E ≡ E-1.3 455 1.3 Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) Schultergelenkmuskeln geordnet nach Bewegungen und Wichtigkeit Bewegung Muskeln (Anteil am Gesamtdrehmoment aller an der Bewegung beteiligten Muskeln in %) Anteversion M. deltoideus (P. clavicularis, P. acromialis, 15–55 %), M pectoralis major, (5–30 %), M. biceps brachii (10– 15 %), M. coracobrachialis (5–15 %), M. supraspinatus (≤ 10 %) Retroversion M. teres major (25 %), M. deltoideus (Pars spinalis,15–30 %), M. latissimus dorsi (10–20 %), M. triceps brachii (≤ 30 %), M. subscapularis (≤ 25 %) Adduktion M. pectoralis major (20–30 %), M. teres major (10–20 %), M. latissimus dorsi (5–20 %), M. triceps brachii (5–25 %), M. deltoideus (P. clavicularis, Pars spinalis, 0–20 %) Abduktion M. deltoideus (20–60 %), M. supraspinatus (15–30 %), M. infraspinatus (5–15 %) Außenrotation M. infraspinatus (60–75 %), M. teres minor (10–15 %), M. deltoideus (P. spinalis 5–15 %) Innenrotation M. subscapularis (50–65 %), M. pectoralis major (15 %), M. biceps brachii (Caput longum 5–15 %), M. teres major (5–10 %) Ein Teil ihrer Muskelfasern setzt an der weiten Gelenkkapsel an und verhindert als „Kapselspanner“, dass diese zwischen den Gelenkkörpern eingeklemmt wird. An der Gelenkkapsel ansetzende Fasern wirken als „Kapselspanner“. M. biceps brachii (Caput breve), M. triceps brachii (Caput longum) und M. coracobrachialis: Sie sorgen mit ihrem fast parallelen Verlauf zum Humerus (S. 462) dafür, dass sie gemeinsam mit dem Deltoideus das Caput humeri gegen Zug am Arm (z. B. beim Koffertragen) in der Pfanne halten. M. biceps brachii (Caput breve), M. triceps brachii (Caput longum) und M. coracobrachialis: halten den Humeruskopf gegen Zug in der Pfanne (S. 462). 1.3 Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) ▶ Klinik. Am Ellenbogengelenk, insbesondere an den Epikondylen des Humerus, manifestieren sich sehr häufig Insertionstendopathien wie der „Tennisellenbogen“ (S. 493). Diese entsprechen schmerzhaften Überlastungssyndromen der Sehnenansätze. Daneben sind wegen der Bündelung von Leitungsbahnen in der Nähe der Oberfläche bzw. von Knochen besonders Nervenläsionen eine häufige Komplikation von Frakturen und Luxationen. 1.3 Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) ▶ Klinik. 1.3.1 Gelenktyp und Gelenkkörper 1.3.1 Beim Ellenbogengelenk handelt es sich um ein zusammengesetztes Gelenk (Articulatio composita), da mehr als zwei Skelettelemente miteinander artikulieren. Es sind dies die distale Epiphyse des Humerus (Oberarmknochen) und die proximalen Epiphysen von Radius (Speiche) und Ulna (Elle). Das Ellenbogengelenk ist ein zusammengesetztes Gelenk, in dem der Humerus mit dem Radius und der Ulna in 3 Teilgelenken artikuliert. Teilgelenke Teilgelenke Es liegen 3 Teilgelenke mit einer gemeinsamen Gelenkhöhle und einer Gelenkkapsel vor: ■ Articulatio humeroulnaris, in der die proximale Ulna die Trochlea humeri zangenartig (ventral und dorsal) umfasst, ■ Articulatio humeroradialis, in der das halbkugelige Capitulum humeri mit der Fovea articularis des Caput radii artikuliert, und die ■ Articulatio radioulnaris proximalis, in der die Circumferentia articularis des Radiuskopfs in der Incisura radialis der Ulna rotiert. Der Unterarm ist gegen den Oberarm im Humeroulnar- und Humeroradialgelenk um eine transversale Achse wie in einem Scharniergelenk beweglich, was durch die Form der Gelenkkörper des humeroulnaren Teilgelenks bedingt ist. Das Humeroradialgelenk und das proximale Radioulnargelenk sind an der Pronation bzw. Supination von Unterarm und Hand beteiligt. Hierbei dreht sich der Radius um die Ulna in einem Radgelenk (mit einem Freiheitsgrad) dessen Achse etwas schräg zur Längsachse des Unterarms verläuft (S. 459). ■ ■ ■ Gelenktyp und Gelenkkörper Art. humeroulnaris, Art. humeroradialis und Art. radioulnaris proximalis. Humeroulnar- und Humeroradialgelenk verbinden Unter- und Oberarm in einem funktionellen Scharniergelenk. Im Humeroradial- und proximalen Radioulnargelenk dreht sich der Radius um die Ulna bei Pronation und Supination in einem Radgelenk. