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SWR2 • Musikstunde
DEUTSCHE SCHULE UND ITALIENISCHE LEICHTIGKEIT
Otto Nicolai, 1. Folge
7. Februar 2011, 9.05 -10.00 Uhr
Karl Dietrich Gräwe
Otto Nicolai teilt mit manch anderem hoch geschätzten und gern gespielten Kollegen das
zwiespältige Schicksal, einer einzigen Komposition seinen Ruhm und vielleicht gar das
Anrecht auf Unsterblichkeit zu verdanken. Das übrige Œuvre hingegen, wie umfangreich
und vielgestaltig auch immer, überlebte in respektvoller Duldung oder blieb gleich ganz am
Wegesrand des Vergessens liegen. Dürfen wir unserem kollektiven Musikbewusstsein
glauben, so hat Boccherini nur das eine kleine Menuett, Conradin Kreutzer nur das
Nachtlager von Granada erfunden, Bizet nur die Carmen, Mascagni nur die Cavalleria
rusticana und Leoncavallo nur den Bajazzo. Mozart, ohnehin der Meister aller
Musikgattungen, hat die Theaterwelt dann doch um mindestens 7 Opern bereichert, über
deren Konkurrenzlosigkeit und Unvergleichlichkeit man sich mühelos verständigen kann. Ein
Dutzend Opern von Verdi werden sich in den Spielplänen behaupten, so lange es überhaupt
Oper gibt. Und Otto Nicolai? Er gilt als der Musiker, der angeblich nur ein überlebensfähiges
Werk zustande brachte, ein unstrittiges Meisterwerk zwar, aber eben nur dieses: Die lustigen
Weiber von Windsor, frei nach Shakespeares Komödie. Dabei hat Nicolai mehrere Opern auf
die Bühne gebracht und war vielseitig, kundig und neugierig genug, sich in vielen anderen
Genres zu erproben, eine Sinfonie in c-Moll zu schreiben, eine weitere in D-Dur, dazu
Orchesterstücke, viel geistliche und weltliche Chormusik und Lieder über Lieder.
Dass er sich in den Jahren seines Aufenthaltes in Italien als gefeierter Opernkomponist
etablieren würde, war ihm nicht von Anfang an vorgezeichnet. Mit 23 Jahren verließ er
Berlin, die Stadt seiner ersten Erfolge, und ging nach Rom, um sich an der Kapelle der
preußischen Gesandtschaft beim Vatikan als Organist zu betätigen. In der Obhut des dort
amtierenden Ministerresidenten, des Diplomaten, Gelehrten und Kunstschwärmers Christian
Karl Josias Freiherr von Bunsen, trug Nicolai ideenreich zur Beförderung der
protestantischen Kirchenmusik bei, die beim katholischen Klerus der Ewigen Stadt auf
interessierte Neugier und offene Ohren stieß. Noch nicht die Oper nahm ihn zunächst
gefangen - die alte und neu belebte Kunst Palestrinas begeisterte ihn. In seinem dritten
römischen Jahr, 1835, nahm er sich Beethoven zum Modell: Er schrieb eine veritable
Sinfonie, es war seine zweite, und in deren Finale folgte er, obgleich in zierlicheren Schritten,
dem Bauplan des 4. Satzes von Beethovens Neunter. Auch Nicolai versammelt, bevor er
zum Endlauf ansetzt, erst noch einmal die Themen der vorangegangenen Sätze.
Musik 1
9’04“
Finale – Allegro vivace, der Schluss-Satz der Sinfonie D-Dur, seiner zweiten, die Otto Nicolai
mit 25 Jahren in Rom komponierte. Die Aufnahme mit den Bamberger Symphonikern wurde
von Karl Anton Rickenbacher geleitet.
