Moderne medikamentöse Glaukomtherapie

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DIE ÜBERSICHT
Norbert Pfeiffer
Moderne medikamentöse
Glaukomtherapie
ZUSAMMENFASSUNG
Das Glaukom ist in Deutschland die häufigste Ursache irreversibler Erblindung mit etwa 500 000 bis 800 000 betroffenen Patienten. Die meisten Patienten werden mit lokaler medikamentöser Therapie behandelt. Bisher standen drei Medikamentengruppen zur Verfügung: Pilocarpin, Adrenalinderivate und Betablocker. Mit letzteren wurden etwa 80 Prozent aller Glaukompatienten therapiert. Neuerdings sind
drei neue Medikamentengruppen zur lokalen Behandlung
hinzugekommen: lokale Carboanhydrasehemmer, Prostaglandine und Alpha-2-Agonisten. Alle senken den Augeninnendruck, jedoch über verschiedene Mechanismen. Der
augeninnendrucksenkenden Wirkung stehen ungewöhnli-
che Nebenwirkungen gegenüber, welche ganz anders sind als bei den bisherigen Präparaten. Carboanhydrasehemmer führen zu Geschmacksveränderungen, Prostaglandine können die Farbe
der Regenbogenhaut und die Form der Wimpern verändern,
Alpha-2-Agonisten führen zur Blutdrucksenkung und Sedierung. Die große Zahl der Glaukompatienten und mögliche systemische Auswirkungen lokaler Therapie lassen eine
Kenntnis dieser Medikamente auch beim Allgemeinarzt
oder Internisten unumgänglich erscheinen.
Schlüsselwörter: Glaukom, Erblindung, okuläre Hypertension, medikamentöse Therapie
Modern Pharmacological Glaukoma Therapy
Glaucoma is the most frequent course of irreversible
blindness in Germany with approximately 500 000 to
800 000 patients affected. Most glaucoma patients will currently be treated with topical medications. Until now three
treatment options were available: pilocarpin, adrenaline and
its derivatives, and beta-receptor-antagonists. The latter account for 80 per cent of all glaucoma treatments. Three new
kinds of medications have been introduced recently: carbonic-anhydrase inhibitors, prostaglandins and alpha-2-agonists. These new drugs all lower intraocular pressure by dif-
ferent mechanisms, and their spectrum of side effects also differs from that known from current
therapies. Carbonic-anhydrase inhibitors may induce an altered taste in 25 per cent of the patients. Prostaglandins can
induce pigmentation of the iris as well as growth of eye lashes. Alpha-2-agonists lower systemic blood pressure and
may lead to sedation. Due to the high number of glaucoma
patients every physician should become aware of the possibility of systemic side effects under topical treatment.
Key words: Glaucoma, blindness, ocular hypertension,
pharmacological therapy
D
as Glaukom ist weltweit eine
der häufigsten Ursachen irreversibler Erblindung. Man versteht darunter eine heterogene Gruppe
von Erkrankungen, welche zu einer
progressiven Schädigung des Sehnervenkopfes (Abbildung 1) und Verlust
visueller Funktion führt. Diese wird am
besten erfaßt durch die GesichtsfeldPrüfung, bei der sich von außen her beginnende Einschränkungen und fokale
Ausfälle (Skotome) finden (Abbildung
2). Als wichtigster, jedoch nicht einziger Schädigungsfaktor in diesem Prozeß wird ein erhöhter Augeninnendruck (intraokularer Druck, IOD) angesehen. Man unterscheidet primäre
und sekundäre Glaukomformen. Am
weitaus häufigsten ist in Europa das
primäre Offenwinkelglaukom. Primäre
Winkelblockglaukome (Glaukomanfall) und das kongenitale Glaukom sind
sehr viel seltener. Sekundäre Glaukome treten auf als Folge anderer Augenoder Allgemeinerkrankungen, zum
Beispiel Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, bei lokaler oder systemischer Steroidbehandlung sowie nach
okulärem Trauma oder Operation (9,
27). Es wird geschätzt, daß in Deutschland ein bis zwei Prozent aller über
40jährigen ein Glaukom haben. Dies
entspräche etwa 500 000 bis 800 000 Patienten allein in Deutschland. Die
Prävalenz nimmt mit dem Alter steil zu
und beträgt bei den über 80jährigen etwa 14 Prozent. Etwa zehnmal häufiger
ist die okuläre Hypertension, bei welcher der IOD über die Norm erhöht,
ein Papillen- oder Gesichtsfeldschaden
jedoch nicht nachweisbar ist. Auch
heute noch erblinden etwa zehn Prozent aller Glaukomerkrankten (14).
