Fetozid: Begleiterscheinung der Fruchtbarkeitsmedizin

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Aus dem info-dienst bio-ethik 2/17
Informationsdienst der aktion leben zum Thema „Bio-Ethik “
Fetozid: Begleiterscheinung der Fruchtbarkeitsmedizin
Das Thema Tötung von ungeborenen Kindern im Mutterleib berührt
unglaublich. So ging es auch uns bei der diesjährigen
Generalversammlung von aktion leben. Wir hatten Barbara Breunlich
eingeladen, um über ein Folgeproblem von Fruchbarkeitsbehandlungen
zu sprechen, das kaum behandelt wird: den Fetozid bei
Mehrlingsschwangerschaften.
Barbara Breunlich schrieb zu diesem Thema ihre Dissertation, die
auch als Buch erschien. Worum es geht, stellen wir im Folgenden in
aller Kürze und Nüchternheit dar. Wesentlich mehr Informationen und
Überlegungen, v.a. die rechtlichen und ethischen Aspekte, finden Sie
im Buch von Barbara Breunlich („Fetozid bei
Mehrlingsschwangerschaft “ , Daten dazu finden Sie auf S. 15). Bitte
lesen Sie ab S. 12 auch unser Interview mit der Autorin.
Fakten zum Fetozid
Eine Schwangerschaft mit mehr als einem Kind birgt zahlreiche
Risiken für Mutter und Kinder. Im Vergleich zu Einlingen steigt die
Wahrscheinlichkeit von Wachstumsverzögerungen und Fehlbildungen, von
Frühgeburten und intra-uterinem Fruchttod. Auch mütterliche
Schwangerschaftserkrankungen bis zu schwerwiegenden Komplikationen
kommen gehäuft vor. Dies alles ist umso wahrscheinlicher, je mehr
Kinder es sind und besonders dann, wenn sich zwei Kinder eine
Fruchtblase und/oder eine Plazenta teilen. Liegt eine höher- oder
höchstgradige Schwangerschaft vor (d.h. drei bzw. vier oder mehr
Kinder), stehen werdende Eltern vor der Entscheidung, erhebliche
Risiken für die Kinder und die schwangere Frau zu tragen, die ganze
Schwangerschaft abzubrechen oder einzelne Kinder zu opfern, um die
Chancen für die verbleibenden Kinder zu verbessern. Diesen Vorgang
der vorgeburtlichen Tötung einzelner Kinder nennt man Fetozid. Auch
die Bezeichnungen „therapeutische Reduktion “ oder „Mehrlingsreduktion “ sind gebräuchlich.
Höhergradige Mehrlinge entstehen vor allem als Resultat von
Fruchtbarkeitsbehandlungen, insbesondere von Hormonstimulationen
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oder wenn mehr als ein oder zwei Embryonen in den Körper der Frau
übertragen werden. Der Fetozid ist demnach eine Begleiterscheinung
der Reproduktionsmedizin und kurz nach dessen Etablierung in den
1980er-Jahren eingeführt worden.
Fetozide sind aber auch im Zusammenhang mit Spätabbrüchen bekannt.
Abtreibungen ab der 16. Schwangerschaftswoche bedeuten im Fall von
Einlingen immer Geburtseinleitungen. Ab der 23.
Schwangerschaftswoche sind Kinder überlebensfähig. Werden Kinder
nach der 23. Schwangerschaftswoche abgetrieben, ist es nicht
unwahrscheinlich, dass sie den Abbruch überleben und erst Stunden
nach der Geburt versterben. Um dies zu verhindern, können Eltern vor
der Geburtseinleitung den Fetozid in Anspruch nehmen.
Methoden des Fetozids
Der Fetozid als Mehrlingsreduktion hat das Ziel, einzelne Embryonen
oder Feten innerhalb einer Schwangerschaft zu töten, um den
verbleibenden eine bessere Entwicklungs- bzw. Überlebenschance zu
bieten. Je nach Schwangerschaftsdauer (d.h. dem Alter der
Embryonen/Feten) und der Art der Mehrlingsschwangerschaft wird das
auf unterschiedliche Weisen durchgeführt: Entweder es wird Lidocain
oder Kaliumchlorid in den Brustkorb, das Herz oder die Nabelvene des
Fetus gespritzt. Oder es wird die Nabelschnur abgebunden, worauf der
Fetus erstickt. Der verstorbene Embryo/Fetus verbleibt daraufhin bis
zur Geburt des überlebenden Kindes/der überlebenden Kinder im Körper
der Frau. Sehr junge Embryonen bis zur 10. Schwangerschaftswoche
werden vom Körper der Frau großteils wieder aufgenommen (vanishing
fetus). Feten über der 12. Schwangerschaftswoche entwickeln sich zum
sogenannten Fetus papyraceus, das heißt sie werden papierdünn
plattgedrückt und in dieser Form bei der Geburt mitausgeschieden.