Zu Mozart bekannte sich Nicolai als dem höchsten aller Musikgötter, aber auch im Stil
Palestrinas kannte er sich aus, als sei er dessen zeitversetzter Geistesverwandter. Mit
wachen Sinnen assimilierte er sich ebenso dem musikalischen Idiom, das seine älteren
italienischen Zeitgenossen Donizetti und Bellini aus dem ff beherrschten und das der etwas
jüngere Verdi sich erst noch aneignen musste. Geboren wurde Nicolai in Königsberg, der
Hauptstadt der einstigen Provinz Ostpreußen. Herzog Albrecht hatte hier nach der
Reformation die erste evangelische Universität gegründet, Kurfürst Friedrich III. ließ sich
Anfang des 18.
-2-
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Jahrhunderts im Dom zum „König in Preußen“ krönen. In Königsberg erblickten der
Philosoph Immanuel Kant und der Dichter E.T.A. Hoffmann das Licht der Welt. Noch eine
andere ostpreußische Spezialität erlangte Weltruhm, ein kulinarisches Produkt: die delikaten
Königsberger Klopse. Otto Nicolai wurde in Königsberg am 9. Juni 1810 geboren, nur einen
Tag nach Robert Schumann, dem großen, gegensätzlichen Zeitgenossen aus Zwickau. Das
Jahr 2010 war ein Schumann-Jahr und, weniger auffällig, aber mit gleichem Recht, ein
Nicolai-Jahr.
Nicolai war eine Künstlernatur, die Genialität zumindest erhoffen ließ, vielleicht auch erbracht
hat. Seine ruhelose Umtriebigkeit erschöpfte vorzeitig die physischen Kräfte. Nur 39 Jahre
wurde er alt, hatte zuletzt länger gekränkelt, lebte gerade lange genug, an der Berliner
Hofoper sein Opus ultimum aus der Taufe zu heben, die Lustigen Weiber von Windsor. Acht
Wochen danach traf ihn der tödliche Gehirnschlag. Ein halbes Jahrhundert später, um 1900,
fand Alexander von Zemlinsky, der Lehrer und Schwager von Arnold Schönberg, in Nicolais
populärstem Orchesterstück, in der Ouvertüre zu den Lustigen Weibern, das geeignete Sujet
zu einer Bearbeitung für Klavier 4-händig.
8’24“
Musik 2
Alexander von Zemlinsky, um das Jahr 1900 Direktor des Carl-Theaters in Wien, fertigte zu
jener Zeit für Klavier 4-händig ein Arrangement der Ouvertüre zu den Lustigen Weibern von
Otto Nicolai. Am Klavier: das Duo Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel.
Das Glück familiärer Geborgenheit hat Nicolai nie kennengelernt. Die Eltern wurden früh
geschieden, als Vorwand diente dem Vater der angebliche Irrsinn der Mutter. Der Vater, Carl
Nicolai, war Musiker, dabei eine unstete Abenteurernatur, genusssüchtig und
verschwenderisch. Sein einziges Verdienst war offenbar, seinen Sohn zum
gedankenschnellen Klavierartisten gedrillt zu haben. Ansonsten muss er aus seiner
Gefühlskälte und Abneigung gegen den Knaben nie ein Hehl gemacht, ihm dafür aber
zeitlebens gierig wie ein Geier auf der Tasche gelegen haben, was Sohn Otto seinerseits mit
unermüdlicher Loyalität und unverdienter Großzügigkeit quittierte. Mit 15 Jahren entfloh er
dennoch, kaum mehr als Hemd und Hose am Leibe, ohne Proviant und Papiere der
väterlichen Drangsal, schlug sich bis zu seiner Mutter in Pommern durch, die ihn herzlich
empfing, ihm in ihrer Armut aber auch nicht weiterhelfen konnte. Schließlich fand er Obdach
und Fürsorge bei einem fremden Wohltäter, bei einem kunstsinnigen Beamten der
Militärjustiz, dem Divisions-Auditeur August Adler in Stargard. Der gewöhnte den Jungen an
geordnete Verhältnisse, sorgte dafür, dass er sich als Musiker binnen einem Jahr ein kleines
Startkapital verdiente, und schickte ihn zur weiteren Ausbildung nach Berlin. An einem
heiteren Oktobertag des Jahres 1827 kam Nicolai in ein Zentrum von kulturellem Glanz. In
der Oper beherrschte Gaspare Spontini die Szene, das umschwärmte Wunderkind
Mendelssohn, nur ein Jahr älter als Nicolai, zog seine Kreise, in der Singakademie und der
Liedertafel übte Carl Friedrich Zelter seinen Einfluss aus, in Theologie und Philosophie
bestimmte Friedrich Schleiermacher das geistige Klima. Die tonangebenden kulturellen
Zirkel Berlins nahmen den zugereisten jungen Mann aus Ostpreußen in ihre Arme, als hätten
sie auf ihn schon lange gewartet. Die Altmeister Bernhard Klein und Carl Friedrich Zelter
machten ihn mit der Kirchenmusik und der Liedkunst vertraut, Nicolai selbst komponierte viel
und avancierte in der Residenz nach einer Stimmausbildung auch zum gefragten Sänger.
