Symptome aus dem Spektrum des hyperkinetischen Syndroms bei Sexualdelinquenten Zusammenfassung Abstract Die Bedeutung von Symptomen aus dem Spektrum des hyperkinetischen Syndroms bei sexuell auffälligen Verhaltensweisen wurde bei 127 männlichen Sexualdelinquenten untersucht. Neben der Erfassung sozialer, forensischer und psychiatrischer Daten erfolgte eine retrospektive Diagnostik der HKS-Symptome im Kindes- und Jugendalter mittels der 61 Item umfassenden Wender Utah Rating Scale (WURS). Bei einem Cut-off-Wert von 90 fand sich eine Prävalenz für eine kindliche HKS-Symptomatik mit 27,6 % der Sexualstraftäter gegenüber 7,8 % in einer gesunden, forensisch nicht vorbelasteten Kontrollpopulation. Wurde der Cut-off-Wert auf 100 festgelegt, lag die Prävalenz bei 15,7 % resp. 4,8 %. Eine partielle Symptompersistenz wurde bei 14,5 % bzw. 11 % (Kontrollen: 3 %/2,4 %) gefunden. Auf der Basis der ICD-10 waren bei 35,4 % der Sexualdelinquenten keine Eingangskriterien einer psychischen Störung festzustellen. Im Vordergrund der Diagnostik standen Persönlichkeitsstörungen, vorrangig vom dissozialen und emotional-instabilen/ impulsiven Typus. Störungen der Sexualpräferenz wurden in 25,2 % der Fälle diagnostiziert, wobei 53,2 % dieser Subpopulation eine Pädophilie aufwiesen. Sexualdelinquenten, bei denen HKS-Symptome retrospektiv wahrscheinlich sind, traten knapp 10 Jahre früher strafrechtlich in Erscheinung. Ein signifikanter Zusammenhang fand sich zwischen der Vorstrafenbelastung und insbesondere der einschlägigen Delinquenz mit dem Nachweis von Symptomen aus dem HKS-Spektrum. Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine psychopathologische Symptomatik aus dem HKS-Spektrum gerade bei einer Persistenz im Erwachsenenalter neben einer Störung der Sexualpräferenz einen bedeutsamen Vulnerabilitätsfaktor bei The implications of ADHD for sexual delinquent behavior were investigated in a sample of 127 male sexual delinquents for whom social, forensic and psychiatric data were collected. For the retrospective evaluation of ADHD-symptoms, we used the Wender Utah Rating Scale (WURS, 61-item version). We also used the Eysenck Impulsiveness Questionnaire for the assessment of impulsivity. The prevalence of ADHD within the group of sexual delinquents was 27.6 % with a persistence rate of 14.2 % at a cut-off point of 90 in the WURS. The prevalence of ADHD within the control group was 7.8 % with a persistence rate of 3.0 %. The prevalence within the group of sexual delinquents dropped to 15.7 % for childhood ADHD-symptoms and 11.0 % for partial ADHD persistence in adulthood using a cut-off score of 100. In the control group the rates were 4.8 % and 2.4 % respectively. Based on ICD-10 criteria, 35.4 % of the sexual delinquents had no psychiatric disorder. We found personality disorders of the antisocial type (22.1 % of the sample) and paraphilias in 25.2 %. Approximately, half of the delinquents with paraphilia met the criteria of pedophilia. We also found schizophrenia, organic psychiatric disorders and mental retardations in less than 5 %. The criminal careers of the sexual delinquent group with a history of childhood ADHD symptoms started 10 years earlier. We also found a significant correlation between previous convictions and the retrospective diagnosis of ADHD symptoms. This was more prominent when a previous sexual offence could be found in their criminal record. These results illustrate the hypothesis, that in addition to paraphilias the presence of ADHD-symptoms might be an important vulnerability factor for sexual delinquen- Institutsangaben Abteilung für Forensische Psychiatrie der Universität Würzburg (Komm. Leiter: Dr. D. Blocher) 2 Institut für gerichtliche Psychologie und Psychiatrie der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar (Direktor: Prof. Dr. M. Rösler) und 3 Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim (Direktor: Prof. Dr. Dr. F. A. Henn) 1 Korrespondenzadresse Dr. med. Detlev Blocher ´ Abteilung für Forensische Psychiatrie in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg ´ Füchsleinstr. 