Schadstoffminderung im Städtebau

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ExWoSt-Informationen
zum Forschungsfeld
Schadstoffminderung
im Städtebau
14.8
Mehr Klimaschutz im Städtebau
durch Qualitätsmanagement
Fachtagung im Vorfeld von URBAN 21
– Weltkonferenz zur Zukunft der Städte –
im Juli 2000 in Berlin
Experimenteller Wohnungs- und
Städtebau
ein Forschungsprogramm des
Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen
betreut vom
Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung
Forschungsfeld „Schadstoffminderung im Städtebau“
Forschungsfeldbetreuung
Forschungsassistenz
Bundesamt für
Bauwesen und Raumordnung
Projektleitung:
Dr. Gerhard Wagner
Postfach 20 01 30
53131 Bonn
Telefon: (02 28) 82 63 09
Telefax: (02 28) 82 62 66
B.&S.U.
Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH
Dr. Armand Dütz
Dipl.-Ing. Doris Lorenz
Postfach 21 02 28
10559 Berlin
Telefon: (0 30) 39 04 2–0
Telefax: (0 30) 39 04 2–31
Herausgeber, Herstellung, Selbstverlag
und Vertrieb
Bundesamt für
Bauwesen und Raumordnung
Postfach 20 01 30
53131 Bonn
Telefon: (02 28) 82 62 09
Telefax: (02 28) 82 62 66
Die vom Autor vertretene Auffassung ist nicht
unbedingt mit der des Herausgebers identisch.
Nachdruck nur mit genauer Quellenangabe gestattet.
Es wird um Zusendung von 2 Belegexemplaren gebeten.
Bearbeitung
Doris Lorenz
Jürgen Rummel
Zitierweise
Schriftleitung
Wendelin Strubelt
Hans-Peter Gatzweiler
ExWoSt-Informationen zum Forschungsfeld
„Schadstoffminderung im Städtebau” Nr. 14.8
Auslieferung: März 1999
ISSN 0937-1664
Inhalt
Seite
Vorwort
Begrüßung
Dr. Sven von Ungern-Sternberg
Eröffnung
III
V
Lothar Meyka
Mehr Klimaschutz im Städtebau durch Qualitätsmanagement. Schadstoffminderung als Baustein
einer nachhaltigen Stadtentwicklung
Themenblock 1
1
Qualitätsstandards in städtebaulichen Planungsverfahren
Dr. Sven von Ungern-Sternberg
Planung und Umsetzung eines neuen Stadtteils als Niedrigenergiestadt: Freiburg-Rieselfeld
2
Gunter Amesberger
Planung und Umsetzung eines neuen Stadtteils als Solarstadt: Linz-Pichling (Österreich)
4
Dr. Günter Braun
Umsetzung stadtplanerischer Qualitätsstandards aus der Sicht eines Investors in Freiburg-Rieselfeld
6
Katrin Fahrenkrug
Umsetzung von Qualitätsstandards im kombinierten Architekten-Bauträger-Gutachter-Wettbewerb:
Modellvorhaben Greifswald-Ostseeviertel Ryckseite
8
Themenblock 1: Ergebnisse
11
Themenblock 2
13
Qualifizierung und Qualitätskontrolle bei Planung und Bauausführung
Werner Eicke Hennig
Innovative Aus- und Weiterbildungsprogramme für Architekten, Ingenieure und Handwerker.
Erfahrungen aus dem IMPULS-Programm Hessen
14
Klaus Siegl
Qualitätssicherung und Vermarktung als Aufgabe der Information und Beratung.
Modellvorhaben Freiburg-Rieselfeld
16
Hans-Peter Kubach
Qualitätskontrolle bei der Planung und Umsetzung durch die Bauaufsicht
18
Themenblock 2: Ergebnisse
21
Themenblock 3
23
Qualifizierung und Qualitätskontrolle bei Planung und Bauausführung
Norbert Fisch
Solarunterstützte Nahwärmeversorgung in Neubausiedlungen
24
Jost Eberhard
Solare Optimierungspfade für Neubausiedlungen. Modellvorhaben Saarbrücken - Franzenbrunnen
26
Wilfried Rahe
Solarsiedlung und Wirtschaftlichkeit aus der Sicht des Investors
28
Gisela Stete
Möglichkeiten der Schadstoffminderung im Verkehrsbereich in städtebaulichen Wettbewerben
31
Gerd Würdemann
Anforderungen an den Verkehr im Städtebau
34
Silvia Weiß
Engagement für Qualitäten zwischen Neubau und Sanierung
37
Helmut Asche
Motivation eines Wohnungsunternehmens zur Erschließung hoher Schadstoffminderungspotentiale
im Alt- und Neubau
39
Klaus Müschen
Einsatz von Kontrollinstrumenten im Rahmen privatwirtschaftilcher Betreibermodelle
42
Achim Zielke
Neues industrielles solares Bauen in Fertigbauweise
44
Themenblock 4
49
Qualitätsvereinbarungen in der städtebaulichen Entwicklung
Manfred Fuhrich
Qualitätsvereinbarungen als Instrument der Erfolgskontrolle städtebaulicher Entwicklung
50
Harald Kissel
Qualitätsverbesserung bei Maßnahmen der Schadstoffminderung durch lokale Agenda 21: Viernheim
52
Beate Weber
Qualitätsvereinbarungen zur Schadstoffminderung als „Stadt der Zukunft“: Modellstadt Heidelberg
54
Themenblock 4 : Ergebnisse
57
Themenblock 5
59
Qualitätssicherung im baulichen Wärmeschutz
Herbert Ehm
Von der Wärmeschutzverordnung zur Energiesparverordnung
60
Conrad U. Brunner
Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes und Erfahrungen mit der Qualitätssicherung
in der Schweiz
62
Claus Kahlert
Qualitätsfallen auf dem Weg zur Niedrigenergiebauweise
65
Hans Peters
Chancen und Perspektiven der Baustoffhersteller bei Einführung der Energiesparverordnung
67
Elisabeth Scholdra
Die neue Energiesparverordnung im Verhältnis zum Nutzerverhalten
69
Gerd Hausen
Schadstoffminderung im Altbau. Vernachlässigte Zukunftschancen
72
Themenblock 5: Ergebnisse
75
Exkursionen
Exkursion 1
Empfang der Stadt-Freiburg im Stadtteil Rieselfeld, Kepler-Gymnasium
78
Exkursion 2
Besichtigung der Övolutionshäuser in Durbach-Ebersweiher
79
Exkursion 3
Solartour in und um Freiburg i.Br.
81
Vorwort
Um die im Rahmen des Forschungsfeldes gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen des
Qualitätsmanagements beim Planen und Bauen der Fachöffentlichkeit zu präsentieren
und gemeinsam zu diskutieren, veranstaltete das Bundesministerium für Raumordnung,
Bauwesen und Städtebau vom 18. – 20. Mai 1998 ein Seminar in Freiburg im Breisgau zum
Thema „Mehr Klimaschutz im Städtebau durch Qualitätsmanagement – Schadstoffminderung als Baustein einer nachhaltigen Stadtentwicklung”. Über das Forschungsfeld hinaus
wurden zudem externe Forschungs- und Praxiserfahrungen aus dem In- und Ausland vorgestellt.
Diese Fachtagung im Vorfeld von URBAN 21 – der Weltkonferenz zur Zukunft der Städte –
im Juli 2000 in Berlin, trägt gleichzeitig zur Umsetzung der Ergebnisse der Weltsiedlungskonferenz HABITAT II, die im Juni 1996 in Istanbul stattfand, auf nationaler Ebene bei.
Der Themenkomplex qualitätssichernder Maßnahmen bei der Planung und Umsetzung
klimaschützender Maßnahmen im Städtebau wurde unter dem Blickwinkel der folgenden
fünf Themenschwerpunkte näher betrachtet:
– Qualitätsstandards
im städtebaulichen Planungsverfahren
– Qualifizierung und Qualitätskontrolle
bei Planung und Bauausführung
– Qualitätssicherung
in einzelnen städtebaulichen Handlungsbereichen
– Qualitätsvereinbarungen
in der städtebaulichen Entwicklung
– Qualitätssicherung
im baulichen Wärmeschutz
Freiburg im Breisgau wurde bewußt als Tagungsort gewählt, da hier am Beispiel des Niedrigenergie-Stadtteils Freiburg/Rieselfeld die Qualitätsanforderungen auf dem Weg vom
Grundsatzbeschluß der städtebaulichen Entwicklung bis hin zur Realisierung der Stadtstrukturen und Gebäude modellhaft durchlaufen wurde. Sowohl die Optimierung als auch
die Umsetzung schadstoffmindernder Maßnahmen sind hier anschaulich und authentisch
erfahrbar. Exemplarisch für das Forschungsfeld präsentierten neben dem Modellvorhaben Freiburg i.Br. die Modellvorhaben Greifswald, Mainz sowie Nauen und Saarbrücken
Ergebnisse einzelner Elemente des Qualitätsmanagements.
Parallel zur Vortragsreihe wurde die Tagung begleitet von einer Ausstellung über städtebauliche Projekte und über Handlungsfelder des kommunalen Klimaschutzes sowie Komponenten der solaren Energienutzung. Exkursionen zur Besichtigung des NiedrigenergieStadtteils Freiburg/Rieselfeld, der Övolutionshäuser Weberhaus in Durbach-Ebersweiher
sowie von solaren Projekten in der Stadt Freiburg und der Vorführung eines Prüftests zur
Luftdichtigkeit der Gebäudehülle (Blower-Door-Verfahren) ergänzten die Fachvorträge
durch praktische Beispiele.
Gerhard Wagner
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
III
Dr. Sven von Ungern-Sternberg
Bürgermeister von Freiburg i.Br.
bei der Eröffnung der Fachtagung
(Quelle: B.& S.U., Berlin)
Begrüßung
Bereits Mitte der 80er Jahre war die Stadt Freiburg bei der
Erarbeitung des lokalen Energieversorgungskonzeptes in
einem Forschungsfeld des Bundesministeriums für
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau sowie des Bundesministeriums für Forschung und Technologie beteiligt. Freiburg gehörte nun wiederum zu den bundesweit
zwölf Modellstädten im Rahmen des Forschungsfeldes
„Schadstoffminderung im Städtebau” und hat dabei am
Beispiel des neuen Stadtteils Rieselfeld integrierte Konzepte der Siedlungs-, Gebäude- sowie Versorgungs- und
Verkehrsplanung untersucht. Für den Aufbau dieses derzeit größten baden-württembergischen Siedlungsvorhabens und ebenso für das Konversionsprojekt der Umgestaltung der früheren französischen Vauban-Kaserne zu
einem neuen Stadtteil gibt diese Untersuchung wertvolle Hinweise und Anregungen und eröffnet einen interessanten Dialog zwischen Planern, Bauherren und Projektforschern.
