Der lange Marsch in eine neue innovative - Berlin

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Berlin-Chemie Newsletter vom 27.12.2012
Der lange Marsch in eine neue innovative Versorgungslandschaft
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"ASV: Erwartungen, Chancen - wie geht es weiter?“
Von Dr. Regina Klakow-Franck, Unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA)
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Bessere Versorgung durch mehr Liberalität bei innovativen Leistungen
Von Dr. Andreas Köhler, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV)
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Quo vadis ASV? - Es gibt noch viel Regelungsbedarf
Von Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek)
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Verbesserung der Versorgung durch die ASV zunehmend zweifelhaft
Von Alfred Dänzer, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)
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Der lange Marsch in eine neue innovative Versorgungslandschaft
Spitzenvertreter beziehen Position
Stürmisch begrüßt, als die Chance innovativer Versorgungswege verstanden oder mit äußerster
Skepsis bedacht – die „Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung“, kurz ASV, wird eines der
meistdiskutierten Themen der Gesundheitspolitik im kommenden Jahr sein. Viele Entscheidungen
sind noch zu treffen. Die Positionen der Top-Organisationen des deutschen Gesundheitswesens,
der Ärzteschaft, der Kassen, der Krankenhäuser, zeigen, wo Erwartungen, Befürchtungen, Chancen
und Risiken stecken. Für das höchste Organ der Selbstverwaltung, den Gemeinsamen
Bundesausschuss, wird es eine Mammutaufgabe sein, die verschiedenen Interessen zu werten und
zu koordinieren sowie am Ende die Rahmenbedingungen für eine verbesserte
Versorgungslandschaft zum Wohle der Patienten zu schaffen. Lesen Sie dazu die Positionen der
führenden Köpfe unseres Gesundheitswesens.
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"ASV: Erwartungen, Chancen - wie geht es weiter?“
Von Dr. Regina Klakow-Franck, Unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)
Der neue Versorgungsbereich wird mit vielen Erwartungen einerseits, mit Skepsis andererseits
betrachtet. Zu meistern ist ein schwieriger Balanceakt zwischen mehr Wettbewerb und dem Risiko
einer Mengenausweitung.
Auf Basis der bestehenden §116b-Regelung (Richtlinie über ambulante Behandlung im
Krankenhaus (ABK-RL)) erbringt derzeit fast jedes fünfte Krankenhaus in Deutschland
spezialfachärztliche Leistungen ambulant. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind
allerdings sehr groß: Während in Schleswig-Holstein fast 250 Zulassungen erteilt wurden, sind es in
Bayern 50 und in Baden-Württemberg nur 14.
Das regional sehr heterogene Bild der Zulassungspraxis ist unter Versorgungsgesichtspunkten nur
schwer nachvollziehbar und genau genommen nicht hinnehmbar. Der Bedarf an interdisziplinär
abgestimmten Versorgungskonzepten für komplexe Erkrankungen steigt allein aus Gründen der
Demographie, und aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts sind immer mehr Leistungen
ambulant erbringbar. Die Gründe, den § 116b im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes
erneut anzupassen, lagen auf der Hand, und dass der Gesetzgeber die Initiative ergriffen hat, ist
grundsätzlich nur zu begrüßen. Der Paragraf soll zu einem neuen Versorgungsbereich
weiterentwickelt werden: Zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) mit den
Charakteristika: sektorenübergreifende Erbringung, Vereinheitlichung der Qualitätsanforderungen
und Vergütungsregelungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte, Verortung außerhalb der
Bedarfsplanung und extrabudgetäre Vergütung.