Zelter nannte ihn den „kleinen Bassisten“ und setzte ihn mit Vorliebe beim Vortrag seiner
Lieder ein.
-3Musik 3
1’52“
4
„Der Musensohn“, das Gedicht von Goethe in der Vertonung von Carl Friedrich Zelter, dem
väterlichen Mentor Otto Nicolais, und soeben zu hören vom Tenor Hans Jörg Mammel, der
am Klavier von Ludwig Holtmeier begleitet wurde.
In Berlin machte sich der junge Nicolai rasch einen Namen, als Komponist, als
Klaviervirtuose, als Sänger – und als gefragter Lehrer für Klavier und Gesang. Die
Liederhefte op. 2 und op. 3 waren die ersten Kompositionen, die der Zwanzigjährige 1830
gedruckt sah. In Berlin fürchtete man sich, eines Sinnes mit dem alten Goethe, vor dem
Wiener Franz Schubert, vor seinem leidenschaftlichen Überschwang und der dramatischen
Zuspitzung des Wortes. In Preußen hielt man sich an den gesittet akkordischen und immer
auf die vokale Linie bedachten Stil der Liederschule um Zelter. Stimmungsbilder,
Naturerlebnisse, Geselligkeitslyrik, immer zu wohlgeordneten Strophen gezähmt – dieser
Regel folgte auch der gelehrige und strebsame Otto Nicolai. Der Schäfer im Mai aus dem 1.
Liederheft, op. 3 Nr. 1 ist eines von vielen Beispielen dieses Typs.
2’07“
Musik 4
Der Schäfer im Mai, op. 3 Nr. 1, eins der frühen Lieder des 20jährigen Otto Nicolai,
festgehalten in einer historischen Aufnahme von 1942, mit dem Tenor Peter Anders und mit
dem Klavierbegleiter Michael Raucheisen.
Die rasch wachsende Beliebtheit des talentvollen Musikers blieb König Friedrich Wilhelm III.
nicht verborgen, Nicolai war mit allen positiven Attributen das, was man heute einen shooting
star nennen würde. Der sensible Monarch ließ ihm anerkennend einen Brillantring
überreichen und stattete ihn, als er 1833 in Rom die Stellung des Organisten der
Gesandtschaftskapelle antrat, mit einem Stipendium aus. In den Aufführungen geistlicher
Musik, die die Berliner Singakademie veranstaltete, war Nicolai regelmäßig unter den
Gesangssolisten zu finden, und wenn Bachs Matthäus-Passion auf dem Programm stand,
die Mendelssohn nach langer Vergessenheit erst unlängst wieder entdeckt und auf eine für
die damalige Zeit praktikable Façon gebracht hatte, lieh Nicolai auch den Christusworten
seine Stimme.
3’26“
Musik 5
Im März 1829 hatte Mendelssohn als Bearbeiter und Dirigent sich gemeinsam mit der
Singakademie zu Berlin für die erste Wiederaufführung der Matthäus-Passion seit Bachs Tod
eingesetzt und mit seiner wenn auch dem Zeitgeschmack angeglichenen Einrichtung der
Bach-Renaissance die kräftigsten Impulse verliehen. An Folgeaufführungen war auch Otto
Nicolai mit den Christusworten beteiligt. In unserer Aufnahme der Mendelssohn-Version
waren Wilfried Jochims als Evangelist, Peter Lika als Jesus und das Neue Orchester unter
Christoph Spering zu hören.