Seit jeher hat ein wirksamer Klimaschutz mit dem Ziel
der CO2-Reduzierung einen hohen Stellenwert in der
Stadtpolitik. Das lokale Energieversorgungskonzept der
Stadt Freiburg setzt neben der Forderung nach Energieeinsparung auf den Einsatz umweltfreundlicher und regenerativer Energieträger und -verfahren. Freiburg ist
Mitglied im „Klimabündnis” und gehört zu den Erstunterzeichnern der sog. „Saitama-Deklaration”, welche die
Städte zu einer nachhaltigen Reduktion der CO2-Emissionen verpflichtet. Diesen weltweit anerkannten Zielsetzungen sind das Bürgermeisteramt und der Gemeinderat mit einem Bündel von Maßnahmen inzwischen
nähergekommen.
In der Umsetzung dieser Grundsatzentscheidungen fördert die Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken und privaten Partnern durch eigene Programme und günstige
Einspeisevergütungen den Einsatz der Solarenergie.
Freiburg gehört heute in der Zahl und Leistung der installierten Sonnenkraftwerke bundesweit zu den führenden Städten. Der vom Gemeinderat beschlossene
Grundsatz der Niedrigenergiebauweise findet inzwischen auch bei anderen Neubauvorhaben Anwendung
und hat Modellcharakter für künftige Standards.
Weitere Bausteine des Energieversorgungskonzepts sind
der Einsatz von Blockheizkraftwerken zur Fernwärmeversorgung sowie der Bau eines Wärmeverbundkraftwerkes in Public-Private-Partnership mit einem Freiburger
Industrieunternehmen. Diese Anlage führt zu einer erheblichen Reduzierung der Schadstoffbelastung als ein
Quantensprung im Klimaschutz und steigert den Anteil
der Eigenstromerzeugung auf fast 50 % als ein wichtiger
Schritt zur Rekommunalisierung der Energieversorgung.
Beispielhaft sind schließlich der Freiburger zeitvariable
Direktpreistarif für elektrische Energie sowie die Ausstattung der Haushalte mit Energiesparlampen zu nennen,
welche Stromsparen belohnen und zu deutlichen Verbrauchsrückgängen geführt haben.
Die hier genannten Beispiele haben vielfältige ökonomische, ökologische, städtebauliche und soziale Wechselwirkungen und Auswirkungen auf unser Siedlungsvorhaben Rieselfeld und Vauban-Kaserne. Gemeinderat und
Bürgermeisteramt nehmen von der Fachtagung „Mehr
Klimaschutz im Städtebau durch Qualitätsmanagement”
sowohl Anregungen für die eigenen Planungsprozesse
mit und hoffen, daß die Freiburger Beispiele in anderen
Kommunen Impulse für integrierte Planungsprozesse
geben.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
V
Lothar Meyka,
Referatsleiter im BMBau
beim Grundsatzreferat
(Quelle: B.&S.U., Berlin)
Eröffnung
Mehr Klimaschutz im Städtebau durch Qualitätsmanagement
– Schadstoffminderung als Baustein einer nachhaltigen Stadtentwicklung –
1. These:
Ein wirksamer Klimaschutz zählt zu
den zentralen Handlungsfeldern einer
nachhaltigen Entwicklung.
3. These:
Ungeachtet der positiven Zwischenbilanz sind
zusätzliche Anstrengungen notwendig, um das
nationale Klimaschutzziel zu erfüllen
Die Zukunft der Menschheit und ihrer natürlichen
Lebensgrundlagen wird davon abhängen, inwieweit es
gelingt, eine nachhaltige Entwicklung zu gestalten.
Für die Erfüllung des Reduktionszieles von 25 % im Jahr
2005 sind weitere Schritte notwendig, die sich auf das
gesamte Spektrum des nationalen Klimaschutzprogramms beziehen, wie ökonomische Instrumente, ordnungsrechtliche Anforderungen, Forschung und Entwicklung sowie weitere flankierende Maßnahmen.
2. These:
Die internationale Vorreiterrolle Deutschlands
im Klimaschutz wird wesentlich getragen von einer
innovativen, marktwirtschaftlich orientierten Politik
Die Bundesregierung setzt bei ihrer Klimaschutzpolitik
auf das Konzept der ökologischen und sozialen Marktwirtschaft. Die Kräfte des Marktes sollen für den Klimaschutz aktiviert und genutzt werden. Insoweit dienen
Gebote und Verbote als Ordnungsprinzip nur der wirkungsvollen Abwehr unmittelbarer Gefahren. Im Mittelpunkt steht die Verantwortung des einzelnen, die auch
durch entsprechende staatliche Anreize mobilisiert werden soll.
Mit über 150 Maßnahmen ist die CO2-Reduktion seit
1990 systematisch vorangetrieben worden. Blickt man
auf das Verhältnis der energiebedingten CO2-Emissionen
zum Bruttoinlandsprodukt, so sanken zwischen 1990
und 1996 die CO2-Emissionen in Deutschland um 19 %.
Damit wurden Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch entkoppelt. International gibt es kein vergleichbares Industrieland, das so viel an CO2-Reduktion erreicht hat.
Neben den Bereichen Energieversorgung, Verkehr, neue
Technologien sowie Landwirtschaft und Forsten spielt
der Gebäudebereich für die CO2-Minderung eine besonders wichtige Rolle. Fast ein Drittel der gegenwärtig in
Deutschland durch Verwendung fossiler Energieträger
entstehenden CO2-Emissionen (rd. 900 Mio. t/a) entfällt
auf den Gebäudebereich (Heizungs- und Klimaanlagen,
Warmwasserbereitung). Beim Endenergieverbrauch sind
es sogar rund 37 %. Weitere wichtige Schritte zur Energieeinsparung und CO2-Reduzierung im Gebäudebereich sind die Novellierung der Heizungsanlagen-Verordnung, die Novellierung der Wärmeschutzverordnung
sowie die Fortführung und Aufstockung der vier Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
4. These:
Klimaschutz schafft und sichert Arbeitsplätze
insbesondere im Gebäudebereich
Modernisierungs- und Instandsetzungsinvestitionen,
die zugleich wesentlich der Energieeinsparung und CO2Minderung dienen, sind ein stabilisierender Faktor des
Schadstoffminderung im Städtebau
VI
Bau- und Wohnungsmarktes. Der Anteil am gesamten
Wohnungsbauvolumen lag 1997 bereits bei 50 % gegenüber rund 25 % im Jahre 1970. Künftig werden Modernisierungs- und Sanierungsinvestitionen in den Wohnungsbestand noch an Bedeutung gewinnen, da der
Instandsetzungsbedarf bei rund 164 Mrd. DM liegt. Mit
den Maßnahmen zur CO2-Minderung im Gebäude
bereich verbinden sich daher bedeutende Beschäftigungschancen im Bereich des Umweltschutzes und des
Baugewerbes, die auf jährlich rund 75 000 Arbeitsplätze
bis etwa 2010 geschätzt werden, vor allem bei kleinen
und mittleren Betrieben vor Ort.
5. These:
Die neue Energieeinsparverordnung setzt
wichtige Maßstäbe im qualitativen Bereich
Im Zuge der Vorarbeiten an der Novelle ist allen Beteiligten schnell klar geworden, daß eine Fortschreibung der
Wärmeschutzverordnung nicht bei einer bloßen Verschärfung der Anforderungen stehenbleiben kann. Vielmehr ist eine qualitative Weiterentwicklung geboten:
– durch einen nach einheitlichen Kriterien ermittelten
Grenzwert für den Energiebedarf des Gebäudes;
– durch eine Anbindung der Verordnung an die Europäische Norm EN 832, die hilft, die Vorschrift von
„technischem Ballast” zu befreien, und gleichzeitig
der europäischen Marktöffnung im Baubereich dient;
– durch Übergang der Anforderungsmethodik auf energiebezogene Kennwerte mit dem Ziel, daß ein umfassender Energiepaß für das Gebäude entsteht.
Es muß sichergestellt werden, daß die energetischen
Nachweise und damit die Energiepässe von sachkundigen Stellen und in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Gebäudeausführung aufgestellt werden. Das
Energieeinsparungsgesetz, auf dessen Grundlage die
Wärmeschutz- und die künftige Energieeinsparverordnung erlassen werden, enthält die Voraussetzungen für
eine Übertragung der Vollzugsaufgaben auf Sachverständige.
Eine weitere Dimension der Qualitätssicherung betrifft
die verwendeten Bauprodukte, insbesondere ihre energetischen Eigenschaften. Die neue Energieeinsparverordnung soll gewährleisten, daß nur gesicherte
Eigenschaften der energierelevanten Produkte zur Anrechnung zugelassen sind.
6. These:
Qualitätsmanagement und
Qualitätsstandards sind für den Bund als Bauherr
der Regierungsbauten in Berlin ein wichtiges Thema
Die Bundesregierung hat sich verpflichtet, bei Neu- und
Umbaumaßnahmen in ihren Liegenschaften den Energieverbrauch vorbildlich zu senken. Hilfreich für die
Umsetzung dieser Zielsetzung waren folgende Punkte:
– Fester Bestandteil von Wettbewerbsauslobungen war
ein „Leitfaden zur energetischen, ökologisch und wirtschaftlich ausgewogenen Gestaltung der Neubauten
–
–
–
–
–
des Bundes in Berlin”;
die Überprüfung der Einhaltung der energetischen
Vorgaben durch einen unabhängigen Energiebeauftragten;
eine Deckung von 15 % des Energiebedarfs der Gebäude aus regenerativen Quellen, soweit dies in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht vertretbar ist;
eine Unterschreitung der Energieverbrauchswerte der
Wärmeschutzverordnung 1995 um 20 bis 40 %;
die Erarbeitung eines ganzheitlichen Energiekonzeptes für jede Liegenschaft, mit dem Ziel der Minimierung des Energiebedarfs, geringer Umweltbelastung
und Nutzung erneuerbarer Energien;
die Schaffung eines Energieverbundes für die Parlamentsbauten im Spreebogen mit Blockheizkraftwerken auf Rapsölbasis, unterstützt durch zwei AquiferSpeicher, die innerhalb des Energieverbundes eine
saisonale Verlagerung von überschüssiger Abwärme
und Umweltkälte ermöglichen;
– die Errichtung aktiver solarer Anlagensysteme durch
die Installation von über 11 000 m² Photovoltaik zur
Stromerzeugung und ca. 800 m² Solarkollektoren für
die Warmwasserbereitung.
