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Expertenmaterial zu Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikte
ISP Jünger
Expertenmaterial 1
Gert Lohmann: Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten. Berlin
(Cornelsen) 2003 - 5 Reaktive Strategien: Intervention und Problemlösung - 5.1 Interventionsstrategien - 5.1.1 Beziehungsebene, S. 151 ff.
Negative Emotionen vermeiden
Negative Emotionen verhindern überlegtes Handeln. Wenn wir sehr verärgert sind, stehen uns nur
noch sehr wenige Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung und wir handeln dann so, wie uns gerade
zumute ist, und nicht so, wie die Schüler es brauchen. Wir lassen Dampf ab, fangen an zu brüllen und
machen andere Dinge, die uns hinterher peinlich sind oder Leid tun. Solch ein handeln wirkt außerdem sehr schädlich auf die Beziehungen zur Klasse. Lehrer, die Schüler anbrüllen, sind bei ihnen untendurch.
Dazu kommt: Jemand, der sich ständig aufregt und an seinem Beruf leidet, ist ein prädestinierter
Kandidat für die "Burn-out-Frühpensionierung".
Praktische Tipps zur Vermeidung negativer Emotionen:
y
Greifen Sie bei aufkommender allgemeiner Unruhe frühzeitig ein. Entwickeln Sie ein Frühwarnsystem für aufsteigenden Ärger.
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Halten Sie keine Moralpredigten! Sie bekommen nur schlechte Laune davon und bringen die ganze Klasse gegen sich auf.
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Geben Sie störenden Schülern Ich-Botschaften statt anklagender Du-Botschaften und geben Sie
Auswirkungen bekannt (s. u.)
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Bleiben Sie "cool" bei gravierenden Störungen: Halten Sie Distanz zum Störer, zur eigenen Rolle
und zur Situation. Dissoziieren Sie sich und betrachten Sie die Situation aus der Außenperspektive.15 Nehmen sie nichts persönlich!
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Benutzen Sie die "Stopp-Techniken": tief Luftholen, Fenster aufmachen, bis drei zählen u. a.
y
Die beste Deeskalationstechnik ist sicherlich eine humorvolle Bemerkung - allerdings nicht auf
Kosten der Schüler. Durch schlagfertige, lockere, humorvolle Sprüche haben Sie die Situation
entschärft und überlegen gewonnen - zugegeben leichter gesagt als getan.
y
Verblüffen und entwaffnen sie die Schüler: Tun Sie das Gegenteil von dem, was die Schüler von
Ihnen in der Situation erwarten, z. B. durch Symptomverschreibung (s. u.)
y
Stellen Sie niemals einen Schüler vor der Klasse bloß! Halten Sie den Draht zum "Publikum",
aber versuchen Sie nicht, den Störer und die Klasse gegeneinander auszuspielen. Verschaffen
Sie ihm eine Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust aufzuhören.
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Stellen Sie keine Forderungen an einen Schüler, der sich gerade in einem emotionalen Ausnahmezustand befindet. Identifizieren Sie seine Gefühle und geben Sie eine Rückmeldung.
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Bieten Sie Schülern immer Wahlmöglichkeiten an, am besten mehr als zwei akzeptable Alternativen!
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Schlagen Sie Einladungen zum Machtkampf aus: Begehen Sie nicht den Fehler, sich herausfordern zu lassen und dabei auch noch vom Gegner Ort und Zeitpunkt des Duells bestimmen zu lassen. Falsch wäre jetzt: laut werden (wer schreit, hat Unrecht!), streiten, drohen und strafen. Die
Machtkarte auszuspielen wäre ein Pyrrhussieg. Geben Sie aber auch nicht klein bei! Ermöglichen
Sie beiden Parteien einen Konfliktausstieg ohne Gesichtsverlust. Erklären Sie dem Schüler ruhig
und sachlich, dass Sie ihn zu nichts zwingen wollen oder können, bieten Sie ihm eine freiwillige
Auszeit an und:
y
Verschieben Sie das Problem, z. B. auf etwas später vor der Klassentür oder auf die Pause. Das
verschafft Ihnen Zeit, in Ruhe darüber nachzudenken. Lassen Sie sich von einem Schüler, der
ganz offensichtlich auf Krawall aus ist, keine Diskussion aufzwingen! Kehren Sie unverzüglich
zum Unterricht zurück. Erklären Sie, dass die Klasse einen Anspruch darauf hat - aber suchen
Sie das Gespräch noch am gleichen Tag!
