Baukultur

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Offizielles Organ des
Bundesverbandes Ausbau und Fassade
Juni 2014
6
Trockenbau
AbP auf Gültigkeit prüfen!
Seite 30
Farben
Das bedeuten die Siegel
Seite 46
EuroSkills
Zwei Stuckateure nominiert
Seite 10
Ausbildungsleitbild
Erste Zertifikate vergeben
Seite 58
Baukultur
und energetische Sanierung
ab Seite 12
1 Links: Durch die Fassadengliederung
mit nachträglich angebrachten, mineralischen Stuckelementen ist die
Erzeugung eines historischen Charakters möglich.
2 Oben: Nichtbrennbares, mineralisches Stuckelement mit einem Kern
aus Blähglasgranulat. Diese Bauart
verspricht ein geringeres Eigengewicht.
WDVS und Denkmalauflagen
Der Einsatz eines Wärmedämm-Verbundsystems ist mit der Realisierung einer Sanierung
nach strengen denkmalpflegerischen Auflagen kombinierbar. Für ein überzeugendes Ergebnis
ist das Miteinander aller am Bau Beteiligten für ein funktionierendes Netzwerk wichtig.
1957 sind die ersten Fassadenflächen in
Berlin mit einem Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) versehen worden.
Verschiedene Ereignisse haben in der
Folgezeit dem Sinn von energetischen
Maßnahmen immer mehr Geltung gegeben. Zum einen führte die erste Energiekrise Anfang der 1980er-Jahre zu
einem Umdenken mit den Ressourcen
aus der Natur. Zudem führten neue
Ansichten über die Schadstoffausstöße
von Heizanlagen zu der Einführung von
gesetzlichen Vorgaben. Das aktuelle
Regelwerk, die Energie-Einspar-Verordnung EnEV 2014, beschreibt einzuhaltende Werte, wenn energetische Maßnahmen durchgeführt werden. Im
Sanierungsfall darf ein Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) von 0,24
W/(m²·K) nicht überschritten werden.
Das Ziel dabei ist es, den Energiever-
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a u s b a u + fa s s a d e 06 | 2014
brauch zu senken und damit eine Verringerung der Schadstoffabgaben zu erreichen. Um die Gebäudehüllen hierfür
zu verbessern, sind WDVS ein effizientes Werkzeug.
Individuelle Lösung im Denkmalschutz
Fraglich ist der Einsatz, wenn eine energetische Sanierung an einem denkmalgeschützten Gebäude angedacht ist.
Hierbei ist die ästhetische Wirkung mit
zu berücksichtigen. Eine genehmigte
Änderung der Fassadenflächen muss in
aller Regel den Ursprungszustand
widerspiegeln. Zudem ist die Frage mit
den gesetzlichen Bestimmungen in
Bezug der einzuhaltenden Dämmstoffdicken offen. Müssen denkmalgeschützte Fassadenflächen nach baurechtlichen
Vorgaben mit solchen Dämmstoffdicken
versehen werden, dass ein U-Wert 0,24
W/(m²·K) nicht überschritten wird? Die
Antwort ist, dass eine für das Gebäude
individuelle Lösung unter Einbeziehung
aller Betroffenen gesucht wird. Die
EnEV 2014 gibt für solche Objekte unter
§ 24 Absatz (1) eine Ausnahmeklausel
an: »Soweit bei Baudenkmälern oder
sonstiger besonders erhaltenswerter
Bausubstanz die Erfüllung der Anforderungen dieser Verordnung die Substanz
oder andere Maßnahmen zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand
führen, kann von den Anforderungen
dieser Verordnung abgewichen werden.«
Variable Dämmstoffdicken möglich
Um den Anforderungen aus der Betrachtung des Denkmalschutzes gerecht zu
werden, wird in den meisten Fällen eine
variable Anordnung der Dämmstoffdicken berücksichtigt. Bei Fassaden-
Sanierung und Denkmalschutz
3 Ausgeführtes
WDVS an dem
denkmalgeschützten
Schulsportzentrum
in Dresden mit
nachempfundener
»Erlwein-Putz«Struktur.
flächen mit vielen Verzierungen stellt
sich oft die Frage, ob hier ein WDVS
eine geeignete Maßnahme darstellt.