Allerdings waren im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens gegenläufige Tendenzen zu beobachten:
Während der Referententwurf noch ganz von dem marktoffenen Leitgedanken „Jeder, der kann,
der darf!“ getragen war, ist die dann beschlossene Gesetzesregelung von Skepsis im Hinblick auf
die Möglichkeiten des Wettbewerbs und von Sorge um die zukünftige Mengenentwicklung
geprägt. Einmal mehr zeigt sich am Beispiel der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, dass
der Suchprozess noch nicht abgeschlossen ist, ob – und wenn ja, wie – mit mehr Wettbewerb im
Gesundheitswesen mehr Effizienz- und Wirtschaftlichkeitspotenziale gehoben und mehr
Patientennutzen gestiftet werden können.
Um angebotsinduzierter Mengenausweitung und ökonomischen Fehlanreizen vorzubeugen
wurden zahlreiche Maßnahmen zur Gegenregulierung ins Gesetz geschrieben. Nun wird es zwar
dabei bleiben, dass die ASV nicht beplant ist, an anderer Stelle des SGB V ist jedoch verankert, dass
spezialfachärztliche Leistungen nach § 116b bei der Berechnung des Versorgungsgrades zu
berücksichtigen sind (§ 101 Abs.1 Satz 8 SGB V). Auch soll es bei der unmittelbaren,
extrabudgetären Vergütung durch die Krankenkassen bleiben, jedoch wird die morbiditätsbedingte
Gesamtvergütung um die Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung zu
bereinigen sein. Dies kommt einer indirekten Deckelung der ASV gleich und hat eine
unvermeidliche Vorverlagerung von vergütungsrelevanten Aspekten in die Beratungen des
Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Folge, mit denen sich nach Vorstellungen des
Gesetzgebers erst im Nachgang der neuen G-BA-Richtlinie die Vertragspartner hätte beschäftigen
sollen.
Dem Risiko einer „Mengenexplosion“ wird aus Sicht des Gesetzgebers vor allen Dingen auch mit
der Einschränkung auf schwere Verlaufsformen bei den onkologischen und sonstigen Erkrankungen
„mit besonderem Verlauf“ begegnet. Der Leistungskatalog des neuen Versorgungsbereichs sollte
ursprünglich auch Teilbereiche ambulanter Operationen und stationsersetzender Leistungen
umfassen. De facto wird der Umfang des neuen §116b-Leistungskatalogs zwar detaillierter
beschrieben, aber fürs erste kleiner sein als der bisherige. In einem Versorgungsbereich, der mit
Ausnahme der vom G-BA zu definierenden Anforderungen an Struktur- und Prozessqualität
ansonsten unreguliert ist, ist der Ansatz, Menge durch Begrenzung des Leistungskatalogs zu
steuern, zunächst einmal nachvollziehbar. Er hat aber ein neues Risiko zur Folge, nämlich dass die
Definition der schweren Verlaufsformen und die Beschreibung des Behandlungsumfangs in
Ermangelung anderer Mengensteuerungsmöglichkeiten zu stark unter ökonomischen Druck
geraten. Die Ein- bzw. Ausschlusskriterien, wer ein Patient mit schwerem Verlauf ist und wer nicht,
muss aber primär unter medizinischen Gesichtspunkten erfolgen und sollte auf Basis einer
gesicherten Erstdiagnose einer onkologischen oder sonstigen Erkrankung mit besonderem Verlauf
auch Raum für Einzelfallentscheidungen lassen.
Allen Imponderabilien zum Trotz: Die ASV bietet die Chance auf eine Verbesserung des
Versorgungsangebots für Patientinnen und Patienten mit komplexen oder seltenen Erkrankungen
und – last but not least – auf Überwindung der sektoralen Abschottung. Dies zunächst zwar nur für
einen kleinen Leistungsbereich, der aber, wenn der Start gelingt, ausbaufähig ist. Die Forderung
nach Überwindung der sektoralen Abschottung ist schon so alt, dass sie beinahe sinnlos scheint.
Dennoch bleibt die Förderung von interdisziplinärer und berufsgruppenübergreifender
Zusammenarbeit und sektorenübergreifender Kooperation zwischen Krankenhäusern und
Vertragsärzten das erfolgskritische Entwicklungspotenzial für unser Gesundheitswesen.