Ursachen und
Auswirkungen
des Glaukoms
Erhöhter IOD entsteht beim
Glaukom durch gestörten Kammerwasserabfluß aus dem Auge und führt
Universitäts-Augenklinik (Direktor: Prof. Dr.
med. Norbert Pfeiffer), Johannes-GutenbergUniversität, Mainz
A-3292 (48) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 51–52, 21. Dezember 1998
SUMMARY
durch mechanische Alteration des
Sehnervs und/oder Störung der
Durchblutung zum Sehnervenschaden. Schon lange ist der Zusammenhang zwischen erhöhtem IOD und
Glaukomschaden bekannt. Weniger
klar ist jedoch, ob die Senkung des
IOD in allen Fällen einen Glaukomschaden aufhalten kann. Dabei spielt
die Beobachtung eine Rolle, daß einerseits nicht jeder Patient mit okulärer Hypertension auch einen Glaukomschaden erleidet und es andererseits Patienten mit statistisch normalem IOD, jedoch typischem Glaukomschaden gibt (Normaldruckglaukom). Auch sind die Behandlungsergebnisse der IOD-Senkung nicht immer überzeugend. Es gibt zahlreiche
Hinweise darauf, daß neben dem erhöhten IOD andere Faktoren, wie eine mangelnde Perfusion des Augapfels, zum Glaukomschaden beitragen können. Zudem ist man bisher
möglicherweise von zu hohen Grenzwerten des IOD ausgegangen: Der
mittlere IOD der Bevölkerung beträgt 15 mmHg. Als Normalbereich
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wurden von 9 bis 21 mmHg angegeben, was dem Doppelten der Standardabweichung nach unten und oben
entspricht. Bisherige Glaukomtherapie hat in der Regel das Einhalten der
oberen Normgrenze von 21 mmHg als
Therapieerfolg angesehen. Mehrere
Studien legen jedoch nahe, daß ein
Schutz vor dem Fortschreiten eines
Glaukomschadens erst beim Erreichen niedrigerer Normalwerte besteht
(16, 29). Dieser sogenannte „Zieldruck“ sollte um so niedriger sein, je
niedriger der IOD war, bei dem ein
Glaukomschaden eintrat. Daher können die Zieldrücke bei einzelnen Patienten durchaus bei 12 bis 15 mmHg
liegen, während bei anderen Patienten höhere Werte tolerabel
sind. Weitere Risikofaktoren
für das Auftreten oder einen
schwereren Verlauf des Glaukoms sind unter anderem nahe Verwandtschaft mit Glaukomerkrankten, Kurzsichtigkeit, Diabetes mellitus und
Blutdruckstörungen
sowie
schwarze Rasse.
Die Kenntnis der medikamentösen
Glaukomtherapie ist wegen der Häufigkeit der Glaukome und der möglichen systemischen Nebenwirkungen
und Kontraindikationen auch für den
Nicht-Augenarzt bedeutsam.