Generell ist es ein Vorteil von Fassadendämmungen, dass vorhandene Gegebenheiten übernommen werden können. So sind auch die Forderungen im
denkmalgeschützten Bereich durch die
Möglichkeit von der Nachbildung mit
Profilen erfüllbar. Die Durchführung erfolgt durch die Bestandsaufnahme der
Stuckelemente vor Ort, welche dann
mit verschiedenen Materialen reproduziert werden können.
Ein gängiges Produkt ist dabei die Verwendung von Stuckprofilen aus einem
dichten, expandierten Polystyrol,
welches mit einer Spezial-KunststoffBeschichtung ummantelt ist. Die Anbringung erfolgt auf das WDVS nach
der Ausführung der Armierungsputzlage
durch Ankleben und je nach Profilart
einer zusätzlichen mechanischen Befestigung. Vorteil dieser Produktart ist,
dass mit dem EPS-Baustoff ein geringes
Eigengewicht vorliegt und eine Anbringung auch ohne durchgehende Stabilatoren (Gewindestangen, Dübel) möglich
ist.
Nichtbrennbare Profile
Eine weitere Variante im Zusammenhang mit dem WDVS sind Profile aus
mineralischen Leichtbaustoffen. Dieses
witterungsbeständige Material besitzt
eine höhere Stoß- und Schlagfestigkeit.
Zudem ist eine Nichtbrennbarkeit mit
diesen Profilen gegeben. Zum Einsatz
kommen beispielsweise die Fassadenprofile »Silhouette mineralisch«, die bei
größeren Ausladungen mit einem
Schaumglaskern versehen sind, welcher
mit einem Stuckmörtel P II überzogen
ist. Die nichtbrennbaren Profile (Euroklasse A1) zeichnen sich durch eine
feste, zementgebundene Oberfläche mit
Steinanmutung aus und lassen sich
leicht verarbeiten (siehe Bild 2).
Innendämmsysteme
Grenzen sind mit der Art vom Detailreichtum in den Bestandsflächen gegeben. Es wird nicht jedes Fassadenbild
1:1 reproduzierbar sein, so dass alternativ auf ein Innendämmsystem zurückgegriffen werden kann. Die Außenhaut
bleibt damit unverändert und es können
einzelne Wohnparteien unabhängig
voneinander von der Innenseite her
4 Das Schulsportzentrum in Dresden
besteht aus mehreren Gebäuden. Die
Putzoberflächen
wurden mit dem
Einsatz von groben
Zuschlägen in
unterschiedlicher
Körnung in Ziehputztechnik erstellt.
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EXTRA: Baukultur
»
Steht man nun vor einem der sanierten
Gebäude, ist rein optisch kein Unterschied
zwischen einem »nur« geputzten und dem
wärmegedämmten Objekt zu erkennen.
gedämmt werden. Schwachpunkte sind
dabei, dass Unterbrechungen mit den
Decken und einbindenden Wandflächen
vorliegen, was zu Wärmebrücken
führen kann. Besonderes Augenmerk ist
bei dem Einsatz einer Innendämmung
auf die bauphysikalischen Veränderungen im Mauerquerschnitt zu richten.
Ein kritischer Tauwasserausfall ist zu
vermeiden.
Eine andere Art in der energetischen
Sanierung ist die Verwendung von
Dämmputzen. Ein sinnvoller Einsatz ist
die wärmedämmende Auskleidung von
speziellen Gebäudeteilen, wie zum Beispiel konvexe Flächen. Die Applikation
erfolgt in aller Regel direkt auf das
Mauerwerk bis zu einer Dicke von zirka
10 cm. Erreichbar ist mit dem Wärmedämmputz eine Wärmeleitzahl von R
= 0,07 W(m/K), womit eine merkbare
energetische Effizienz erreichbar ist.