Kooperation und Wettbewerb sind kein Gegensatz mehr, wenn es gelingt, die Kooperation zum
Wettbewerbsvorteil zu nutzen.
Wegen der Relevanz dieses neuen, sektorenübergreifenden Versorgungsbereichs, die auch weit in
die Zukunft reicht, hat der G-BA zu Beginn der neuen Amtsperiode einen neuen Unterausschuss
gegründet, der seine Arbeit im August 2012 aufgenommen hat. Für den sogenannten allgemeinen
Paragrafenteil mit den für alle Erkrankungen des § 116b-Katalogs gleichermaßen geltenden
allgemeinen Bestimmungen wurde im Dezember 2012 bereits die Einleitung des
Stellungnahmeverfahrens beschlossen. Die nach Rücklauf und Auswertung dann noch dissenten
Punkte wird das Plenum des G-BA Anfang 2013 politisch entscheiden. Parallel hierzu wird die
notwendige Überarbeitung der erkrankungsspezifischen Anlagen, die ebenfalls Teil der Richtlinie
sind, vorangetrieben. Diese sogenannten Konkretisierungen werden aufgrund des großen Umfangs
nur sukzessive abgearbeitet werden können, wobei sich die Beratungen derzeit auf die
onkologischen Erkrankungen konzentrieren.
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Bessere Versorgung durch mehr Liberalität bei innovativen Leistungen
Von Dr. Andreas Köhler, Vorsitzender des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
Die strenge Trennung von ambulanter und stationärer Versorgung ist nicht mehr zeitgemäß. Die
ASV bietet die Chance, in einem geschützten Raum neue Wege der Zusammenarbeit zu erproben.
In der Begründung zum Versorgungsstrukturgesetz heißt es: „Die qualitativ hochwertige Diagnostik
und Behandlung komplexer, häufig schwer therapierbarer Krankheitsbilder erfordern Expertise von
Spezialisten (…), interdisziplinäre Kooperation und oftmals besondere Ausstattung“. Und weiter:
„Die strenge sektorale Aufteilung der GKV-Versorgung (…) wird dieser Entwicklung nicht mehr
hinreichend gerecht und soll daher durch die Einführung eines sektorverbindenden
Versorgungsbereiches der ambulanten spezialärztlichen Versorgung überwunden werden.“
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat dieses Ansinnen von Anfang an unterstützt. Die
strenge Trennung der ambulanten und stationären Behandlung ist nicht mehr zeitgemäß. Mit der
ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) haben wir die Chance, in einem geschützten
und überschaubaren Bereich eine neue Form der Zusammenarbeit zu erproben. Dass dieser
Bereich ohne Bedarfsplanung, Mengenbegrenzung (da diese sich aus dem Krankheitskatalog
automatisch ergibt) und ohne Budgetierung auskommen soll, ist besonders zu begrüßen. Erfreulich
für die teilnehmenden Vertragsärzte und ihre Patienten ist außerdem, dass auch für sie statt des
Gebots- das Verbotsvorbehalt bei innovativen Leistungen gelten soll.
Die konkrete Ausgestaltung der ASV hat der Gesetzgeber der gemeinsamen Selbst-verwaltung,
sprich dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), überlassen. Relevanz und Erfolg der ASV
werden maßgeblich abhängen von den Detailregelungen des G-BA bei der Überarbeitung der
bislang vollständig auf Krankenhausstrukturen bezogenen Richtlinie nach § 116b SGB V sowie von
den nachfolgenden Regelungen zur Vergütung. Der dafür vorgegebene Zeitplan war allerdings von
Anfang an wenig realistisch. Der allgemeine Paragrafenteil der Richtlinie ist zurzeit (Stand Ende
Dezember 2012) in Arbeit. Strittig ist dabei unter anderem, ob alle an der ASV teilnehmenden
Ärzte, also auch die zum Kernteam hinzugezogenen Fachärzte der sogenannten dritten Ebene, eine
spezielle Berechtigung brauchen. Dies hätte auch Auswirkungen auf deren Vergütung. Die KBV
vertritt den Standpunkt, dass die Mitglieder des ASV-Teams individuelle Berechtigungen erhalten,
mit Ausnahme der ggf. hinzugezogenen Ärzte der dritten Ebene. Sie sind in die interdisziplinäre
Arbeit einzubeziehen, gehören aber nicht im engeren Sinne zum ASV-Team. Die KBV spricht sich
außerdem dafür aus, die Mitglieder des ASV-Teams nicht als Berufsausübungsgemeinschaft zu
betrachten, sondern ASV-Berechtigungen individuell zu vergeben. Dies schließt nicht aus, dass das
ASV-Team einen gemeinschaftlichen Versorgungsauftrag hat.