Bisherige medikamentöse
Therapien
Parasympathomimetika
Wichtigster Vertreter dieser
Gruppe ist das Pilocarpin, 1876 von
Weber eingeführt. Drei- bis viermal
täglich als Tropfen in den Bindehautsack appliziert, führt es zur Verbesse-
Therapiemöglichkeiten
Zur Senkung des erhöhten IOD stehen die medikamentöse Behandlung, Laserbehandlung oder Operation
zur Verfügung. Man schätzt,
daß in Deutschland über
90 Prozent aller Patienten
mit Medikamenten behandelt werden. Laserbehandlung und Operation werden
eher, jedoch nicht nur, fortgeschrittenen Glaukomfällen
zugeordnet. Medikamentöse
Therapie wird in der Regel
als lokale Tropfentherapie Abbildung 1: Oben: Normaler Sehnerv. Die Nervenfasern füllen
ans Auge appliziert. Bisher den Sehnervenkopf aus. Unten: Glaukomatöser Sehnerv mit tiefer
standen hauptsächlich drei Papillenexkavation und fast vollständigem Verlust des NervenfaMedikamentengruppen für serpolsters unter jahrelangen IOD-Werten bis 45 mmHg
lokale Glaukomtherapie zur
Verfügung: Parasympathomimeti- rung des beim Glaukom gestörten
ka, Sympathomimetika und β- Kammerwasserabflusses und senkt
Blocker. In den letzten zwei Jahren den IOD um etwa 25 Prozent. Nekamen gleich drei neue Therapie- benwirkungen sind bei allen Patienprinzipien dazu. Es handelt sich da- ten die Pupillenverengung (Abbilbei um lokale Carboanhydrasehem- dung 3) mit gestörter Dunkeladaptamer, Alpha-2-Agonisten und Pro- tion und bei jungen Menschen industaglandine. Diese drei Gruppen wer- zierte Kurzsichtigkeit durch Konden den Einsatz der bisherigen Stan- traktion des Ziliarmuskels. Durch
dardtherapien erheblich verändern. Kontraktion glatter Muskelzellen in
den Bronchien kann es bei disponierten Patienten zur Auslösung oder
Verstärkung von Asthma kommen.
Bislang erhielten etwa zehn Prozent
aller Glaukompatienten in Deutschland Pilocarpin oder das synthetische
Aceclidin (8). Wegen der erheblichen
lokalen Nebenwirkungen wird Pilocarpin in Zukunft eher weniger verwendet werden. Das länger wirkende
Carbachol spielt eine untergeordnete
Rolle. Kaum noch verwendet werden
wegen starker Nebenwirkungen
Cholinesterasehemmer wie Neostigmin.
Sympathomimetika
Hauptvertreter dieser Gruppe
war über lange Zeit das Adrenalin,
welches, zweimal täglich appliziert,
den IOD ähnlich senkt wie Pilocarpin. Die Gabe ist von initialer Vasokonstriktion und nach Stunden reaktiver Vasodilatation der konjunktivalen Bindehautgefäße begleitet (Abbildung 4). Auch kardiovaskuläre Nebenwirkungen durch systemische Resorption können die Anwendung dieser Substanzen limitieren.
Leider kommt es in einem erheblichen Prozentsatz zu Kontaktsensibilisierung und Allergie. Reduziert wurden diese Nebenwirkungen
durch Einführung einer Pro-DrugFormulierung (Dipivalylepinephrine, zum Beispiel d-Epifrin): Verestertes Adrenalin wird dabei erst
mit Penetration durch die Hornhaut
in das aktive Adrenalin umgewandelt. Bislang erhielten etwa 10 Prozent der Glaukompatienten Adrenalinderivate (8).
β-Blocker
Betaadrenozeptoren
blockierende Substanzen, kurz β-Blocker
genannt, sind hinlänglich aus der Behandlung der systemischen Hypertonie bekannt. Die Beobachtung, daß
sie bei systemischer Gabe auch den
IOD senken, führte zu ihrer Verwendung zur Glaukombehandlung durch
lokale Gabe. Die okulären Nebenwirkungen sind bis auf eine lokalanästhetische Nebenwirkung und
Hervorrufen eines trockenen Auges
eher gering. Jedoch stellte sich entgegen der ursprünglichen Annahme
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 51–52, 21. Dezember 1998 (49) A-3293
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heraus, daß auch lokal gegebene βBlocker grundsätzlich die gleichen
Nebenwirkungen und damit Kontraindikationen aufweisen wie bei systemischer Gabe. So sind β-Blocker
unter anderem kontraindiziert bei
atrioventrikulärem Block II. Grades
wegen der Gefahr des totalen AVBlockes sowie bei Asthma. Durch lokale Anwendung von β-Blockern ist
es unter diesen Patienten zu Todesfällen gekommen (3). Obwohl in
Deutschland zahlreiche verschiedene β-Blocker zur Verfügung stehen,
sind die Kontraindikationen für alle
Substanzen dieser Klasse die gleichen. Weitere wichtige Nebenwirkungen sind zentralnervöse Störungen sowie die Maskierung einer Hypoglykämie bei Diabetikern durch
Verhinderung des reaktiven Pulsanstieges. Störend ist auch die weitere
Absenkung des Blutdruckes bei Hypotonie. Dennoch wurden bisher etwa 80 Prozent der Glaukompatienten mit β-Blockern behandelt.