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Auf Grund der großen Beweglichkeit des Schultergelenks variieren bei manchen Muskeln sowohl der Anteil des Muskels, der an einer Bewegung mitwirkt als auch sein Drehmoment ganz erheblich in Abhängigkeit von der Ausgangsstellung des Gelenks. Daher ist für den Anteil mancher Muskeln der Bereich angegeben, den sie am Gesamtdrehmoment aller Synergisten einer bestimmten Bewegung haben. Es wurden nur wichtige Muskeln mit einem Anteil > 10 % berücksichtigt. Bei den Prozentangaben handelt es sich um gerundete Ca.-Werte. 456 E Gelenkkörper Gelenkkörper Distaler Humerus: Über den Gelenkkörpern der distalen Humerusepiphyse sitzen Epicondylus lateralis (radialis) und medialis (ulnaris) als Muskelursprungshöcker. Hinter dem medialen Epikondylus liegt der Sulcus nervi ulnaris (Abb. E-1.22). Distaler Humerus: Die verbreiterte distale Humerusepiphyse weist über den Gelenkkörpern den Epicondylus lateralis (radialis) humeri und den Epicondylus medialis (ulnaris) als Apophysen auf. An der Dorsalseite des medialen Epikondylus, der weiter vorspringt als der laterale, befindet sich an der Grenze zur Trochlea humeri der Sulcus nervi ulnaris (Abb. E-1.22). Die Achse durch die Humerusepikondylen ist gegenüber der Achse von Caput und Collum humeri um 14–20° nach außen rotiert (Humerustorsion, Abb. E-1.13d). Daher befindet sich die Flexions-Extensions-Achse des Ellenbogengelenks trotz der schrägen Stellung der Scapula am Thorax (und damit des Caput humeri) annähernd in der Frontalebene. Bei gebeugtem Arm liegen die Hände kooperativ im Blickfeld der Augen vor dem Rumpf. Beim Neugeborenen stehen Scapula und Caput humeri noch schräger, was durch einen Humerustorsionswinkel von ca. 60° ausgeglichen wird. Der Humerus besitzt für die Artikulation mit dem Radius und der Ulna zwei Gelenkkörper, die von einer durchgehenden Knorpelfläche überzogen sind: ■ medial (ulnar) die einer Nähgarnrolle ähnliche Trochlea humeri mit einer Führungsnut in der Mitte für die Incisura trochlearis ulnae und ■ lateral (radial) das halbkugelige Capitulum humeri. Unmittelbar über den Gelenkflächen sind im distalen Humerus Vertiefungen für die Aufnahme der proximalen Fortsätze von Radius und Ulna bei extremer Beuge- bzw. Streckstellung: ventral/lateral die Fossa radialis, ventral/medial die Fossa coronoidea und dorsal die Fossa olecrani. Die distale Hymerusepiphyse zeigt ■ medial die Trochlea humeri mit einer Führungsnut für die Incisura trochlearis ulnae; ■ lateral das halbkugelige Capitulum humeri. ⊙ E-1.22 Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) Humerus Crista supracondylaris lateralis Crista supracondylaris medialis Fossa radialis Fossa coronoidea Epicondylus lateralis Humerus Margo lateralis Crista supracondylaris medialis Epicondylus medialis Capitulum humeri Epicondylus medialis Sulcus nervi ulnaris Trochlea humeri Proc. coronoideus Caput radii Collum radii Sulcus capitulotrochlearis Tuberositas radii Crista supracondylaris lateralis Fossa olecrani Epicondylus lateralis Caput radii, Circumferentia articularis Olecranon Tuberositas ulnae Radius Ulna Radius Humerus Humerus Ulna a b Crista supracondylaris lateralis Art. humeroradialis Tuberositas Radius radii Radius Caput radii Epicondylus lateralis Art. humeroulnaris Olecranon Olecranon