Links: KAS-Länderbüro Südafrika KAS-Publikationen Kerstin von Bremen Islam in Südafrika Länderbüro 60 Hume Road Südafrika Dunkeld 2196 / Johannesburg Tel.: (0027)11 214 2900 Fax: (0027)11 214 2913/4 [email protected] Bei aktuellen Diskussionen über den sudanischen Islam steht zumeist die arabische islamischer Gelehrsamkeiten. Erst im Region 18. Jahrhundert setzte sich der Islam im Zentrum der Aufmerksamkeit. Insbesondere nach im dem 11. heilige Region, September die mit Verbindung ist dies die „dem gebracht Islam“ wird. Afrika Nilsudan neue durch Männer Zentren Händler getragen und zur in Mehrheitsreligion durch. Während die Die Sahara die Verbindung zwischen dem Muslime aber, die aus Afrika, Indien, Sudan Zentralasien herstellt, ist der indische Ozean die und Südostasien und den stammen, werden zur vermeintlichen Verbindung „Peripherie“ ostafrikanischen 1 der islamischen der zwischen Küste der mit den afrikanische Ländern der arabischen Halbinseln Kontinent wird hierbei unterschätzt. und Indien. Der Einfluss hier lässt Der Islam hat jedoch in Afrika eine sich sehr lange Geschichte. Er ist keine nachweisen, die entweder arabische neue oder indische Einflüsse aufweist. gezählt. Gerade Welt Maghrebländern Erscheinung, die erst seit kurzem Fuß fasst. Wenn über durch die Rechtsschule In Südafrika erreichte der Islam erst einen vorgeblichen im 19. Jahrhundert eine afrikanischen Islam gesprochen wird, nennenswerte Größe. Aber genauso muss man sich bewusst sein, dass es wie in den anderen afrikanischen so etwas wie „den einen“ Gebieten beschränkten Einfluss und Entwicklungen zu unterschiedlich, so zunächst nur dass Regionen. Dies ist auch noch heute 2 Afrika nicht gibt. sie hervorgebracht Dafür sind die auch Ausprägungen Islam in verschiedene des haben. arabisch-islamischen Welt Islam Von die auf sich der Ausbreitung einige wenige in Südafrika zu beobachten. der In letzter Zeit ist es vielleicht ein geprägt wenig deutlicher ins Bewusstsein der entwickelten sich in den Ländern des Europäer gerückt, dass auch der Islam in Afrika nicht als unbeachtete 1 2 Loimeier, Roman: in: africa spectrum 37 (2002) 2, S. 105. Ders.: Gibt es einen afrikanischen Islam? Die Muslime in Afrika zwischen lokalen Lehrtraditionen und translokalen Rechtsleitungsansprüchen, in: africa spectrum 37 (2002) 2, S. 175. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika Größe gewertet werden kann. Die jüngsten Entwicklungen im Sudan haben uns deutlich gezeigt, welche Kraft der Islam in scheinbar 2 peripheren Gebieten derartige spielt. Eine über die Diskussion indonesischen Inselwelt und malaysischen Südafrika.3 nach scharî`a (islamisches Recht auf der Anlaufpunkt dort war die Kapregion, Grundlage des Korans), die zu den in der auch noch heute vorwiegend Konflikten und Muslime leben, deren Vorfahren aus es dem ostasiatischen Raum stammten. zwischen Südsudan geführt Nordhat, gibt selbstverständlich in Südafrika nicht, Unter da der Islam dort eine vollständig befanden sich einige andere Gelehrte, die die historische Entwicklung den Neuankömmlingen Grundlagen wesentlich schwächer vertreten ist. muslimischen Gemeinschaften in der Auch die Mehrzahl der Muslime in Kapregion legten.4 Von 1860 an kam Südafrika strebt nicht den Islam als die zweite Gruppe der muslimischen Staatsideologie Einwanderer Dennoch hat die spirituellen durchmachte als im Sudan und auch an. für religiöse nach entstehenden Südafrika. Bei auch hier der Islam einen großen dieser Gruppe handelte es sich um Einfluss Plantagenarbeiter auf die politischen und später um Dies Kaufleute aus Indien.5 Sie siedelten verwundert