15 ´ 97080 Würzburg ´ E-mail: [email protected] Bibliografie Fortschr Neurol Psychiat 2001; 69: 453±459 Georg Thieme Verlag Stuttgart ´ New York ´ ISSN 0720-4299 Originalarbeit Symptoms from the Spectrum of Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) in Sexual Delinquents 453 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. D. Blocher1 K. Henkel1 W. Retz2 P. Retz-Junginger2 J. Thome3 M. Rösler2 cy, esp. when there is a persistence into adulthood. This demonstrates the need for an early therapeutical intervention, since 44.1 % of the sample had previously undergone psychiatric treatment. Einleitung nen Kriminalität nahe stehen [16], erscheint die Frage von Interesse, ob das HKS im Kontext von Sexualstraftaten von Bedeutung sein könnte. Systematische epidemiologische Studien zur Frage der Prävalenz psychiatrischer Störungen bei Sexualstraftätern stehen nicht zur Verfügung. Dies verwundert einerseits aufgrund der hohen gesellschaftspolitischen Bedeutung des Themas, aber auch der umfangreichen Bemühungen, die therapeutischen Möglichkeiten innerhalb dieser Gruppe voranzutreiben. Andererseits verdichten sich die durch Kohortenstudien gewonnenen Erkenntnisse über einen bedeutsamen Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und kriminellen Verhaltensweisen [1, 2]. Welche Störungsmuster bei Sexualdelinquenten angetroffen werden, wird ganz wesentlich von den jeweiligen Stichprobeneigenschaften bestimmt. Entscheidende Bedeutung gewinnt dabei der Typus der Sexualdelinquenz. Mit den drei Deliktgruppen sexuelle Gewalttaten (§ 177 StGB), sexueller Missbrauch von Kindern oder Schutzbefohlenen (§§ 174, 176 StGB) und exhibitionistische Taten (§ 183 StGB) sind bereits 80 % aller Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst [3]. Nicht untersucht im deutschen Sprachraum ist bisher die Bedeutung von Störungen aus dem Bereich des hyperkinetischen Syndroms (HKS, ICD-10: F90) [9], die nach der DSM-IV-Klassifikation [10] als Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD) bezeichnet werden. Einzig die Studien von Kafka u. Mitarb. [11,12] liefern gewisse Orientierungsmarken. Es wurde gefunden, dass die Diagnose eines kindlichen HKS die einzige DSM-IV-Achse1-Störung war, die mit Paraphilie und devianten, aggressiven Formen sexueller Impulsivität korreliert war. Im Bereich der allgemeinen Kriminalität wird das HKS als eine Risikogröûe diskutiert, die im Bedingungsgefüge von Aggressions- und Impulsdelikten eine Rolle spielen könnte [13 ± 15]. Wenn man berücksichtigt, dass manche sexuelle Gewaltdelinquenten typologisch Gewalttätern aus dem Bereich der allgemei- Ziel der vorliegenden Studie ist es, Symptome aus dem Spektrum des HKS bei Sexualdelinquenten zu untersuchen, insbesondere bei einer Gruppe von Tätern, die bereits durch ein Sexualdelikt aufgefallen waren und damit einer Risikogruppe angehören. Methodik Untersuchungspopulation 127 Sexualstraftäter wurden forensisch-psychiatrisch untersucht und begutachtet. Dabei handelt es sich um forensische Probanden, Insassen einer JVA und Patienten, die in einer Maûregeleinrichtung untergebracht waren. Die Teilnahme erfolgte auf freiwilliger Basis im Anschluss an eine eingehende, standardisierte Information über den Untersuchungsgang. Die Kontrollgruppe setzte sich aus 167 psychisch gesunden Probanden ohne neuropsychiatrische Vorgeschichte zusammen, die ebenfalls freiwillig und informiert teilnahmen. Untersucht wurden nur männliche Probanden. Die psychiatrische Diagnostik erfolgte auf der Basis der ICD-10 [9], wobei auch Mehrfachnennungen statistisch erfasst wurden. Studiendesign Die hier vorgelegte Untersuchung ist Teil eines seit 1997 laufenden Projektes zur Evaluation von Störungen aus dem Spektrum des hyperkinetischen Syndroms bei Straftätern mit und ohne seelische Erkrankungen sowie bei verschiedenen psychiatrischen Populationen. Bisher sind über 1000 Personen untersucht worden. Die Analyse von Studien zur Frage der Symptomentwicklung im Erwachsenenalter weist einerseits auf das Problem geeigneter Blocher D et al, Symptome aus dem ¼ Fortschr Neurol