Art. radioulnaris proximalis Caput radii Ulna d (Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl.) a b c d Capitulum humeri Epicondylus medialis Capitulum humeri c Crista supracondylaris medialis Artikulierende Skelettelemente eines rechten Ellenbogengelenks in der Ansicht von ventral, dorsal, lateral und medial. Ulna Proc. coronoideus Trochlea humeri Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Das distale Humerusende ist gegenüber dem proximalen um 14–20° nach außen torquiert (Abb. E-1.13d), sodass die FlexionsExtensions-Achse des Ellenbogengelenks in der Frontalebene liegt. 1 Schulter, Oberarm und Ellenbogen Proximale Ulna: Das proximale Ende der Ulna umfasst mit der Incisura trochlearis wie eine Zange die Trochlea humeri (Abb. E-1.22). Die halbmondförmige Incisura trochlearis ist in die Nut der Trochlea eingepasst. Dorsal endet diese Zange in einem kräftigen Knochenfortsatz, dem Olecranon, ventral im kleineren Processus coronoideus. Lateral setzt sich die Gelenkfläche in die Incisura radialis fort, in der die Circumferentia articularis des Radius rotiert. Proximal am Corpus ulnae befindet sich ventral die Tuberositas ulnae, als Ansatz des M. brachialis. Proximaler Radius: Das proximale Radiusende (Caput radii, Abb. E-1.22) besitzt eine tellerförmige Gelenkpfanne (Fovea articularis) für das Capitulum humeri. Ihr Knorpelüberzug erstreckt sich auf die Circumferentia articularis, welche rund um den Radiuskopf verläuft. Unmittelbar distal davon befindet sich mit dem Collum radii der dünnste Abschnitt des Knochens. Am distal anschließenden Corpus radii befindet sich die Tuberositas radii, an der der M. biceps brachii ansetzt. ▶ Klinik. Besonders bei Kindern treten beim Sturz auf den ausgestreckten Arm sog. „Grünholzfrakturen“ des Collum radii auf. Hierbei bleibt der Periostschlauch intakt, sodass es nicht zu einer Trennung der Frakturenden kommt. ⊙ E-1.23 457 1.3 Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) Proximale Ulna: Sie umfasst die Trochlea humeri zangenartig (Abb. E-1.22): ■ dorsal mit dem Olecranon und ventral mit dem Proc. coronoideus ■ Die dazwischen liegende Incisura trochlearis passt genau in die Führungsnut der Trochlea. ■ Lateral liegt die Incisura radialis. ■ Distal vom Proc. coronoideus liegt am Corpus ulnae die Tuberositas ulnae (Brachialisansatz). Proximaler Radius: Er trägt ■ die Fovea articularis als Pfanne für das Capitulum humeri sowie ■ die Circumferentia articularis rund um den Radiuskopf. ■ Auf das Caput folgt das dünne Collum radii und distal davon am Corpus die Tuberositas radii (Bizepsansatz). ▶ Klinik. Ellenbogengelenk im Röntgenbild Humerus Fossa olecrani Epicondylus lateralis humeri Epicondylus medialis humeri lateraler Rand der Trochlea humeri Capitulum humeri Articulatio humeroradialis Caput radii Collum radii Olecranon medialer Rand der Trochlea humeri Trochlea humeri Articulatio humeroulnaris Processus coronoideus Articulatio radioulnaris proximalis Radius aI Ulna a II Humerus Fossa coronoidea Processus coronoideus Articulatio humeroradialis Caput radii Fossa olecrani Tuberositas radii Epicondylus medialis Epicondylus lateralis, Capitulum und Trochlea Articulatio humeroulnaris Olecranon bI b II Aufnahme des rechten Ellenbogengelenks. (Möller, T.B., Reif, E.: Taschenatlas der Röntgenanatomie. Thieme, 2010) a Röntgenbild a.-p. (aI) mit erklärender Schemazeichnung (aII), b Röntgenbild seitlich (bI) mit Schemazeichnung (bII). Radius Ulna Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. E 458 E 1.3.2 1.3.2 Gelenkkapsel und Bandapparat Gelenkkapsel und Bandapparat Gelenkkapsel: Sie umschließt am Humerus die Fossae radialis und coronoidea sowie dorsal die distale Hälfte der Fossa olecrani. Die Epikondylen bleiben extrakapsulär (Abb. E-1.24). An der Ulna ist die Kapsel nahe der Gelenkflächen angeheftet. Am Radius ist das proximale Collum noch innerhalb der Kapsel, die hier zum Recessus sacciformis ausgeweitet ist. ▶ Klinik. 