Charakteristika: grobe Putzflächen
Gelungene Beispiele zeigen, dass solche
Umsetzungen durchführbar sind. An
einem denkmalgeschützten Gebäude
eines Schulsportzentrums in Dresden
sind die Putzstrukturen an den historischen Befund auf einem WDVS angepasst worden. An dem Areal bestand für
einige Altbauten infolge ihrer neuen
Nutzung die Forderung, eine Verbesserung der Außenwanddämmung zu
erzielen und gleichzeitig die typische
Gebäude- und Oberflächenstruktur des
5 WärmedämmVerbundsystem an
der Kita »Wirbelwind« in Geithain.
Das Putzsystem
wurde den Anforderungen des Denkmalschutzes angepasst.
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a u s b a u + fa s s a d e 06 | 2014
Putzes zu bewahren. Die zwischen 1906
und 1913 durch den Stadtbaurat Hans
Erlwein im Jugendstil errichteten
Gebäude zeichnen sich durch ihre
charakteristischen groben Putzflächen
aus. Nachempfunden wurde der sogenannte »Erlwein-Putz«, damals mehr
oder weniger ein Zufallsobjekt aus den
verfügbaren Rohstoffen vor Ort und den
damals üblichen Handwerkstechniken:
Es ist ein senkrecht gezogener Ziehputz
mit einem groben Quarzsand unterschiedlicher Körnung.
Im Rahmen der umfassenden Sanierung
wurden die Flächen in Abhängigkeit der
Fassadenstruktur mit 50 bis 80 mm
Wärmedämmung versehen. Die gewählten Dämmplatten aus EPS wurden
geklebt und gedübelt. Die Dämmplatten
wurden im Punkt-Wulst-Verfahren auf
den Ziegeluntergrund verklebt. Lediglich
an den Brandwänden kam eine 80 mm
dicke Lamellendämmplatte aus nichtbrennbarer Mineralwolle zum Einsatz.
Feine Filzstrukturen
Um die Fenster der Gebäudelängsseiten
setzte man im Dämmstoff Montagehilfen für die Befestigung von Fensterläden ein. Auf den mineralisch vergüteten Armierungsmörtel und das alkalibeständige Armierungsgewebe wurde
ein in Rezeptur und Struktur angepasster Oberputz aufgebracht. So wurde
bauteilabhängig Quarzkorn (6 oder 10
mm) als strukturgebendes Korn in
einem hellen, beigen Farbton gewählt.
Das Oberputzmaterial verzog man senkrecht, so dass die ursprüngliche Rillenstruktur entstand. Hier wurde eine
Putzmörtelrezeptur gewählt, die bereits
Bestandteil der abZ vom WDVS ist und
einem Münchener Rauputz mit entsprechender Körnung entspricht.
Die Faschen und Leibungen der Fenster
und Gebäudeöffnungen erhielten eine
feine Filzstruktur und heben sich optisch von den Wandflächen ab. Im Zuge
der Sanierung wurden erhaltenswerte
Gesimsprofile mit einem geeigneten
Stuckzugmörtel teils neu profiliert und
nachgezogen. Gesimse, die einen zu
großen Abnutzungszustand zeigten,
wurden auf dem WDVS mit geeigneten
Profilen aus witterungsbeständigen,
spezialbeschichteten Polystyrol-Hartschaum nachgebildet. Als Schlussbeschichtung wurde eine auf Silikonharz basierende Fassadenfarbe in einem
hellen, warmen Farbton eingesetzt.
Einzelgebäude, die keine Wärmedämmung erhielten, wurden putztechnisch
saniert. Steht man nun vor einem der
sanierten Gebäude, ist rein optisch kein
Unterschied zwischen einem »nur«
geputzten und dem wärmegedämmten
Objekt zu erkennen.
Kita im »Heimatschutzstil«
Ein anderes Beispiel aus dem Jahre
2008 ist die Sanierung der Kindertagesstätte »Wirbelwind« in Geithain. Eine
Verbesserung der Gebäudeeigenschaften sollte erreicht werden. So entschied
man sich für ein WDVS mit einem Putzsystem, welches dem Charakter des
Gebäudes und den Anforderungen der
Denkmalpflege entsprach.
Auf den ersten Blick sieht man dem
1928 im »Heimatschutzstil« errichteten
Gebäude nicht an, dass es energetisch
saniert wurde. Das Haus wurde im Auftrag des Reichsverbandes für Deutsche
Jugendherbergen Berlin errichtet. Es ist
seit 1951 Eigentum der Stadt Geithain.