7. These:
Energiecontracting eröffnet neue Perspektiven
für effizientes Energiemanagement
auf Bundesliegenschaften
Mit Contracting-Modellen können in vielen Bereichen
(z. B. Liegenschaften der öffentlichen Hand, Krankenhäuser, kleine und mittlere Unternehmen) unterschiedliche Hemmnisse (z. B. Trennung zwischen Vermögensund Verwaltungshaushalt, ausgeschöpfte Kreditlinien)
abgebaut werden.
Beim Energiecontracting wird privates Kapital und Wissen eingesetzt, um den Energieverbrauch und damit die
CO2-Emissionen von Gebäuden über ein effizientes Energiemanagement zu senken. Hierfür eignen sich insbesondere hochtechnisierte Liegenschaften, rd. 100 zivile
Liegenschaften des Bundes kommen in Betracht. Das
Gesamteinsparpotential wird auf 20 bis 30 Mio. DM/a geschätzt, das Investitionsvolumen der Firmen wird bei
100 Mio. DM liegen, die erwarteten Umweltentlastungen
entsprechen den um 20 bis 30 % verringerten Energieverbräuchen.
8. These:
Modellvorhaben ebnen den Weg für
einen fortschrittlichen klimaschützenden Städtebau
Eine besondere Schrittmacherfunktion erfüllen Pilotprojekte, die neue Entwicklungen anstoßen, wie die zwölf
Modellvorhaben, die im Rahmen des Ressortforschungsprogramms „Experimenteller Wohnungsund Städtebau” die Aufgabe hatten, integrierte Konzepte
von Siedlungs-, Gebäude- sowie Versorgungs- und Verkehrsplanung unter dem Oberziel der CO2-Minderung zu
entwickeln und zu erproben. Für das Forschungsfeld
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
konzentrierten sich die Maßnahmen zur Schadstoffminderung auf den Energiebedarf und die Wärmeversorgung
sowie den Verkehr. Siedlungsstruktur und Raumnutzung
bieten zahlreiche Ansatzpunkte für eine langfristige Minderung der energetischen Nachfrage und den Einsatz
schadstoffmindernder Techniken.
Ziel der dreijährigen Forschungs- und Erprobungsphase
war zum einen die Überprüfung und Weiterentwicklung
der relevanten Rahmensetzungen des Bundes im Städtebau und Wohnungswesen und zum anderen die Entwicklung und Erprobung beispielhafter Lösungswege zu
Gunsten der Energieeinsparung und Schadstoffminderung.
9. These:
Das fortentwickelte Raumordnungs- und Städtebaurecht
des Bundes sichert den Rahmen für eine zukunftsfähige
Raum- und Siedlungsentwicklung unter dem Aspekt
der Energieeinsparung und CO2-Minderung
Mit der Novellierung des Städtebau- und Raumordnungsrechts zum 01.01.1998 wurden die Ziele der nachhaltigen Stadtentwicklung wirksamer verankert und die
Belange erneuerbarer Energien gestärkt. Für heute geplante Gebäude mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 80 und mehr Jahren ist davon auszugehen,
daß während der Nutzung eine grundlegende Umstellung der Energieversorgung auf regenerative Energien
einzukalkulieren ist. Zunehmend dynamisch verlaufende Entwicklungen, wie z. B. im Bereich aktiver und passiver Solarenergienutzung, müssen also verstärkte Berücksichtigung finden.
VII
10. These:
Die Modellvorhaben zeigen, daß nachhaltige
Stadtentwicklung der Schlüssel zur Mobilisierung
nennenswerter CO2-Minderungspotentiale ist
In den Modellvorhaben wurden Energiebilanzen erstellt,
die Aufschluß über den Umfang und die Wirkung der jeweiligen Maßnahmenprogramme beinhalten. Im Ergebnis lassen sich folgende Minderungserfolge festhalten:
– Die wärmetechnische Sanierung im Gebäudebestand
brachte eine CO2-Minderung von bis zu 60 bis 80 %.
– Im Neubau eröffneten flächensparende kompakte
Bauweisen ein Potential von bis zu 30 % CO2-Minderung.
– Im Verkehrsbereich konnte im Neubaubereich ein
CO2-Minderungspotential von 5 bis 6 %, im Bereich
historischer Stadtkerne von bis zu 20 % erschlossen
werden.
– Im Bereich der Energieversorgung konnte in Neubaugebieten CO2-Minderung von 20 bis 40 % erreicht werden, im Gebäudebestand wurden CO2-Minderungspotentiale von über 50 % ermittelt.
Die Modellvorhaben haben gezeigt, daß ein nachhaltiger
Städtebau in der Lage ist, durch Bündelung und Integration unterschiedlicher Maßnahmen und Bereiche Synergieeffekte zugunsten der Schadstoffminderung zu aktivieren. Voraussetzung ist allerdings ein durchgängiges
Qualitätsmanagement sowohl im Planungsprozeß als
auch bei der Bauausführung. Insgesamt wurden ausgewogene Lösungen mit Vorbildcharakter entwickelt, die
nachgefragt werden und marktgängig sind.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
1
Themenblock 1
Qualitätsstandards in städtebaulichen Planungsverfahren
Referate:
– Planung und Umsetzung eines neuen Stadtteils als Niedrigenergiestadt: Freiburg-Rieselfeld
Dr. Sven von Ungern-Sternberg, Baubürgermeister von Freiburg im Breisgau
– Planung und Umsetzung eines neuen Stadtteils als Solarstadt: Linz-Pichling (Österreich)
Gunter Amesberger, Projektmanagement „Solar City” Pichling, Linz
– Umsetzung von Qualitätsstandards im kombinierten Architekten-Bauträger-Wettbewerb:
Modellvorhaben Greifswald-Ostseeviertel
Katrin Fahrenkrug, Institut Raum & Energie, Hamburg-Wedel
– Umsetzung stadtplanerischer Qualitätsstandards aus der Sicht eines Investors
in Freiburg-Rieselfeld
Dr. Braun, Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG, Wiesbaden
Im Anschluß an das Grundsatzreferat des Bundesbauministeriums wurden im ersten Themenblock Planung
und Umsetzung der neuen Stadtteile Freiburg-Rieselfeld
als Niedrigenergiestadt und Linz-Pichling (Österreich)
als Solar-City vorgestellt. Derartige Planungen, die auch
für mittlere und kleinere Kommunen von Bedeutung
sind, können beispielhafte Antworten auf folgende Fragen geben: Nach welchen Prinzipien und welcher Zukunftsvorstellung bzw. -verantwortung soll gebaut werden, wie organisiert man den Planungs- und Bauprozeß,
die Partizipation der Bürgerschaft und wie finanziert man
das Ganze? Welche Verfahrensformen die Sicherung
von Qualitätsstandards effektiv gewährleisten, wurde
am Beispiel des kombinierten Architekten-BauträgerGutacher-Verfahrens für den Stadtteil Greifswald-Ostseeviertel aufgezeigt.
Blick auf den Stadtteil „Freiburg-Rieselfeld“
Quelle: B.& S.U., Berlin
Schadstoffminderung im Städtebau
2
Planung und Umsetzung eines neuen Stadtteils
als Niedrigenergiestadt: Freiburg-Rieselfeld
Dr. Sven
von Ungern-Sternberg
Technisches Rathaus
Fehrenbachallee 12
79106 Freiburg
Unser Ziel war, das Projekt Rieselfeld in
einer Gesamtschau der unterschiedlichen
Qualitätsziele mit all ihren Zielkonflikten
und gegenseitigen Abhängigkeiten zu entwickeln. Es galt, kurzfristige und längerfristige Auswirkungen abzuwägen, Aspekte
der Daseinsvorsorge, der Schonung natürlicher Ressourcen wie auch die ökonomischen Rahmenbedingungen zu beleuchten
und in die Entscheidungsprozesse gleichberechtigt mit einzubeziehen.
Städtebaulicher Ideenwettbewerb
Im Sommer 1991 wurde ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Ideenwettbewerb ausgelobt, um städtebauliche
Konzepte für den neuen Stadtteil mit seinen Naht- und Übergangszonen zum
Naturschutzgebiet sowie zu der bestehenden Bebauung zu finden. Der preisgekrönte Entwurf gruppiert um die mittig durch
das Gebiet geführte Stadtbahn eine
dichte sonnenorientierte Blockrandbebauung, die sich zu den Stadträndern hin auflöst. Entlang dieser Ost-West-Trasse sind
die wichtigen zentralen Infrastruktureinrichtungen angeordnet. Die Bebauung
geht von einem fünfgeschossigen Wohnbogen über zu einer klassischen Blockstruktur bis hin zu zwei- bis viergeschossigen Reihenhäusern.
Methodischer Ansatz
des Projektmanagements
Innerhalb der hoheitlichen Verwaltung
wurde, dem Baudezernenten unterstellt,
ein städtisches Projektmanagement gebildet, das ämter- und dezernatsübergreifend
die administrativen Ressourcen bündelt.
Parallel dazu tagt kontinuierlich eine gemeinderätliche „Arbeitsgruppe Rieselfeld“,
die den Vollzug der politischen Vorgaben
überwacht sowie die Entscheidungen im
Bauausschuß und Gemeinderat vorbereitet. Zugleich ist die bürgerschaftliche
Beteiligung mit dem Projektmanagement
und der gemeinderätlichen Arbeitsgruppe
Rieselfeld verbunden. Das gesamte Rieselfeld steht in vollem Eigentum der Stadt
Freiburg. So ist die Stadt über den Verkauf
von Grund und Boden in der Lage, die notwendigen öffentlichen Infrastrukturmaß-
nahmen in Höhe von ungefähr 280 Mio.
DM als In-sich-Geschäft, vom städtischen
Haushalt abgekoppelt, zu erbringen.
Politische Vorgaben und Ziele
Eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung
ausgerichtete Konzeption für neue Stadtteile bedarf der frühzeitigen Diskussion
von Leitlinien mit klaren städtebaulichen
und gesellschaftlichen Zielen, die vom Gemeinderat politisch verbindlich festgelegt
werden. Bei diesen Zielen gibt es drei Ebenen: Zum einen die Vorgaben, die als
hoheitliche Festsetzungen im öffentlichen
Recht gegenüber jedermann verbindlich in
der Bauleitplanung ausgewiesen werden.
