Wohnen im Schafstall - Spooren Architekten

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BAUSTELLE DES MONATS Umbau
Der ehemalige Schafstall in Gütersloh vor
(links) und nach Sanierung und Umbau zum
Wohnhaus
Foto (links): Spooren
Architekten
Wohnen im Schafstall
Aus einem 250 Jahre alten Schafstall in Gütersloh sollte ein Wohnhaus werden. Für das mit der
Umbauplanung betraute Büro Spooren Architekten galt es dabei, nicht nur die Substanz zu sanieren,
sondern neben viel Tageslicht auch den Dämmstandard eines Neubaus ins Haus zu holen.
Von Thomas Wieckhorst
Man erkennt sofort, dass dieses Gütersloher Fachwerkhaus einmal ein Wirtschaftsgebäude war. Die
doppelte Deelendurchfahrt und der hohe Natursteinsockel weisen es als ehemaligen Schafstall aus. Der
hohe Sockel war wegen der Tiere notwendig. Die hätten sonst – vor allem im Winter dicht aneinandergedrängt – die Wände auseinander gedrückt und das
Fachwerk zum Einsturz gebracht. Die doppelte
Deelendurchfahrt erlaubte den Bauern, die Schafe zur
gleichen Zeit auf ein- und derselben Gebäudeseite
durch das eine Deelentor herein- und durch das andere herauszutreiben.
Sockelarbeiten
60 cm hoch musste der Natursteinsockel sein, damit
die Schafe den Stall nicht auseinander drücken konnten. Doch als die mit der Umbauplanung beauftragte
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Grundriss Obergeschoss, Maßstab 1: 200
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Architektin Mareike Busker den 1751 erbauten Vieh­
stall gemeinsam mit ihrem Bauherrn besichtigte, sah
sie sich mit einem nur noch 35 cm hohen Sockel konfrontiert. Das lag daran, dass das Gelände um ein
Gebäude herum auf dem Lande in der Regel jedes Jahr
um etwa 1 mm anwächst. Das macht bei einem rund
250 Jahre alten Haus 25 cm. Dies gefiel dem Bauherrn
gar nicht, der den Schafstall zum Wohnhaus umbauen
lassen wollte. Tageslicht war ihm besonders wichtig.
Um möglichst viel davon ins Gebäude zu bekommen,
müsste dieses aber auf einem Hügel stehen und nicht
in einer Mulde versinken. „Wir haben das Gelände
ums Haus herum um diese 25 cm abgetragen, damit
wir es nicht komplett an einen anderen Ort versetzen
mussten“, erklärt Mareike Busker. Und die Güters­
loher Architektin weiß wovon sie spricht, denn die
Translozierung ganzer Gebäude gehört zum Leistungsspektrum des Büros.
Das Gelände musste aber auch noch aus einem weiteren Grund abgegraben werden. „In dem Teil des Gebäudes, in dem der Schäfer gewohnt hatte, war der
Sockel insgesamt nur 25 cm hoch“, erzählt Architektin
Lisa Spooren, Partnerin im Büro Spooren Architekten.
Damit reichte das angewachsene Gelände bis an das
Schwellholz der Fachwerkkonstruktion heran, weshalb dieses verrottet war. Die Schwellhölzer auf dem
Natursteinsockel im Stallteil waren dagegen tadellos.
Also musste nicht nur das Gelände abgetragen, sondern von den Zimmerleuten auch die Schwellhölzer
der Schäferwohnung ausgetauscht werden.