Der Originalzustand des Gebäudes
konnte aus Archivunterlagen nachvollzogen werden. Die in den 1970er-Jahren erfolgten Umbauarbeiten hatten
das ursprüngliche Erscheinungsbild des
Gebäudes verändert, aber wesentliche
Gebäudemerkmale blieben erhalten. Der
Sanierung und Denkmalschutz
6 Detailansicht von
der Kita »Wirbelwind«: Die Faschen
in der Feinputzstruktur sind 15 mm
zurückgesetzt.
(Fotos: Baumit)
Anbau des »Neuen Wintergarten« auf
der ehemaligen Terrasse fügt sich optimal an das Gebäude an. Die ebenfalls
veränderten Fenster sowie die Putzfassung konnten im Rahmen der heutigen
Sanierung dem Originalbefund der Bauzeit angepasst werden.
Dekorative Putztechnik
Die Flächen oberhalb des Polygonmauerwerks aus Rochlitzer Porphyrtuff
wurden in Abhängigkeit der Fassadenstruktur im Erdgeschoss mit 40 mm
Wärmedämmung unter Putzfassung
und im Obergeschoss mit 30 mm Dämmung unter Holzverkleidung versehen.
Im Erdgeschossbereich wurden die
gewählten 40 mm Dämmplatten aus
nicht brennbarer Mineralwolle geklebt
und gedübelt. Entsprechend den vorliegenden putztechnischen Anforderungen
seitens der Denkmalpflege galt es, ein
geeignetes Putzsystem auf gedämmter
Fassadenfläche zu realisieren. Die
besondere Herausforderung bestand in
der Ausarbeitung von um mindestens
15 mm zurückgesetzten dekorativen
Faschen auf dem WDVS.
In Zusammenarbeit zwischen Restaurator, Berater und Planer entschied man
sich für die Putzarbeiten auf den
Dämmplatten für ein »DickschichtSystem« gemäß gültiger abZ: Zusätzlich
zu der Armierungsschicht des WDVS
wurde ein Unterputz aufgetragen, der
eine dekorative Putztechnik ermöglicht
und eine höhere mechanische Belastbarkeit des Putzsystems auf WDVS und
eine Verbesserung des Schallschutzes
bewirkt. Nach dem Verkleben der vorbeschichteten Dämmplatten wurde ein
faserarmierter Leichtunterputz in Dicke
von zirka 12 mm aufgetragen. Nach der
Anhärtung der Unterputzlage folgte das
Rabbotieren der Oberfläche und die
mechanische Entspannung. Danach erhielten die Putzflächen eine Armierungsschicht mit einem mineralisch
vergüteten Mörtel und einem alkalibeständigen Armierungsgewebe. Der
Oberputz wurde mit einem mäßig verriebenen Glattputz mit 2 mm Körnung
ausgeführt. Als Schlussbeschichtung
wurde eine auf Silikonharz basierende
Fassadenfarbe gewählt.
Funktionierendes Netzwerk aufbauen
Die Faschen und Leibungen der Fenster
und Gebäudeöffnungen erhielten als
Oberputz eine feine Filzstruktur. Die
geschwungenen Faschen heben sich
durch die putztechnische Gestaltung
von den Wandflächen ab. Die farbliche
Gestaltung der Faschen und Leibungen
wurde in einer historischen Leinöltechnik appliziert. Es wurden moderne und
historische Materialien sowie Handwerkstechniken kombiniert.
Anhand der zwei Beispiele ist erkennbar, dass der Einsatz eines WDVS mit
der Realisierung einer Sanierung nach
strengen denkmalpflegerischen Auflagen kombinierbar ist. Für ein überzeugendes Ergebnis ist das Miteinander
aller am Bau Beteiligten für ein funktionierendes Netzwerk wichtig. Beim
Altbau wird in den meisten Anwendungsfällen ein außen aufzubringendes
Dämmsystem der sinnvollste Schritt
sein, um energetische Anforderungen
erfüllen zu können.
Markus Haberland
Anwendungstechnik Baumit GmbH
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