Fetale Infektionen am Beispiel von Parvo B 19 und CMV

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Fetale Infektionen
am Beispiel von Parvo B 19 und CMV
Rainer Bald
Leitender Arzt Pränatalmedizin
Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Klinikum Leverkusen
Samstag, 4. Juni 2011
Verschiedene sonographische Hinweise
allerdings unspezifisch
•Parvo B 19, CMV, Röteln, Toxoplasmose, Malaria, Lues .....
Hydrops
Periventrikulitis
Anämie
AV-Klappeninsuffizienz
Hydrops placentae
AV-Klappeninsuffizienz
Samstag, 4. Juni 2011
Parvovirusinfektion
Samstag, 4. Juni 2011
Risiko der akuten B19-Infektion in
Schwangerschaft
Transmissionsrate: ca. 30–50 % (gesamte SS), fetale Infektion meist asymptomat.
mütterl. Infektionszeitpunkt:
<13. SSW
13.–20. SSW
>20. SSW
Gesamte SS
Risiko Hydrops fetalis
1,9 %
8,0 %
2,3 %
4,0 %
Risiko fetaler Verlust*
12,3 %
8,7 %
0%
5,7 %
Auftreten fetaler Komplikation:
* im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Ringelröteln
Samstag, 4. Juni 2011
- 50 % in den ersten 4 Wochen
- 80 % in den ersten 8 Wochen
- 95 % in den ersten 12 Wochen
M. Enders, 2008
Risikoverminderung durch
Vorsicht/-sorge
Samstag, 4. Juni 2011
Prävention der Parvovirus-B19-Infektion
vor und in der Schwangerschaft
•Keine aktive Impfung, keine Postexpositionsprophylaxe mit
Immunglobulinen, (keine antivirale Therapie)‫‏‬
•„Gezielte“ Expositionsprophylaxe nur bedingt
möglich:
•Höchste Ansteckungsgefahr vor Erkrankungsbeginn
•ca. 30% der Infektionen asymptomatisch
•Beschäftigungsverbot bis zur 20. SSW für angestellte
Schwangere mit nicht ausreichender Immunität
•in allen Bundesländern in vorschulischer Kinderbetreuung
•in Ba-Wü und NRW auch für Lehrerinnen in Grundschulen
FAZIT: Befristetes Beschäftigungsverbot in den ersten 20 SSW
gerechtfertigt, da Hauptrisiko für fetale Komplikationen bei
akuter Infektion 13.–20. SSW
Samstag, 4. Juni 2011
Intrauterine Therapie
1963 wurde die RH-Inkompatibilität die erste
intrauterin behandelbare fetale Erkrankung,
nachdem Liley1 die erste intrauterine
intraperitoneale Transfusion durchführte
1 Liley AW. Iintrauterine Transfusion of Foetus in haemolytic disease. Br Med J 1963; 2:1107.
Samstag, 4. Juni 2011
Cordocentese
1984 bis heute
Samstag, 4. Juni 2011
Parvo B 19 Infektion, 20+4 SSW
14,0
Hb P1
13,3
Hb Pe
12,7
12,1
11,9
10,8
10,5
9,1
8,9
7,9
7,0
7,6
6,5
6,0
5,1
6,6
5,3
3,8
3,5
1,1
0
20+4
Samstag, 4. Juni 2011
21+0
21+6
22+3
23+0
23+5
24+5
25+5
Parvo B 19 Infektion, 20+4 SSW
Thrombos P1
Thrombos P2
550
488,0
487,0
464,0
501,0
474,0
493,0
489,0
443,0
440
330
220
110
0
8,0
20+4
Samstag, 4. Juni 2011
20,0
21+0
12,0
21+3
33,0
21+6
54,0
22,0
22+3
23+0
46,0
23+5
53,0
24+5
B19-Infektion in der Schwangerschaft –
Fortschritte (Erfahrungen 1987–2008, Enders/Bald)
•Fetales Risiko (Hydrops fetalis, Verlustrate)
➠ kleiner als früher beschrieben (prosp. Studien)‫‏‬
•Bisher kein erhöhtes Missbildungsrisiko festgestellt
➠ keine Indikation für SS-Abbruch
•Verbesserte nicht-invasive Anämiediagnostik
(Farbdoppler)
•fetale Therapie mit Erythrozyten- und
Thrombozytenkonzentraten
⇒ schnelle Therapie senkt fetale Verlustrate
•Bisher keine Auffälligkeiten bei Neugeborenen, die
intrauterin therapiert wurden bis auf eine Studie von
Nagel 2010:
•neuromotorische Spätfolgen bei (5/16) intrauterin
transfundierten Kindern entdeckt im Alter von 6
Monaten bis 7 Jahre
Samstag, 4. Juni 2011
Study
N=
Total fetal loss Loss < 20 wks
Anand, A, et al.
N Engl J Med 1987
6
Schwartz, TF, et
al. Lancet 1988
34
7
Rodis, JF, et al. Am J
Obstet Gynecol 1990
39
2
British Working Party,
BMJ 1990
186
Guidozzi, F, et al. J
Reprod Med 1994
Gratacos, E, et al.