Zum zweiten eine Reihe von Zielen, die
zwar nicht in der Bauleitplanung verankert, aber über privatrechtliche Verträge
verbindlich gemacht werden können. So
darf nur an Investoren Grund und Boden
verkauft werden, die sich verpflichten, den
Beschluß des Freiburger Gemeinderats zur
Niedrigenergiebauweise auch anzuwenden.
Drittens gibt es eine Menge von Einzelpunkten, die nicht in einer stringenten
Form zwingende Voraussetzung für den
Abschluß eines Kaufvertrages sind. Diese
werden in den individuellen Vertragsverhandlungen als Empfehlung eingebracht.
Es ist inzwischen gängige Praxis, daß die
Stadt Freiburg mit den jeweiligen Grundstückskäufern eine freiwillige Qualitätsvereinbarung zur Sicherung dieser Ziele
abschließt. Mit Bauantrag bzw. Kenntnisgabeverfahren geben Architekt und Investor eine ausgefüllte „Checkliste Qualität”
ab, in der die jeweiligen gebäudespezifischen Qualitätsmerkmale dargestellt werden.
Organisation der Vielfalt
Der neue Stadtteil soll von der fatalen
Entmischungsideologie im Städtebau Abschied nehmen, indem sowohl die
verschiedenen Bereiche Arbeiten und
Wohnen als auch die unterschiedlichen
Gruppen unserer Bevölkerung zusammengeführt werden. Städteplanung ist unverzichtbar „social engineering”, die Aufgabe
des in städtischer Hand befindlichen Pro-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
jektmanagements ist die Schaffung der
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, die Vielfalt erleichtern und nicht erschweren, weshalb die Entwicklung des
Stadtteils nicht in die Hände eines oder
einiger weniger externer Projektträger gegeben werden darf. Das Projektmanagement organisiert durch Planung und Marketing eine breite Mischung einzelner
Bauträger und künftiger Eigentümer.
Qualität des neuen Stadtteils
Wenn wir keine Siedlung wollen, sondern
einen Stadtteil, so treten über das Angebot
von Wohnungen umfassende Einrichtungen der Infrastruktur hinzu. Dies kann nur
dann geschaffen und gehalten werden,
wenn eine ausreichende städtebauliche
Dichte und damit eine angemessen große
Mantelbevölkerung auf engem Raum vorhanden ist. Eine Grundschule und ein
Gymnasium haben bereits ihren Betrieb
aufgenommen. Darüber hinaus ist besonders wichtig, daß es auch im Einkaufsbereich Angebote im Stadtteil selbst gibt. Hier
gilt der Grundsatz „small is beautiful“.
Mehrere Geschäfte sind bereits eröffnet.
Im Projektmanagement wird bei der Vermarktung Investoren, die bereit sind, derartige kommerzielle Nutzungen vorzusehen, eine Priorität eingeräumt. Ergänzend
tritt ein eigenes kleines Gewerbemischgebiet im 2. Bauabschnitt des neuen Stadtteils hinzu.
Seit September 1997 ist die Straßenbahn in
Betrieb, d.h. ein Jahr nach dem Einzug der
ersten Einwohner des ersten Bauabschnittes. Für die neuen Bewohner des Stadtteils
besteht von Anfang an eine leistungsstarke
und bequeme Alternative zum Auto. Zudem ist die Planung des neuen Stadtteils
fußgänger- und fahrradfreundlich, alle
Wohngebiete sind als Tempo-30-Zonen
ausgewiesen. Für den ruhenden Verkehr
sind Stellplätze in Form von größenmäßig
überschaubaren Tiefgaragen wohnungsnah geplant. In einzelnen Bauabschnitten
ist darüber hinaus ein Experiment für
„autofreie Nachbarschaften” vorgesehen,
das eng mit der selbstverwalteten Bürgerbeteiligung auf freiwilliger Basis abgestimmt und entwickelt wird.
Bereits beim Wettbewerb mußten energetische Belange, z. B. eine möglichst gute
Nutzung der Solarenergie, berücksichtigt
werden; hierfür hat der 1. Preisträger einen
Sonderpreis für Energie bekommen, was
3
entsprechend in die Bauleitplanung eingeflossen ist. Noch größere Bedeutung im
Rahmen der Energiepolitik haben Maßnahmen des Energiesparens. Daher beschloß der Gemeinderat, städtische
Grundstücke nur an Investoren abzugeben, wenn diese zumindest die Wohngebäude mit einer Energiekennzahl von 65
kWh/m2 und Jahr errichten (nach Freiburger Verfahren, die einer Energiekennzahl
von ca. 50 kWh/m²*a nach der WärmeschutzVO 1995 entspricht). Die Niedrigenergiebauweise ist heute akzeptiert und
taucht als Vermarktungsargument in allen
Vermarktungsunterlagen der Bauträger
auf. Niemand diskutiert mehr über die
Mehrkosten von 1 bis 3 %.
Interessant waren die Untersuchungsergebnisse der Vor-Ort-Kontrollen, wonach
die Abweichungen in den Bauausführungen oftmals nichts mit der Niedrigenergiebauweise zu tun haben, sondern alt eingeführte DIN-Normen und Regeln der
Baukunst nicht eingehalten werden. Diese
Problematik muß für die Politik ein wichtiger Punkt bei der Novellierung der Wärmeschutzverordnung sein. Betrachten wir
nun das Gesamtergebnis der Schadstoffbilanz im Rieselfeld, so wurde im Vergleich
zu einem konventionellen Baugebiet
(Trend) eine CO2 -Minderung von jährlich
52 % erzielt. Auch die Nahwärmeversorgung über ein Blockheizkraftwerk trägt
hierzu bei.
Blick auf den Stadtteil „Freiburg-Rieselfeld“
Quelle: B.&S.U., Berlin
Schadstoffminderung im Städtebau
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Stand der Vermarktung
Die ersten beiden Bauabschnitte mit
einem Volumen von knapp 2 200 Wohnungen sind bis heute zu zwei Dritteln vermarktet. Der offizielle Beginn der Vermarktung im dritten Bauabschnitt hat jetzt
begonnen. Neben den üblichen Wohnpro-
jekten liegt der Schwerpunkt der städtischen Zielsetzungen bei den weiteren Bauabschnitten in Modellprojekten für kostenund flächensparendes Bauen unter besonderer Berücksichtigung passiver und aktiver energetischer Belange. Ein weiterer
Schwerpunkt liegt in der Eigentumsbildung für Familien.
Planung und Umsetzung eines neuen Stadtteils
als Solarstadt: Linz-Pichling (Österreich)
Gunter Amesberger
Projektmanagement „Solar City“
Linz-Pichling
Hauptstraße 1–5
A–4041 Linz
Die Projektidee entstand 1990, als die Stadt
Linz beschloß, die Niedrigenergiebauweise
im sozialen Wohnbau zu etablieren. 12 000
Wohnungssuchende in Linz und das Bewußtsein für Ressourcenschutz waren
schlagende Argumente für eine nachhaltige, ökologische Stadtteilkonzeption. Die
Idee für den Bau einer „Solar City” war geboren. Der Süden der Stadt, der Raum
Pichling, kam dabei als einzig mögliches
Stadterweiterungsgebiet in Frage.
1992 wurde der österreichische Städteplaner Prof. Roland Rainer mit der Erstellung
eines umfassenden städtebaulichen Rahmenkonzeptes, dem Masterplan für den
Wohnbezirk Linz-Pichling, beauftragt. Dieser Masterplan sieht ein Siedlungspotential von 5 000 bis 6 000 Wohnungen mit der
gesamten Infrastruktur in diesem Bereich
vor. Ein Jahr später wurde vom Linzer
Gemeinderat eine Energiestudie für das
Wohnen in Pichling – Beispiel für das dritte
Jahrtausend – in Auftrag gegeben. Acht gemeinnützige Bauvereinigungen konnten
inzwischen für eine Mitarbeit gewonnen
werden, so daß insgesamt 1 500 Wohnungen auf einer Fläche von etwa 34 ha gebaut
werden sollen.
Ziele, Strategien, Umsetzung
Der Name „Solar City Pichling” steht für
eine umfassende Nutzung der Kraft der
Sonne. Die Spannweite reicht von der
direkten Nutzung zur Verbesserung des individuellen Komforts und des Pflanzenwachstums bis hin zur Nutzung als Energielieferant. Kompakte, weitestgehend
nach Süden ausgerichtete Bauweise, intelligente Fassaden, natürliche Belüftung
und Belichtung sowie optimale Wärmespeicherung kennzeichnen die Aspekte des
solaren Bauens. Die Heizenergie wird auf
< 40 kWh/m²*a (Nettowohnnutzfläche) beschränkt. Die Energieversorgung wird weitestgehend auf regenerativer Basis erfolgen. Strom und Wärme werden durch
ein Mehrstoff-Motorheizkraftwerk erzeugt,
das mit Biogas und Pflanzenöl betrieben
wird (Kraft-Wärme-Kopplung mit regenerativen Brennstoffen). Zusätzlich wird
Warmwasser durch thermische Sonnenkollektoren erzeugt. Spitzen werden durch
Fernwärme (Kraft-Wärmekopplung auf
nicht-regenerativer Brennstoffbasis) abgedeckt.
Die Planungsvorgaben für die Wohnbauten gelten im besonderen Maß für die
öffentliche Infrastruktur. Die geplanten
Schulen, Kindergärten sowie das multifunktionale Zentrum werden Musterbeispiele für ressourcenschonende Solararchitektur. Zu diesem Zweck wurden 1997
und 1998 EU-weite Architektenwettbewerbe ausgeschrieben. Innerhalb der Siedlung
wird dem Fußgänger- und Radfahrverkehr
die größte Priorität eingeräumt. Der motorisierte Individualverkehr soll zum Teil
in einer zweiten Ebene geführt werden.
Sammelgaragen sorgen für die Lösung des
Parkproblems. Die Anbindung an das
Stadtzentrum soll durch ein schnelles,
schienengebundenes Verkehrsmittel sowie
durch eine Straßenbahn erfolgen.
Im Sinne einer umweltfreundlichen Siedlungsentwicklung wird die Entsorgung in
die Gesamtüberlegungen mit einbezogen.
Biogene Abfallstoffe wie zum Beispiel
Fäkalien werden über eine Vakuumkanalisation in einer Co-Fermentation entsorgt.
Das dabei entstehende Biogas dient als
Treibstoff für das Mehrstoff-Motorheizkraftwerk. Der anfallende Biodünger wird
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
in der umgebenden Landwirtschaft verwendet. Das Grauwasser, also das Wasser
von Duschen, Spül- und Waschmaschinen,
wird örtlich in einem bepflanzten Sandbettfilter gereinigt und dem nächsten Bach
zugeführt, das Regenwasser vor Ort versikkert.