In den Berliner Jahren der vertieften Kenntnisse und ersten Konzerterfolge ging Nicolai kaum
einer Erfahrung aus dem Weg und keinem Wagnis, er versuchte sich an Sinfonien,
Psalmvertonungen, Messen, erprobte ihre Wirkung in der Öffentlichkeit und wurde immer
unternehmungslustiger und mutiger. In dieser Zeit schrieb der 23-jährige die Sinfonie in DDur, deren 4. Satz wir eingangs hörten, eine Weihnachtsouvertüre über den Choral „Vom
-4Himmel hoch, da komm ich her“ und ein Te Deum. Kirchenmusik war im Berlin der ersten
Hälfte des 19. Jahrhunderts überkonfessionelle Bekundung, gleichgültig, ob sie sich dabei
katholischer oder protestantischer Texte und Formen bediente. In der Weihnachtsouvertüre
setzte Nicolai Chor und Orchester ein und stellte ad libitum auch die Orgel zur Wahl. In
einem Mixtum compositum unterschiedlicher musikgeschichtlicher Stile, Formmodelle und
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Verfahrensweisen wollte er zeigen, was er in Berlin alles gelernt hatte, und gedachte dabei
Retrospektive und sinfonische Zukunftsmusik auf einen Nenner zu bringen. Hier war bereits
das zitathaft Reflektierte und ironisch Distanzierte einer Kompositionshaltung zu spüren, die
schließlich als Grundzug von Komik zur vollen Entfaltung kommen sollte: in der Partitur, die
er kurz vor seinem Tode vollendete, in den Lustigen Weibern von Windsor. Wenn man will,
ist darin auch ein Vorgriff auf das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts zu erkennen, auf
den Spätstil Verdis und seiner letzten Oper Falstaff. Vielleicht war selbst ein
aufgeschlossenes Konzertpublikum wie das Berliner vor 1850 mit dieser Zusammenschau
von Historie und Utopie überfordert. Was nicht gegen die Freude des Komponisten an einer
kunstvoll anachronistischen Montage spricht.
5’55“
Musik 6 (Ausschnitt)
Die Weihnachtsouvertüre von Otto Nicolai aus dem Jahr 1833, für Chor und Orchester (ad
libitum auch Orgel), ausgeführt von der Evangelischen Kantorei Siegen und der gleichfalls in
Siegen beheimateten Philharmonie Südwestfalen unter der Leitung von David Stern.
Im selben Konzert, April 1833, brachte Nicolai auch sein Te Deum zur ersten Aufführung,
das als „Dankmusik beim Erlöschen der Cholera“ verstanden sein wollte. Seinem Vater, zu
dem er zeitlebens und meist vergeblich Kontakt herzustellen versuchte, teilte Nicolai die
Überzeugung mit, dass dieses sakrale Werk „für alle Ewigkeit bestehen sollte“. Ludwig
Rellstab, Dichter und Zeitungskritiker in einer Person, urteilte skeptischer und bemängelte,
das Profane, das Theatralische, das Opernhafte überwiege in dieser geistlichen Musik, und
ein Duett für Tenor und Bass sei so trivial, dass es eher an ein fideles Studentenlied
erinnere. Der Rezensent bescheinigte dem Komponisten immerhin, das Te Deum zeuge
„von fleißigem Studium, gebildetem Geschmack und guter Gesangskenntnis“, war aber
befremdet über „ganz eigentümliche Momente“ und bemängelte, dass die Instrumentation
unausgewogen sei und manchmal den Chor erdrücke, dann wieder dünn werde bis zur
Unhörbarkeit. Rellstab zieht in seiner kompetenten und differenzierten Besprechung ein
begütigendes Fazit: „Die Schlussfuge In te Domine speravi ist sehr wacker gearbeitet und
beendet angemessen das Werk, das im Ganzen ein nicht gewöhnliches Talent verrät.“
3’35“
Musik 7
In te Domine speravi, auf dich, Herr, habe ich meine Hoffnung gesetzt: Das Schluss-Stück
des Te Deum von Otto Nicolai, zum ersten Mal aufgeführt im April 1833 mit der
Singakademie zu Berlin und der Königlichen Hofkapelle unter der Leitung des Komponisten.