J Infect Dis 1995
Enders, M. et al
Prenat Diagn
2004
Samstag, 4. Juni 2011
Loss > 20 wks Hydrops
2
7
10
2
0
0
30
27
3
1
63
1
1
0
0
60
5
5
0
0
1018
64
64
0
40
Cytomegalie-Infektion
Samstag, 4. Juni 2011
Hintergrund
Samstag, 4. Juni 2011
CMV-Infektion
Bekanntheitsgrad ist immer noch gering
•bei Ärzten
•bei medizinischen Berufen
•in der Öffentlichkeit
Bedeutung
•Häufigste infektiöse Ursache mentaler Retardierung und
nicht erblicher Taubheit
•Nicht selten unsachgemäße/insuffiziente Beratung
•der Schwangeren mit Überbewertung des Risikos
•Schwangerschaftsabbruch
•der Eltern eines asymptomatisch kongenital infizierten Kindes
•fehlender Hinweis auf mögliche Spätschäden
• Hörschäden werden erst spät entdeckt
Samstag, 4. Juni 2011
Labordiagnostik,
Ultraschalldiagnostik und MRT
Samstag, 4. Juni 2011
Art der CMV-Infektion und
Konsequenzen für den Feten
CMV seronegativ
-nicht immun-
CMV seropositiv
-immun-
rekurrierende Infektion
Inzidenz unbekannt
Primärinfektion
Inzidenz 1-4%/Jahr
35-40% kongenital
infizierte Neugeborene
13%
symptomatisch
bei Geburt
87%
asymptomatisch
bei Geburt
40-58%
Langzeitschäden
13,5%
Spätmanifestationen
Hörverlust
kognitive Störungen
Samstag, 4. Juni 2011
~1% kongenital
infizierte Neugeborene
bei seropositiven Müttern
~ ≤ 1%
symptomatisch
bei Geburt
und
~8%
Spätmanifestationen
Enders 11/2008
Klinische Manifestationen beim Neugeborenen
mit kong. CMV-Infektion bei Geburt
13% aller kongenital infizierten Kinder
davon Mortalität (erste 6 LW.): ~4%
Art der Symptome bei Geburt (%der Überlebenden)
ZNS Symptomatik (bei 72% ein bis
mehrere Symptome:
Systemische (meist transiente):
Frühgeburt (<38 SSW)
34%
Mikrozephalie
~40%
geringes Geburtsgewicht
47%
Intracranielle Verkalkungen
~43%
Petechien
~54%
neurologische Auffälligkeiten
~26%
Thrombozytopenie
~54%
Lethargie/Trinkschwäche
~25%
Hepatosplenomegalie
Ikterus
Pneumonie
Samstag, 4. Juni 2011
44-47%
36%
~11%
Krämpfe
~7%
Hördefekte
~41%
Chorioretinitis
~11%
Spätmanifestationen bei CMV-kong. infizierten
Säuglingen mit/ohne Symptomatik bei Geburt
Art der
Spätmanifestation
Symptomatisch
bei Geburt
Asymptomatisch
bei Geburt
Hörverlust (bis zu 6 Monate)
41-58%
7,4%
Hörverlust bilateral
37%
2,7%
Sprachstörungen
27%
1,7%
Chorioretinitis
(mit/ohne Optikusatrophie)
20%
2,5%
Sehstörungen
22%
2,7%
IQ < 70
55%
3,7%
Mikrozephalie
(mit Krämpfen und
Paresen)
52%
2,7%
~40-58%
~13,5%
Samstag, 4. Juni 2011
CMV – mögliche präventive Maßnahmen
für seronegative Schwangere
Zurzeit nur: Expositionsprophylaxe vor allem durch
hygienische Maßnahmen!
Passive Prophylaxe durch CMV-Hyperimmunglobulin
(HIG) an Seronegative bei beruflich engem Kontakt zu
Virusausscheidern, v.a. aus forensischen Gründen
möglich, aber Erfordernis fraglich
Impfung (abgeschwächte Lebendimpfstoff oder
Subunit–Vaccine) steht in absehbarer Zeit nicht zur
Verfügung
Samstag, 4. Juni 2011
Beschäftigungsverbot für
angestellte CMV-seronegative Schwangere
Beachte:
Seronegativrate im gebärfähigen Alter in Deutschland
ca. 55 % !