1 Schulter, Oberarm und Ellenbogen Gelenkkapsel: Die gemeinsame Kapsel der drei Teilgelenke lässt am Humerus die beiden Epikondylen frei (Abb. E-1.24). Sie umschließt ventral die Fossae radialis und coronoidea sowie dorsal die distale Hälfte der Fossa olecrani, sodass eine geräumige und verzweigte Gelenkhöhle vorliegt. An der Ulna ist sie mit Ausnahme des Processus coronoideus nahe der Knorpel-Knochen-Grenze der Incisura trochlearis angeheftet. Vom Radius liegt das Collum noch bis ca. 1 cm distal des Ligamentum anulare (s. u.) innerhalb der Gelenkhöhle. Die Kapsel ist in diesem Bereich zum schlaffen, dünnwandigen Recessus sacciformis ausgeweitet, der die Rotationsbewegungen des Radius bei Pro- und Supination ermöglicht. ▶ Klinik. Bei Entzündungen wölben Gelenkergüsse die Kapsel sichtbar dorsal der Das subkutan gelegene Olecranon wird durch die Bursa olecrani geschützt. ⊙ E-1.24 Das Olecranon mit seinem schmerzempfindlichen Periostüberzug liegt unmittelbar unter der Haut, die hier kaum subkutanes Fett besitzt. Wie andere subkutan gelegene Knochenvorsprünge ist es durch eine Bursa, die Bursa olecrani geschützt. Kapsel-Band-Apparat des Ellenbogengelenks (Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl.) a Rechtes Ellenbogengelenk in Extensionstellung von ventral b sowie in 90°-Flexionsstellung von lateral c und medial. ▶ Klinik. ▶ Klinik. Eine (meist abakterielle) Entzündung der Bursa olecrani mit Erguss ist eine häufige Folge mechanischer Reizung („Students elbow“). Eine chronische Bursitits olecrani kann die chirurgische Entfernung der Bursa erforderlich machen. ⊙ E-1.25 Bursitis olecrani (Henne-Bruns, D., Düring, M., Kremer, B.: Duale Reihe Chirurgie. Thieme, 2012) Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Kollateralbänder zu beiden Seiten des Olecranon vor. Die Punktion des Ergusses erfolgt am günstigsten von dorsolateral oder direkt von dorsal in Richtung der Fossa olecrani, wo man am weitesten von den Leitungsbahnen entfernt ist. 1.3 Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) 459 Bänder: Als Scharniergelenk verfügt das Ellenbogengelenk über kapsuläre Kollateralbänder (Abb. E-1.24b, Abb. E-1.24c): ■ Das Ligamentum collaterale ulnare zieht fächerförmig vom Epicondylus medialis humeri zur Medialseite der Ulna zwischen Olecranon und der Basis des Proc. coronoideus. Es verhindert die Valgisierung des Unterarms. ■ Das Ligamentum collaterale radiale strahlt vom Epicondylus lateralis humeri mit einem ventralen und dorsalen Schenkel ins Ligamentum anulare radii (s. u.) ein, über das es die Ulna lateral der Incisura trochlearis erreicht. Dadurch, dass es nicht am Radius verankert ist, behindert es die Rotation des Radius bei Pro- und Supination nicht; es verhindert die Varisierung des Unterarms. Das gleichfalls kapsuläre Ligamentum anulare radii ist am ventralen und dorsalen Rand der Incisura radialis der Ulna angeheftet. Es umfasst den Radiuskopf im Bereich der Circumferentia articularis, bzw. den obersten Abschnitt des Collum und bildet einen Ring in dem sich der Radius dreht (Abb. E-1.26). Es fesselt zum einen den proximalen Radius an die Ulna, zum anderen sichert es den Radiuskopf gegen Luxation nach distal bei Zug am Unterarm. Bänder: Das Ellenbogengelenk besitzt kapsuläre Kollateralbänder (Abb. E-1.24b, Abb. E-1.24c): ■ Das Lig. collaterale ulnare zieht vom Epicondylus medialis humeri zur proximalen Ulna und verhindert die Valgisierung des Unterarms. ■ Das