umso mehr, wenn man sich in der Region um Durban an. Die die dritte Entscheidungen des Stärke Landes. der Gemeinschaft islamischen betrachtet. Denn Gruppe nördlichen kam aus Regionen Afrikas, gegenüber dem Christentum nimmt hauptsächlich der geringen Sansibar.6 Die vierte Gruppe setzte Prozentsatz ein, der im Grunde die sich im 19. Jahrhundert aus einer politische Stärke nicht rechtfertigt. größeren Islam nur einen 3 4 Historischer Abriss Der Islam hat in Südafrika schon eine längere Tradition. Sein Einzug in 5 die Gesellschaft lässt sich in vier Phasen unterteilen. Die ersten Muslime kamen 1658 als Sklaven und politische Gefangene Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika der 6 Zahl aus den von Malawi und schwarzen Tayob, Abdulkader: Islam in South Africa, in: Encyclopaedia of Islam, London 1960, S. 730. Günther, Ursula: Lesarten des Islam in Südafrika. Herausforderungen im Kontext des soziopolitischen Umbruchprozesses von Apartheid zur Demokratie, in: africa spectrum 37 (2002) 2 (zukünftig zitiert als: Günther, Ursula: Lesarten des Islam in Südafrika), S. 160. Shell, Robert C-H.: Islam in Southern Africa 1652-1998, in: Nehemia Levtzon / Randal L.Powels (Hrsg.): The History of the Islam in Africa, Athen, London, Cape Town 2000, S. 339f. Günther, Ursula / Inga Niehaus: Islam in South Africa. The Muslims’ Contribution in the Struggle against Apartheid and the Process of Democratisation, in: Thomas Bierschenk, Georg Stauth (Hrsg.): Islam in Africa, Münster 2002, S. 71. 3 Südafrikanern zusammen, die zum 7 der den Kontakt zwischen den Insbesondere ab unterschiedlichen Gruppen innerhalb der Mitte der 1970er Jahre erwies der Muslime Südafrikas ermöglichte. sich attraktive In der Apartheidideologie standen die Alternative, weil er als eine nicht- Coloured in der „Rassenpyramide“ weiße und nicht-christliche Religion unterhalb den mit dem Potential einer Ideologie des indische oder Widerstandes galt. Herkunft Die regionale Konzentration auf die Personenkreis, Provinzen indonesisch-malaysischen Islam übertraten. der Islam als KwaZulu-Natal und Western Cape lässt sich auch noch heute feststellen. Zwar ist in stammte, Indians, die eine indo-pakistanische besaßen. der wurde aus der 9 Coloured zugezählt. Der dem Archipel Gruppe der Dies traf dann Johannesburg ebenfalls eine große zumeist eigentlich auch auf die in der muslimische ansässig, Kapregion ansässigen Muslime zu. wie vor Dennoch die Muslime dennoch Gemeinde bleiben Kapstadt und auffälligsten Muslime nach Durban Standorte, wichtige in politische gesellschaftspolitische innehaben. In der denen und Positionen 8 wurden eher die als dortigen Cape Malay bezeichnet. Dieser Begriff ging auf eine ethische Klassifizierung der Briten im frühen 19. Jahrhundert zurück. Sie hatten im Laufe der Zeit Zeit des Anti-Apartheid- die Bedeutung einer exklusiven muslimische Identität erhalten.10 Da die Gruppe Gemeinde erst relativ spät Stellung, der Cape Malay als friedlich und obwohl sie als Nicht-Weiße ebenfalls regierungstreu galten, standen sie massiven mit den Indians auf gleicher Stufe. kampfes bezog die Repressalien ausgesetzt war. Die „Rassenklassifizierung“ des Im Regimes Bevölkerung künstliche licher sorgte zwar Trennung Gruppen, für eine unterschied- dennoch war sie Gegensatz zum 7 9 Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika genossen Beispiel Bildung Ebd. Shell, Robert C-H.: Islam in Southern Africa 1652-1998, in: Nehemia Levtzon / Randal L.Powels (Hrsg.): The History of the Islam in Africa, Athen, London, Cape Town 2000, S. 341. der schwarzen sie noch beträchtliche Privilegien. Sie besaßen auch wiederum der Ausgangspunkt, 8 zu und Zugang zu konnten guter sozial Günther, Ursula: Lesarten des Islam in Südafrika, S. 164f. 10 David, Achmat: From Complacency to Activism. The Changing Political Mood of the Cape Muslims from 1940-1985, Cape Town 1985. 