Die
soziostrukturelle
Gesamtplanung
reicht von Maßnahmen einer ausgewogenen Mischung der Rechtsformen (Miete,
Eigentum, Mietkauf), einer durchmischten
Altersstruktur der künftigen Bewohner und
einer Berücksichtigung eines entsprechenden Ausländeranteiles bis hin zur Zusammenführung von Generationen in räumlicher Nähe und der Partizipation der
künftigen Nutzer, gefördert durch die Einführung eines Stadtteilmanagements als
sozialplanerische Anschubhilfe (Preview
Center vor Ort).
Um eine Umsetzung gemäß der Ziele
zu gewährleisten, wurden die Anforderungen der Stadt Linz mit jedem der
zwölf Bauträger konkret verhandelt, in
privatrechtlichen Qualitätsvereinbarungen
festgeschrieben und in die Grundstückskaufverträge integriert. Beim Konzept zur
Berücksichtigung frauenspezifischer Belange steht insbesondere der Aspekt „subjektive Sicherheit” im Zentrum der Betrachtungen. Hierbei wird die soziale Nähe
durch mögliche Sicht- und Rufkontakte,
ein Belichtungs- und Beleuchtungskonzept sowie aus den Wohnungen scheinendes Licht berücksichtigt.
Integrierender Bestandteil des Gesamtprojektes ist eine landschaftsplanerische
Gestaltung unter Einbeziehung der bestehenden und neu zu schaffenden Elemente.
Ziel ist ein multifunktionales und differenziertes Freiraumangebot. 1997 wurde hierzu ein Ideenwettbewerb zur Landschaftsplanung ausgelobt.
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Es bestehen folgende Hauptproblembereiche mit den entsprechenden Lösungsansätzen:
– Die hohen Investitionskosten erfordern
eine vorausschauende Finanzpolitik.
Private Investoren werden eingebunden. Für die von den Architekten
geplanten neuen Bauteile und Baukonstruktionen werden neue Geschäftsbeziehungen der Bauträger im gesamten
EU-Raum notwendig.
– Es fehlen Erfahrungswerte über den
Betrieb des geplanten Energiever- und
-entsorgungssystems im sozialen Wohnungsbau
dieser
Größenordnung.
Durch das Stadtteilmanagement werden Schulungen durchgeführt.
– Bei einigen Partnern besteht Angst vor
Neuem und fehlt das Bewußtsein über
die Chance des Projektes. Ein laufender
Dialog und Informationsaustausch ist
hier Lösungsansatz.
– Das Angebot an sozial erschwinglichen
Wohnungen übersteigt bereits mancherorts die Nachfrage. Das Ziel lautet
daher: Koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten, hohe Ansprüche an Qualität
und Preis, gepaart mit einem zielgruppenspezifischen Marketing.
Resultate und Erfahrungen
Das Projekt steht am Beginn der Umsetzungsphase. Alle Zwischenziele wurden
erreicht und die Planungen in weiten Bereichen abgeschlossen. Die Einstellung der
handelnden Personen insbesondere zu
Städtebauliches Modell „Solar City“ Linz-Pichling
Projektorganisation
Für die Abwicklung des Projektes wurde
eine interdisziplinäre Projektgruppe als
zentrale koordinierende Stelle sowie ein
Projektbeirat als beratendes Organ eingerichtet. Der Beirat, besetzt mit Spitzenvertretern der Politik, Verwaltung, der beteiligten Verbände und Unternehmen, bindet
alle diese Institutionen in das Projektgeschehen ein und zieht sie damit in die Verantwortung. Für das Gesamtprojekt wurde
eine eigene Corporate Identity festgelegt
und koordinierte Marketingmaßnahmen
abgestimmt.
Quelle: Herzog, Th. (Hrsg.): Solarenergie in Architektur und Stadtplanung, München 1996, S. 180
Schadstoffminderung im Städtebau
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dem komplexen Vorhaben und seinen einzelnen Aspekten hat sich teils grundlegend
geändert. Eine endgültige Bewertung wird
jedoch erst nach dem Bau bzw. nach der
erfolgten Besiedlung erfolgen können. So
konnte im Zuge der Auseinandersetzung
mit der Frage der Energieversorgung ein
umfassendes Verständnis für Solarenergie
gewonnen werden.
Umsetzung stadtplanerischer Qualitätsstandards
aus der Sicht eines Investors in Freiburg-Rieselfeld
Dr. Günter Braun
Zusatzversorgungskasse
des Baugewerbes VVAG
Salierstraße 6
65189 Wiesbaden
Vorstellung der Zusatzversorgungskasse
des Baugewerbes VVaG (ZVK)
Die ZVK hat die Verpflichtung, die gesetzlichen Renten der Arbeitnehmer des Baugewerbes aufzustocken, und zahlte 1996 an
355 000 Beihilfeempfänger Leistungen in
Höhe von rd. 630 Mio. DM. Sie hat zur
Sicherung ihres Vermögens einen Immobilienbesitz, der durch den Wohnungsbau in
Freiburg auf ca. 10 000 Wohnungen erweitert wurde. In zwei Bauabschnitten
wurden 301 Wohnungen im sozialgeförderten Wohnungsbau, vier frei finanzierte
Wohnungen und ein Geschäftshaus errichtet. Die 249 Wohnungen aus dem ersten
Bauabschnitt sind seit dem Sommer 1997
zu ca. 90 % bezogen. Die übrigen Wohnungen im zweiten Bauabschnitt werden bis
Oktober 1998 fertiggestellt sein. Das
Geschäftsgebäude wird im Dezember des
Jahres zum Bezug freigegeben.
Die Architekten für den ersten Bauabschnitt, das dänische Büro C.F. Möller sowie der in Freiburg ansässige Architekt
Herr Rosenstiel wurden nach einem beschränkt ausgeschriebenen Architektenwettbewerb beauftragt. Mit der Ausführung des zweiten Bauabschnittes wurde
der Architekt Herr Lehmann aus Offenburg
betraut.
Städtebaulicher Qualitätsstandard
„Im Rieselfeld“
Der architektonische Anspruch an die zu
errichtenden Gebäude ergab sich zum
einen aus den Vorgaben des Bebauungsplanes, zum anderen durch die Vorstellung
der ZVK, anspruchsvolle Gebäude zu errichten. Die Wohnqualität des gesamten
Baugebietes ergibt sich schließlich auch
aus der Qualität der einzelnen Häuser. Die
Kleinteiligkeit der Baufelder und die Schaffung städtebaulicher Innenräume waren
Vorgaben, die auch den Vorstellungen der
ZVK entsprachen. Die im ersten Bauabschnitt ausgewählten elf Baufelder wurden
in Absprache mit der Stadt Freiburg in
einer Art „Flickenteppich“ über den gesamten ersten Bauabschnitt des Bebauungsplanes verteilt. Die Idee „Arbeiten und
Wohnen“ im Rieselfeld wurde von uns
aufgenommen, indem wir zusätzlich zu
den Wohnungen ein Geschäftshaus errichteten. Hervorzuheben für die Wohnqualität unserer Mieter ist auch die Schaffung
der notwendigen Infrastruktur, wie z. B. die
Errichtung von Schulen und Kindergärten
sowie die verkehrstechnische Anbindung
des Rieselfeldes an die Stadt.
Gerade der Umweltschutzgedanke hat zu
der Entscheidung beigetragen, im Rieselfeld zu bauen, da sich die ZVK verpflichtet
sieht, zeitgemäß und mit innovativen
Techniken zu bauen. Die ZVK war daher
gerne bereit, die im Grundstückskaufvertrag festgeschriebene Energiekennzahl von
65 kWh/m2 pro Jahr für ihre Gebäude zu
realisieren. Ergänzend zum Niedrigenergiehausstandard sieht die ZVK jedoch auch
die Notwendigkeit eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) als Grundlage des Gesamtenergiekonzeptes für das Rieselfeld, um
das Ziel der Schadstoffminimierung im
Städtebau zu realisieren.
Für die Einsparung an Heizenergie nahm
die ZVK auch höhere Investitionskosten in
Kauf. Daß wir uns dadurch die Senkung der
Nebenkosten zugunsten unserer Mieter erhoffen, ist aus wirtschaftlicher Sicht ein
weiteres Argument, wobei sich die Energiepreise in einem wirtschaftlich vertretbaren
Rahmen bewegen müssen. Auch leidet die
Glaubwürdigkeit des städtischen Gesamtkonzeptes, wenn die Heizkosten nicht
deutlich niedriger sind als in konventionell
gebauten Häusern.
Zur Erfüllung der geforderten
standards der Häuser wurden
teams ausgewählt, die sowohl
volle Architektur als auch
QualitätsPlanungsqualitätstechnisch
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
ausgereifte Lösungen anbieten. Um speziell die Problematik der Niedrigenergiebauweise im Geschoßwohnungsbau zu lösen,
wurde das Tübinger Ingenieurbüro ebök
zur Betreuung des Bauvorhabens verpflichtet. Außerdem stellten wir den Architekten einen Bauphysiker zur Seite, der
speziell die Probleme der Wärmebrücken
und das bauphysikalische Verhalten der
einzelnen Bauteile prüfen sollte. So wurde
z. B. die Planung der Lichtlenkung im zur
Errichtung kommenden Büro- und Geschäftshaus von Mitarbeitern des Instituts
für Licht- und Bautechnik an der Fachhochschule Köln (ILB) und der Gesellschaft
für Licht- und Bautechnik in Köln entwikkelt. Dieses Geschäftshaus mit seinen Büros und Praxen zeichnet sich durch ein sehr
modernes, stromsparendes Lichtlenksystem, ein sog. „intelligentes“ Gebäudeinstallationssystem (BUS-System), und die
Möglichkeit äußerst individueller Raumgestaltung aus. Hierdurch werden Stromkosten gespart und eine zu starke Erwärmung
der Räume durch Sonneneinstrahlung vermieden.
Hochqualifizierte Fachleute standen den
Architekten somit schon in der Planungsphase zur Verfügung und führten während
der Entwicklung der Gebäude zu Lösungen, die bauphysikalisch und wirtschaftlich optimiert sind. Außerordentlich wichtig war uns, daß die Werkplanung vor
Baubeginn weitestgehend fertiggestellt
war, da eine baubegleitende Planung nur
Kompromißlösungen nach sich zieht.