Systemische
Carboanhydrasehemmer
Carboanhydrasehemmer wurden mit Acetazolamid (zum Beispiel
Diamox) 1954 in die Glaukombehandlung eingeführt. Sie mußten
oral oder intravenös appliziert werden. Wirkmechanismus ist die
Hemmung der Carboanhydrase im
Ziliarkörperepithel des Auges, da
die Carboanhydrase ein Schlüsselenzym für die Entstehung von Kammerwasser ist. Die Anwendung systemischer Carboanhydrasehemmer
ist aber von erheblichen systemischen Nebenwirkungen begleitet,
wie allgemeines Unwohlsein, Gewichtsverlust, Nierensteine, Hypokaliämie, selten Ateminsuffizienz,
Verschlimmerung von Lebererkrankungen und aplastischer Anämie, sogar mit Todesfolge. Grund
für dieses breite Spektrum an Nebenwirkungen ist die fast ubiquitäre
Verteilung der Carboanhydrase im
menschlichen Körper. Carboanhydrasehemmer wurden deshalb nur
bei Kontraindikationen gegen Lokaltherapeutika oder der Notwendigkeit sehr schneller und zuverlässiger IOD-Senkung, wie etwa beim
Glaukomanfall, eingesetzt.
(22, 24). Dieses Medikament muß bei
Monotherapie dreimal täglich appliLokale
ziert werden und senkt den IOD in
Carboanhydrasehemmer
einem ähnlichen Maße wie β-Blocker
(30); es kann bei manchen, jedoch
Aufgrund der erheblichen syste- nicht allen, Patienten systemische
mischen Nebenwirkungen lag der Carboanhydrasehemmer
ersetzen
Gedanke nahe, Carboanhydrasehem- (21). Lokale Nebenwirkungen ummer lokal zu applizieren und damit fassen passageres Verschwommensehen kurz nach Applikation,
+ 30°
Augenbrennen und -stechen
durch niedrigen pH-Wert sowie Allergien bei etwa fünf
Prozent aller Patienten. Systemische Nebenwirkungen
sind selten.
Lediglich bei nierenin+ 30°
suffizienten Patienten wird
eine Entgleisung des Elektrolyt- und Säure-BasenHaushaltes für möglich gehalten.
Eine Förderung der Nierensteinbildung ist wenig
wahrscheinlich. Störungen
– 30°
Empfindlichkeitsverlust dB
der Blutbildung, wie aplastische Anämie, wurden bisher
nicht beobachtet. Da ein Teil
+ 30°
dieser Blutbildungsstörungen bei systemischen Carboanhydrasehemmern jedoch
ein dosisunabhängiges Geschehen darstellt, ist mit solchen Störungen grundsätzlich auch nach lokaler Gabe
+ 30°
zu rechnen. Warnhinweise
könnten erhöhte Blutungsneigung (Thrombozytopenie), häufige Infektionserkrankungen (Agranulozytose) oder Blutarmut (Störung
der Erythropoese) sein. Sol– 30°
che Symptome, die eher vom
Empfindlichkeitsverlust dB
Hausarzt festgestellt werden
Abbildung 2: Oben: Fast normales Gesichtsfeld mit winzigem rela- dürften, müßten zum sofortitivem Skotom am oberen Gesichtsfeldrand. Unten: Fortgeschritte- gen Abbruch der Therapie
ner glaukomatöser Gesichtsfeldausfall. Der zentrale Visus beträgt führen.