Psychiat 2001; 69: 453 ± 459 Während bei den exhibitionistischen Taten die exhibitionistische Paraphilie und Persönlichkeitsstörungen dominieren, ist das diagnostische Spektrum bei sexuellem Kindesmissbrauch eher heterogen [4, 5]. Zwar finden sich häufig pädophile Paraphilien, indessen stöût man bei jüngeren Tätern vielfach auf Oligophrenien und Verhaltensstörungen, während bei Tätern, die in das Senium eingetreten sind, oft leichte kognitive Altersveränderungen und beginnende Demenzkrankheiten diagnostiziert werden können. Bei Tätern der mittleren Altersgruppen findet man Pädophilien, Abhängigkeitserkrankungen und Persönlichkeitsstörungen. Bei sexuellen Gewalttätern dominieren Personen ohne psychische Erkrankung. Wenn Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert werden, handelt es sich in der Regel um den dissozialen Typ. Vielfach bestehen in dieser Tätergruppe Alkohol- und Substanzmissbrauch [6]. Paraphilien sind in dieser Gruppe die Ausnahme (Übersicht in [7, 8]). Das HKS im Kindesalter ist mit einer Prävalenz von etwa 3 ± 5 % [17] die häufigste kinder- und jugendpsychiatrische Erkrankung. Diese Diagnose taucht indessen im Erwachsenenalter praktisch nicht mehr auf. Bis vor wenigen Jahren hielt sich die Meinung, dass das HKS im Erwachsenenalter voll remittiert oder sich wenigstens quantitativ zurückbildet. Im Lichte neuerer Untersuchungen scheinen solche Annahmen zweifelhaft [18 ± 22]. Wie viele Personen von einem im Erwachsenenalter persistierenden Teil- oder Vollbild des HKS betroffen sind, ist noch unbekannt. Epidemiologische Untersuchungen zu dieser Thematik fehlen. Nach Follow-up-Studien werden weit variierende Persistenzraten von bis 50 % diskutiert [21, 23 ± 25], wobei unterschiedliche Raten der Symptom- und Syndrompersistenz, aber auch der Dauer der funktionellen Beeinträchtigungen gefunden wurden [26]. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Originalarbeit 454 Sexualstraftätern darstellen könnte. Auf die Notwendigkeit einer frühzeitigen therapeutischen Intervention wird hingewiesen, zumal sich schon 44,1 % der Probanden vor der aktuellen Untersuchung in fachpsychiatrischer Behandlung befanden. Der Verschmälerung des diagnostischen Prozedere muss allerdings Rechnung getragen werden. Es empfiehlt sich hier nicht mehr von der Diagnose eines HKS zu sprechen, sondern von der Untersuchung von Symptomen aus dem Spektrum des HKS. Instrumentarium Es kam die Wender Utah Rating Scale (WURS) [29] in ihrer autorisierten deutschen Fassung zum Einsatz. Es handelt sich dabei um die einzige Skala in deutscher Sprache zur retrospektiven Erfassung von HKS-Symptomatik, für die eine deutsche Referenzpopulation untersucht wurde [22]. Bei der Selbstevaluation der 61 abgefragten Items über Verhaltensweisen, die zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr aufgetreten sein sollten, ergibt sich mittels einer 5-Punkte-Skala von 0 = nicht oder ganz gering bis 4 = stark ausgeprägt ein Summenscore. Ab einem Wert von 90 liegt die Diagnose eines HKS nahe [22]. Es handelt sich dabei um einen Wert, der ca. zwei Standardabweichungen vom Mittelwert der Eine Teilpersistenz der HKS-Symptomatik im Erwachsenenalter ist in der vorliegenden Studie in der Form operationalisiert worden, dass zusätzlich zur positiven retrospektiven Erfassung der HKS-Symptomatik mittels der WURS eine aktuell erhöhte Impulsivität gemessen werden musste. Als Messinstrument verwendeten wir den Impulsivitätsfragebogen I7 von Eysenck [31, 32]. Eine erhöhte Impulsivität wurde festgestellt, wenn Skalenwerte auûerhalb der einfachen Standardabweichung vom Mittelwert der deutschen Eichstichprobe des I7 vorlagen [32]. Statistische Analysen Die statistischen Auswertungen erfolgten mit dem Programm SPSS 10.0. Die Chi-Quadrat-Berechnungen zum Vergleich der Prävalenzraten der kategorialen Variabeln wurden mit dem exakten Test nach Fisher durchgeführt. Den mittels einfaktorieller ANOVA bestimmten Mittelwerten sind die jeweiligen Standardabweichungen nachgestellt. Korrelationsberechnungen wurden nonparametrisch mit der Methode nach Spearman