Lig. collaterale radiale strahlt vom Epicondylus lateralis humeri ins Lig. anulare radii ein und ist über dieses an der Ulna befestigt; es verhindert die Varisierung des Unterarms. Das ringförmige Lig. anulare radii (Abb. E-1.26) umschlingt den Radiuskopf und ist am ventralen und dorsalen Rand der Incisura radialis der Ulna angeheftet. So fesselt es den proximalen Radius an die Ulna. ▶ Klinik. Wenn Kleinkinder am Arm in die Höhe gerissen werden, kann durch den plötzlichen Zug gegen das Körpergewicht das Caput radii aus der Schlinge des Lig. anulare gleiten (perianuläre oder Chassaignac-Luxation). Als Symptom entspricht dem die „Pronatio dolorosa“ (d. h. schmerzhafte Pronation). ⊙ E-1.26 ▶ Klinik. ⊙ E-1.26 Verlauf des Ligamentum anulare radii Ansicht von proximal auf die Region des rechten proximalen Radioulnargelenks nach Entfernung von Humerus und Radius. (Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl.) 1.3.3 Gelenkmechanik 1.3.3 Bedingt durch die Form von Trochlea humeri und Incisura trochlearis ulnae ist das Humeroulnargelenk ein klassisches Scharniergelenk. Durch seine „Fesselung“ an die Ulna mittels des Ligamentum anulare radii und der Membrana interossea nimmt der Radius im Humeroradialgelenk an dieser Bewegung teil. Die Achse der Scharnierbewegung verläuft transversal durch Capitulum und Trochlea humeri. Das Ausmaß der Flexion wird durch den Kontakt der Weichteile (meist Muskulatur) von Ober- und Unterarm gebremst, vgl. Massen- oder Weichteilhemmung (S. 233). Die Extension wird durch Knochenhemmung (S. 233) bei Anschlag des Olecranon in der Fossa olecrani begrenzt. Die Bewegungsumfänge nach der Neutral-Null-Methode sind Abb. E-1.27a zu entnehmen. Für die Funktion der Hand eminent wichtig ist die „Umwendebewegung“: Die Drehung der Hand (Abb. E-1.27b, Abb. E-1.27c) um ihre Längsachse wird durch eine Rotation des Radius (mit der Hand) um die Ulna erreicht (Abb. E-1.27c), die sowohl im proximalen als auch im distalen Radioulnargelenk (S. 479) stattfindet. Die Achse dieser beiden Radgelenke verläuft vom Radiuskopf zum distalen Ulnaende, also fast in Längsachse des Unterarms. Der pronierte Radius überkreuzt die Ulna; in Supination stehen beide Unterarmknochen parallel (Abb. E-1.27c). Das Humeroradialgelenk, in dem das Caput radii bei dieser Bewegung rotiert, ist ein „anatomisches Kugelgelenk“, jedoch erlaubt die ligamentäre Bindung des Radius an die Ulna nur zwei Freiheitsgrade. In Neutral-Null-Position zeigt der Handrücken nach außen, die Handfläche liegt auf dem Oberschenkel. Bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogengelenk (um Mitbewegungen in der Schulter auszuschließen) zeigt die Radial-/Daumenseite nach oben. Das Humeroulnargelenk ist ein klassisches Scharniergelenk. Der an die Ulna gefesselte Radius nimmt im Humeroradialgelenk an dieser Bewegung teil. Die Bewegungsachse verläuft transversal durch Capitulum und Trochlea humeri. Gelenkmechanik Zu den Bewegungsumfängen s. Abb. E-1.27a. Im proximalen und distalen Radioulnargelenk wird der Radius mit der Hand in Radgelenken um die Ulna geführt. Die Achse dieser „Umwendebewegung“ verläuft fast in Längsachse des Unterarms. Der pronierte Radius überkreuzt die Ulna; in Supination stehen Radius und Ulna parallel (Abb. E-1.27b, Abb. E-1.27c). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. E 460 1 Schulter, Oberarm und Ellenbogen Bewegungsumfang im Ellenbogengelenk ¥ Flexion/Extension 150/0/0¡ (bei Frauen und Kindern kann bis 15¡ berstreckt werden) ¥ Pronation/Supination 90/0/90¡ Caput radii Flexion 150¡ 0¡ Bewegungsachse Extension 15¡ Pronation Supination 0¡ Bewegungsachse 90¡ Proc. styloideus ulnae II I 0¡ a b cI II a Bewegungsumfang im Humeroradial- und Humeroulnargelenk des Ellenbogengelenks bei supinierter Hand. b, c Umwendebewegung einer rechten Hand (Pro-/Supination) in der Ansicht von ventral. In b sind Bewegungsumfang und Bewegungsachse bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogen dargestellt, in c die Stellung der Unterarmknochen am gestreckten Ellenbogen. Pronationsstellung: Die Palmarfläche der Hand zeigt nach unten (bI) und die Ulna wird durch den Radius überkreuzt (cI). Supinationsstellung: Die Palmarfläche der Hand zeigt nach oben (bII) und die Unterarmknochen stehen parallel zueinander (cII). Diese Umwendebewegung der Hand findet unter Beteiligung des distalen Radioulnargelenks (S. 479) statt. (Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl.) ▶ Merke. ▶ Merke. Pronation bringt den Handrücken wie beim Brotschneiden nach oben. In Supinationsstellung zeigt die Handfläche nach oben, wie beim Tragen eines Suppentellers. 1.3.4 Muskulatur des Ellenbogengelenks 1.3.4 Muskulatur des Ellenbogengelenks Einteilung: Die Septa intermuscularia brachii lateralis und medialis trennen die Extensorenloge von der Flexorenloge (Abb. E-1.28). Zusätzlich wirken Muskeln der Handgelenke auch auf das Ellenbogengelenk (Abb. E-2.13 u. Abb. E-2.14). Einteilung: Die vom Humerus zur Fascia brachii (Teil der allgemeinen Körperfaszie) ziehenden Septa intermuscularia brachii lateralis und medialis bilden getrennte osteofibröse „Logen“ für die dorsalen Extensoren und die ventral gelegenen Flexoren des Ellenbogengelenks (Abb. E-1.28). Viele der am Unterarm liegenden Flexoren (Abb. E-2.13) und Extensoren (Abb. E-2.14) der Handgelenke sind mehrgelenkige Muskeln, die auch auf das Ellenbogengelenk wirken. Flexoren Flexoren Von den beiden Flexoren (Abb. E-1.30a) hat die Sehne des M. biceps brachii einen größeren Abstand von der Achse als die des M. brachialis und somit das größere Drehmoment. Der M. brachialis dagegen kann schnell große Bewegungsausschläge bewirken und fungiert als „Kapselspanner“. Der von der Scapula entspringende Musculus biceps brachii liegt dem vom Humerus kommenden Musculus brachialis auf (Abb. E-1.30a). Zwischen beiden Flexoren sind Sulcus bicipitalis medialis (S. 470) und lateralis (S. 466) als Rinnen, in denen Leitungsbahnen verlaufen, ausgeprägt. Vor dem Ansatz der Bizepssehne an der Tuberositas radii strahlt eine mediale (ulnare) Abspaltung als Aponeurosis musculi bicipitis brachii (Lacertus fibrosus, Aponeurosis bicipitalis) in die Unterarmfaszie ein. Durch die ventrale Lage hat die Sehne (insbesondere die Aponeurosis musculi bicipitalis) des M. biceps einen größeren Abstand von der Flexions-/Extensionsachse als die des M. brachialis. Dies hat zur Folge, dass der Bizeps das größere Drehmoment bei der Beugung entfaltet. Andererseits führen schon geringe Verkürzungen des nahe an der Achse verlaufenden M. brachialis zu großen Bewegungsausschlägen des Unterarms, sodass der M. brachialis v. a. für schnelle Beugebewegungen geeignet ist. Daneben strahlen vom M. brachialis Fasern in die unmittelbar darunter liegende Gelenkkapsel und verhindern als „Kapselspanner“ deren Einklemmung bei exzessiver Flexion. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ⊙ E-1.27 E E 461 1.3 Ellenbogengelenk (Articulatio cubiti) ⊙ E-1.28 Muskeln des Ellenbogengelenks am Oberarm Muskel Ursprung Ansatz Innervation Funktion Schema Flexoren M. biceps brachii ① Caput longum Tuberculum supraglenoidale Caput breve Processus coracoideus M. brachialis ② Tuberositas radii, Fascia antebrachii (Aponeurosis bicipitalis) Corpus humeri Tuberositas ulnae (distal/ventral), Septum intermusculare brachii med. und lat. N. musculocutaneus (C5–C7) Flexion, Supination Schultergelenk: Abduktion, Anteversion