4 angingen.13 angesehene Berufe ausüben. Hierin Apartheidregime ist auch einer der Gründe für ihre mit Beginn der 1980er verstärkte heutige sich Stärke südafrikanischen innerhalb der Gesellschaft zu sehen. Im die Bereitschaft muslimischer Individuen Organisationen, Zuge der Aufarbeitung der Doch sowohl als auch Anti-Apartheids- bewegungen beizutreten. eigenen Geschichte kritisieren heute Diese veränderte Grundhaltung war viele wesentlich Südafrikaner, Angehörige darunter der auch muslimischen für Engagement das der politische muslimischen Gemeinde, die damalige Haltung der Gemeinschaft in der Ära nach dem Muslime. politischen Umsturz. Auch wurde und Um nicht aufzufallen, unangenehm verschloss die wird nach wie vor der muslimische Gemeinde in Südafrika Transformationsprozess in Südafrika vor aktiv der sozialen und politischen von der muslimischen Situation die Augen. Man sah keine Gemeinde mitgetragen. Veranlassung, den Status quo zu Allerdings zeigt der Blick auf die verändern , vor allem da die freie muslimischen Organisationen, dass Religionsausübung im Grunde von „der muslimischen geschränkt war. nicht ein- 11 Gemeinde“ als Einheit nicht Neben der islamischen Revolution in gesprochen werden kann. Hier haben Iran 1979 war im wesentlichen die sich, zum Teil vor 1990, zum Teil Einführung aber des Dreikammer- auch erst danach, parlaments in Südafrika 1983 und herausgebildet, die damit verbundenen Wahlen 1984 Gegensatz der auslösende Faktor dafür, dass die Demokratisch-orientierte muslimische Organisationen entschloss, Gemeinde zueinander wie der im stehen. „Muslim Youth Movement“ oder der „Call of schon Islam“ riefen ihre Mitglieder dazu vereinzelte Gruppen, die gegen das auf, bei den ersten demokratischen Zuvor gab aktiv deutlich zu werden.12 politisch sich die Gruppen es 13 11 12 Günther, Ursula: From Apartheid to Democracy. Islam in South Africa, in: ISIM Newsletter 13 (12/2003), S. 46f. Günther, Ursula: Lesarten des Islam in Südafrika, S. 167. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika Hier sind z.B. das Cape Muslim Youth Movement (gegründet 1957) und Al-Jihaad (gegründet 1960) zu nennen. (Günther, Ursula / Inga Niehaus: Islam, Politics, and Gender during the Struggle in South Africa, in: Chidester, Davis / Abdulkader Tayob / Wolfram Weisse (Hrsg.): 5 Wahlen für den ANC (African National Südafrika Congress) (Pan eigentlichen Größe äußerst auffallend Africanist Congress) als ehemalige ist. Sowohl in der Wirtschaft als auch Widerstandsbewegungen in oder den PAC zu stimmen. „Qibla“ der gemessen Politik an nimmt ihrer sie eine einflussreiche Stellung ein. Dies hat, hingegen rief zu einem seine Wurzeln in der Zeit der Boykott der Wahlen auf. In den Apartheid. Es gab auch schon damals folgenden wichtige Jahren Organisation wurde zunehmend die Gruppen in den radikaler. muslimischen Zentren Südafrikas, die Ursprünglich war sie 1979 als eine zwar nicht in die Politik drängten, militante jedoch insbesondere die Bildung und pro-schiitische Bewegung im Kontext der iranischen Revolution die islamischen Lehren steuerten. gegründet worden. Als Ziel hatte sie Im Gegensatz zu manch anderen sich die Transformation Südafrikas in Gruppen, einen muslimischen Staat gesetzt . heidregime wesentlich benachteiligt wurden, Einfluss auf politische Entwicklungen die gab Unterschiede durch