Präsidentin Aktuarin Kassierin Anlässe Isabell Engler Jutta Löffler Doris Alder Ester Vaglio Denise Leutwyler Dies ist eine Informations-Zusammenstellung zu einem heiklen Thema. Der Verein Zwillings-Family nimmt keine Stellung für oder gegen die Fetale Reduktion. Ausserdem können wir keine Verantwortung für die Vollständigkeit oder Korrektheit aller Informationen übernehmen. Fetale Reduktion/Selektiver Fetozid Um was geht es? Der selektive Fetozid wird manchmal als das dunkelste Kapitel der Reproduktionsmedizin bezeichnet. Aus einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft werden ein oder mehrere Feten reduziert, um den verbleibenden eine bessere Chance für ein gesundes Leben zu geben. Zu einer Schwangerschaft mit Drillingen und mehr kann es selten einmal auf natürlichem Weg kommen, meistens aber sind hormonelle Stimulationen oder IVF dafür verantwortlich. Eingenistete Embryonen können sich nochmals teilen, was auch bei der Verpflanzung von nur zweien zu höhergradigen Mehrlingen führen kann. Es gibt keine offiziellen Zahlen, wie häufig eine Reduktion vorgenommen wird, weil das Thema zu sensibel ist. Wir möchten hier nicht darauf eingehen, wie man solche Ergebnisse verhindern kann, dies ist eine ethische und/oder politische Diskussion. Wir möchten informieren, was bevorsteht, falls Sie sich in dieser Situation befinden und Ihnen eine fetale Reduktion empfohlen worden ist. Um die richtige Entscheidung treffen zu können, müssen Sie als Eltern entsprechend gut informiert sein über die Schwangerschaft, die Prognose, alternative Behandlungsmöglichkeiten und auch über die Option, nichts zu unternehmen. Was sind die Risiken? Mit klaren Zahlen belegt ist die Tatsache, dass die Gesundheitsrisiken für Mutter und Kind mit der Anzahl Feten steigt. Risiken für die Babies, um sie hier zu listen, sind: Frühgeburtlichkeit, schwierige Geburten und damit einhergehend Zerebralparese, Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten, chronische Lungenkrankheiten, Entwicklungsverzögerungen, Tod. Jedem medizinischen Fortschritt zum Trotz hat sich für Babies, die an der Grenze der Überlebensfähigkeit geboren sind, in dieser Hinsicht in den letzten 10 Jahren nicht viel geändert. Das Risiko, alle Babies zu verlieren ist ungefähr 25% für Vierlinge, 15% für Drillinge, und 8% für Zwillinge. Für die Mutter mit einer multifetalen Schwangerschaft besteht ein höheres Risiko für Bluthochdruck und Schwangerschaftstoxikose, Diabetes, Blutungen. Dazu kommt die finanzielle Belastung (Kinderbetreuung, medizinische Kosten, Haushalt), und enorme physische und psychische Belastung der Eltern. Postnatale Depression ist häufiger, ebenfalls Kindsmissbrauch, besonders wenn eines behindert ist. Scheidungen sind bei Mehrlingseltern häufiger. Das Risiko, nach einer Reduktion die Schwangerschaft doch ganz zu verlieren, entspricht etwa dem einer Zwillingsschwangerschaft ohne Reduktion. Einige Experten vermuten allerdings, dass der Nutzen des Fetozids bei Drillingen (von 3 auf 2 reduziert) für die Frühgeburtlichkeit und die damit verbundenen Behinderungen überschätzt wird, und dass die Risiken, die mit der Reduktion einhergehen, unterschätzt werden. Sie gehen davon aus, dass der grösste Vorteil wahrscheinlich die Reduktion der nachgeburtlichen Belastung für die Familie ist. Es gibt leider keine Studien, die den Ausgang der Schwangerschaften tatsächlich hieb- und stichfest vergleichen. Eine solche Studie würde die zufällige Verteilung der Patientinnen zu Reduktion oder NichtReduktion voraussetzen, und da würde niemand freiwillig mitmachen. Ob man Drillinge/Zwillinge zu einem Einling reduzieren soll, ist wieder eine andere Frage. Generell wird das Risiko einer Zwillingsschwangerschaft als akzeptabel angesehen, und das Outcome von Zwillingen gilt gelegentlich als das Familienideal mit 2 Kindern. Allerdings gibt es viele persönliche Gründe, weshalb man es doch machen möchte, und es ist möglich, und es wird auch