Flexion, Kapselspanner 1 Extensoren M. triceps brachii ① Caput longum Tuberculum infraglenoidale Caput laterale Corpus humeri lat. prox. Sulcus n. rad. Caput mediale Corpus humeri dist. Sulcus n. rad. M. anconeus ② Epicondylus lat. Olecranon N. radialis (C6–Th1) Ulna (dorsal, proximales Viertel) Extension Schultergelenk: Adduktion Extension, Kapselspanner 1 2 Abbildungen aus Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl. ⊙ E-1.29 Supinationswirkung des M. biceps brachii bei gebeugtem Ellenbogen Ansatzsehne des M. biceps brachii Schnittebene ⊙ E-1.29 Radius Tuberositas radii Ulna a b Radius Ulna Querschnitt auf Höhe der Tuberositas radii in der Ansicht von proximal: Pronationsstellung (a) und Supinationsstellung (b). (Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl.) Neben dem größeren Drehmoment bei der Flexion, ist der M. biceps brachii ein Supinator. Bei der Pronation gerät die Tuberositas radii mit der inserierenden Bizepssehne von medial nach dorsal/lateral (Abb. E-1.29). Dabei wickelt sich die Sehne um den Radius, bei Kontraktion wird sie durch Drehen des Radius in die Supinationsstellung abgewickelt. Bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogen ist der Bizeps der effizienteste Supinator, da in dieser Stellung seine Sehne rechtwinklig zur Supinationsachse verläuft und somit die gesamte Muskelkraft wirkt. Deshalb wird beim kraftvollen Eindrehen von Schrauben der Arm im Ellenbogengelenk gebeugt. Bei rechtwinklig gebeugtem Ellenbogen ist der M. biceps brachii der effizienteste Supinator (Abb. E-1.29). Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 2 462 E Extensoren Extensoren Die Ansatzsehne des M. triceps brachii (Abb. E-1.30b) am Olecranon entfernt sich bei der Extension von der Achse, was zu einer Zunahme des Drehmoments führt. Der Ansatz der Sehne des streckenden Musculus triceps brachii (Abb. E-1.30b) am Olecranon liegt bei gebeugtem Ellenbogen näher an der Achse als bei gestrecktem. Beim „Liegestütz“ werden die Ellenbogen gegen das Rumpfgewicht durchgestreckt; je weiter die Streckung fortschreitet, desto leichter wird mit zunehmendem Hebelarm und Drehmoment des Trizeps die Übung. Zwischen den Ursprüngen des Caput mediale und laterale verläuft der N. radialis im Sulcus nervi radialis des Humerus (s. u.). Der M. anconeus kann als vierter Kopf des Trizeps aufgefasst werden, da er sich kaum von dessen Caput mediale trennen lässt. Er ist der dorsale „Kapselspanner“ des Gelenks. Der M. anconeus ist der dorsale „Kapselspanner“. Schulter- und Oberarmmuskulatur Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. ⊙ E-1.30 1 Schulter, Oberarm und Ellenbogen (Prometheus LernAtlas. Thieme, 3. Aufl.) a Proximaler Abschnitt einer rechten oberen Extremität in der Ansicht von ventral nach vollständiger Entfernung der Mm. latissimus dorsi serratus anterior und deltoideus b und von dorsal nach Entfernung der Mm. trapezius und deltoideus sowie der Unterarmmuskeln. ≡ E-1.4 Ellenbogengelenkmuskeln geordnet nach Bewegungen und Wichtigkeit Bewegung Muskeln (Anteil am Gesamtdrehmoment aller an der Bewegung beteiligten Muskeln in %) Flexion M. biceps brachii (30 %), M. brachialis (25 %), M. brachioradialis (15 %), M. extensor carpi radialis longus (10 %), M. pronator teres (10 %) Extension M. triceps brachii (90 %), (davon Caput longum 25 %), M. anconeus (10 %) Es sind nur die Bewegungen im Humeroradial- und Ulnargelenk berücksichtigt, die Bewegungen in den Radioulnargelenken finden sich in Abb. E-2.13 und Abb. E-2.14 sowie Tab. E-2.1 Es wurden nur wichtige Muskeln mit einem Anteil > 10 % berücksichtigt; Bei den Prozentangaben handelt es sich um gerundete Ca.-Werte Die Drehmomentabschätzung gilt für die die NN-Position.