Eine spezifische Nebennoch 1,0, aber mit der kleinen Gesichtsfeldinsel ist praktisch keine Orientierung mehr möglich.
wirkung der lokalen Carboanhydrasehemmer ist häufig,
die systemischen Nebenwirkungen aber harmlos: Etwa ein Viertel der
zu verringern. Die systemisch ange- Patienten stellt einen unangenehmen
wendeten Substanzen eigneten sich Geschmack nach Tropfeninstillation
hierzu jedoch nicht, da sie nur un- fest, vor allem beim Genuß von Gegenügend ins menschliche Auge pe- tränken mit Kohlensäure. Die Carnetrieren. 1995 wurde Dorzolamid boanhydrase der Geschmackspapil(Trusopt®) eingeführt, ein carboan- len wird gehemmt, und man
hydrasehemmendes
Sulfonamid, schmeckt nun das sonst schnell in
dessen Molekülstruktur eine Pene- Wasser und CO2 gespaltene Bicarbotration ins menschliche Auge erlaubt nat.
Neue Glaukommedikamente
A-3294 (50) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 51–52, 21. Dezember 1998
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Alpha-2-Agonisten
bei der einprozentigen Konzentrati- daß der IOD am von einer Uveitis beon etwa 50 Prozent innerhalb eines troffenen Auge häufig niedriger war
In Deutschland steht mit Clo- Jahres (4). Das Medikament ist daher als am Gegenauge. Während normanidin im Gegensatz zu den meisten überwiegend schwierigen Glaukom- lerweise über 80 Prozent des Kammeranderen Ländern ein Alpha-2-Ago- fällen beziehungsweise der Kurzzeit- wassers über die Vorderkammer, Tranist zur IOD-Senkung schon seit über behandlung vorbehalten. Allergien bekelwerk und Schlemm-Kanal aus
20 Jahren zur Verfügung. Clonidin können bei allen Ophthalmika vor- dem Auge herausfließen, verstärken
senkt bei lokaler Gabe nicht nur den kommen und auch gegen die beige- Prostaglandine den Abfluß des KamIOD, sondern auch den Blutdruck, fügten Konservierungsmittel gerich- merwassers über ansonsten wenig betet sein. Konservierungsmit- deutende uveosklerale Abflußwege,
telfreie Einzeldosisbehälter also durch Aderhaut und Lederhaut.
können hier hilfreich sein, Physiologisch ist eine solche Reaktion
wenn auch zu deutlich höhe- wahrscheinlich sinnvoll: Durch Entrem Preis (10). Die neueste zündung des Trabekelwerks bei der
Entwicklung aus der Gruppe Uveitis kann der Abfluß durch das
der Alpha-2-Agonisten ist Trabekelwerk gestört sein. Zur SenBrimonidin (Alphagan). In kung des IOD eignen sich synthetische
der Wirksamkeit ist es dem β- Prostaglandine, die überwiegend am
Blocker Timolol vergleichbar Prostaglandin-FP-Rezeptor angrei(17). Die deutsche Zulassung fen. Dieser vermittelt wahrscheinlich
erfolgte im letzten Jahr. Die die IOD-senkende Wirkung, weniger
Allergierate des Brimonidin die Entzündungsreaktion mit HyperäAbbildung 3: Miosis nach Pilocarpingabe mit schlechtem Nacht- ist deutlich niedriger als die mie und Störung der Blutkammerwasdes Apraclonidin. Systemi- serschranke (2, 5).
sehen bei mangelnder Pupillenerweiterung
sche, vor allem sedievermittelt nach systemischer Resorp- rende Wirkungen sind wahrtion durch einen zentralnervösen Ef- scheinlich geringer als die des
fekt. Blutdrucksenkende und sedie- Clonidin, so daß es im Wirrende Wirkung des Clonidin limitier- kungs- und Nebenwirkungsten seine Anwendung. Neue Substan- spektrum zwischen Clonidin
zen mit modifizierter Molekülstruk- und Apraclonidin angeordtur respektieren die Bluthirnschran- net werden kann (26). Interke stärker und weisen ein geringeres essant ist eine mögliche neuNebenwirkungsspektrum auf (26). roprotektive Wirkung, deren
Zuerst eingeführt wurde das Apra- Bedeutung beim Glaukom jeclonidin
(Para-Amino-Clonidin), doch noch unklar ist (32).