Die KBV besteht darauf, dass der Behandlungsumfang nicht allgemein, sondern anhand von
Gebührenordnungspositionen (GOP) definiert wird. Hier besteht mittlerweile Einigkeit mit dem
Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Den Behandlungsumfang der Krankheiten in GOPZiffern sollte der G-BA bestimmen, ggf. in einer eigenen Arbeitsgruppe.
Voraussetzung für die Versorgung im Rahmen der ASV muss eine gesicherte Diagnose sein sowie
bei schweren Verlaufsformen eine Überweisung an die entsprechend berechtigten Ärzte, ggf. auch
an das Team. Offen ist noch, wer die Überweisung ausstellt und vor allem, ob diese befristet
erfolgen soll.
Ein wesentliches Merkmal der ASV sind ihre Qualitätsanforderungen. Das Gesetz erlaubt eine
Regelung des G-BA, wer für die Überprüfung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit zuständig ist.
Die KBV strebt eine Regelung an, wonach diese Prüfungskompetenzen auf die Kassenärztlichen
Vereinigungen übertragen werden können. Dies sollte zumindest für den vertragsärztlichen
Bereich im Rahmen der ASV gelten.
Bei den weiteren Verhandlungen und Gesprächen im Januar werden vor allem Abrechnungsfragen
im Mittelpunkt stehen. Detailregelungen zur Vergütung und Abrechnung folgen erst nach dem
Inkrafttreten der Richtlinie, was jedoch später der Fall sein wird als ursprünglich vorgesehen. Ärzte
und Krankenhäuser wiederum können erst nach Inkrafttreten der Richtlinie ihre Teilnahme an der
ASV erklären. Es wird also noch eine Weile dauern, bis die ASV wirklich in der Versorgung
ankommt. Bei einem so wichtigen Thema ist es jedoch richtig, nichts über‘s Knie zu brechen. Denn
die ASV hat das Potenzial, die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern, damit den
Patienten zu dienen und gleichzeitig für gleiche und faire Bedingungen für Krankenhaus- und
Vertragsärzte zu sorgen.
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Quo vadis ASV? - Es gibt noch viel Regelungsbedarf
Von Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek)
„Wer kann, der darf“ wäre ein ordnungspolitisch falscher Ansatz für die ASV. Viele Problemfelder
sind noch offen und zu klären. Vor allem fordern die Kassen eine „Bereinigung“ des
vertragsärztlichen Bereichs sowie mittelfristig Mengen- und Preisverhandlungsstrukturen.
Welche Anforderungen müssen Leistungserbringer im neuen spezialfachärztlichen Bereich
erfüllen? Antworten auf diese Frage werden derzeit zwischen den Partnern der Selbstverwaltung
diskutiert. Denn die Neufassung des § 116 b SGB V im GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG)
stellt keine marginale Anpassung des alten § 116 b, der „Ambulanten Behandlung im
Krankenhaus“, dar. Stattdessen wurde unter der Bezeichnung „Ambulante spezialfachärztliche
Versorgung“ (ASV) ein gänzlich neuer Versorgungsbereich definiert.