es das Apart- trotz aller zwischen den muslimischen Gruppen ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Neben Wenn man die Bevölkerungsstruktur den Moscheen waren insbesondere an sich betrachtet, besitzt der Islam die keine Garanten nennenswerte Südafrika. Nur Bevölkerung Größe 1,5 gehören % in der Privatschulen für Reproduktion eine der die soziale islamischen Islam Identität.15 Das Selbstverständnis der an.14 35,8 % hingegen nannten bei Muslime in Südafrika als Teil der der der islamischen Welt ist sehr ausgeprägt. Chris- Die meisten Muslime sind schon seit Frage dem islamischen nach Religionszugehörigkeit das tentum. Auffallend muslimische Generationen Südafrikaner, dennoch ist jedoch, dass die Gemeinschaft in verstehen sie sich zu aller erst als Muslime und dann erst als Südafrikaner. 14 Religion, Politics, and Identity in a Changing South Africa, Münster 2004, S. 105. Statistics South Africa: Census 2001. Primary tables South Africa, Pretoria 2004. Bei der Befragung von 1996 waren noch 1,4% Muslime gezählt worden. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika 15 Sadouni, Samadia: Integration and Islamic Education in South Africa, in: ISIM Newsletter 14 (6/2004), S. 18f. 6 Doch darf radikalen das nicht Einstellung mit einer Insbesondere die Indians sind in der gleichgesetzt Wirtschaft sehr erfolgreich tätig. Sie werden. Bis jetzt gibt es nach wie vor wurden daher keine hinreichende Definition eines ernstzunehmende „afrikanischen“ Muslims. Ein Muslim den weißen schon früh als Konkurrenz von Südafrikanern wahr- 18 spricht von sich selber als „Muslim“ genommen. und nicht als „afrikanischer Muslim“, Ein weiterer Grund, weshalb Muslime „Malay Muslim“ oder „Indian Muslim“, selbst obwohl zustellen sind. kleine wichtige Stellung innehaben, ist auf Unterschiede fest- ihre Standorte zurückzuführen.19 Es Die Muslime in ist eine große Konzentration in den großen Städten asiatischen und ostasiatischen Raum Durban und kamen, haben jedoch in den meisten festzustellen. Fällen Zudem Herkunftsland eigentliche eine den Südafrika, deren Vorfahren aus dem den Minderheit in insbesondere Rechtslehren als Bezug zu verloren. Einflussquelle ihrem 16 Die kommt wie auch bekleiden Kapstadt, Johannesburg vergleichsweise viele Muslime politische Ämter und haben bedeutsame gesellschafts- mittlerweile aus den arabischen und politische Ämter inne. Als Beispiel nordafrikanischen Regionen. Es gibt wird enge und genannt. Er ist der Vorsitzende des auch viele der islamischen Religions- ANC im Western Cape seit 1998 und und seit Wirtschaftbeziehungen Rechtsgelehrten („ulama“) hier häufig dem Ebrahim 22. Rasool April 2004 pflegen ihre Kontakte zur arabischen Premierminister der Provinz Western Welt. Die meisten der „ulamas“ sind Cape. Interessant ist nicht nur die an ägyptischen oder auch saudischen Tatsache, dass er Muslim ist, sondern 17 vor allem dass er auch in seiner Universitäten ausgebildet worden. Dennoch kann noch lange nicht von Position einer Interaktion Identitätsverlagerung in Richtung Arabertum die Rede sein. als Politiker zwischen für Religion eine und dem öffentlichen Bereich eintritt. Die neue politische Ordnung Südafrikas 16 17 Rafudeen, Auwais: Towards forging an „African“ Muslim Identity, in: Religions Studies UCT 2003. Günther, Ursula: Die Bedeutung des Islam im subsaharischen Afrika, in Afrika-Jahrbuch 1998, S. 55f. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika 18 19 Sadouni, Samadia: Integration and Islamic Education in South Africa, in: ISIM Newsletter 14 (6/2004), S. 18. Günther, Ursula: Lesarten des Islam in Südafrika, S. 162. 