durchgeführt. Zusätzlich wurden die Risikomaûzahlen bestimmt. Die ermittelten Odds Ratios geben wieder, um welches Maû die Präsenz der unabhängigen Variable die Auftretenswahrscheinlichkeit der abhängigen Variable verändert. Wichtig dabei sind die Angaben der 95 %-Konfidenzintervalle, deren unterer Wert für eine statistisch bedeutsame Aussagekraft > 1 sein muss. Mit der ätiologischen Fraktion wird angezeigt, wie viel Prozent des Ereignisses auf die unabhängige Variable zurückzuführen sind. Ferner berechneten wir die Summenwerte von vier zusammengehörigen Merkmalsbereichen auf der Basis einer faktorenanalytischen Untersuchung der WURS, die anderenorts detailliert beschrieben ist [22]. Die extrahierten Faktoren der depressiv-asthenisch-aufmerksamkeitsreduzierten und der impulsivaggressiven Merkmale sowie der Schulschwierigkeiten/Lernprobleme und der Störungen der sozialen Adaptation klären 48,5 % der Varianz auf und zeigen ein hohes Maû an Übereinstimmung mit den bisher publizierten faktorenanalytischen Untersuchungen der WURS [30, 33]. Ergebnisse Die soziodemographischen Daten sind in Tab. 1 abgebildet. Die Leistungsmerkmale hinsichtlich des Schulabschlusses und der Berufausbildung waren bei der retrospektiven Diagnose eines 455 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Blocher D et al, Symptome aus dem ¼ Fortschr Neurol Psychiat 2001; 69: 453 ± 459 Unter speziellen Studienbedingungen lassen sich die Voraussetzungen für eine Diagnostik auf einem derart anspruchsvollen Niveau bisweilen nicht mehr realisieren. Bei Untersuchungen mit Gefängnisinsassen oder forensischen Patienten stehen Angehörige als wünschenswerte Informationsgeber höchstens ausnahmsweise zur Verfügung. Auch muss bedacht werden, dass bei epidemiologischen Querschnittsuntersuchungen einer groûen Zahl von Patienten bei einer kleinen Zahl von Untersuchern vielfach keine Möglichkeit für eine Fremdbeurteilung gegeben ist und daher der Methode der Datengewinnung mittels Fragebogen der Vorzug eingeräumt werden muss. Referenzstichprobe entfernt ist. In einer Validierungsuntersuchung [Rösler u. Mitarb., in Vorbereitung] hat sich gezeigt, dass Patienten mit kinderpsychiatrisch gesichertem HKS im Erwachsenenalter bisher regelhaft Werte oberhalb eines Gesamtscore von 100 erreichten. Deswegen kommt als Alternative auch ein Trennwert von 100 in Frage. Basierend auf einer Untersuchung von Ward et al. [29] mit denjenigen 25 Items der WURS mit der gröûten Trennschärfe bietet sich als weiteres Trennkriterium ein Cut-off-Wert von 46 an. Damit konnten 86 % der Patienten mit einem diagnostizierten HKS und 99 % der Kontrollpersonen richtig klassifiziert werden. In der bisher einzigen Untersuchung bei paraphilen Probanden differenzierte der WURS-Summenwert signifikant die Probanden mit einer gesicherten kinderpsychiatrischen Diagnose eines HKS von nicht belasteten Probanden [12]. Mit der WURS ist somit eine retrospektive Diagnostik der HKS-Symptomatik mit ausreichender Reliabilität möglich [29, 30]. Originalarbeit Kriterien zur Diagnostik eines adulten HKS hin, andererseits stellt sich die Frage einer angemessenen quantitativen Abbildung der verschiedenen Partialsyndrome des adulten HKS. Die allgemeinen Diagnosekriterien der ICD-10 (F90.0, F90.1) [9] sind nicht hinreichend operationalisiert und daher für Studienzwecke wenig geeignet. Die ICD-10-Forschungskriterien [27] sind ausreichend operationalisiert, sie entsprechen weitgehend den DSMIV-Kriterien [10]. Der entscheidende Nachteil beider Diagnoseverfahren ist der Zuschnitt des Symptomspektrums auf die kindliche Symptomatik. Es kommt hinzu, dass nur unmittelbar beobachtbare Verhaltenssymptome und keine Erlebensphänomene in die Diagnostik aufgenommen wurden. Es ist deswegen anzunehmen, dass die typischen Phänomene des adulten HKS mit den DSM-IV- oder ICD-10-Kriterien nicht ausreichend erfasst werden können. Es fehlt speziell der Bezug auf folgende Symptombereiche: Stimmungsschwankungen und emotionale Überstimulierbarkeit, Affektausbrüche, Desorganisation des Lebensstils und die Unfähigkeit Aufgaben konsequent zum Ziel