Zu hören war gerade ein Ausschnitt aus dem Festkonzert, das am 9. Juni 2010 zum 200.
Geburtstag und zu Ehren Otto Nicolais im Berliner Dom veranstaltet und von
Deutschlandradio Kultur aufgezeichnet wurde. Mitwirkende waren Gesangssolisten, die
Singakademie zu Berlin, der Staats- und Domchor, die Domkantorei und die
Kammersymphonie Berlin, Dirigent war Kai-Uwe Jirka.
-5Mit der Familie des Theologen und Philosophen Friedrich Schleiermacher verkehrte Nicolai
in freundschaftlichem Einvernehmen. Der Tochter Hildegard gab er Musikunterricht. „Sie war
schon immer sehr hübsch, und jetzt wird sie zusehends von Tag zu Tag hübscher und
größer“, vertraute er seinem Vater an. Mindestens Schwärmerei war im Spiel. Aber: Wie zum
eigenen Leidwesen immer wieder im späteren Leben, so brachte er es auch im Anfang nicht
übers Herz, sich zu erklären. Um dann voll Bitternis erfahren zu müssen, dass Hildegard die
Ehe mit einem Grafen Schwerin einging. Noch in Rom hat er angstvoll von ihrer Hochzeit
geträumt. Aber der Verlockung, in Italien eine wenn auch schmal besoldete Stellung
anzutreten, hätte er ohnehin nicht widerstanden. Im Hause Schleiermachers lernte er einen
Freund der Familie kennen, den Freiherrn Christian Karl Josias von Bunsen, seines
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Zeichens preußischer Gesandter beim Vatikan. Der brauchte nicht viel Überredungskunst,
um Nicolai zur Annahme des Organistenamtes an der preußischen Gesandtschaftskapelle in
Rom zu bewegen. Bunsen hatte sich nicht verrechnet, der enthusiastische Anwalt der
protestantischen Kirchenmusik fand in dem phantasievollen jungen Musiker einen
Kandidaten nach Wunsch. Und Nicolai versenkte sich, kaum in Rom, begeistert in die
Traditionen der italienischen Sakralmusik, in die Musik Palestrinas und Gabrielis und die
Glanzzeiten des strengen Stils, in die unschätzbaren Handschriften der Archive, die
Praktiken der päpstlichen Kapelle. Mit Abbate Baini und Abbate Santini, den profunden
Kennern, Sammlern und Forschern, stand er bald auf vertrautem Fuß. Die geistlichen Herren
konnten es nicht fassen, als sich bei Nicolai ein für sie unverhoffter Wandel vollzog. Der
Oper schien er bisher eher gleichgültig begegnet zu sein. Plötzlich konvertierte er zu den
Operngöttern Italiens, sprach seine Musik die Sprache eines Rossini, eines Donizetti, eines
Bellini. Norma, in Bellinis Oper die Druidenpriesterin der Gallier, hatte schon die Pariser
Salons erobert und den Klavierpoeten Frédéric Chopin zu Tränen gerührt. Jetzt nahm sie
auch Herz und Seele des deutschen Komponisten aus dem hohen Norden gefangen.
Musik 8 (Schluss)
1’00“
Die erste Folge der Musikstunde über Otto Nicolai schloss mit der Ouvertüre zur Oper
Norma von Vincenzo Bellini. Das London Symphony Orchestra spielte unter dem Dirigenten
Richard Bonynge. Wie Nicolai mit der Musik Bellinis umging, aber auch wie Nicolai und Verdi
untereinander zwei Opernprojekte tauschten, kommt morgen in Folge Nr. 2 zur Sprache.
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