Bei noch später durchgeführten Abbrüchen mumifiziert der Fetus.
Wer lebt – wer stirbt?
Für eine Mehrlingsreduktion gibt es grundsätzlich zwei Gründe:
 Von nicht-selektivem Fetozid spricht man, wenn alle Kinder zwar
gesund sind, sich aber zu viele entwickeln, was das Über-leben bzw.
die Gesundheit aller Kinder gefährdet.
 Um einen selektiven Fetozid handelt es sich, wenn nach einem
positiven pränataldiagnostischen Befund ein auffälliger Fetus
gezielt ausgewählt wird.
Die Grenzen zwischen selektivem und nicht-selektivem Fetozid sind
fließend, da auch bei der Auswahl allein aufgrund der Zahl neben der
Lage und Erreichbarkeit des Kindes/der Kinder Auswahlkriterien wie
Nackendichte oder Größe eine Rolle spielen.
Fetozid in Österreich
In Österreich wird der Fetozid an allen großen Perinatalzentren in
Wien, Linz, Salzburg, Graz und Innsbruck durchgeführt. Die
Handhabung sowie die Voraussetzungen für einen Fetozid sind je nach
Standort unterschiedlich geregelt, es gibt österreichweit keine
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allgemein gültigen und verpflichtenden Vorgaben dafür. Eine
Reduktion einer Zwillingsschwangerschaft auf eine
Einlingsschwangerschaft wird derzeit an allen Zentren abgelehnt,
außer es handelt sich um einen selektiven Fetozid, d.h. um die
Abtreibung eines der beiden Kinder wegen schwerer Beeinträchtigung.
Bitte lesen Sie auf den folgenden Seiten das Interview, das wir mit
Barbara Breunlich geführt haben.
Mag. Dr. Barbara Breunlich
war nach Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften und
Absolvierung der Gerichtspraxis
in Wien als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Verwaltungsgerichtshof
und am Hans Kelsen-Institut tätig. Barbara Breunlich steht in
Forschungskooperation mit dem Österreichischen Institut für
Familienforschung. Seit 2009 stehen medizi nethische und -rechtliche
Fragestellungen im Mittelpunkt ihres Forschungsinteresses.
Barbara Breunlich im Interview
„Es fällt schwer, über das Töten von Embryonen zu
sprechen “
Über Fetozide wird nicht gesprochen.
Warum eigentlich nicht?
Zum einen liegt es direkt in der Hand und Verantwortung der
FortpflanzungsmedizinerInnen und der kinderwünschenden Personen,
Mehrlinge zu verhindern, indem man die Transferzahl auf einen Embryo
beschränkt bzw. bei einer überschießenden Hormonstimulation und der
Heranreifung von mehr als einem Follikel die Behandlung abbricht,
auf Geschlechtsverkehr verzichtet und die überzähligen Follikel für
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eine sogenannte Rescue-IVF verwendet. Da die moderne Medizin
erfolgsorientiert ist, fällt es schwer, über das Töten von Embryonen
zu sprechen, weil das erklärte Ziel reproduktionsmedizinischer
Behandlungen – die Einlingsschwangerschaft – verfehlt wurde. Über
Miss-erfolge zu sprechen, ist nicht gerade geschäftsfördernd.
Zum anderen löst das Töten von Feten in einem fortgeschrittenen
Stadium der Schwangerschaft bei vielen Menschen ungleich größeres
Unbehagen aus als das Töten von Embryonen. Je näher das Aussehen und
die Größe des zur Tötung bestimmten Fetus an ein eben geborenes Kind
heranreicht, desto stärker scheint die Handlung des Tötens in das
Bewusstsein aller zu treten, obwohl – eine adäquate Schmerzausblendung vorausgesetzt – es für das Ungeborene irrelevant ist, zu
welchem Zeitpunkt es getötet wird, denn es wird in keinem Fall das
Licht der Welt erblicken. Der späte Fetozid
unterliegt noch größeren Anforderungen bei der Verdrängung, deshalb
wird ein offenes Gespräch darüber vermieden. Zudem sind Fetozide
zumeist mit großen Schuldgefühlen der unmittelbar Beteiligten
behaftet.