Energetische Entkopplung der Natursteinsockel
Sowohl die Sockel im Stallteil als auch die der Schäferwohnung mussten neu aufgemauert werden. Hier-
1 Windfang
2 WC
3 Schlafen
4 Diele
5 Gast
6 Kochen
7 Wohnen
8 Loggia
9 Hauswirtschaft
10 Kind
11 Bad
12 Flur
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Charakteristisch für
die einstige Nutzung
des zum Wohnhaus
umgebauten Schafstalls sind die doppelte
Deelendurchfahrt und
der hohe Natursteinsockel
Fotos (2): Thomas
Wieckhorst
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Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1: 200
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Blick in eine der beiden
Deelendurchfahrten
zu Beginn der Sanierungsarbeiten
Rechts: Hier sind die
alten Natursteinsockel
bereits abgeräumt und
darunter neue Fundamente betoniert
Für die Herstellung
der neuen Bodenplatte
aus Stahlbeton ist alles
vorbereitet
Rechts: Den Natursteinsockel mauerten
die Handwerker auf
Porenbetonsteinen auf
Rechte Seite: In die
Gefache mauerten die
Handwerker rund 100
Jahre alte Ziegelsteine
zu hängten die Handwerker das Fachwerk zunächst
abschnittweise an Spanngurten auf. Die alten Sockel
wurden zunächst genauestens fotografisch dokumentiert, um sie später genauso wieder aufmauern zu
können, und dann entfernt, um darunter neue Fundamente zu betonierten. Als nächstes folgte eine Bodenplatte aus Stahlbeton. Ohne eine energetische
Entkopplung der neu aufgemauerten Natursteinsockel von der Bodenplatte hätten die Sockel im Winter
die Kälte geradezu aus dem Boden gesogen – eine
typische Wärme- beziehungsweise Kältebrücke. Das
Kondenswasser wäre von den Natursteinen nur so
heruntergelaufen. Damit dies nicht geschieht, mauerten die Handwerker die Sockel auf druckfesten Porenbetonsteinen auf der neuen Betonsohle auf. Die
wurde darüber hinaus 16 cm dick mit Polystyrol unter
Schnitt, Maßstab 1: 200
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dem Heizestrich gedämmt. Von innen mauerten die
Handwerker eine Schale aus Kalksandstein vor die
Natursteinsockel und dämmten sie vertikal mit einer
Polyurethanplatte, so dass nur von außen zu erkennen
ist, dass die Sockel aus Naturstein gemauert sind. Besonders knifflig wurden die Dämmarbeiten für die
Handwerker auf der Gebäuderückseite. Nämlich dort,
wo die im Gebäude den Deelendurchfahrten folgenden
Natursteinsockel die gedämmte Hülle durchdringen,
damit in der rechten der beiden Durchfahrten eine
Loggia entstehen kann. Damit die Dämmebene durch
die Natursteinsockel weitergeführt werden kann,
mussten sie mit einer Polyurethanplatte geteilt und
der geteilte Sockel um den gedämmten Kern aus Polyurethan herumgemauert werden.
Fachwerkwand zurückversetzt
Der Gütersloher Schafstall ist ein dreischiffiges Vierständerhaus. Vier Reihen geschossübergreifender
Stiele tragen das Fachwerk. Schafe waren darin aber
nur rund 150 Jahre lang untergebracht. Ihnen folgten
Kühe. Deren Fütterung und das Ausmisten der Ställe
war für die Bauern und für deren Kinder, die mit diesen Aufgaben betraut waren, ein durchaus gefährliches Geschäft. Immer wieder kam es zu Verletzungen
durch die Kühe. Folgerichtig kam es vor gut 120 Jahren in der Viehhaltung zu einer kleinen Revolution:
Ein Mistgang wurde angebaut, der eine weitgehend
gefahrlose Reinigung der Ställe erlaubte. „Das einzige,
was einem da noch passieren konnte, war, dass man
angeschissen wurde“, schmunzelt Thomas Spooren.