15
Vgl. Schmitt 1997, Teil I, dort finden Sie Übungsanleitungen: Fertigkeit 1: "Ich lerne negative Gefühlszustände zu unterbrechen" und Fertigkeit 2: "Ich lerne mich zu dissoziieren".
Expertenmaterial zu Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikte
ISP Jünger
Zwei unterschiedliche Formen der Kommunikation
Beispiel 1
Machtkampf angenommen und verloren
Schüler (S): "Ich bleibe aber nicht länger. Sie haben mir gar nichts zu sagen!"
Lehrer (L): "Selber schuld, du hast dreimal geschwänzt, deshalb musst du nachsitzen!"
S: "Das werden wir ja sehen!"
L: "So ist das Leben. Wenn du heute nicht kommst, wird die Zeit verdoppelt, das ist die Regel."
S (wütend): "Ich gehe jetzt!"
L: "Das solltest du besser nicht tun!"
S (halblaut im Weggehen): "Du kannst mich mal!"
Beispiel 2
Machtkampf abgelehnt und gewonnen
S: "Ich bleibe aber nicht länger. Sie haben mir gar nichts zu sagen!"
L: "Du hast Recht. Die Entscheidung liegt bei dir."
S: "Ich kann aber heute nicht!"
L: "Wo ist das Problem?"
S: "Ich darf nicht zu spät zum Training kommen, sonst werde ich im nächsten Spiel nicht aufgestellt!"
L: "Verstehe. Mach einen Vorschlag, wie wir das Problem lösen können."
S: "Ich bleibe morgen länger oder wann es Ihnen sonst passt."
Expertenmaterial zu Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikte
ISP Jünger
Expertenmaterial 2
Gert Lohmann: Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten. Berlin
(Cornelsen) 2003 - 5 Reaktive Strategien: Intervention und Problemlösung - 5.1 Interventionsstrategien - 5.1.1 Beziehungsebene, S. 151 ff.
Störungsbelastung reduzieren
So genannte "systemische Techniken" vermeiden eine direkte Konfrontation und stoppen Störverhalten nicht unmittelbar. Sie sind aber sehr elegant, beziehungsfreundlich und können vor allem zu einer
Reduzierung der subjektiv empfundenen Belastung durch Störungen beitragen (vgl. dazu Lindquist/
Molnar 1992):
1. Positive Umdeutung oder anders denken über ein Problem: Die subjektiv empfundene Belastung
hängt entscheidend davon ab, wie wir über die Dinge denken. Ein bekanntes Beispiel dafür sind
die Interpretationen vom halb leeren bzw. halb vollen Glas. Versuchen Sie, für das als problematisch empfundene Verhalten eine andere, positive Interpretation zu finden. So können Sie z. B.
das manchmal störende Zwischenrufen auch als lebhaftes Interesse an Ihrem Unterricht interpretieren.
2. Positive Motivzuschreibung: Verhalten, das Ihnen unproduktiv oder destruktiv erscheint, macht
dennoch für den Handelnden Sinn. Suchen Sie nach dem positiven Motiv eines Störverhaltens,
dann verstehen Sie es und bewerten es anders. Versuchen Sie die Botschaft zu entschlüsseln,
die in dem Verhalten steckt.
3. Positive Funktionszuschreibung: Suchen Sie nach Möglichkeiten, wie Sie Störverhalten nutzen
können, z. B. als Rückmeldung: Aufkommende Unruhe zeigt mir an, dass ich schon zu lange
rede und es Zeit wird für einen Methodenwechsel. Ein Unruheherd in der Klasse zeigt mir, dass
die optimale Sitzordnung noch nicht gefunden ist.
4. Lokalisierung von Ausnahmen, auch "Schweizer-Käse-Prinzip" genannt: Fokussieren Sie den Käse, anstatt auf die Löcher zu starren. Konzentrieren Sie sich auf das Positive. Identifizieren Sie
Situationen, in denen das problematische Verhalten nicht auftritt, und steigern Sie deren Häufigkeit. Vermeiden Sie Situationen, die Problemverhalten fördern.