welches seit drei Jahren in DeutschAbbildung 4: Reaktive Hyperämie und Allergie nach Adrenalingabe
Prostaglandine
land zugelassen ist. Es ist bei chronischer Gabe etwa so wirksam wie der
Prostaglandine wurden ursprüngβ-Blocker Timolol (28), seine Gabe
Zwei Prostaglandine sind zur
ist jedoch, wie auch die anderer Sym- lich auch aus der Iris als sogenannte Zeit kommerziell erhältlich: Latanopathomimetika, mit einer hohen All- „Irine“ isoliert. Sie fungieren als Ent- prost (Xalatan) wurde 1996 in Ameriergierate belastet (Abbildung 5): Die- zündungsmediatoren und werden bei ka, Schweden und England und im Juse beträgt bei der 0,5prozentigen der Iritis und Uveitis freigesetzt. Einer li 1997 in Deutschland eingeführt.
Konzentration etwa 19 Prozent (1), altbekannten Beobachtung entsprach, Dieses Medikament muß nur einmal
täglich gegeben werden, die Wirksamkeit entspricht oder übertrifft diejenige des β-Blockers Timolol. Das zweite
Medikament, Unoprostone (Rescula), ein schwächeres Derivat, stand
schon seit einigen Jahren, jedoch nur
in Japan, zur Verfügung.
Lokale Nebenwirkungen von
Prostaglandinen beinhalten Hyperämie und Entzündungsreaktion des
Auges, beim disponierten Auge möglicherweise Entstehung eines Makulaödems. Eine spezifische Nebenwirkung
der Prostaglandine ist jedoch eine
Abbildung 5: Beispiel einer lokalen Allergie nach Medikamentengabe
Braunfärbung der Regenbogenhaut,
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 51–52, 21. Dezember 1998 (51) A-3295
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und zwar insbesondere bei Augen mit
Mischfarben. Vor allem bei grün-brauner und gelb-brauner Iris wurde in
bis zu 50 Prozent ein Braunerwerden
der Regenbogenhaut beobachtet (31).
Zugrundeliegender Mechanismus der
Dunklerfärbung ist mit Wahrscheinlich eine Vermehrung des Melaningehaltes der anterioren Melanozyten der
Iris. Ein proliferativer, möglicherweise
maligner Prozeß ist dagegen nach un-
dehaut und Sklera beziehungsweise
durch die Hornhaut ins Auge aufgenommen. Ein größerer Teil wird
durch oberes und unteres Tränenpünktchen in den Nasen-Rachenraum
abgeleitet. Dort steht ihm eine große
Schleimhautfläche zur schnellen Resorption zur Verfügung, der Rest wird
geschluckt. Während Substanzen aus
dem Magen-Darm-Trakt der Leberpassage und damit einem First-Pass-
Strategie der
Glaukombehandlung
Ziel der Glaukombehandlung ist
die Verhinderung der Progression von
Papillen- und Gesichtsfeldschaden
durch Senkung des meist über die
Norm erhöhten IOD. Mit Diagnose
des Glaukoms wird nach IOD-, Papillen- und Gesichtsfeldbefund die Behandlungsmodalität festgelegt werden.
Tabelle
Typische Nebenwirkungen lokaler Glaukommedikamente
Substanzgruppe
lokale Nebenwirkungen
systemische Nebenwirkungen
Parasympathomimetika
(z. B. Pilocarpin, Aceclidin, Carbachol)
Miosis, Myopisierung
Asthma
Sympathomimetika
(z. B. Adrenalin, Dipivalylepinephrin)
reaktive Hyperämie, Allergie,
Makulaödem, Pigmentablagerungen
Adrenalinwirkung im
Herz-Kreislauf-System
β-Blocker
(z. B. Timolol, Metipranolol,
Betaxolol)
trockenes Auge, lokalanästhetischer
Effekt, Kontaktlinsenunverträglichkeit
AV-Blockierung, Asthma,
Hypotonie, zentralnervöse
Störungen, Maskierung von
Hypoglykämie, Sedierung
systemische Carboanhydrasehemmer
(Acetazolamid, Diclophenamid)
praktisch keine, selten Myopisierung
Unwohlsein, Gewichtsverlust,
Hypokaliämie, Nierensteine,
Atem-/Leberfunktionsstörungen,
Medikamenteninteraktionen,
Blutbildungsstörungen
lokale Carboanhydrasehemmer
(Dorzolamid)
Verschwommensehen, Brennen,
Tränen, Allergien, evtl. Hornhautödem
unangenehmer Geschmack,
Nierensteine?,
Blutbildungsstörungen?