zu führen [21]. Für Untersuchungen mit Erwachsenen scheint es deswegen empfehlenswert, speziell für dieses Alter elaborierte Diagnosekriterien zu verwenden. Die Utah-Kriterien [21] sind die ersten und am besten evaluierten Diagnosekriterien für Erwachsene. Sie bestehen aus einer retrospektiven Dokumentation der HKS-Symptome während der Kindheit auf dem Boden der DSMIV-ADHD-Kriterien, wobei Angehörige als Informationsgeber genutzt werden sollen, wenn dies möglich ist. Ferner stehen sieben typische Symptombereiche für die psychopathologische Symptomatik des Erwachsenenalters zur Verfügung. Neben der Bewertung einer Sammlung von assoziierten, die Diagnose unterstützenden Merkmalen wird empfohlen, ein Fremdrating durch einen Elternteil [28] bearbeiten zu lassen. HKS nicht signifikant schlechter. Es fand sich keine Häufung geschiedener Partnerschaften in dieser Gruppe. Lediglich bei einer Persistenz der Symptomatik ins Erwachsenenalter waren mehr Täter vor der Tatbegehung nicht in den Arbeitsprozess integriert (Fishers ET p = ,013 [Cut-off 90] bzw. p = ,043 [Cut-off 100]). Diagnostisches Spektrum: 1 n % keine Diagnose 45 35,4 F0 organische psychische Störung 4 3,2 Tab. 1 Soziodemographische Daten, n = 127 F1x.1 schädlicher Gebrauch Alkohol Drogen 17 13 4 13,4 10,2 3,2 Alter: Durchschnitt SD Spanne F1x.2 Abhängigkeitssyndrom Alkohol Drogen 17 17 0 13,4 13,4 0 38,3 10,3 19 ± 65 n % F2 Schizophrenie 2 1,6 Familienstand: ledig verheiratet getrennt/geschieden F3 affektive Störung 0 0 58 40 29 45,7 31,5 22,6 F6 Persönlichkeitsstörung dissozial emotional instabil, impulsiver Typus 44 28 6 34,7 22,1 4,7 Schulbildung: einfach mittel hoch 76 44 7 59,8 34,6 5,5 Berufsausbildung: keine Lehre Fach-/Hochschule 43 78 6 33,9 61,4 4,7 F65 Störung der Sexualpräferenz Fetischismus Exhibitionismus Voyeurismus Pädophilie multiple Störungsmuster 32 4 5 2 17 4 25,2 3,2 3,9 1,6 13,4 3,2 F7 Minderbegabung 5 3,9 Anamnese: schon zuvor psychiatrisch begutachtet positive psychiatrische Familienanamnese zuvor in psychiatrischer Behandlung 65 19 56 51,2 15,0 44,1 Es konnte nachgewiesen werden, dass Sexualdelinquenz zu einem groûen Teil in eine allgemeine Delinquenz eingebettet ist (Tab. 2). Knapp 60 % der Täter machten schon zuvor durch Eigentums-, Straûenverkehrs- und Körperverletzungsdelikte auf sich aufmerksam. Eine einschlägige Sexualdelinquenz war bei etwas mehr als 30 % der Täter feststellbar. Die strafrechtlichen Auffälligkeiten der Untersuchungspopulation begannen durchschnittlich mit 29,5 Jahren (SD 13,3 Jahre, Spannweite 13 ± 65 Jahre). Tab. 2 Forensische Daten, n = 127 % Vorstrafenbelastung: allgemein einschlägig 75 40 59,1 31,5 Frühere Inhaftierungen 43 33,9 Tatstruktur: sexueller Missbrauch von Kindern sexuelle Gewalttat Erregung öffentlichen ¾rgernisses 65 53 9 51,2 41,7 7,1 Schuldfähigkeit: voll schuldfähig vermindert schuldfähig § 21 StGB schuldunfähig § 20 StGB 79 42 6 62,2 33,1 4,7 Maûregel: keine § 63 StGB § 64 StGB § 66 StGB 90 30 6 1 70,9 23,6 4,7 0,8 Betrachtet man das diagnostische Spektrum (Tab. 3), so stellten Persönlichkeitsstörungen bei knapp einem Drittel der Patienten die häufigste Diagnose dar, wobei die dissozialen sowie emotional instabilen Störungsmuster vom impulsiven Typus im Vorder- Mehrfachnennungen sind möglich grund standen. Etwas mehr als ein Viertel der Sexualstraftäter wiesen eine Störung durch psychotrope Substanzen auf, wobei manifeste Abhängigkeitssyndrome nur alkoholassoziiert vorgefunden wurden. Vergleichbare Prävalenzraten waren für Störungen der Sexualpräferenz auszumachen. In etwas mehr als der Hälfte dieser Gruppe waren die diagnostischen Kriterien einer Pädophilie erfüllt. Entsprechend der hohen Belastung mit psychischen Störungsmustern ± nur bei 35,4 % der Stichprobe erfolgte keine diagnostische Zuordnung ± ergab sich eine hohe Inanspruchnahme psychiatrischer Hilfen im Vorfeld der Tat, zum Teil auch im Zusammenhang mit einer forensisch-psychiatrischen Begutachtung. Es fand sich dabei aber kein Zusammenhang mit der retrospektiven Diagnose eines HKS (Fishers ET = 1,00 bzw. ,797). Bei 27,6 % der