Üblicherweise baute man die Mistgänge seinerzeit an
den Abseiten der Fachwerkgebäude außen an. Nicht
so in Gütersloh. Dort versetzte man stattdessen eine
Ständerreihe im Fachwerk nach innen, um hinter der
Umbau BAUSTELLE DES MONATS
Die auf das innen hinter die
Fachwerkaußenwände gestellte
Holzständerwerk genagelten
Schilfrohrmatten verputzten die
Handwerker anschließend mit
Lehm. Der 12 cm tiefe Hohlraum
dazwischen ist zur Dämmung mit
Blähton und Holzwolle-Leichtbauplatten gefüllt
Fotos: Spooren Architekten
bestehenden Außenwand Platz für den Mistgang zu
schaffen. Diese Fachwerkwand wurde im Zuge der
Umbauarbeiten von den Handwerkern an ihren ursprünglichen Platz zurückversetzt.
Sanierung der Gefache
Anfänglich waren die Gefache des 2013 unter Denkmalschutz gestellten Stallgebäudes mit Lehm gefüllt.
„Man sieht das noch an den Nuten zur Aufnahme der
Staken des Weidengeflechts, die überall am Fachwerk
zu sehen sind“, sagt Architekt Spooren. Schon bald
hatte man aber auch im landwirtschaftlichen Fachwerkbau erkannt, dass Lehm der Viehhaltung wenig
Widerstand entgegenbringt und die Gefache mit Backsteinen gefüllt. Die waren zu Beginn der Sanierungsund Umbauarbeiten auch im Gütersloher Fachwerkhaus noch vorhanden, aber in der für die damalige Zeit
schlechten Qualität. „Die alten Backsteine waren
brüchig und zu weich gebrannt“, erinnert sich Lisa
Spooren. „Wir konnten sie nicht wiederverwenden.“
Für die Fachwerksanierung des ehemaligen Schafstalls war es ein Vorteil, dass das Haupt- und das Wirtschaftsgebäude der Hofstelle im April 2013 abbrannten. Der „Feuerteufel aus dem Rhedaer Forst“ hatte
die Scheune, den Schaf- und den Hühnerstall verschont. Das Haupthaus der Hofstelle hatte man vor
gerade mal 100 Jahren aus deutlich hochwertigeren
Ziegelsteinen erbaut. Da es zu Beginn der Bauarbeiten
am ehemaligen Schafstall Mitte 2014 nur noch eine
Ruine war, diente es als Ziegelsteinlieferant für die
Gefachsanierung.
Schilf und Lehm auf den Fachwerkwänden
Im Gebäude ist noch ein original auf Weidengeflecht
mit Lehm verputztes Gefach erhalten. Dass Lehm und
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BAUSTELLE DES MONATS Umbau
Baubeteiligte (Auswahl)
Planung Spooren Architekten, Gütersloh
Mareike Busker, Lisa und Thomas Spooren
Zimmerer-, Dachdecker- und Lehmbauarbeiten
Zimmerei Jan Reckmann, Steinhagen
Fenster, Türen und Innenausbau Tischlerei Lasse
Reckmann, Steinhagen
Malerarbeiten Rickmann-Rehage, Gütersloh
Blick ins Erdgeschoss
mit offener Fachwerkwand auf einem der
Deelendurchfahrt im
Gebäude folgenden
Natursteinsockel
Fotos: Spooren Architekten
Fachwerk sich besonders gut vertragen, ist hinlänglich
bekannt. Da lag es nahe, das Baumaterial, das schon
unsere Altvorderen für den Fachwerkbau nutzten, im
Zuge der Sanierung auch im Inneren des Hauses wieder zum Einsatz zu bringen. Die Handwerker brachten
auf das historische Eichenfachwerk der Außenwände
von innen zum Ausgleich eine etwa 8 cm starke Lehmschicht auf und befestigten darüber auf einer Holz­
ständerkonstruktion Schilfrohrmatten, die sie an­
schließend mit Lehm verputzten. Den 12 cm dicken
Zwischenraum füllten sie zur Dämmung mit Blähton,
an den Seiten mit Holzwolle-Leichtbauplatten, die das
Herausrieseln des Granulats zu verhindern. Dieser
Wandaufbau ist kapillaraktiv und dampfdiffusionsoffen, so dass Tauwasser sowohl nach außen als auch
nach innen schnell wieder abtrocknen kann.