gemacht. Wie wird es gemacht? Eltern sollten darauf aufmerksam gemacht werden, dass es die Möglichkeit gibt, die Feten für genetische Anomalien zu testen, bevor blind (nicht selektiv) reduziert wird. Eltern sollten wissen dürfen, wo so etwas gemacht werden kann, und wie lange sie dafür Zeit haben, so dass sie es in ihre Entscheidung einfliessen lassen können. Lassen Sie sich die Schweizer Gesetzgebung und die Unterschiede zu anderen Ländern erklären. Die Reduktion wird meistens um die 12. Schwangerschaftswoche vorgenommen. Man wartet so lange, um zu beobachten, wie die natürliche Entwicklung der Feten vorangeht. Der eine oder andere überlebt von selbst nicht bis 12 Wochen. Zu diesem Zeitpunkt kann man dann eine chromosomale Untersuchung der Feten machen (Chorionbiopsie), die über eventuelle Anomalien Auskunft gibt. Diese Analyse (auch "kompletter Karyotyp" genannt) dauert circa 1 Woche. Fall eine Anomalie gefunden wird, würde der entsprechende Fetus zur Reduktion empfohlen. Weitere Selektionskriterien sind die Position jedes einzelnen in der Gebärmutter, die Zugänglichkeit mit einer Nadel, sowie die Plazentasituation, da man zwei Feten, die sich eine Plazenta teilen, nur schwierig (mit einer anderen Technik) einzeln reduzieren kann. Auch haben eineiige Zwillinge, die sich die Membranen teilen, ein höheres Gesundheitsrisiko, und es kann sein, dass Ihnen empfohlen wird, zwei getrennte Feten zu behalten, und die eineiigen gehen zu lassen. Bei der Reduktion wird unter Ultraschall-Kontrolle von der Bauchwand aus 2-3ml Kaliumchlorid (KCl) mit einer Nadel in das Herz eines Feten injiziert, so dass es innert einer Minute aufhört zu schlagen und der Fetus stirbt. Der Eingriff dauert ungefährt 5 Minuten. Der so reduzierte Fetus wird nicht ausgestossen, er wird vom Körper der Mutter resorbiert. Falls sehr viel früher reduziert wird, sind andere Techniken möglich, bei eineiigen Feten wieder andere. Die verbleibende Schwangerschaft wird 1-2 Wochen danach kontrolliert. Die Entscheidung fällt meistens schwer Die Balance zwischen Risiko und Vorteil ist für jedes Elternpaar verschieden, für alle gleich ist aber das Verantwortungsgefühl und die mit der Entscheidung einhergehende Angst. Wahrscheinlich haben Sie jahrelang darauf gewartet, schwanger zu werden, und nun erwarten Sie, mithilfe der Fortpflanzungsmedizin, Drillinge, Vierlinge oder mehr. Sie müssen nun überlegen, eines oder mehrere der Babies, die so schwer zu empfangen waren, zu reduzieren (zu töten). Dies geht gegen alle Energie, Herzblut, Zeit und Geld, die investiert wurden, um überhaupt schwanger zu werden. Die Zeit, die Ihnen nun bleibt, um eine Entscheidung zur fetalen Reduktion zu treffen, ist nur sehr kurz, manchmal nur wenige Tage. Sie müssen sich nun über das Prozedere informieren, über die Risiken für die Mutter und die verbleibenden Feten, und sich geistig darauf vorbereiten, eines oder mehrere ungeborene Kinder zu verlieren (töten/abtreiben). Sie kommen unter enormen Druck, in wenigen Tagen bereit zu sein. Die Entscheidung zur Reduktion ist für viele Eltern eine „logische“, d.h. sie lassen den Kopf entscheiden und nicht das Herz, weil dieses schier daran zerbricht. Sie müssen die Trauer, Zweifel und Angstgefühle (auch wiederkehrende in den folgenden Jahren) abwägen gegen den Stress und die Belastung, die mit höhergradigen Mehrlingen auf Sie wartet. Jede betroffene Mutter oder jedes Elternpaar muss die medizinischen, ethischen, religiösen und sozioökonomischen Aspekte selbst bewerten und die für die eigene Situation beste Lösung wählen. Eltern, die sich entscheiden, die Schwangerschaft auszutragen, sollten darauf vertrauen dürfen, dass sie die bestmögliche medizinische Betreuung erwarten können, ohne Vorurteile von Seiten der Experten. In der Washington Post ist 2007 ein sehr schöner und informativer Artikel zur fetalen Reduktion von Liza Mundy erschienen. Vielleicht möchten Sie den auch gerne lesen, wenn Sie mehr über das Thema