der biographischen Situation jähen Verstummen geschuldet sein. Der 3. Aufzug exponiert die Untersuchung des Königsmordes. Der bis dahin stumme alte Augenzeuge Kaleb ringt sich den Ausruf ´Rustan´ ab. Eine Turmglocke schlägt und unser Held ersehnt sich das Aufwachen aus dem Albtraum. Doch vergeblich: Rustan wird von Gülnares Kriegern bedrängt. Mit Mirza, die sich um den Geliebten sorgt, wechselt die Szene zur Wirklichkeit über. Doch erst auf der Brücke, wo alles begann, muss nicht nur der Traum, sondern der Phantomheld selber enden: Rustan stürzt sich in den Fluss. – Erneute Verwandlung, die Genien raunen das Morgenlicht herbei. Rustan erwacht, kann nun endlich sein ferne, doch so nahe Mirza umarmen und den Segen des Oheims Massud erwirken. Der Traum ein Leben 3. Aufzug und Nachspiel „Der Traum ein Leben“, 3. Aufzug und Nachspiel = 33‘31“ Im SWR Opernabend hörten Sie von Walter Braunfels: "Der Traum ein Leben", ein dramatisches Märchen nach Franz Grillparzer op. 51 Im Vor- und Nachspiel sangen: Massud, ein reicher Landmann: Rolf Broman Mirza, seine Tochter: Manuela Uhl Rustan, sein Neffe: Endrik Wottrich Zanga: Mark Morouse Erster Genius: Christina Kallergis Zweiter Genius: Nina Unden Im Traum: Der König von Samarkand: Rolf Broman Gülnare, seine Tochter: Manuela Uhl Ein altes Weib: Anjara I. Bartz Der Alte Kaleb: Graham Clark Karkhan, sein Neffe: Johannes Mertes Kämmerer: Josef Michael Linnek Der Mann vom Felsen: Ludwig Grubert Es sangen der Chor des Theater Bonn und es spielte das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Will Humburg Tonmeister der Aufnahme war Sebastian Stein. Einführungstext: Wolfgang Molkow. Redaktion Reinhard Ermen. 4