Die Ausgestaltung des neuen Versorgungsbereiches wird wesentlich durch die Selbstverwaltung im
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bestimmt. Es müssen dazu Regelungen in zwei Dutzend
Problemfelder getroffen werden. Unter anderem hat der Gesetzgeber den G-BA beauftragt, den
Behandlungsumfang, die personellen und sächlichen Voraussetzungen der Leistungserbringer,
sonstige Qualitätsanforderungen sowie auch Kooperationsregelungen (verpflichtend im Bereich
der Onkologie) zu vereinbaren. In diesem Kontext müssen zudem alle indikationsspezifischen
Regelungen (Konkretisierungen) für 116 b-Leistungen überarbeitet werden, damit sie künftig
gleichermaßen für Kliniken und Vertragsärzte anwendbar sind. Damit wird ein eigenständiger
Sektor kreiert, was für Leistungserbringer aus beiden Sektoren bedeutet, vertrautes Terrain zu
verlassen.
Nicht alles im neuen § 116 b ist gelungen. Aus Sicht der Krankenkassen ordnungspolitisch falsch ist
der Zulassungsanspruch nach dem Freibeutermotto „Wer kann, der darf“. Unabhängig vom Bedarf
kann jeder Facharzt und jedes Krankenhaus gemäß § 116 b Leistungen erbringen, soweit die
hierfür vom G-BA festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.
Bedenklich ist auch, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Teil des
Leistungsumfangs in der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sein können, sofern der GBA nach § 137 c SGB V für die Krankenhausbehandlung keine ablehnende Entscheidung getroffen
hat. Damit erfolgt mittelfristig eine Integration ungeprüfter Methoden in die ambulante
Versorgung – eine aus Sicht der Krankenkassen insbesondere für die Patienten höchst
problematische Entwicklung.
Weitere wesentliche Eckpfeiler des neuen Sektors werden von den Vertragsparteien in
Vereinbarungen auf Bundesebene geregelt. Der Absatz 6 des § 116 b SGB V sieht vor, dass die
Vertragsparteien auf Bundesebene für die Leistungsvergütung eine eigenständige
Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweils
verbindliche Einführungszeitpunkte vereinbaren. Die Abgrenzung von „normalen“ fachärztlichen
und spezialfachärztlichen Leistungen stellt eine besondere Herausforderung dar und dürfte die
Neuordnung der ASV nicht gerade beschleunigen. Ein aus Sicht der Krankenkassen entscheidender
Regelungsgegenstand der Vereinbarungen auf Bundesebene ist die Bereinigung des
vertragsärztlichen Bereiches. Vorgesehen ist, dass die erforderliche Bereinigung jährlich prospektiv
erfolgen soll und mit einer ex-post-Korrektur (Spitzabrechnung) kombiniert werden sollte.
Insgesamt hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 116 b SGB V einen
Ausdeckelungsparagrafen für den niedergelassenen Bereich geschaffen. Es geht nicht mehr um die
Öffnung der Krankenhäuser. Stattdessen blühen Eldorado-Phantasien der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung: Alle Leistungen unbegrenzt, ungekürzt, ungeprüft.
Aus Sicht der Kassen ist das zentrale Anliegen der ASV die Förderung der interdisziplinären
Zusammenarbeit bei der Versorgung von schwerstkranken Patienten mit seltenen Erkrankungen.
Durch die G-BA-Richtlinie muss daher sichergestellt werden, dass 116 b-Leistungen regelhaft an
einem Ort durch ein Team erbracht werden. Denn die ASV kann nur einen Beitrag zur
Verbesserung der Versorgung von Patienten leisten, wenn die Patienten in der ASV stärker von der
interdisziplinären Zusammenarbeit unterschiedlicher Facharztgruppen profitieren als dies bisher in
der fachärztlichen Regelversorgung der Fall ist. Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung ist
daher in der Regel kein Modell für eine Einzelpraxis. Das Pendant zur 116 b-Krankenhausambulanz
im ambulanten Bereich ist vielmehr ein Zusammenschluss von verschiedenen Fachärzten, die
gemeinsam ASV-Leistungen erbringen, bspw. im Rahmen eines Medizinischen Versorgungszentrums.