5. "Durch die Hintertür stürmen": Auch "Problemkinder" haben ihre Stärken und positive Eigenschaften. Sie verhalten sich in bestimmten Situationen völlig unproblematisch. Bauen Sie in diesen
Bereichen eine positive Interaktion auf. Schaffen Sie Gelegenheiten, in denen das Kind seine
Stärken entfalten kann, z. B. durch Übertragung wichtiger Aufgaben (Aufbau eines Experiments,
Klassenämter usw.). Geben Sie später dem Kind in anderen Situationen positive Rückmeldungen
über diese Stärken.
6. Symptomverschreibung: Verordnen Sie einem störenden Schüler sein eigenes Fehlverhalten,
aber in veränderter Form oder unter veränderten Bedingungen (Zeit, Ort), die Sie so bestimmen,
dass es Sie weniger stört. Sie sagen z. B. zu einem Schüler, der durch häufiges Grunzen auffällt:
"Okay, die letzten zwei Minuten jeder Stunde kannst du vor der Klasse zeigen, wie schön du Tierlaute nachmachen kannst." Hier geht es um ein manipulatives Machtspiel. Hatte der Schüler vorher die Macht, Sie mit dem Symptom (Störverhalten) zu einer bestimmten Reaktion
(Aufmerksamkeit geben, z. B. durch Ermahnen) zu veranlassen, dann bringen Sie ihn durch die
Symptomverschreibung in ein Trilemma: Wenn er sein Störverhalten so zeigt, wie Sie es
verordnet haben, hat er seine Macht verloren, weil Sie den Spieß umgedreht haben und er jetzt
Ihre Anweisung befolgt. Will er die Macht behalten, muss er sich Ihrer Anweisung widersetzen
und sein Störverhalten aufgeben. Macht er weiter wie bisher, sieht er schlecht aus, weil Sie ihm ja
so entgegengekommen sind. Sie haben stets gewonnen!
Expertenmaterial zu Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikte
ISP Jünger
Zwei unterschiedliche Formen der Kommunikation
Beispiel 1
Machtkampf angenommen und verloren
Schüler (S): "Ich bleibe aber nicht länger. Sie haben mir gar nichts zu sagen!"
Lehrer (L): "Selber schuld, du hast dreimal geschwänzt, deshalb musst du nachsitzen!"
S: "Das werden wir ja sehen!"
L: "So ist das Leben. Wenn du heute nicht kommst, wird die Zeit verdoppelt, das ist die Regel."
S (wütend): "Ich gehe jetzt!"
L: "Das solltest du besser nicht tun!"
S (halblaut im Weggehen): "Du kannst mich mal!"
Beispiel 2
Machtkampf abgelehnt und gewonnen
S: "Ich bleibe aber nicht länger. Sie haben mir gar nichts zu sagen!"
L: "Du hast Recht. Die Entscheidung liegt bei dir."
S: "Ich kann aber heute nicht!"
L: "Wo ist das Problem?"
S: "Ich darf nicht zu spät zum Training kommen, sonst werde ich im nächsten Spiel nicht aufgestellt!"
L: "Verstehe. Mach einen Vorschlag, wie wir das Problem lösen können."
S: "Ich bleibe morgen länger oder wann es Ihnen sonst passt."
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Expertenmaterial 3
Gert Lohmann: Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten. Berlin
(Cornelsen) 2003 - 5 Reaktive Strategien: Intervention und Problemlösung - 5.1 Interventionsstrategien - 5.1.2 Disziplin-Managementebene, S. 151 ff.
Interventionen
Wozu intervenieren? Ziel der Intervention ist, die Störung, die den Unterricht beeinträchtigt oder unmöglich macht, schnellstmöglich zu unterbinden, um umgehend zum Unterricht zurückzukehren.
Problemlösungen erfolgen später. Störungen müssen also nicht Vorrang vor Unterricht haben. Gute
Interventionen beenden allerdings nicht nur effektiv die Störung, sondern leiten gleichzeitig auch eine
Problemlösung ein und machen sich dadurch selbst überflüssig.