7
Während der Ausführungsphase erfolgt die
Einweisung der ausführenden Firmen
nicht nur durch die Architekten und deren
Bauleitung sowie durch die oben genannten Fachplaner. Laufende Dialoge zwischen Firmen und Fachplanern über die
Art der Ausführung waren ein weiterer
Schritt zur Optimierung der Gebäude. Eine
stufenweise Abnahme von Teilleistungen
läßt ein rechtzeitiges Nachbessern im Bedarfsfalle zu.
Die Endkontrolle durch die Architekten
und Fachplaner nach Fertigstellung der
Leistungen und die dann vorgefundene
Qualität bestätigt die Richtigkeit dieser
Vorgehensweise. So wurde z. B. die Luftdichtigkeit der Gebäudehülle durch das
sog. Blower-Door-Verfahren überprüft.
Leckagen konnten damit festgestellt und
beseitigt werden.
Nachdem unsere Häuser fast ein Jahr bewohnt sind, können wir feststellen, daß die
Niedrigenergiehäuser den erwarteten Qualitätsstandard mehr als voll erfüllen. Eine
über eine Heizperiode durchgeführte Testreihe zu den Heizverbräuchen bestätigt
den niedrigen Verbrauch. Der tatsächliche
Verbrauch liegt um fast 10 kWh/m2 pro
Jahr unter der vorgegebenen Energiekennzahl.
Aufgrund unserer Erfahrungen mit dem
Bauvorhaben Rieselfeld wird von uns in
anderen Wohnungsbauvorhaben diese Art
der Niedrigenergiebauweise ebenfalls rea-
Blick auf die von der
Zusatzversorgungskasse
des Baugewerbes
errichteten Wohngebäude
Quelle:
ZVK Wiesbaden
Schadstoffminderung im Städtebau
8
lisiert. Jedoch werden wir in der Wahl der
zu bebauenden Grundstücke noch kritischer geographische Gegebenheiten und
Vorgaben aus bestehenden Bebauungsplänen berücksichtigen. Hier liegt ein großes
Potential, für passive Energiesparmaßnahmen günstigere Voraussetzungen, wie z. B.
die Ausrichtung der Gebäude zum Sonnenstand, ein günstiges Verhältnis der Außenhülle des Gebäudes zum umbauten Volumen etc., zu schaffen.
Mehraufwand im Bereich des Attikaumganges nach sich und erzeugt ein ungünstiges Verhältnis der Außenhülle zum umbauten Raum. Diese Bauweise ist
energietechnisch relevant und zieht höhere Baukosten nach sich. Das gleiche gilt für
die unter das Gebäude „geschobenen“
Tiefgaragen, die im Verhältnis zum Wohngebäude kalte Bereiche sind. Diese Schnittstelle energietechnisch vernünftig zu lösen, bedarf eines erhöhten Aufwandes.
Als wesentlich sehen wir die Ausrichtung
der Baufelder zum Sonnenstand an, um
auch Solargewinne zu erreichen. Die Vorgaben, die der Bebauungsplan Rieselfeld
den Architekten gibt, konterkarieren aus
unserer Sicht allerdings in einigen Bereichen das Ziel, kostengünstig Niedrigenergiehäuser zu bauen. So vergrößert z. B. das
vorgeschriebene Attikageschoß die Gebäudehülle, zieht einen bautechnischen
Innovative Architektur unter dem Gesichtspunkt der Niedrigenergiebauweise
wird leider beschränkt durch die Vorgabe
des Bebauungsplanes zur Ausgestaltung
der Gebäudehülle. Weniger stringente Vorgaben aus dem Bebauungsplan würden
sicherlich dazu führen, das Thema „Niedrigenergiehaus“ noch vielfältiger zu interpretieren.
Umsetzung von Qualitätsstandards
im kombinierten Architekten-Bauträger-Gutachter-Wettbewerb
– Modellvorhaben Greifswald-Ostseeviertel Ryckseite –
Katrin Fahrenkrug
Raum & Energie – Institut für
Wirtschafts-, Regional- und
Energieberatung GmbH
Hafenstraße 32
22880 Wedel / Hamburg
Städtebauliches Leitbild
Ausgangspunkt für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist ein tragfähiges, politisch
verankertes städtebauliches Leitbild. Unter
den Strategieansätzen eines vorsorgenden
Umweltschutzes und einer stadtverträglichen Mobilitätssteuerung kann der Orientierungsrahmen für das Leitbild nur die
„Stadt der kurzen Wege” sein, d.h. eine
Stadt resp. einzelne Stadtteile mit verträglicher Dichte und ausgewogener Mischung
zwischen Wohnen, Arbeiten, Freizeit und
Versorgung. Zentrales Schlüsselprojekt für
die Konkretisierung und Umsetzung des
städtebaulichen Leitbildes „Greifswald –
Stadt der kurzen Wege” ist die Entwicklung
des Ostseeviertels Ryckseite als „kompakter Stadtteil”.
Qualitätssteuerung durch das
Architekten-Bauträger-Gutachterverfahren
Bei der Umsetzung qualitätvoller, schadstoffmindernder Neubaukonzepte klaffen
Anspruch und Wirklichkeit oft weit aus-
einander. Gründe hierfür sind u.a. aufwendige und teilweise unzureichende Festsetzungsmöglichkeiten mit den zur Verfügung
stehenden
formellen
städtebaulichen
Instrumenten, Akzeptanzprobleme bei
Investoren und Käufergruppen, fehlende
fachübergreifende
Planungsstrukturen,
unzureichender politischer Rückhalt zur
Durchsetzung energetisch optimierter
Bauvorhaben sowie die Aufweichung
städtebaulicher Entwicklungsziele und
Wettbewerbsergebnisse mit Hinweis auf
vermeintliche Nachfrage- und Kostenstrukturen.
Aufbau des kombinierten ArchitektenBauträger-Gutachterverfahrens
Die wesentlichen Charakteristika des Architekten-Bauträger-Gutachterverfahrens
(A-B-G-Verfahrens) lassen sich stichwortartig wie folgt zusammenfassen:
– Bei Wettbewerben finden nur gemeinsame Angebote von Architekten und
Bauträgern Berücksichtigung. Die Teilnahme ist zumeist auf eine Anzahl von
sechs bis acht Anbietern beschränkt.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
– Für die Ausarbeitung der Entwürfe erhalten die Anbieter eine Bearbeitungsgebühr gemäß HOAI, die durch die Anzahl aller Anbieter geteilt wird. Ein
Preisgeld wird nicht gezahlt, Wettbewerbsanreiz ist die Baugarantie.
– Den zu erarbeitenden Angeboten liegt
ein Anforderungskatalog mit Schwerpunkt in der Vorgabe von gebäudebezogenen Standards zugrunde, städtebauliche Vorgaben werden frühzeitig
festgelegt.
– Die Angebote sind mit einem verbindlichen Festpreis zu kalkulieren, optional
kann eine feste Kostenobergrenze im
Vorfeld festgelegt werden, Mehr-/Minderkosten für Zusatzleistungen sind
auszuweisen.
– Die Angebote werden unter Beteiligung
der zuständigen Baugenehmigungsbehörde einer Vorprüfung unterzogen, um
rechtliche Schwierigkeiten zu beheben.
Der spätere Normalprüfungsgang wird
zeitlich verkürzt.
– Die abschließende Bewertung und Auswahl der Angebote erfolgt durch einen
Gutachterausschuß auf der Grundlage
des Anforderungskataloges.
– Nach Auswahl werden die Grundstücke
den Gespannen zeitlich beschränkt an
die Hand gegeben und unter Beibehaltung der vorgelegten Form und des Festpreises direkt zur Bebauung gebracht.
– Für das laufende Qualitätsmanagement
und Koordinierung des Umsetzungsprozesses begleiten regelmäßige Koordinationssitzungen unter Teilnahme der
Architekten und Bauträger sowie der Erschließungsträger und des Auftraggebers /der Kommune die Realisierungsphase.
Vorteile des Verfahrens
Das Verfahren gewährleistet eine hohe
Qualitätssicherung und Kostensicherheit
zwischen Planung und Bauergebnis, da die
Standards und Preise fix sind und Reibungsverluste durch enge Kooperation
zwischen Architekten und Bauträgern minimiert werden.
Möglichkeiten zur Durchsetzung
energieorientierter Maßnahmen
Die Schnittstelle zur Implementierung
richtungsweisender schadstoffreduzierender Maßnahmen in das Verfahren liegt bei
der Ausgestaltung des Anforderungskatalo-
9
ges. Hierüber werden Aspekte der Wärmeversorgung und höhere Anforderungen an
Wärmestandards / Energieeinsparungen
ebenso wie Strategien zur Verkehrsreduzierung integriert. Das Instrument „kombiniertes Gutachterverfahren” kann von der
Stadt / Auftraggeber hinsichtlich Umfang
und Verbindlichkeit energetischer Anforderungen variabel eingesetzt werden, so
daß die Vorgaben entweder als Mindestanforderungen verpflichtend vom Teilnehmergespann in das Leistungs- und
Festpreisangebot aufgenommen werden
müssen oder als Zusatzangebote mit Ausweis der Mehr-/Minderkosten Eingang
finden können. Einerseits sind die städtischen Entscheidungsträger/Auftraggeber
bei Vorbereitung des Wettbewerbs frühzeitig aufgefordert, konsequent Ziele energiegerechten Wohnungs- und Städtebaus
mit anderen städtebaulichen Zielsetzungen abzuwägen.
Ein Pluspunkt des Verfahrens liegt darin,
daß für sich genommen „weiche“ städtebauliche Anforderungen über die Art der
Implementierung in das Verfahren zu „harten“ Vorgaben für die Anbieter werden. So
können über den B-Plan schwierig zu verankernde Festsetzungen im Wettbewerbsverfahren durchgesetzt werden. Als entscheidender Vorteil greift hier die
notwendige frühzeitige Zusammenarbeit
von Architekt und Unternehmer; nachträgliche Qualitätsreduzierungen, wie sie im
Normalverfahren häufig vorkommen, sind
weitestgehend ausgeschlossen.
Verfahrensschwierigkeiten
Schwierigkeiten gegenüber herkömmlichen Verfahren liegen vor allem im Bereich
der Vertragsgestaltung als auch der Verfahrensabwicklung, da die Grundstücke dem
Bauträger nur zeitlich beschränkt an die
Hand gegeben werden. Auftraggeber resp.