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Auf politischer Ebene negiert man das Thema Fetozid, da eine
sinnvolle Diskussion darüber nicht möglich ist, ohne die gesamte
Reproduktions- und Schwangerschaftsabbruchsthematik in den Blick zu
nehmen.
Sie schätzen, dass es 40 bis 70 Fetozide (Mehrlings- und
Einlingsfetozide) pro Jahr in Österreich gibt. Woran liegt es,
dass es keine genauen Zahlen gibt?
Die Zahl der Fetozide für Gesamtösterreich kann in Ermangelung einer
validen, öffentlich zugänglichen Datenlage nur ungefähr benannt
werden. Zwar müssen seit 2015 an geburtshilflichen Abteilungen
durchgeführte Fetozide dem Geburtenregister Österreich gemeldet
werden, doch einerseits stehen diese Zahlen der Öffentlichkeit nicht
zur Verfügung und andererseits müssen Fetozide nicht
rechtsverpflichtend in einer geburtshilflichen Abteilung
durchgeführt werden.
Das AKH Wien hat zwar seit Jahren Daten zum Fetozid in seinen
Jahresberichten veröffentlicht, aber leider haben sich nicht alle
Perinatalzentren dazu veranlasst gesehen. Im AKH Wien werden ca. 20
Fetozide (Einlinge und Mehrlinge) pro Jahr durchgeführt, was mich in
Zusammenschau mit mir persönlich mitgeteilten Fetozidzahlen anderer
großer Perinatalzentren und unter Rücksichtnahme auf deren geringere
Durchführungsraten auf die geschätzte Zahl von 40 bis 70 Fetoziden
kommen lässt. Es ist aber davon auszugehen, dass Ärzte mit der Frage
nach derartigen Abbrüchen weit häufiger konfrontiert sind, eine
erhebliche Anzahl an Fetoziden jedoch abgewendet werden kann.
Wie viele und wo Fetozide innerhalb der gesetzlichen DreiMonatsfrist zum Schwangerschaftsabbruch und über die Grenze hinaus
noch bei Mehrlingsschwangerschaften gemacht werden, kann aufgrund
der fehlenden Faktenlage zum Schwangerschaftsabbruch nicht gesagt
werden. Zum Beispiel wurde eine Sechslingsschwangerschaft in einer
niedergelassenen Ordination auf eine Zwillingsschwangerschaft
reduziert, das scheint offiziell nirgends auf.
Warum entstehen bei künstlicher Befruchtung so viele Mehrlinge?
Wie eingangs bereits erwähnt, liegt es direkt in der Verantwortung
von kinderwünschenden Personen und ÄrztInnen, das Mehrlingsrisiko so
gering wie möglich zu halten.
Fruchtbarkeitsbehandlungen sind teuer. Die Übertragung von nur einem
Embryo oder die Vornahme einer Rescue-IVF und die serielle Rückgabe
von nur einem Embryo pro IVF-Zyklus werden finanziell nicht
unterstützt. Zudem besteht bei vielen Paaren die Befürchtung, dass
der Single-Embryo-Transfer (SET) keine gute Erfolgschance hat.
Studien aus Skandinavien belegen jedoch, dass die Erfolgsrate, im
Zuge des SET schwanger zu werden, nur minimal geringer ist als bei
einem Mehrfachembryonentransfer.
Der Kunde ist auch im Bereich der Reproduktionsmedizin zumeist König
und viele ReproduktionsmedizinerInnen beugen sich dem Kostendruck
von Kinderwunschpaaren, da es zudem ja auch keine gesetzliche
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Verpflichtung zum SET gibt.
Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um diese Zahl zu senken?
 Gesetzliche Verankerung des SET
 Gesetzliche Regelung der Hormonstimulation mit Verkehr zum Optimum
(Monofollikuläre Hormonstimulation)
 Eine vom behandelnden Arzt unabhängige und gesetzlich
verpflichtende psychologische Beratung oder psychotherapeutische
Betreuung aller kinderwünschenden Personen vor Behandlungsbeginn.
 Eine Änderung des IVF-Fonds Gesetzes, um das Erreichen einer
Einlingsschwangerschaft im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen
Behandlung - mit Blick auf Vertragsvergabe und das dafür
erforderliche Erreichen einer bestimmten Schwangerschaftsrate - für
IVF-Institute attraktiver werden zu lassen.