Alpha-2-Agonisten
(Clonidin, Apraclonidin, Brimonidin)
Allergien, Vasokonstriktion,
Oberlidretraktion
Hypotonie, Sedierung
Prostaglandine
(Latanoprost, Unoprostone)
Hyperämie, Störung der Blutkammerwasserschranke, Irispigmentierungen
bisher keine bekannt, evtl.
Vorsicht bei Asthma geboten
seren histologischen Untersuchungen
sehr unwahrscheinlich (23). Dennoch
soll Latanoprost vorerst nur eingesetzt
werden, wenn andere Medikamente
nicht wirksam sind oder nicht vertragen werden.
Systemische
Nebenwirkungen bei
Lokaltherapie?
Warum können Augentropfen
auch bei lokaler Gabe überhaupt systemische Nebenwirkungen hervorrufen (Tabelle)? Von einem Augentropfen wird nur ein Bruchteil durch Bin-
Effekt unterliegen, der bei βBlockern etwa eine Metabolisierung
zu zwei Dritteln bedeutet (13, 25),
entfällt dieser Entgiftungsmechanismus für im Nasen-Rachen-Raum resorbierte Medikamente. Sie werden
unter Umgehung des Leberkreislaufes direkt der systemischen Zirkulation zur Verfügung gestellt. Die Gabe
von Augentropfen wurde deshalb mit
einer langsamen intravenösen Injektion verglichen. Eine Kompression der
Tränenpünktchen nach Tropfengabe
kann die systemische Aufnahme von
Augentropfen und Nebenwirkungen
erheblich reduzieren (19). Diese Maßnahme ist in Abbildung 6 dargestellt.
A-3296 (52) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 51–52, 21. Dezember 1998
In den meisten Fällen wird mit medikamentöser Lokaltherapie begonnen.
Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn
man erwarten kann, damit den IOD
auf Werte zu senken, die eine Progression des Glaukomschadens unwahrscheinlich machen. Eine Substanz
senkt langfristig den IOD um etwa 20
bis 25 Prozent. Mittel der ersten Wahl
sind β-Blocker; Pilocarpin und Adrenalin verlieren an Bedeutung und
werden zunehmend durch die neueren
Therapien ersetzt werden. Die Kombination verschiedener Therapieprinzipien (beispielsweise Reduktion der
Kammerwasserproduktion mit Verbesserung des Abflusses) ist sinnvoll,
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DIE ÜBERSICHT/FÜR SIE REFERIERT
jedoch nicht völlig additiv. Eine Limitierung der medikamentösen Behandlung ergibt sich oft durch Kontraindikationen und Nebenwirkungen, aber
auch durch mangelnde Compliance:
Das Glaukom ist wegen des langsamen
und von außen fortschreitenden Gesichtsfeldverfalles eine praktisch asymptomatische Erkrankung. Erst im
Spätstadium, wenn Erblindung nahe
ist, werden Ausfälle bemerkt, Schmer-
völkerung bisher nur geringe Kenntnisse über das Glaukom (20). Die Kontrolle der Behandlung geschieht nur
vordergründig durch Kontrollen des
IOD. Genauso wichtig jedoch ist zu
überprüfen, ob das eigentliche Behandlungsziel, nämlich Bewahrung
von Sehnervenkopf und Gesichtsfeld,
erreicht wird. Je nach Erkrankungsstadium und Intensität sind in der Regel
viermal jährlich Kontrollen des IOD,
Abbildung 6: Nasolacrimale Okklusion zur Verhinderung von systemischen Nebenwirkungen. Unmittelbar nach
Tropfengabe werden die Tränenwege mit Daumen beziehungsweise Zeigefinger für etwa 3 Minuten komprimiert. Hierdurch wird die systemische Resorption der applizierten Medikamente reduziert, da die Substanzen
nicht durch den Ductus nasolacrimalis in den Nasen-Rachen-Raum gelangen.