Wann intervenieren? Jede Intervention ist zugleich eine Störung. Einerseits wollen Sie nicht auf jede
kleine Störung überreagieren und mit Kanonen auf Spatzen schießen. Andererseits sollen Sie früh
genug eingreifen, um Eskalationen zu vermeiden. Aber wann ist früh genug?
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Regel 1: Der von der Intervention ausgehende störende Einfluss sollte nicht größer sein als die
Störung, gegen die sie gerichtet ist.
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Regel 2: Fertigen Sie eine Liste für "Null-Toleranz-Politik" an, auf der Sie für sich und für die Klasse festhalten, welche Verhaltensweisen Sie unter keinen Umständen im Klassenraum
durchgehen lassen, z. B. Mobbing.
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Regel 3: Wann immer Sie intervenieren, tun Sie es konsequent! Machen Sie keine Ausnahmen.
Fangen Sie nicht in diesem Moment an, über abgesprochene Regeln und Konsequenzen zu diskutieren oder sich zu rechtfertigen. Handeln Sie und kehren Sie schnellstmöglich zum Unterricht
zurück. Sie müssen für die Schüler berechenbar sein. Oder anders formuliert: Es kommt weniger
darauf an, wo die Grenzlinie verläuft, als dass sie deutlich und geradlinig ist.
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Regel 4: Halten Sie die Stufen der Eskalationsleiter (s. u.) ein. Beginnen Sie auf dem niedrigsten
Level mit den Maßnahmen zur Unterstützung, zum "Dranhalten". Überspringen Sie keine Stufe,
es sei denn, es geht um Leben oder Tod.
Wie sollten Sie besser nicht intervenieren? Die Alltagspraxis ist geprägt von einem Paradoxon. Ausgerechnet die erwiesenermaßen ineffektivsten Maßnahmen sind am häufigsten zu beobachten:
Ermahnen, Drohen und Strafen.
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Regel 5: Nicht ermahnen, sondern Ich-Botschaften oder beschreibende Rückmeldungen geben
(s. 5.1.1).
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Regel 6: Nicht drohen. Kündigen Sie vor allem niemals etwas an, was Sie nicht umsetzen können
oder wollen!
y
Regel 7: Nicht erpressen! Lassen Sie den Schülern echte Wahlmöglichkeiten, damit sie lernen,
für sich Entscheidungen zu treffen.
Welche Interventionen? Es ist empfehlenswert, frühzeitig mit der Klasse das Gespräch über das unschöne Thema Interventionen und Konsequenzen zu suchen, am besten bevor die ersten fällig werden. Sie können mit den Schülern zu jeder Klassenregel eine (logische) Konsequenz vereinbaren
oder eine "Interventions-Eskalations-Leiter" absprechen (s. u.). Wenn die Regeln des Spiels
"Unterricht" im Konsens geklärt sind, ist der Lehrer nicht die strafende Autoritätsfigur, sondern mehr
ein Schiedsrichter, der entscheidet, ob eine Regelverletzung vorliegt oder nicht. Die Konsequenzen
folgen quasi automatisch. Fehlentscheidungen sind aber niemals ausgeschlossen.
y
Regel 8: Was immer Sie an Interventionen, Konsequenzen oder Strafen vorhaben, sprechen Sie
es mit der Klasse ab.
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Regel 9: Statt zu strafen konfrontieren Sie die Schüler sachlich mit logischen Konsequenzen.
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Regel 10: Wenn Sie strafen, dann muss es auch weh tun.