Stadt bleiben somit umfassende Steuerungsmöglichkeiten erhalten. Zur Vermeidung etwaiger Reibungsverluste ist eine
frühzeitige und gezielte Schulung aller Beteiligten (insbesondere der Liegenschaftsämter) zum „handling“ des Verfahrens erforderlich. Für den Werkvertrag zwischen
Bauträger und Käufer als auch für den
Grundstücksvertrag zwischen Stadt und
Käufer ist die Ausarbeitung verbindlicher
Musterkauf- bzw. -werkverträge zu empfehlen. Besonderer Wert ist dabei auf ein
optimales Ineinandergreifen beider Vertragselemente zu legen. Die Mehrkosten
Schadstoffminderung im Städtebau
10
des Verfahrens betragen weniger als ein
Prozent, für den effektiven Einsatz des Verfahrens ist eine Größe des Bauvorhabens
von etwa 100 und mehr Wohneinheiten erforderlich.
Zielsetzungen im „Ostseeviertel Ryckseite”
Die Stadt Greifswald bringt im Ostseeviertel Ryckseite eine ca. 25 ha große Fläche als
Komplettierung einer bestehenden Plattenbausiedlung zur Bebauung. In mehreren Bauabschnitten werden im Rahmen
einer energiebedarfs- und verkehrsreduzierten Siedlungsstruktur sowie eines
kosten- und flächensparenden Wohnungsbaus 450 – 550 WE im Mehrfamilienhausbau, als Reihenhäuser und im Randbereich
als Einzelhausbebauung entstehen, ergänzt durch integrierte Dienstleistungseinrichtungen und Altenwohnungen.
Einsatz des Gutachterverfahrens
Das vorgestellte Gutachterverfahren hat in
Greifswald folgende spezifische Ausprägungen:
– Das Plangebiet ist in kommunalem
Besitz.
– Das Gebiet wird in mehreren getrennten
Bauabschnitten zur Bebauung gebracht.
– Für jeden Bauabschnitt wird ein kombiniertes Gutachterverfahren durchgeführt.
– Die wohnungs- und städtebaulichen
Ziele für das Ostseeviertel finden über
die Ausschreibungsunterlagen Eingang
in den Wettbewerb.
Hofsituation der Niedrigenergiehäuser Ryckseite/Greifswald
– Die Bauträger leisten als Generalunternehmer die Vermarktung der Gebäude.
– Der Erwerb der Grundstücke erfolgt
durch die Hauskäufer direkt von der
Stadt.
Für die Stadt ergibt sich der Vorteil, daß die
Realisierung des Plangebietes in getrennten teilgebietsbezogenen Gutachterverfahren die Möglichkeit einer fortlaufenden
Optimierung des Verfahrens eröffnet. Für
den Abwägungsprozeß im Wettbewerbsverfahren sind flankierende Instrumente
des Qualitätsmanagements erforderlich:
– Frühzeitige Information aller am Wettbewerb Beteiligten über Ziele des Klimaschutzes;
– Bereitstellung umfassender Informationsmaterialien zum Klimaschutz als
Wettbewerbsaufgabe zu den Auslobungsunterlagen;
– Aufnahme konkreter Anforderungen zur
Energieeinsparung in den Auslobungstext;
– Interdisziplinär
zusammengesetztes
Preisgericht unter Einbindung externer
Berater;
– Bereitstellung von Abwägungsinstrumenten für Energiebelange;
– Standardisierte Prüfkriterien.
In dem Modellvorhaben der Hansestadt
konnte gegenüber dem herkömmlichen
Wohnungsneubau in Greifswald und Umgebung ein Schadstoffminderungspotential von 37 % erschlossen werden. Das ist
maßgeblich auf die Möglichkeiten der
Qualitätssicherung über das ArchitektenBauträger-Gutachterverfahren und seinen
Möglichkeiten, die mit der städtebaulichen
Rahmenplanung beschlossenen Zielsetzungen durchzusetzen, zurückzuführen.
Als entscheidender Vorteil greift hier die
notwendige frühzeitige Zusammenarbeit
von Architekten und Unternehmern.
Einbindung des Gutachterverfahrens
Quelle: Endbericht des Modellvorhabens Greifswald-“Ostseeviertel Ryckseite“, Greifswald 1996
Qualitätsmanagement für „mehr Klimaschutz im Städtebau” muß die Ebenen
„Planungsoptimierung“,
„Umsetzungsoptimierung“ und „Nutzungsoptimierung“
umfassen sowie als Querschnittsaufgabe
und kontinuierlicher Prozeß angelegt sein,
der durch integrierte, ressortübergreifende
Planungsstrukturen und tragfähige Kommunikationsstrukturen zwischen Politik,
Verwaltung und weiteren Akteuren der
Stadt geprägt wird.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
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Themenblock 1
Qualitätsstandards in städtebaulichen Planungsverfahren
Ergebnisse:
Verdichteter, urbaner Städtebau ist der Schlüssel
zum städtebaulichen Klimaschutz
Die Nachfrage nach Wohn- und Gewerberaum wächst
weiterhin. Der Wohn- und Gewerbeflächenzuwachs ist
in Städten und entlang von Siedlungsachsen zu konzentrieren, um einen attraktiven und leistungsfähigen
öffentlichen Personennahverkehr zu gewährleisten
und damit Schadstoffminderungseffekte gegenüber
einer wachsenden Siedlungsdispersion zu erzielen.
Hierfür ist die Siedlungs- und Regionalpolitik mit der
Verkehrsplanung eng zu koppeln, innerstädtische
Brachflächen sind wieder einer Nutzung zuzuführen.
Den Imageproblemen des Geschoßwohnungsbaus
(Second-Best-Lösung) ist im Zuge einer Wertediskussion zu begegnen. Verdichteter, urbaner Städtebau
weist neben den verkehrsmindernden Effekten den
geringsten spezifischen Energiebedarf pro m2 Wohnfläche auf und ermöglicht zudem eine energieeffiziente Versorgung.
Prozeßmoderation und Planungsmangement
sind Qualitätsvoraussetzungen
Die kommunalen Vertreter sowie Planer und Investoren müssen frühzeitig zusammenarbeiten, um ein
gegenseitiges Verständnis zu schaffen und Anforderungen zu optimieren. Zielkonflikte sind in einem
moderierten Prozeß einer Abwägung zuzuführen, u. a.
mit Berücksichtigung des Marktes als Regulativ.
Die Einbindung des Klimaschutzes im Städtebau und
Hochbau kann sich erst dann weiter etablieren, wenn
die Verknüpfung der Fachdisziplinen – von der Stadtund Infrastrukturplanung über den Hoch- und Tiefbau
bis hin zur Haustechnik – gewährleistet wird. Hierfür
ist ein Fachteam aus Planern, Ingenieuren und Architekten zu bilden.
Ein umfassendes Stadtteilmanagement von der Planung über die Vermarktung bis hin zur sozial-ökologischen Betreuung der Bewohner ist erforderlich, um
Qualitätsstandards des Klimaschutzes im Städtebau
erfolgreich von der Planung bis zur gelebten Praxis
umzusetzen.
Klimaschutz ohne Mehrkosten
Die Mehrkosten im Wohnungsneubau betragen für die
Realisierung der Niedrigenergiebauweise (30 % unter
der Wärmeschutzverordnung 1995) zwischen 2 bis
6 % mit fallender Tendenz. Damit liegen die zusätzlichen Kosten weit unter den üblichen Marktschwankungen der Baukosten und können durch andere
Rationalisierungsmaßnahmen aufgefangen werden.
Gute Beispiele als Vorbilder
Als Anreiz für Investoren, den Prinzipien des städtebaulichen Klimaschutzes zu entsprechen, dienen Vorzeigeobjekte (v.a. der öffentlichen Hand). Vorgaben
zur Unterschreitung des zulässigen Energiebedarfes
erfahren somit eine hohe Akzeptanz und führen zu
einem Qualitätswettbewerb.
Handlungsanforderungen:
– Ausrichtung der Wohnungsbau-, Eigenheimförderung und des Steuerrechts (z.B. Kilometerpauschale) an den Grundsätzen des verdichteten, urbanen
Städtebaus
– Festsetzen von Kennwerten für den gesamten Primärenergiebedarf einer Siedlung über den Raumwärmebedarf hinaus und Einfordern einer solaren
Optimierung (aktiv und passiv)
– Vermarktung guter Beispiele des städtebaulichen
Klimaschutzes
– Initiierung eines Werte- und Bewußtseinswandels
(Kampagnen über die Medien)
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
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Themenblock 2
Qualifizierung und Qualitätskontrolle bei Planung und Bauausführung
Referate:
– Innovative Aus- und Weiterbildungsprogramme für Architekten, Ingenieure und Handwerker:
Erfahrungen aus Impuls-Programm Hessen
Werner Eicke-Hennig, Programmleiter, Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt
– Qualitätssicherung und Vermarktung als Aufgabe der Information und Beratung:
Modellvorhaben Freiburg-Rieselfeld
Klaus Siegl, Geschäftsstelle Rieselfeld, Freiburg im Breisgau
– Qualitätskontrolle bei der Planung und Umsetzung durch die Bauaufsicht
MR Hans-Peter Kubach, Vertreter der Fachkommission Bauaufsicht der ARGEBAU, Stuttgart
Um sich neuen Anforderungen zu stellen und diese
weiterentwickeln zu können, ist Qualifizierung einerseits und Qualitätskontrolle andererseits – vergleichbar zweier Seiten einer Medaille – erforderlich. Im zweiten Themenblock wurden hierfür die Kenntnisse und
Erfahrungen aus dem Qualifikationsprogramm des
Landes Hessen und den Aktivitäten der Stadt Freiburg
im Rahmen des Stadtteils Rieselfeld dargestellt sowie
die Möglichkeiten und Grenzen der Qualitätskontrolle
durch die Bauaufsicht der ARGEBAU gegenübergestellt.
Qualifikations-Programm
Rationelle Stromnutzung und
Niedrigenergiebauweise
Hessen
Logo des Impuls-Programms Hessen
Schadstoffminderung im Städtebau
14
Innovative Aus- und Weiterbildungsprogramme
für Architekten, Ingenieure und Handwerker
– Erfahrungen aus dem IMPULS-Programm Hessen –
Werner Eicke Hennig
IMPULS-Programm Hessen /
Institut Wohnen und Umwelt
Schleiermacherstraße 8
64347 Darmstadt
Der Heizwärmebedarf von Niedrigenergiehäusern liegt mit 30 bis 70 kWh/m² Wohnfläche und Jahr rd. 50 bis 70 % unter der
Wärmeschutzverordnung von 1984. Die
Niedrigenergiebauweise wird mit der zur
Jahrtausendwende kommenden Novelle
der Wärmeschutzverordnung (Energiesparverordnung 2000) zur Bauaufgabe für
Architekten. Danach gehört der „energetische Gebäudeentwurf” als zusätzliche Aufgabe zum Tätigkeitsfeld des Architekten.