 Die Unterstützung serieller Kryozyklen
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im Rahmen des IVF-FondsGesetzes, damit der finanzielle Druck auf kinderwünschende Personen
gesenkt wird, der sie zu Mehrfachembryonenübertragungen tendieren
lässt.
Sie haben zum Fortpflanzungsmedizin-gesetz Neu 2015 eine kritische
Stellungnahme eingebracht. Was waren Ihre wesentlichen
Kritikpunkte? Warum, glauben Sie, wurden diese nicht
berücksichtigt?
Das Kindeswohl wurde im Hinblick auf Mehr-linge nicht wirklich
berücksichtigt, denn im Sinne einer Leidvermeidung in Bezug auf die
durch ART entstehenden Kinder wäre man um die gesetzliche
Verankerung des SET und der Regelung der Hormonstimulation nicht
herumgekommen.
Zum Gesetzwerdungsverfahren rund um das FortpflanzungsmedizinrechtsÄnderungsgesetz (FMedRÄG) 2015 möchte ich nur so viel sagen: Die
Auswahl der ExpertInnen, die im Parlament angehört werden, ist nicht
‚ergebnisoffen’. Ich habe ExpertInnen aus dem Bereich Fetalmedizin
und Neonatologie wie der Kinderheilkunde vermisst, die sich
parteipolitisch unabhängig mit dieser Materie auseinandersetzen. Es
scheint, als würden jene Fachkräfte angehört, die am besten in das
parteipolitische Kalkül passen.
Sie sagen, die Aufklärung der Eltern vor einer
Fruchtbarkeitsbehandlung über das Risiko einer
Mehrlingsschwangerschaft ist mangelhaft. Welche Änderungen
wünschen Sie sich?
Wichtig wäre eine verpflichtende Aufklärung von Personen mit
Kinderwunsch vor Beginn der Behandlung über das Risiko von
Mehrlingsschwangerschaften, die gesundheitlichen Folgen für Mutter
und Kinder sowie über die Maßnahme des Fetozids.
Zudem wäre abzuklären wie viele Kinder überhaupt gewünscht sind,
denn mitunter besteht die Vorstellung, dass die Reproduktionsmedizin
mit Sicherheit nur ein Kind ‚liefert’, wenn nur ein Embryo
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übertragen wird. Da bei einem Embryo nach der Übertragung noch eine
Teilungsmöglichkeit besteht, kann dieses Versprechen nicht gegeben
werden. Es gibt Fälle, in denen bei gesunden Zwillingen ein Fetozid
gewünscht wird, weil ja nur ein Kind am Plan stand. Innerhalb der
gesetzlichen Drei-Monats-Frist kann diesem Ansinnen stattgegeben
werden, insbesondere beugen sich mitunter Ärzte dem Druck, wenn
Schwangere sonst den Gesamtabbruch der Schwangerschaft androhen.
Sie bemängeln auch die fehlende Transparenz in der
Reproduktionsmedizin. Was müsste zusätzlich erhoben werden?
Es könnte ein dem Mutter-Kind-Pass ähnlicher ART-Pass eingeführt
werden, der Informationen zur Sterilitätsbehandlung festhält.
Es ist notwendig, arbeitsbezogene Daten reproduktionsmedizinischer
Zentren zu eruieren. Diese Informationen setzen sich aus den
Geburtsdaten der Kinderwunschpaare, den Daten zur Follikelpunktion,
den Fakten zum Embryotransfer und den Ergebnissen der
reproduktionsmedizinischen Behandlung zusammen. Ergebnisbezogene
Informationen sind die Schwangerschaftsfeststellung, die Herzaktion,
die Anzahl der Embryonen, die Nachvollziehbarkeit des gesamten
Schwangerschaftsverlaufes, ggf. der Abortus, der
Schwangerschaftsabbruch, der nicht-selektive Fetozid und der
selektive Fetozid.
Sie sagen, ein Fetenschutzgesetz in utero wäre überlegenswert: Wie
sollte das aus-sehen?
Es geht darum, einen allgemein verbindlichen Weg bei der
Fetozidthematik zu erarbeiten und einen Mindeststandard beim Töten
Ungeborener gesetzlich festzulegen. Es reicht meiner Meinung nach
nicht aus, medizinische Praxis zu üben – obwohl das
Konsensusstatement Fetozid und die von Kliniken unterschiedlich
ausgeführten Leitlinien zum Fetozid wie Ethikkommissionen sehr
wichtig und lobenswert sind.