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Beispiel
für Interventionsmöglichkeiten und Konsequenzen:16
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Verbale Interventionen: Sollten sich zunächst nicht auf das Störverhalten beziehen, sondern auf
das erwünschte produktive Verhalten, z. B. auf die augenblickliche Aufgabe der Klasse: "Kevin,
zeichne bitte dein Klimadiagramm fertig!"
y
Umsetzen des Schülers: Oft sehr effektiv, wird aber vor allem in höheren Jahrgängen oft als
Machtdemonstration und als starker Eingriff in die Autonomie erlebt. Löst dementsprechend emotionale Reaktionen und Widerstände aus. Probleme: Der betreffende Schüler könnte sich weigern
(Machtkampf) oder andere wollen den Betreffenden nicht neben sich haben. Besser Sie besprechen neue Sitzordnungen in Ruhe mit der Klasse. Oder Sie wechseln die Sitzordnung turnusmäßig.
y
Ein Privileg entziehen: Hat Strafcharakter, deshalb besser als logische Konsequenz anwenden,
wenn nämlich ein Privileg missbraucht wird. Sie können z. B. einem Schüler das
Kaugummikauen verbieten, wenn der Betreffende dabei störende Geräusch macht. Sie sollten
keine natürlichen Rechte der Schüler beschneiden, sondern nur Vergünstigungen, die erarbeitet
worden sind. Tipp: Gewähren Sie keine Privilegien ohne Gegenleistung, die werden von den
Schülern nämlich nur geschätzt, wenn sie gestrichen werden, und dann sind Sie der Böse. Bei
dem Spiel können Sie nur verlieren.
y
Nicht zum Unterricht gehörende, ablenkende Objekte vorübergehend in Gewahrsam nehmen:
Eigentlich logische Konsequenz, wenn Sie den Schüler vorher zum Wegpacken aufgefordert haben. Aber Vorsicht: Was tun Sie, wenn der Schüler die Herausgabe mit Hinweis auf sein Eigentumsrecht verweigert (Einladung zum Machtkampf)?
y
Stundenprotokoll aufgeben: Soll als logische Konsequenz bei ablenkendem Verhalten Schüler zu
mehr Aufmerksamkeit erziehen, wird aber oft als Strafe empfunden. Ob Schüler dadurch mehr
vom Unterricht mitbekommen, bleibt zweifelhaft. Kann Schüler mit wenig Übung überfordern.
y
Eine freiwillige Auszeit gewähren (s. u.): Nimmt häufig einem Konflikt die Schärfe, gibt dem Schüler Gelegenheit zur Abkühlung.
y
Eine Auszeit anordnen (s. u.): Ein sehr effektives Mittel, aber nur, wenn es mit einer Problemlösungsmethode kombiniert wird, z. B. einen Plan zur Rückkehr zu machen. Wegen des hohen
Missbrauchspotenzials wird diese Methode ausführlicher erläutert.
16
Es sei an dieser Stelle an die nonverbalen Techniken aus dem Abschnitt 4.2.2 und an die eleganten systemischen Eingriffe
aus dem vorherigen Abschnitt erinnert, vor allem an die Symptomverschreibung.
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Expertenmaterial 4
Gert Lohmann: Mit Schülern klarkommen. Professioneller Umgang mit Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikten. Berlin
(Cornelsen) 2003 - 5 Reaktive Strategien: Intervention und Problemlösung - 5.1 Interventionsstrategien - 5.1.2 Disziplin-Managementebene, S. 151 ff.
Auszeiten-Modelle (Time-out)
Der Begriff "Auszeit" oder "Time-out" bezeichnet die zeitlich begrenzte räumliche Isolierung eines
Schülers von der Lerngruppe. Dies kann aus verschiedenen Gründen angebracht sein. Eine Auszeit
vom Unterricht ...
y
kann notwendig sein, um die Rechte der Mitschüler zu schützen, z. B. das Recht auf ungestörtes
Lernen oder zum Schutz vor Beleidigungen, Bedrohungen oder tätlichen Angriffen. Sie ist ferner
gerechtfertigt, wenn ein Schüler keine Kontrolle mehr über sein Verhalten hat, wenn er sich weigert, die Klassenregeln anzuerkennen oder wenn er jegliche Kooperation bei der Problemlösung
im Klassenraum ablehnt. Ein Schüler, der sich weigert, faire Klassenregeln anzuerkennen, kann
jedenfalls nicht zugleich das Recht beanspruchen, im Klassenraum zu bleiben.
y
ermöglicht dem Lehrer, weiter zu unterrichten und nicht wertvolle Unterrichtszeit für fruchtlose
Auseinandersetzungen zu vergeuden.