Mittelfristig ist es unverzichtbar, dass auch in der ASV Mengen- und Preisverhandlungsstrukturen
sowie eine bedarfsgerechte Zulassung implementiert werden und die gesetzlich verankerte
einheitliche Vergütungssystematik entwickelt wird. Es muss zudem ein adäquater, einheitlicher
und vor allem bedarfsgerechter Ordnungsrahmen geschaffen werden, der die in den
verschiedenen Sektoren und Versorgungsbereichen erbrachten Leistungen berücksichtigt und
sinnvoll miteinander verknüpft.
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Verbesserung der Versorgung durch die ASV zunehmend zweifelhaft
Von Alfred Dänzer, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)
Die gesetzliche Vorgabe die Krankheiten mit besonderem Krankheitsverlauf auf schwere
Verlaufsformen einzugrenzen, sorgt bei den Verhandlungen und Erwartungen an die ASV aus Sicht
der Kliniken zunehmend für Ernüchterung. Außerdem fürchtet man, dass die Verhandlungen um
eine bessere Verzahnung der Sektoren durch vertragsärztliche Forderungen unterlaufen werden
könnten.
Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG) hat der Gesetzgeber durch die
Novellierung des § 116b SGB V die Rahmenbedingungen für die Versorgung von Patienten mit
Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverlauf, seltenen Erkrankungen und hochspezialisierten
Leistungen maßgeblich verändert. Dem Grunde nach wurde ein neuer Versorgungsektor in das
Gesundheitssystem eingeführt – die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Nach
mehrfachen Reformen des § 116 SGB V hat die Politik nunmehr der anhaltenden Kritik aus dem
vertragsärztlichen Bereich nachgegeben und sah offenbar als einzige Möglichkeit, die Vertragsärzte
in diese Versorgungsform mit einzubeziehen. Initial, in der Verantwortung der GKV, wurden nur
sehr wenige Einrichtungen nach § 116b SGB V zugelassen, so dass der Gesetzgeber sich veranlasst
sah, die Zuständigkeit in die Hände der Länder zu verlegen. Diese sahen sich jedoch mit einer Fülle
von Klagen aus dem vertragsärztlichen Bereich konfrontiert, sei es durch einzelne Vertragsärzte
oder durch Kassenärztliche Vereinigungen, wodurch mehrere Länder „§116b-frei“ blieben. Nur
beispielhaft seien hier Bayern und Baden-Württemberg genannt. In letzter Konsequenz wurde
somit über Jahre die Zielsetzung der Politik unterlaufen, Patienten mit besonderen
Krankheitsverläufen oder auch seltenen Erkrankungen die besondere Expertise der Krankenhäuser
auch für die ambulante Versorgung zur Verfügung zu stellen.