7 solle seiner unbedingt Meinung die staatlichen nach nicht Kapstadt, aus dem muslimische Religion Leben ausschließen. Durban und Pretoria Radiostationen. Radio Islam und Voice of the Cape sind als Vielmehr solle der Staat versuchen, konservative Stimmen, Radio aus und allen Religionen das Beste The Voice eher 23 als 786 liberale Die Inhalte der herauszuziehen und dieses dann in Stimmen bekannt. den Dienst des nationalen Interesses Programme sind sehr weit gefasst stellen.20 Die Rolle der Kirchen dürfe und behandeln sowohl religiöse und nicht nur als die eines „Wachhundes rechtwissenschaftliche über die Gesellschaft“21 verstanden auch Themen des normalen Alltages. werden. Vielmehr müsse ein sich Somit ergänzendes Zusammenspiel auch mit, den Islam weiter in die zwischen und Familien hinein zutragen und somit Politikern religiösen helfen die Fragen als Radiosendungen Aktivisten zustande kommen, das in das einem gemeinsamen Wertekonsens unterstützen. stattfindet und nicht nur mit der Auch im politischen Alltag ist der Stimme des Pragmatismus in einem Einfluss des Islams zu spüren. Der bestimmten Moment spricht.22 Nahostkonflikt nimmt einen hohen In diesem Zusammenhang sind auch Stellenwert die Sendezeiten im Fernsehen und im Diskussion ein. Inwieweit sich das Radio zu sehen, die den jeweiligen auch religiösen Gemeinden gemäß ihrer Regierung auswirkt und wie weit hier proportionalen Größe innerhalb der der Einfluss muslimischer Politiker zu südafrikanischen tragen kommt, müsste noch näher Gesellschaft Gemeinschaftsgefühl auf in die der zu öffentlichen Außenpolitik der zugeteilt werden. So stehen auch der untersucht werden. islamischen In verschiedenen Interviews wurde Gemeinde anteilmäßig Sendezeiten zur Verfügung. Darüber immer hinaus gibt es aber auch in den vier muslimischer Gesprächspartner auf größten die Städten Johannesburg, wieder Sympathie von mit Seiten den Palästinensern im Nahostkonflikt und 20 21 22 Chidester, Davis / Abdulkader Tayob / Wolfram Weisse (Hrsg.): Religion, Politics, and Identity in a Changing South Africa, Münster 2004, S. 6. Rasool, Ebrahim: Religion and Politics in South Africa, in: Annual Review of Islam in South Africa, 5/2002. Ebd. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika 23 Haron, Muhammed: The South African Muslims Making (Air)Waves during the Period of Transformation, in: Chidester, Davis / Abdulkader Tayob / Wolfram Weisse (Hrsg.): 8 auch der während irakischen des Bevölkerung mit aufgenommen hin- werden kann. Dies war schon einmal gewiesen. Verschiedene muslimische vom Apartheidregime 1987 versucht Hilfsorganisationen haben sich für die worden. Unterstützung irakischen verschiedene Auch die Organisationen dagegen gewehrt, da Ermordung des Hamas-Führers im sie in dem Entgegenkommen der April in damaligen Regierung den Versuch Reaktionen sahen, anerkannte „ulamas“ in das moderate System zu integrieren und somit die Islamisten haben sich deutlich gegen Zustimmung muslimischer Gemein- ein derartiges Handeln seitens Israels schaften zum bestehenden Regime ausgesprochen und die Ermordung zu bekommen. verurteilt. Islamisches Recht ist aber schon seit Bevölkerung der eingesetzt. 