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gibt dem betroffenen Schüler die Gelegenheit zur Abkühlung, sich zu beruhigen, einen BlockadeZustand zu durchbrechen, sich körperlich abzureagieren (z. B. an einem Sandsack).
y
kann auch präventiv und freiwillig in Anspruch genommen werden, vor dem Ausrasten.
y
entzieht, behavioristisch gesprochen, durch die andere Umgebung mögliche positive Verstärker
für unangemessenes Verhalten; oder, ausgedrückt an einem Beispiel: Dem Klassenclown wird
die Bühne genommen.
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gibt dem betroffenen Schüler Abstand, Zeit und Ruhe zur Reflexion des eigenen Verhaltens.
y
gibt Betreuern die Möglichkeit, einem Schüler dabei zu helfen, Kontrolle über sein Verhalten zu
erlangen, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und seine
Probleme selbst zu lösen.
y
sollte zur Entwicklung eines Planes für die Rückkehr in den Klassenraum genutzt werden, um
Wiederholungen des Problemverhaltens zu verhindern. Dadurch wird das "Drehtürprinzip"
vermieden.
Die Auszeit-Methode sollte als erzieherischer Konsens Teil der schulweiten Disziplin-Politik sein. Sie
setzt voraus, dass der Lehrer klare und faire Klassenregeln etabliert hat und sie nur als letzte Option
verwendet, d. h. erst dann, wenn Versuche, das Problem im Klassenraum zu lösen, erfolglos waren ausgenommen, es besteht dringender Handlungsbedarf, z. B. bei Gefährdung anderer Schüler. Auf
keinen Fall darf die Auszeit als bloße Strafe oder als bequeme Abschiebemethode für unbequeme
Schüler missbraucht werden! Sie darf auch nicht als Machtdemonstration eines Lehrers missbraucht
werden, der den Fehler gemacht hat, sich auf einen Machtkampf einzulassen. Auszeit bedeutet vor
allem nicht "auf dem Flur stehen und nichts tun"! Ein Rauswurf, womöglich mit einer Strafarbeit, ist
kein "Time-out" im pädagogischen Sinne. Er wirkt emotional sehr negativ, führt allenfalls zu kurzfristigem Vermeidungsverhalten und löscht das Problem für den Betroffenen nicht. Deshalb fliegen in der
alltäglichen Praxis auch immer die gleichen Leute raus. Ein amerikanischer Kollege bezeichnete dieses Phänomen einmal sehr treffend als "Drehtürprinzip". Zur Erinnerung: Die Qualität einer erzieherischen Maßnahme erkennt man an der Tendenz zur Selbstauslöschung.
Ein Auszeiten-Raum ist kein Gefängnis, es sollte aber keine Verstärker enthalten, also keine Bücher,
Spielzeug oder interessante Ausblicke gewähren. Im Idealfall ist der Aufenthalt im "Time-out" sozialpädagogisch begleitet. Für den Raum müssen spezielle Verhaltensregeln gelten, die dem Betroffenen
bekannt sein müssen. Ihm muss auch klar sein, was ihn dorthin gebracht hat, was er dort machen
soll, wann und wie er die Auszeit verlassen darf und was passiert, wenn er in der Auszeit nicht
kooperiert (z. B. Abholung durch die Eltern). Auszeiten-Räume und -Modelle sind in sehr
verschiedenen Varianten denkbar:
Expertenmaterial zu Unterrichtsstörungen und Disziplinkonflikte
ISP Jünger
Die große Lösung
Sie besteht in einem ausgewiesenen Raum in der Schule, mit spezieller Ausstattung und Möglichkeiten zum Arbeiten, Beruhigen oder Abreagieren, mit Schreibtisch und Schreibzeug, Papier, Arbeitsblättern, Konzentrationsspielen, Beruhigungstee, Couch, Sandsack usw. Das Hauptproblem dieser
Variante ist die Finanzierung einer kompetenten Betreuung, z. B. durch einen Sozialpädagogen.
Vielleicht ist es möglich, über Fortbildung geschulte Kollegen für bestimmte Zeiten abzustellen.
Denkbar wäre als Notlösung ein Freistunden-Modell, in dem Kollegen ein oder zwei Springstunden
pro Woche lediglich für die Aufsicht opfern. (...)