zen oder Druckgefühl bestehen typischerweise nicht. Der Glaukompatient
verspürt durch die Therapie zunächst
nur Nachteile in Form von Nebenwirkungen und erkennt keinen Therapieerfolg. Daher ist es nicht überraschend,
daß etwa die Hälfte aller Tropfen nicht
wie empfohlen angewendet werden
(12, 15, 18). Die Compliance erhöht
sich jedoch um etwa ein Drittel mit
dem Wissen, daß eine mögliche Glaukomfolge die Erblindung ist und
drucksenkende Therapie protektiv
sein kann. Leider bestehen in der Be-
ein bis zweimal jährlich Gesichtsfeldkontrollen und in ein- bis zweijährigem
Turnus Kontrollen der Papille sinnvoll,
doch können andere Intervalle notwendig werden (6).
Behandlung des
Normaldruckglaukoms
Häufig werden Allgemeinarzt
oder Internist vom Augenarzt eines
Patienten mit der Diagnose eines
sogenannten Normaldruckglaukoms
Gastrinämie erhöht Kolonkarzinomrisiko
Das Hormon Gastrin stimuliert
nicht nur die Säuresekretion, sondern auch das Wachstum der Kolonepithelien. Die Autoren führten eine
Fallkontrollstudie an 128 992 Personen durch, von denen 1 881 ein kolorektales Karzinom entwickelten.
Zwischen Serumgewinnung und Dia-
gnose des Karzinoms lagen im
Durchschnitt 15,3 Jahre. Eine Analyse der Serumgastrinwerte ergab, daß
eine Hypergastrinämie mit einem um
den Faktor 3,9 erhöhten Risiko für
ein kolorektales Malignom vergesellschaftet war. In 8,6 Prozent aller beobachteten Fälle könnte die beob-
konfrontiert werden. Für seine Behandlung gibt es bisher noch keine
verbindlichen
Therapierichtlinien.
Meist wird sich der IOD zwar im
statistisch normalen Bereich, jedoch
an dessen oberer Grenze befinden. Erste Maßnahme ist daher in der Regel
die Senkung des IOD auf niedrig normale Werte, etwa von 20 auf 12 mmHg
(11). Bei einigen Patienten, vor allem
relativ jungen Patientinnen mit vasospastischer Disposition, Migräne,
Raynaud-Phänomen oder niedrigem
Blutdruck, wird jedoch ein IOD-unabhängiger Mechanismus postuliert. Unter der Vorstellung, daß eine vasospastische Komponente oder gestörte
Perfusion eine Rolle spielen, wurden
Kalziumantagonisten oder Magnesium zu deren Behandlung vorgeschlagen (7). Einige Pilotstudien zeigten einen positiven Effekt solcher Behandlung; größere Studien müßten allerdings noch zeigen, ob dieses eigentlich
rationale Therapiekonzept einer wissenschaftlichen Prüfung standhält.
Gerade auch beim Normaldruckglaukom ist die Zusammenarbeit von Augen- und Allgemeinarzt oder Internist
zur Abklärung und Behandlung von
Durchblutungsstörungen oder Hypotonie sehr wünschenswert.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-3292–3297
[Heft 51-52]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de)
erhältlich ist.
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Norbert Pfeiffer
Universitäts-Augenklinik Mainz
Langenbeckstraße 1 · 55131 Mainz
achtete Hypergastrinämie auslösend
gewesen sein.
w
Thorburn CM, Friedman GD, Dickinson
CJ, Vogelman JH, Orentreich N, Parsonnet J: Gastrin and colorectal cancer: a
prospective study. Gastroenterology
1998; 115: 275–280.
Departments of Medicine and Health
Research and Policy, Stanford University
School of Medicine, Redwood Building
Room T 225, Stanford, CA 94305-5404,
USA.
Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 51–52, 21. Dezember 1998 (53) A-3297
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