Probanden war retrospektiv von HKS-Symptomen auszugehen (Cut-off 90). Bei knapp der Hälfte dieser Fälle fanden wir eine gesteigerte Impulsivität als persistierendes Teilsyndrom. Allgemein stieûen wir auf eine mittelgradige, statistisch signifikante Korrelation zwischen der WURS und dem I7 (r = ,532, p £ ,001). Damit lag eine Partialpersistenz von HKS-Symptomen bei 14,2 % der Sexualstraftäter vor. Wenn wir von einem erhöhten Cut-off von 100 WURS-Punkten ausgingen, sank die Prävalenz für kindliche HKS-Symptome auf 15,7 % und für eine HKSTeilpersistenz auf 11 % ab, gegenüber einem Referenzwert von 2,4 % in der Kontrollgruppe. Bei einer Analyse einzelner Symptomgruppen der WURS auf dem Boden der von unserer Arbeitsgruppe beschriebenen 4-Faktoren-Lösung [22] fanden wir in allen 4 Teilbereichen statistisch signifikante Unterschiede zwischen Sexualstraftätern und Kontrollpersonen (Tab. 4). Am deutlichsten zeigte sich dies bei der Blocher D et al, Symptome aus dem ¼ Fortschr Neurol Psychiat 2001; 69: 453 ± 459 n 1 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Originalarbeit 456 Tab. 3 Psychiatrische Daten, n = 127 Tab. 4 HKS und Impulsivität WURS-Summenscore *** 78,1 26,8 61,9 18,9 Faktor 1: depressiv-asthenischaufmerksamkeitsreduziert *** 15,6 7,5 11,0 5,7 Faktor 2: impulsiv-aggressive Merkmale * 15,4 8,6 13,5 7,0 Faktor 3: Schulschwierigkeiten/ Lernprobleme *** 10,5 7,3 5,4 4,4 1,9 2,3 0,4 0,8 I7 Summenscore ** 7,5 4,2 6,1 3,6 HKS anzunehmen (Cut-off 90) *** 27,6 % 7,8 % HKS anzunehmen (Cut-off 100) ** 15,7 % 4,8 % Impulsivität erhöht * 27,6 % 16,2 % Teilpersistenz bei HKS 90 *** 14,2 % 3,0 % Teilpersistenz bei HKS 100 ** 11,0 % 2,4 % * p £ ,05, **p £ ,01, ***p £ ,001 (einfaktorielle ANOVA bzw. exakter Test nach Fisher) (WURS = Wender-Utah-Rating-Scale, I7 = Impulsivitätsfragebogen n. Eysenck, HKS = Hyperkinetisches Syndrom) depressiv-asthenisch-aufmerksamkeitsreduzierten Symptomatik und war ± entgegen den Erwartungen ± bei den forensisch sonst bedeutsamen impulsiv-aggressiven Merkmalen geringer ausgeprägt. Blocher D et al, Symptome aus dem ¼ Fortschr Neurol Psychiat 2001; 69: 453 ± 459 Diejenigen Täter, bei denen sich retrospektiv HKS-Symptome nachweisen lieûen, begannen ihre kriminellen Karrieren im Durchschnitt mehr als 10 Jahre früher (Abb. 1). Diese Teilpopulation (Cut-off 90) wies auch eine höhere allgemeine Vorstrafenrate (77,1 % vs. 52,2 %) und insbesondere einschlägige Vorstrafenrate auf (51,4 % vs. 23,9 %). Die entsprechenden Werte für einen Cut-off von 100 lauteten für allgemeine Kriminalität 85,0 % vs. 54,2 % und für Sexualdelinquenz 50,0 % vs. 28,0 % (Tab. 5). Die Raten an einschlägiger Sexualdelinquenz bei HKS-Teilpersistenz im Erwachsenenalter reicht mit 61,1 % (Cut-off 90) bzw. 64,3 % (Cutoff 100) fast an die Werte der paraphilen Täter heran (71,9 %). Abb. 1 Beginn der strafrechtlichen Auffälligkeiten (p £ ,001, numerische Werte der Kategorien bezeichnen den jeweils gewählten Cut-offWert der WURS). Originalarbeit Faktor 4: Störung der soz. Adaptation *** Es ist interessant festzustellen, dass es innerhalb der unterschiedlichen sexuellen Delinquenzgruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen HKS-Symptomprävalenzen gab. Bei den paraphilen Tätern lag die Prävalenzrate bei 40,6 % bzw. 25,0 % (Cut-off 90 bzw. 100). In der Tab. 5 werden die Risikowerte für die wichtigsten Einflussfaktoren der Sexualdelinquenz dargestellt. Bei dieser Untersuchung ergaben sich für die Diagnose einer Störung der Sexualpräferenz eine mehr als elffach erhöhte Wahrscheinlichkeit einschlägiger Delikte. Stellte der retrospektive Nachweis von Symptomen aus dem HKS-Spektrum für Sexualvorstrafen ein um das mehr als dreifache erhöhtes Risiko dar, so fand sich ein weiterer Anstieg, wenn eine Persistenz der Symptomatik ins Erwachsenenalter gefunden worden war. Eine einschlägige Vorbelastung kann diesem Modell zufolge in 21 resp. 18 %, abhängig vom ge- Tab. 5 Interaktionen der HKS-Spektrumsymptome mit delinquenten Verhaltensweisen Vorstrafen insgesamt einschlägige Vorstrafen n (%) OR 95%Cl ¾F p* n (%) OR 95%Cl ¾F p* HKS