Wärmedämmung im Dach- und Obergeschoss
Wärmedämmung findet neben der Bodenplatte vor
allem im Dach- und Obergeschoss statt: Hinter den
beiden mit Brettern verschalten Giebelwänden befindet sich ein Holzständerwerk, in das die Handwerker
28 cm dick Zelluloseeinblasdämmung einbrachten.
5 cm dicke Mineralfasermatten sorgen in der Installationsebene darüber für eine weitere Verbesserung
des Wärmeschutzes. Zwischen den Kehlbalken des
Dachstuhls, auf denen die Obergeschossdecke liegt,
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Herstellerindex (Auswahl)
Lehm und Schilfrohrmatten Conluto, Blomberg,
www.conluto.de
Holzwolle Steico, Feldkirchen, www.steico.com
Zellulose-Einblasdämmung Thermofloc,
Feistritz/Drau, www.thermofloc.de
Trockenbauwände „Rigidur“ Gipsfaserplatten,
Saint-Gobain Rigips, Düsseldorf, www.rigips.de
verwendeten die Handwerker eine 20 cm dicke Variante der Mineralfasermatten als Dämmung. In Verbindung mit den dreifach verglasten Holzfenstern
erreicht der ehemalige Schafstall nun den Dämmstandard eines Neubaus.
Nachdem die Sanierungs- und Umbauarbeiten Mitte
vergangenen Jahres abgeschlossen wurden, überprüften Mitarbeiter des Büros Spooren Architekten die
Dämmung und vor allem die Dichtigkeit des Gebäudes
im Februar 2017 per Thermografie – und entdeckten
dabei kleinere Leckagen. Das lag zum Beispiel daran,
dass die Zimmerleute für die Schwellen frisches Holz
verwenden mussten. „Das Holz schrumpft. Oben und
unten ist das kein Problem, da sich das Gebäude noch
setzt. Links und rechts mussten wir die Spalten mit
Spritzkork verschließen. Früher hat man auch das mit
Umbau BAUSTELLE DES MONATS
In einem Gefach (rechts im Bild) blieb im Gebäude die originale
Füllung mit Lehm auf Weidengeflecht erhalten
Lehm gemacht“, erklärt Architekt Spooren. Eine solche Nachbesserung liegt in der Natur der Sache, also
im Holz selbst, begründet.
Die eingangs beschriebene Abgrabung des Geländes
reichte bei weitem nicht aus, um ausreichend Tageslicht in das mit Fenstern nicht gerade verwöhnte Stallgebäude zu bekommen. Vor allem durch die Tore der
Deelendurchfahrten gelangt heute zu beiden Seiten
viel Licht ins Erdgeschoss. Sie sind hinter der Außenwand nach innen versetzt und mit einer grau gestrichenen Pfosten-Riegel-Konstruktion aus sibirischer
Lärche großzügig verglast. Auf der Südseite setzten
die Tischler neben einer verglasten Balkontür zwei
Reihen quer übereinander angeordneter Holzfenster
ein, die deutlich als Zutat unserer Zeit zu erkennen
sind. Auf diese Weise wird etwa die Hälfte der Fachwerkfassade auf der Südseite des Hauses für das Tageslicht geöffnet. Ins Dach- und Obergeschoss gelangt
das Tageslicht durch drei Fenster einer Gaube, die auf
der Südseite ins Satteldach eingebaut wurden. Für
noch mehr Licht im Dach- und Obergeschoss sorgen
die in den Giebelseiten eingebauten Fenster. Mit dieser „Ausbeute“ an Tageslicht ist der Bauherr hochzufrieden, auch ohne dass man das ganze Gebäude auf
einen Hügel gestellt hätte.
Autor
Auf der Gebäuderückseite ist die
neue Glasfassade in der rechten der
beiden Deelendurchfahrten soweit
nach innen ins Haus versetzt, dass
davor eine Loggia entsteht
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
www.bauhandwerk.de
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