Insofern stellt sich nun die Frage, ob die neuen Rahmenvorgaben im Sinne der Patienten zu einer
besseren Versorgung beitragen. Dies muss nach einjährigen zermürbenden Verhandlungen im
Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) leider zunehmend bezweifelt werden. Es drängen sich statt
dem Wohle der Patienten primär Fragen über die Abrechnung von Einzelleistungen bzw. über die
Budgetbereinigung in den Vordergrund der Beratungen. Durch die extrabudgetäre Vergütung der
Leistungen, bestehen insbesondere bei den für den vertragsärztlichen Bereich Zuständigen
offensichtlich große Sorgen vor einer unkontrollierten Leistungsausweitung. Um dieser von
vornherein zu begegnen, beabsichtigten sie, die mit der Reform verbundene Ausweitung
potentieller Leistungserbringer mit einer starken Einschränkung potentiell Leistungsberechtigter
und potentieller Leistungen zu kompensieren. Der Gesetzgeber hat bedauerlicherweise mit seiner
Vorgabe die Krankheiten mit besonderem Krankheitsverlauf auf schwere Verlaufsformen
einzugrenzen, die Grundlagen für dieses Ansinnen geschaffen. So drängt sich bisweilen der
Eindruck auf, dass die künftige spezialfachärztliche Versorgung zwar vielen Ärzten, aber nur noch
wenigen Patienten offen stehen soll. Insbesondere solchen mit einem sehr weit fortgeschrittenen
Krankheitsstadium, in dem der Bedarf nach der besonderen Expertise zumindest fraglich erscheint,
weil die dann vorliegende schlechte Prognose die noch verfügbaren Behandlungsoptionen
maßgeblich einschränkt. Die zusätzliche Reduktion auf nur wenige spezifische Leistungen durch
den G-BA zwingen die Patienten zudem die Leistungserbringer und somit den Behandlungsort
(Wechsel zwischen ASV und sonstiger vertragsärztlicher Versorgung) vielfach zu wechseln. Die
komplexe Versorgung der Erkrankungen und ihrer Komplikationen durch ein Behandlungsteam
steht den Patienten somit künftig nicht mehr zur Verfügung.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) steht durchaus für eine bessere Verzahnung der
Sektoren und somit für die Beteiligung, den Anforderungen entsprechend qualifizierten
Vertragsärzten. Sie darf jedoch nicht den besonderen Bedürfnissen der betroffenen Patienten
entgegenstehen oder gar den Zugang zu dieser Versorgungsform maßgeblich einschränken.
Angesichts zahlreicher Hindernisse im G-BA ist noch nicht absehbar, wann die Verhandlungen
erfolgreich abgeschlossen sein werden. Die offensichtliche Ambivalenz der Vertragsärzte, die zum
einen die neue Versorgungsform nutzen wollen und mit den bisherigen § 116b-Einrichtungen
gleichziehen möchten, andererseits jedoch fürchten, ein Zweiklassensystem in der Fachärzteschaft
zu etablieren, in dem die spezialisierten Fachärzte zudem die Vergütung der Nicht-Spezialisierten
schmälern, darf jedoch nicht dazu führen, dass der Wille des Gesetzgebers nunmehr bereits im GBA-Prozess durch den vertragsärztlichen Bereich unterlaufen wird. Die DKG ist nach wie vor bereit,
sich konstruktiv an den Verhandlungen zu beteiligen, um letztlich für die Patienten vorteilhafte
Lösungen zu erzielen. In diesem Sinne sind folgende Eckpunkte zu fordern:
- Rasche Umsetzung der Aufgaben im G-BA zur flächendeckenden Bereitstellung der ASVVersorgung in Deutschland;
- Uneingeschränkter Zugang der Patienten zur ASV-Versorgung in der bisherigen Form;
- Definition des Behandlungsumfangs mit dem Ziel, einer in sich geschlossenen Versorgung der
Patienten ohne unnötige Arztwechsel;
- Einbeziehung von Fällen zur diagnostischen Abklärung in den Leistungsumfang der ASV, um auch
Patienten mit unklarer Diagnose eine rasche Diagnosestellung als Voraussetzung für eine
sachgerechte Versorgung zu ermöglichen;
- Planungssicherheit für die beteiligten Leistungserbringer nach zahlreichen Reformen;
- Kooperation zwischen den Sektoren im Rahmen der ASV fördern, ohne unnötige
Bürokratiehürden und Kooperationsfesseln zu schaffen;
- die Kürzung der Vergütungen für Krankenhäuser um den Investitionskostenabschlag sind
zurückzunehmen.
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Herausgeber: Berlin Chemie AG, Abteilung Gesundheitsmanagement
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fax: +49(0)30-6707-2103| [email protected]
Redaktion: Susanne Eble (V.i.S.d.P.), Leiterin Gesundheitsmanagement; Pia Maier, Referentin
Strategisches Gesundheitsmanagement; Kristin Müller, Sachbearbeiterin
Realisation: Thomas Grünert (Vincentz Network Berlin)
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