Cut-off 90 ja nein 27 (77,1) 48 (52,2) 3,1 1,3 ± 7,5 24 ,015 18 (51,4) 22 (23,9) 3,4 1,5 ± 7,6 32 ,005 HKS Cut-off 100 ja nein 17 (85,0) 58 (54,2) 4,8 1,3 ± 17,3 18 ,012 10 (50,0) 30 (28,0) 2,6 1,0 ± 6,8 16 ,049 Impulsivität gesteigert ja nein 27 (77,1) 48 (52,2) 3,1 1,3 ± 7,5 24 ,015 17 (48,6) 23 (25,0) 2,8 1,3 ± 6,4 27 ,018 Persistenz Cut-off 90 ja nein 16 (88,9) 59 (54,1) 6,8 1,5 ± 30,9 18 ,008 11 (61,1) 29 (26,6) 4,3 1,5 ± 12,2 21 ,006 Persistenz Cut-off 100 ja nein 12 (85,7) 63 (55,8) 4,8 1,0 ± 22,3 13 ,042 9 (64,3) 31 (27,4) 4,8 1,5 ± 15,3 18 ,011 Paraphilie ja nein 28 (87,5) 47 (49,5) 7,1 2,3 ± 22,0 32 ,000 23 (71,9) 17 (17,9) 11,7 4,6 ± 29,8 52 ,000 Persönlichkeitsstörung ja nein 35 (79,5) 40 (48,2) 4,2 1,8 ± 9,8 35 ,001 22 (50,0) 18 (21,7) 3,6 1,6 ± 7,9 40 ,002 OR = Odds Ratio, 95%Cl = 95 %iger Konfidenzintervall, ¾F = ¾tiologische Fraktion (%), *Exakter Test n. Fisher 457 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Sexualstraftäter Kontrollgruppe n = 127 n = 167 Diskussion Die von uns untersuchten Sexualdelinquenten stellen mit Blick auf die Tatstruktur sowie die allgemeine und einschlägige Vorstrafenbelastung einen repräsentativen Querschnitt dieser Tätergruppe dar [3]. Originalarbeit 458 Es ist in Abhängigkeit vom gewählten Trennwert der WURS mit 15,7 bis 27,6 % von einer hohen Prävalenz von Symptomen aus dem HKS-Spektrum auszugehen, wenn man diese Werte mit den korrespondierenden Prävalenzen von 7,8 % bzw. 4,8 % aus der Kontrollgruppe vergleicht. Unsere Werte sind denen vergleichbar, die in einer nicht näher spezifizierten Gefangenenpopulation mit 25,5 % als Prävalenzrate für ein HKS beschrieben worden sind [34]. Untersuchungen bei Probanden mit Störungen der Sexualpräferenz erbrachten eine nochmals höhere Belastungsziffer von 53,3 % [11] resp. 65,4 % [12], wobei letztere Untersuchung auf die WURS als Instrument zur Erfassung der retrospektiven ADHD-Diagnose zurückgriff. Allerdings wurden in diesen Studien unterschiedliche diagnostische Ansätze gewählt und keine Aufschlüsselung angegeben, um welche Art der sexuellen Delinquenz es sich handelte, so dass die Vergleichbarkeit mit unserer Studie eingeschränkt ist. Doch zeigt sich, dass insbesondere in der Hochrisikogruppe der paraphilen Täter die Belastungsziffern mit einer kindlichen HKS-Symptomatik auf vergleichbar hohem Niveau anzusiedeln sind. Die Prävalenz von 4,8 % für kindliche HKS-Symptome unserer Kontrollgruppe bei einem Cut-off-Wert von 100 in der WURS entsprechen ziemlich exakt den Erwartungswerten, die in der Literatur für unterschiedliche Kontrollpopulationen genannt werden [35, 20, 36]. Nicht bestätigen [7] konnten wir bei unserer Untersuchung eine Komorbidität mit Störungen aus dem Bereich der affektiven Erkrankungen, wie dies in US-amerikanischen Studien gefunden wurde [4, 5]. Als wir die Selbstevaluationen unserer Patienten mittels einer faktorenanalytischen Untersuchung [30, 22] analysierten, stellte sich allerdings heraus, dass die Sexualdelinquenten im Bereich der depressiv-asthenisch-aufmerksamkeitsreduzierten Symptomatik (Faktor 1) den höchsten Score aller von uns bisher untersuchten Delinquenten aufwiesen. Dies lässt erkennen, dass trotz einer fehlenden Komorbidität mit depressiven Auch bei dieser Untersuchung zeigte sich, dass schizophrene Psychosen im Bedingungsgefüge von Sexualdelinquenz eine deutlich untergeordnete Rolle spielen. Dies entspricht Ergebnissen früherer Querschnittsuntersuchungen [7] und auch einer Risikoerfassung von Delikten schizophrener Patienten über einen längeren Zeitraum hinweg [2]. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Symptome aus dem Spektrum des HKS gerade bei einer Persistenz im Erwachsenenalter neben Störungen der Sexualpräferenz und aus dem Persönlichkeitsbereich einen weiteren bedeutsamen Vulnerabilitätsfaktor bei Sexualstraftätern darstellen könnten. Auf die Notwendigkeit einer frühzeitigen therapeutischen Intervention, die sich hier insbesondere durch die gut evaluierten pharmakologischen Interventionen bietet, ist hinzuweisen, zumal sich schon knapp 50 % der Delinquenten zuvor in psychiatrischer Behandlung befanden oder sich einer forensisch-psychiatrischen Begutachtung unterziehen mussten. Kann durch eine adäquate Therapie eine Verbesserung der Aufmerksamkeitsleistung, eine Reduktion der Impulsivität sowie eine Verringerung der depressiven Begleitsymptome erreicht werden, so ist es hierauf aufbauend möglich, die psycho- und/oder sozialtherapeutische Therapie zu intensivieren. In einer Fallkontrollstudie konnte erstmals gezeigt werden, dass eine Augmentation der antidepressiven Therapie mit Stimulanzien bei paraphilen Probanden mit Symptomen aus dem Spektrum des HKS zu einer signifikanten Reduktion paraphilie-assoziierter Phantasien und sexueller Handlungen führte [12]. Dabei hat sich gezeigt, dass deutlich bessere Ergebnisse erzielt wurden, wenn erst nach der Gabe serotonerger Substanzen der dopaminerg/noradrenerge Wirkstoff (Methylphenidat) verabreicht wurde. Dieser Ansatz lässt einen zeitlich verkürzten Aufenthalt in einer entsprechenden Einrichtung und geringe Rückfallraten bei Sexualdelinquenten erwarten. Zu erwähnen sind einige kritische Gesichtspunkte, die bei der Generalisierung unserer Ergebnisse Beachtung finden sollten. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von Probanden, sowohl mit Blick auf die Tatstruktur als auch die Untersuchungssituation. Eine weitere Differenzierung der Tätergruppe erscheint darüber hinaus sinnvoll, da zu vermuten ist, dass nicht alle Subgruppen, wie z. B. die sexuelle Altersdelinquenz, in gleicher Weise mit dem Konstrukt des HKS assoziiert sind. Ferner sind die Einschränkungen zu bedenken, die sich aus der Wahl des diagnostischen Instrumentariums ergeben. Letztlich ist die Diagnose des adulten HKS noch nicht befriedigend gelöst, obwohl es eine empirisch gesicherte Evidenz für das Krankheitsbild des adulten HKS gibt (Übersichten in [25, 21]). Es bedarf weiterer Anstrengungen, um die Probleme verbindlicher Diagnosekriterien und einer ausreichenden quantitativen Syndromerfassung zu lösen. Blocher D et al, Symptome aus dem ¼ Fortschr Neurol Psychiat 2001; 69: 453 ± 459 Sexualstraftäter, bei denen retrospektiv von Symptomen aus dem HKS-Spektrum auszugehen war, traten signifikant früher strafrechtlich in Erscheinung. Diese Gruppe wies eine deutlich höhere allgemeine Vorstrafenbelastung auf, die im Falle einschlägiger Sexualdelinquenz eine besondere Ausprägung zeigte. Die Bedeutung des HKS wurde bei den Tätern besonders deutlich, bei denen eine Teilpersistenz der Symptomatik in das Erwachsenenalter angetroffen wurde. Mehr als 60 % dieser Subpopulation machten schon zuvor durch ein Sexualdelikt auf sich aufmerksam. Es könnte sich hier um eine besondere Risikogruppe von sexuellen Rezidivtätern handeln, wobei noch zu diskutieren sein wird, wie sich die beachtliche Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen und Suchterkrankungen auswirkt. Erkrankungen auf der nosologischen Ebene von ICD-10 eine Nähe der Sexualdelinquenz zu affektiven Veränderungen auf der Basis von depressiven Teilsyndromen auch bei unserer Untersuchungspopulation anzunehmen ist. Zu bedenken sind die emotionale Labilität und Überreagibilität, die als typisch für die HKS-Erwachsenensymptomatik angesehen werden [21] und die sich weniger auf der nosologischen als auf der syndromalen Ebene darstellen lassen. Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. wählten Cut-off-Wert, durch die Persistenz von Teilsymptomen in das Erwachsenenalter erklärt werden. Für zukünftige Studien ist es darüber hinaus wichtig, bei der retrospektiven Erfassung des HKS im Kindesalter auch die Merkmale einer Störung des Sozialverhaltens mit in die Evaluation einzubeziehen [21]. Literatur Blocher D et al, Symptome aus dem ¼ Fortschr Neurol Psychiat 2001; 69: 453 ± 459 Hodgins S. Epidemiological investigations of the associations between major mental disorders and crime: methodological limitations and validity of the conclucions. Soc Psychiatry Psychiatr Epidemiol 1998; 33: S29 ± S37 2 Mullen P, Burgess P, Wallace C, Palmer S, Ruschena D. 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