2004 durch Südafrika Israel heftige ausgelöst. der Irakkrieges Verfassung Selbst Unter Berücksichtigung wirtschaftlichen muslimischen hat Stärke der hatten sich muslimische außerhalb der staatlichen in Strukturen praktiziert worden. Daher Südafrika und auch ihrer aktiven sind sich alle Gruppen einig, dass das Teilnahme am politischen Leben liegt Familienrecht auch legal anerkannt die Vermutung nahe, dass sie auch werden muss. Als wichtigste Gruppen auf die Politik Südafrikas eine, wenn können nicht Council, Jamiat ul-'Ulama und Jamiat enorme Gemeinschaften Jahren Allerdings so doch spürbare Einflussnahme ausüben können. ul-'Ulama werden. Islam innerhalb der hier süd- afrikanischen Gesellschaft 24 das Muslim Transvaal Judical genannt Uneinig hingegen sind sie sich nach wie vor bei Fragen der direkten Ausführung. Wer darf als Rechtsbeauftragter innerhalb der Der Islam ist mittlerweile sehr tief in Kommunen der Problem der Polygamie konnte nicht südafrikanischen verwurzelt. das zufrieden stellend gelöst werden. Bis jetzt konnte noch keine Einigung wie das Zeit Auch wieder Diskussionen aufgekommen, und jüngster sein? sind ob In Gesellschaft tätig muslimische Familienrecht in die südafrikanische Religion, Politics, and Identity in a Changing South Africa, Münster 2004, S. 136ff. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika 24 Niehaus, Inga: The Muslim Minority and Civil Society in South Africa, in: Mitchell, Gordon / Eve Mullen (Hrsg.): Religion and the Political Imagination in a Changing South Africa, Münster 2002, S. 127. 9 zwischen den muslimischen verschiedenen Gruppen erzielt Islam geben dürfe und nur ein politisches System, das auf religiösen werden. Werten Aber eine derartige Diskussion zeigt, anerkannt werden kann.26 dass Eine andere Organisation, die vor der Islam sich in die basiert, Muslimen Gesellschaft integriert und von der allem südafrikanischen aufmerksam machte, ist „PAGAD“, anerkannt wird. islamischem wurden, Gesellschaft werden vom Gewalt nach People geschlossen Drugs. Gesetz her Bürgerinitiative Ehen, Recht durch von die against Sie auf sich Gangsterism wurde and 1996 als muslimischer anerkannt. Gemeinden Es gibt jedoch auch andere Formen wurden ihr auch Verbindungen zu muslimischer Gruppierungen, die sich „Qibla“ ganz Taliban-Gruppen provokant gegen das gegründet. und sogar Kontakte in nachgesagt. voran ist „Qibla „zu nennen. Wie Staat oben schon erwähnt wurde, wollte Kriminalität und die Drogenhandel vorzugehen. Organisation die ersten zu Afghanistan südafrikanische System stellen. Allen die Später PAGAD sprach Fähigkeit ab, dem gegen insbesondere Daher 1994 nahmen sie die Justiz selber in die verhindern. Sie sah sich nicht in der Hand. Sie gingen mit Gewalt gegen Lage, einen Staat zu unterstützen, Drogenbanden vor. Der Kampf gegen der Drogen und Gangster gipfelte in der demokratischen die Wahlen Rechte schützte und Homosexueller Prostitution und Ermordung Abtreibung billigte. Dies wurde als Rashaad eine 1996.27 Verletzung der moralischen Werte und der Prinzipien des Islams 25 Staggie Gangsterbosses am 4. August PAGAD kann zwar nicht als eine rein Cassiem, muslimische Organisation angesehen Gründungsmitglied der „Qibla“, stellt werden, da ihr Ziel keine islamische noch Ausrichtung hatte. Doch waren die angesehen. heute Staates in Ahmed des die Legitimität Frage, da Meinung nach keine zwischen Politik und es des seiner Trennung Religion im Gründe Wertvorstellungen Ebd., S. 124. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika in islamischen verwurzelt. Die Mitglieder PAGADs begründeten ihr 26 25 tief Ebd., S. 125. 