Die mittlere Lösung
Eine unaufwendige Alternative: Sie kooperieren mit einem Kollegen, der in einem andere Raum in der
Nähe unterrichtet (am besten eine höhere Klasse, möglichst keine Parallelklasse). Dieser reserviert
einen Platz in seinem Raum und kann zumindest das leidige Aufsichtsproblem lösen. Sie geben dem
betroffenen Schüler eine Anleitung und ein Arbeitsblatt zur Bearbeitung mit, das ihm dabei helfen soll,
sein Verhalten zu reflektieren und Lösungen zu entwickeln (Beispiel s. o.). Die Aufgaben haben Sie
vorher mit der ganzen Klasse geübt, damit ein Schüler in der Auszeit nicht damit überfordert ist und
dem Kollegen zur Last fällt. Erklären Sie Ihrem Schüler, wann er zurückkommen darf.
Die kleine Lösung
Dies ist ein abgetrennter Rückzugsbereich im Klassenraum, z. B. in Form einer Konzentrationsinsel.
Dieses Modell wurde an einer Schule in Oldenburg durch Zusammenarbeit von Schülern, Klassenlehrerin und Lehramtsstudierenden der Universität Oldenburg entwickelt (vgl. Blase: "Time-out. Die Konzentrationsinsel - ein Modell zur Beruhigung", in: Friedrich Jahresheft 2002, S. 120ff.). Der Bereich ist
mit halb hohen Stellwänden so gestaltet, dass der betreffende Schüler für die anderen nicht zu sehen
ist, dieser jedoch die Tafel sehen und so passiv das Unterrichtsgeschehen mit verfolgen kann. Auf
dem Tisch befinden sich Malutensilien, Geduld- und Konzentrationsspiele, Stofftiere, Blumen, ein Inseltagebuch und die Inselregeln: nur Stillbeschäftigung, kein Essen oder Musikhören, Unterrichtsstoff
nachholen u. a. Diese "Time-out-light-Version" ist in erster Linie für Klassenlehrer zur (auch selbstbestimmten) Beruhigung einzelner motorisch unruhiger, lauter oder konzentrationsschwacher Kinder
geeignet. Der Vorteil: Sie kann wesentlich früher eingesetzt werden, sie wirkt eskalationsdämpfend
und ist nicht von so starken Emotionen begleitet wie ein Rauswurf.
Weitere Auszeiten-Modelle in Kurzdarstellung:
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"Der freundliche Deal": Verlassen der Klasse im gegenseitigen Einverständnis, der Schüler bestimmt die Zeitspanne außerhalb des Klassenraumes selbst. Unter Umständen darf ein
Mitschüler als Betreuer ("Sancho Pansa") mitgenommen werden, die Auswahl ist jedoch nach
pädagogischen Gesichtspunkten des Lehrers eingeschränkt (vgl. Blaser u. a. 2000).
y
Die "Offene-Tür-Version": Ein wöchentlicher Auszeiten-Plan bietet potenziell allen
problembeladenen Schülern täglich betreute sozialpädagogische Alternativen zum
Regelunterricht an: Gartenarbeiten beim Hausmeister, Reparaturarbeiten in der Fahrradwerkstatt
u. Ä. Diese Form wird an der Theodor-W.-Adorno-Schule in Elze praktiziert und ist in ein
besonderes pädagogisches Konzept eingebunden (vgl. Hilbig 1995).
Wichtige Fragen, die Sie sich stellen sollten, bevor Sie eine Auszeit anordnen:
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Habe ich andere Maßnahmen ausgeschöpft?
y
Habe ich die Auszeit angekündigt und begründet?
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Kennt der Schüler die Auszeit-Prozedur und die Regelungen für die Rückkehr?
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Ist er mit den Aufgaben in der Auszeit überfordert?
y
Wer kann ihm wie dabei helfen?
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Was tue ich, wenn er sich weigert zu gehen?
Ist mit körperlichem Widerstand zu rechnen? Komme ich damit klar oder brauche ich Hilfe? Wo bekomme ich die? Mein Rat: Fassen Sie den Schüler nicht an, es sei denn, er randaliert oder schlägt
andere.
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