Derzeitige Regelung:
Für angestellte CMV-seronegative Schwangere
Beschäftigungsverbot in der Kinderbetreuung in fast
allen Bundesländern:
➠ gesamte SS: bei Betreuung von Kindern ≤ 3. LJ
➠ Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen:
Freistellung vom Wickeln bei Kindern > 3 LJ
(dann kein Beschäftigungsverbot)
Samstag, 4. Juni 2011
CMV-HIG zur Prävention kongenitaler
CMV-Infektionen (nach Nigro)
•Die Gabe von HIG an Mütter mit Serokonversion
reduziert signifikant das Risiko einer
Virustransmission auf den Feten
•Die Gabe von HIG an Mütter mit intrauterin
infizierten Feten reduziert signifikant das Risiko einer
symptomatischen Erkrankung bei Geburt
aber
• Der beste Weg der Applikation (an die Mutter, an
den Feten, in das Fruchtwasser) blieb unklar
• Die Studie war nicht randomisiert und die Zahl der
Patientinnen war klein
Samstag, 4. Juni 2011
CMV-HIG for Behandlung von intrauterin
infizierten Feten (nach Nigro)
•Es gab keine Daten über die HIG-Konzentration in
den verschiedenen Kompartimenten (Mutter, Fet,
Fruchtwasser)
•Es wurden die verschiedenen Wege der
Applikation nicht verglichen (Gabe über die
Mutter, Gabe an den Feten oder in das
Fruchtwasser)
•Es gibt keine Aussage zur Behandlung der
Plazenta (durch HIG oder durch Virustatika)
•Die Kosten des HIG ist bei Gabe an die Mutter
unvergleichlich größer, als bei Gabe an den
Feten (6.000-12.000 € gegenüber 500-1.000 €)
Samstag, 4. Juni 2011
CMV-Therapie - Fragen
• Wie verteilt sich CMV Hyperimmunglobulin in
verschiedenen fetalen Kompartimenten nach
der Applikation?
• Übertritt (aktiv/passiv) von der Mutter auf den
Feten?
• bei Gabe an den Feten
• Rücktransport (aktiv/passiv) in die Mutter?
• Ist die Cordozentese im Rahmen der
Behandlung sinnvoll?
• Ist eine „antivirale Therapie“ möglich und
sinnvoll?
Samstag, 4. Juni 2011
CMV-Therapie - unbelegte Thesen
•Immunglobuline werden aktiv von der Mutter
über die Plazenta auf den Feten übertragen und
dort konzentriert
•Immunglobuline werden aus dem Fruchtwasser
aktiv über den FC-Rezeptor im Darm des Feten
in seinen Kreislauf aufgenommen
•CMV-Hyperimmunglobulin diffundiert passiv aus
dem fetalen Kompartiment in das mütterliche
Kompatiment und wird dabei „verdünnt“
•Eine Cordozentese im Rahmen einer CMVTherapie bringt keinen Nutzen und ist ein
unnötiges, hohes Risiko für den Feten
Samstag, 4. Juni 2011
„Off-label“ Gabe von CMV-Hyperimmunglobulin
Cytotect® CP bei primärer CMV-Infektion in der
Schwangerschaft:
Maternale und/oder fetale Applikation ?
Rainer Bald1, Gisela Enders2, Silke Jacob1, Yvonne
Schimpf2, Simone Exler2, Ursula Bäder2, Martin Enders2
(1) Klinikum Leverkusen, Pränatalmedizin, 51375 Leverkusen, Germany
(2) Labor Prof. G. Enders und Partner, 70193 Stuttgart, Germany
Samstag, 4. Juni 2011
Schematische Darstellung der humoralen
Immunantwort nach postnataler Primärinfektion mit
Cytomegalovirus
idität
hohe Av
.
> 20 Wo
IgG
IgM
IgGAvidität
gB2 (EIA)
t
tä
i
id
v
A
e
ig .
r
d Wo
e
i
n 20
<
cut-off
negativ
0
2
4
negativ
6
8
10
12
14
16
18
20
Wochen nach Infektionsbeginn
Samstag, 4. Juni 2011
22
24
Schlussfolgerungen
1. Die hochdosierte Gabe von HIG an die Mutter
(< 26. SSW) führt nicht zu messbaren anti-CMV gBIgG Spiegeln in der fetalen Zirkulation
•Keine passive Immunisierung des Feten
•Keine antivirale / immunmodulat. Wirkung im fetalen
Kompartiment
2. Nach hochdosierter intrauteriner i.v. Applikation sind
anti-CMV gB-IgG über mindestens 4 Wochen in der
fetalen Zirkulation nachweisbar
•Bislang keine Studien zur fetalen i.v.-Gabe - klinischer
Nutzen
•Kein reverser Transport vom Feten zur Mutter
Samstag, 4. Juni 2011
Veröffentlichte Fakten
Teratogenität
• in Tierversuchen wurden teratogene Effekte
bei hohen Dosierungen beobachtet
aber
Aciclovir: eine Studie mit 20 Probandinnen
(zweites und drittes Trimenon) zeigte keine
teratogenen Effekte
Ganciclovir: 4 Fallberichte (2 im ersten Trimenon)
zeigte keine teratogenen Effecte
Brady, RC et al.: Pediatr Infect Dis J 2002
Miller, BW: Transplantation 1995
Pescovitz, M: Transplantation 1999
Puliyanda, DP: Transpl Infect Dis 2005
Samstag, 4. Juni 2011
Samstag, 4. Juni 2011
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