10 Vorgehen durch den Koran. Dieser Ziels schreibe vor, dass jeder Muslim die ebenfalls mit dem Bombenanschlag Pflicht habe, sich gegen Unrecht zu am 25. August 1998 auf die Filiale wehren dagegen der amerikanischen Restaurantkette einzusetzen. Dies habe man auch in „Planet Hollywood“ in Kapstadt in den Zeiten der Apartheid getan und Verbindung sich erfolgreich für einen Umbruch konnte engagiert. Die Freiheiten des „neuen“ nachgewiesen Staates begünstige aber auch solche Veränderung PAGADs machte sich Gruppen, die Gewalt in Form von auch daran deutlich, dass nun auch Drogen die Lokale und Bars des Nachtlebens in einbrachten. Kapstadt im Mittelpunkt der Kritik und und sich Kriminalität Gesellschaft mit in einherging. PAGAD gebracht. nie etwas wird Allerdings Stichhaltiges werden. Insbesondere durch Drogen sah die standen. muslimische Gemeinde ihre Kinder verurteilten Nachtclubs als moralisch nun aufs Neue bedroht. Da der Staat verwerflich. in ihren Augen zu schwach war, um amerikanische vor diesen „Gangstern“ zu schützen, angefeindet. sahen sie es als ihre Aufgabe, dem Stimmungen machten sich breit. kriminellen zu Mittlerweile spielt PAGAD keine große Allerdings griffen sie hierbei Rolle mehr. Die Organisation scheint setzen. 28 Treiben ein Ende Die radikalen Die Mitglieder Insbesondere Lokalitäten wurden Anti-amerikanistische ebenfalls auf Gewalt zurück, um die durch Kriminellen Die innere Zersplitterung und auch durch sowohl die Kriminalisierung ihrer Aktionen nicht- die meisten ihrer Mitglieder verloren muslimischer Gemeinden schlug in zu haben. Dennoch hatte die Gruppe Ablehnung um. einen Auch innerhalb der PAGAD fand ein öffentliche Wandel limischer Gemeinschaften innerhalb zu anfängliche muslimischer statt. vertreiben. Sympathie als Die auch gemäßigteren Kräfte distanzierten sich zunehmend negative großen Medienberichte, Einfluss auf Wahrnehmung die mus- uns außerhalb der Zivilgesellschaft. von der Gruppe, so dass hiermit auch eine Veränderung des ursprünglichen 27 28 Ebd., S. 125. Interview mit Nadthmie Edries am 10.07.2004, Kapstadt. Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika Fazit Gemessen an ihrer effektiven Größe hat die muslimische Gemeinde 11 großen Einfluss in der Einflussnahme muslimischer Gemein- südafrikanischen Gesellschaft. Viele schaften auf Muslime haben sich schon zu Zeiten dungen ausübt, des genauer untersucht werden. Es wäre Apartheidregimes politisch politische müsste interessant, politische Ämter übernommen. südafrikanischen Muslimische Parteien wie die African insbesondere Muslim Party keine Nahost-Konflikt betreffend, gehandelt starke Unterstützung. den hat und ob man daraus Schlüsse auf haben Bei in wie die Regierung, Situationen eine Western Cape erreichte die AMP nur Entscheidungen durch den Islam in 0,7 % aller Stimmen. National ein Beispiel von Premierminister Ebrahim Insbesondere Rasool praktizierende sondert sich die Gewicht muslimische Gemeinde politisch nicht Entscheidungs- ab, positionen sondern ist südafrikanischen Teil Staates. des politischen Südafrika ziehen kann. Der Islam ist spielt die Partei keine Rolle. Wie das zeigt, der den Wahlen von 2004 in der Provinz 29 Prägung prüfen, noch engagiert und nach dem Umsturz (AMP) zu Entschei- in dann, Südafrika. wenn viele Moslems und innehaben, Führungsund sich Gruppen sowohl mit Südafrika als ihrer Heimat wie Qibla und PAGAD, die ganz direkt und auch mit der arabischer Welt als gegen den Staat und die staatliche religiöser Ausrichtung, identifizieren Ordnung können. vorgehen, Massenbewegung sind der keine südafri- kanischen Muslime. Der Islam ist ein Teilbestand Südafrikas. Er ist schon seit langer Zeit dort verwurzelt und er hat auch Neuanfang seinen Südafrikas Beitrag zum eingebracht. Er ist also als integraler Bestandteil der Gesellschaft zu werten. Dies ist auch in der Politik zu spüren. Wie 29 genau sich jedoch die Election Results: http://www.elections.org.za/Elections2004_Stati c.asp?radResult=50&selProvince=9 Konrad-Adenauer-Stiftung Länderbüro Südafrika 12