Darüber hinaus kann sich der Rechtsunterworfene manchmal des
Eindrucks nicht erwehren, dass das Tier in der Wertung des
Gesetzgebers über das ungeborene menschliche Leben gestellt wird.
Österreich hat ein ausgezeichnetes Tierschutzgesetz mit
korrespondierenden Verordnungen, in denen unter anderem ganz genau
festgelegt ist, wie die Ausbildung der Personen im Schlachtbetrieb
zu erfolgen hat und unter welchen Bedingungen wie auch mit welchen
Mitteln Tiere getötet werden dürfen.
Davon ist man in Bezug auf den Fetozid weit entfernt: Es gibt keine
gesetzliche Regelung, die bei der ärztlichen Eingriffsvornahme eine
einschlägige gynäkologische oder geburtshilfliche oder eine
pränatalmedizinische Facharztausbildung vorschreibt, die für den
Fetozid bei Mehrlingsschwangerschaften wie auch beim Spätabbruch
eines Einlings, bei dem hohe fachliche Kompetenz erforderlich ist,
unabdingbar ist. Zudem zeigt das Strafgesetzbuch kein Tatmittel beim
Schwangerschaftsabbruch auf. Wie der Tod des Fetus bei einem Fetozid
herbeigeführt wird - ob durch Nabelschnurokklusion, Injektion von
Kaliumchlorid oder Lidocain, durch eine Verabreichung von Dioxin ins
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Fruchtwasser oder intrafetal - ist für die strafrechtliche Bewertung
unerheblich. Auch ob eine Schmerzausblendung des Fetus vor dem
Fetozideingriff erfolgt, ist aus strafrechtlicher Sicht nicht von
Relevanz.
Ich plädiere zumindest für eine Regelung betreffend Fetozid, welche
die gleiche Sorgfalt und Regelungstiefe wie der Tierschutz zeigt,
ein Fetenschutzgesetz in utero.
Mehrlingsreduktion bedeutet auch, dass Kinder geboren werden, die
den Schwangerschaftsabbruch eines Zwillings erleben mussten. Gibt
es Studien darüber, wie es den überlebenden Kindern damit geht?
Mir sind dazu keine validen Studien bekannt. Es gibt jedoch
Selbsthilfegruppen und Berichte von Mehrlingen, wo ein oder mehrere
Mehrlinge entweder bereits im Mutterleib verstorben sind oder
getötet wurden. Es werden Verlustgefühle beschrieben, die nicht
zuordenbar waren, solange den überlebenden Mehrlingen nicht bekannt
war, dass sie sich an der Seite von toten Geschwisterkindern im
Mutterleib entwickelt haben.
Fetozide sollen Frühgeburten bzw. Fehl-geburten der verbleibenden
Kinder vermeiden. Gibt es Daten dazu, wie oft das gelungen ist?
D.h. wie „erfolgreich “ der Fetozid in medizinischer Hinsicht
überhaupt war?
Die Abortrate bei einem Fetozideingriff ist einerseits von der
ursprünglichen Anzahl der Feten und andererseits von der
verbleibenden Anzahl der Feten einer Mehrlingsschwangerschaft
abhängig. Ob die Verringerung einer höher- beziehungsweise
höchstgradigen Mehrlingsschwangerschaft durch Fetozid die Chancen
der ausgesparten Feten hinsichtlich der Frühgeburtlichkeit erhöhen
kann, ist strittig. Entscheidend für den weiteren
Schwangerschaftsverlauf ist die Erfahrung der medizinischen
Fachkraft bei einem Fetozideingriff. Je unerfahrener der
eingreifende Mediziner, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines
Gesamtabganges der Restschwangerschaft.
Das Interview führte Helene Göschka
Rescue-IVF: Abbruch der Hormonstimulation vor Insemination oder „Verkehr
zum Optimum “ , stattdessen Umstieg auf IVF
Kryozyklen: Künstliche Befruchtung mit tiefgefrorenen Eizellen
Barbara Breunlich
Fetozid bei
Mehrlingsschwangerschaft
Medizinische, psychologische,
ethische und rechtliche Aspekte
Neue Juristische Monografien Band 75.
NWV Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien Graz 2016. 413 Seiten, € 48,80.
ISBN: 978-3-7083-1119-7
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