erfahren möchten. Wir haben den Artikel kopiert, für den Fall, dass er einmal nicht mehr online sein sollte, und in unseren Mitgliederbereich aufgenommen. Langzeitauswirkungen Worüber man wenig weiss und wenig lesen kann, sind die Langzeit-Auswirkungen solcher Entscheidungen auf die Eltern und nicht zuletzt die überlebenden Kinder. Gewissensbisse und Zweifel kommen sehr oft nach der Geburt. Eltern müssen oft an die ungeborenen Kinder denken, und fragen sich, welches Geschlecht diese wohl hatten und wie sie ausgesehen hätten, oder sie sehen einen ihrer überlebenden Zwillinge und müssen daran denken, dass es dieser hätte sein können. Es gibt Berichte von Eltern, die die reduzierten Feten in der Nachgeburt gesucht und gesehen haben, und sich von ihnen verabschiedet haben. Andere kreiieren ein eigenes Ritual, um der geopferten Feten zu gedenken, um ihnen einen Platz im Herzen oder im Gedächtnis einzurichten. Halten Sie an der Liebe fest, an allem Positiven, das Sie zur Entscheidung geführt hat, an der bedingungslosen Liebe der Eltern zu ihren Kindern, sowie der Kinder, auch der ungeborenen, zu ihren Eltern. Schalten Sie also das Herz nicht völlig aus. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Schmerz und die Zweifel mit der Zeit nachlassen. Trauer, sagt man, ist eine Reise und kein Ziel. Sie sind nicht allein Sie müssen wissen, dass Sie in Ihrer Situation nicht allein sind, auch wenn nicht wirklich viele Menschen mit einer solchen Entscheidung konfrontiert werden. Mehr und mehr findet man Erfahrungsberichte von anderen im Internet. Obwohl wir zur Enttabuisierung beitragen möchten, möchten wir Ihnen empfehlen, ihr Herz nicht in Online-Foren auszuschütten. Sie begeben sich dort in eine öffentlich zugängliche und wenig geschützte Sphäre und setzen sich ungewollter Einmischung aus. Begriffe wie „Risiko“, „Zumutbarkeit“, „Schwere einer Behinderung“ werden von den betroffenen Eltern, den Ärzten, von der öffentlichen Meinung verschieden gewertet. In ihrer Bekanntschaft wird man nicht viel darüber reden, es ist leider einTabu. Ihr Verlust ist in der Gesellschaft nicht sichtbar und wird von ihr als solcher nicht anerkannt. Überlegen Sie sich genau, wen Sie ins Vertrauen ziehen möchten. Falls sie mit anderen Betroffenen sprechen möchten, kontaktieren sie uns, und wir werden ihre Anfrage weiterleiten. Wir sind ziemlich sicher, dass Sie jemanden finden werden, der in der gleichen Situation war. Wie sag ich es den Kindern? Wann und wie man es den lebenden Kindern sagt, ist eines jeden persönliche Entscheidung. Bedenken Sie einfach, dass Geheimnisse in der Familie schwer zu hüten sind. Das gleiche gilt für die Tatsache, dass die Kinder mit IVF empfangen wurden. Falls man schon mit jemandem darüber gesprochen hat, ist die Chance da, dass diese Person aus Versehen einmal etwas sagt, das Sie (noch) nicht erklären wollten. Familiengeheimnisse werden manchmal in den unpassendsten Augenblicken ausgeplaudert. Es ist sicher gut, wenn Sie mit Familienmitgliedern, mit denen Sie ein enges Verhältnis haben, über die schwierige Entscheidung sprechen, wenn Sie mit Schuld- und Angstgefühlen kämpfen. Erwarten Sie aber nicht, dass diese Personen das Geheimnis für Sie hüten. Ein Kind, das von jemand anderem als von seinen Eltern ein wichtiges Stück seiner Geschichte erfährt, das ihm vorbehalten wurde, wird mit Ärger und Zweifel reagieren. Es ist für Kinder besser, von Beginn an zu wissen, dass sie einmal Teil eines Sets waren. Jedes Kind wird anders reagieren, und Sie als Eltern müssen altersentsprechende Antworten auf seine Fragen geben. Lassen Sie jedes Kind zu seiner Zeit mit der Information umgehen und machen Sie sich auf Fragen in jedem Lebensalter gefasst. Hepp H. Höhergradige Mehrlingsschwangerschaft – klinische und ethische Aspekte. Der Frauenarzt 2007, Vol. 48 (5), S. 440447 Dodd JM, Crowther CA. Reduction of the number of fetuses for women with a multiple pregnancy. Cochrane Database Syst Rev. 2012