Die Verbesserung der fachlichen Kompetenz im Wachstumsmarkt Ökologie setzt
für einige Jahre eine Qualifikationsphase
voraus. IMPULS-Programme liefern Beiträge zum modernen Berufsbild des Architekten.
Nach dem erfolgreichen Schweizer Vorbild
(Impuls-Programme zur Fortbildung im
Baubereich über 19 Jahre) wurden mittlerweile durch vier Bundesländer (NRW,
Hessen, Berlin, Schleswig-Holstein) Fortbildungsprogramme für Architekten, Ingenieure und Handwerker gestartet. Sie sind
ein gutes Angebot für die Aneignung der
neuen Qualifikationen.
Impuls-Programme setzen bei der Förderung der beruflichen Kompetenz an: Experten erarbeiten qualitativ hochwertige
Seminare, welche das notwendige Grundlagenwissen praxisgerecht und didaktisch
gut aufbereitet vermitteln. Die erarbeiteten
Seminare werden Verbänden und Weiterbildungsorganisationen angeboten, damit
diese im Rahmen ihrer eingespielten und
akzeptierten Weiterbildungskanäle die
Zielgruppen erreichen.
IMPULS-Programm Hessen seit 1996
Das Programm will Impulse für die rationelle Stromverwendung und die Niedrigenergiebauweise in Hessen geben und
hierzu eine Qualifizierungsoffensive starten, um durch ein breit gefächertes Fortbildungsangebot die Strom- und Heizenergieeinsparung in Hessen zu einem
Dauerthema zu machen. Das IMPULS-Programm Hessen (IPH) stellt die Energieeinsparung als eigenständiges Thema in den
Vordergrund der beruflichen Weiterbildung. Da Erfahrungen und Projekte zur
rationellen Energienutzung bei vielen
Ingenieuren, Architekten und Investoren
in Hessen vorhanden sind, bietet das IPH
eine Plattform für den fachlichen Austausch.
Aufbau des IMPULS-Programms
Das IMPULS-Programm Hessen ist eine Initiative des Hessischen Ministeriums für
Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit und wird vom Institut Wohnen
und Umwelt (IWU) durchgeführt. Es untergliedert sich in die Fachbereiche „Rationelle Stromnutzung“ und „Niedrigenergiebauweise“ beim Neubau. Pro Jahr stehen
ca. 2,0 Mio. DM zur Verfügung (5,6 Mio.
Einwohner in Hessen; 8 500 Architekten,
2 500 Ingenieurbüros). Die Laufzeit ist zunächst bis Ende 1999 festgelegt. Das Programm wird durch eine Kommission aus
Vertretern der zuständigen Berufsorganisationen, Kammern und Verbände begleitet und sucht die Kooperation mit den Verbänden und den Kammern. Es bezieht
somit die Kenntnisse und Anforderungen
der Berufsgruppen in seine Programminhalte ein.
Konkreter Nutzen für die Teilnehmer
am IMPULS-Programm
Da die rationelle Energienutzung gute
Chancen für Beschäftigung und den Marktzugang bei Planungs- und Beratungsleistungen bietet, ermöglicht die Teilnahme
am IPH eine rasche und umfassende Information über neue Technologien und Lösungen zur rationellen Energienutzung.
Zum einen soll die Nachfrage nach kostengünstigen und energiesparenden Investitionen gefördert werden, zum anderen
schafft das Wissen aus dem IMPULS-Programm für Planer eine gute Grundlage für
die Marktausweitung. Für Investoren bietet es Transparenz über die Techniken und
organisatorischen Ansätze, mit denen Einsparerfolge verläßlich erreicht werden können.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
Ein Qualifikationsangebot
für viele Berufsgruppen
Das Weiterbildungsangebot wendet sich
vor allem an Berufsgruppen und Investoren, deren Planungen und Entscheidungen
einen Einfluß auf die Entwicklung des
Energieverbrauchs in Hessen haben:
– Architekten, Bauingenieure,
Stadtplaner,
– Beratende Ingenieure, Statiker,
Energieberater,
– Bauverwaltungen, Gebietskörperschaften, Energiebeauftragte,
– Wohnungsbaugesellschaften und
-verwaltungen,
– Haus- und Grundeigentümer, Banken
und Versicherungen, Investoren und
Projektentwickler,
15
Die Arbeitsweise – Aus der Praxis für die Praxis
Begleitende Kommission
Programmleitung
Austausch
Anregungen
Vertreter aus den
Verbänden der Wirtschaft
und Berufsverbände
Projektverantwortliche, freie Architektur- und Ingenieurbüros
Drucktest; Vorstellung Demonstrationsbauten; Stromeinsparung
in der Industrie, Integrale Gebäudeplanung – Stromsparcheck etc.
Seminar-Arbeitsgruppe
Experten aus der Berufspraxis
Architekten, Ingenieure
Seminarersteller
(Architekt/Ingenieur
über Ausschreibung)
– Bauhandwerk, Sanitär-, Heizungs-,
Klimatechnikhandwerk,
– Betreiber von Energieanlagen,
Industrie- und Gewerbebetriebe.
Die Belange der Berufspraxis werden auf
mehreren Ebenen eingebunden. Neben
der begleitenden Kommission ist auch die
Seminarerstellung durch Einbindung von
Architekten und Ingenieurbüros geprägt.
Sämtliche Materialien werden in Arbeitsgruppen geprüft, in denen Architekten,
Ingenieure und ein Didaktiker das Impulsteam und den Seminarersteller unterstützen, wodurch ein hohes fachliches Niveau
und der Praxisbezug sichergestellt werden.
Seminare – Praxisgestützte Themenwahl
Das Impuls-Programm bietet aufbereitete
Seminarthemen und verfügt über einen
qualifizierten Referentenpool, organisiert
Termine und Öffentlichkeitsarbeit, stellt
die Seminarmaterialien. Die Weiterbildungsträger und Verbände verankern die
Seminare in ihren Weiterbildungs- und
Tagungsprogrammen, wie sich umgekehrt
durch die Kooperation mit den Weiterbildungsträgern und Verbänden die Themenwahl und der Themenzuschnitt entwickelt.
Ergänzt werden die Seminare zu den Themen „Vielfacher Nutzen durch Rationelle
Stromnutzung” und „Das Niedrigenergiehaus – Die Zukunft des Bauens” durch vielfältige weitere Informationsangebote wie
Workshops, Foren, Demonstrationsmaßnahmen, eigenes Mailing, Internet-Angebot u. a.
Eingliederung der Seminare in bestehende
Weiterbildungsprogramme.
Eigene Seminar- und Vortragsreihen des IPH
(In Verbindung mit den hessischen Kammern, Berufsverbände,
Wirtschaftsverbände, Einzelinstitutionen, Kommunen etc.)
Fazit
Impuls-Programme bewähren sich auch in
Deutschland als Qualifikationsprogramme
für Architekten, Ingenieure, Handwerker
und Entscheidungshilfen für Investoren.
Sie sind geeignet, als „Informationsplattform“ in den jeweiligen Bundesländern für
eine Reihe von Jahren einen Qualifikationsprozeß zu unterstützen, ohne den die
Einsparverordnung 2000 (Niedrigenergiestandard) weitgehend nur auf dem Papier
Bestand haben würde. Für Architekten,
Stadtplaner und Ingenieure bieten sie eine
gute Möglichkeit, die fachliche Qualifikation im Hinblick auf die neuen Anforderungen des ökologischen Bauens zu verbreitern.
Schadstoffminderung im Städtebau
16
Qualitätssicherung und Vermarktung
als Aufgabe der Information und Beratung
– Modellvorhaben Freiburg-Rieselfeld –
Klaus Siegl
Geschäftsstelle Rieselfeld
Bauverwaltungsamt Freiburg
Fehrenbachallee 12
79106 Freiburg i.Br.
Mit Planung, Entwicklung und Realisierung des neuen Stadtteils Rieselfeld sind
vielfältige Erwartungen verbunden, so daß
sich die Frage stellt, wie die hohen Qualitätsansprüche auch tatsächlich umgesetzt
werden. Diese Frage ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt angesichts des sehr engen
Wohnungs- und Immobilienmarktes von
großer Bedeutung, da Qualitätsmerkmale
als wichtiges Akquisitionsargument in ihren Auswirkungen auf die Kostensituation
für Mieter und Eigennutzer zu sehen sind.
Der für das Projekt Rieselfeld vielleicht
wichtigste Zielsatz lautet: „Kommunikation statt Sanktion”, da sich Qualitätsstandards und Qualitätsziele nur dann umsetzen lassen, wenn alle an diesem Prozeß
Beteiligten die Möglichkeit haben, diesen
Prozeß mit zu entwickeln.
Bausteine und Maßnahmen
Folgende Bausteine und Maßnahmen, insbesondere zur Schadstoffminderung, wurden im Laufe des Modellvorhabens eingeleitet bzw. umgesetzt.
Im Bereich der ordnungsrechtlichen Möglichkeiten
– privatrechtliche Regelungen mit Androhung von Sanktionen (zunächst wurde Baustopp und Nutzungsuntersagung
festgelegt, jetzt ist die Einführung einer
Vertragsstrafe beschlossen);
– Bebauungsplan mit Option für Solarenergienutzung (Baufenster für Energieanlagen auf den Dächern).
Im Rahmen der Bauherren-Beratung und
-Betreuung
– Erstprojektbetreuung;
– Baufach – Symposien;
– Fachbibliothek;
– Konzeption und Stufenplan zur Qualitätssicherung;
– Durchführung von qualitätssichernden
Maßnahmen.
Im Bereich Marketingmaßnahmen und
Umweltmanagement
– ca. 3 000 Gespräche mit potentiellen Investoren;
– Vorbereitungen zur Durchführung des
Wettbewerbs „Stadthaus 21";
– Vorbereitungen
zum
Bau
eines
autofreien Quartiers mit zunächst
90 Wohneinheiten;
– Broschüre und Checkliste „Qualität im
Rieselfeld – Planungsempfehlungen”.
Im Bereich der Solarenergienutzung
– Diplomarbeit
„Thermische
Solarenergie” im Geschoßwohnungsbau am
Beispiel des Neubaugebietes Rieselfeld;
– Projekt „Regiosolarstromanlage” auf
dem Dach des Kepler-Gymnasiums;
– private Einzelprojekte;
– Broschüre
zu
Solarprojekten
in
Freiburg.
Im Zuge der geplanten Verbraucherberatung und Bewohnermotivation
– Im neuen Stadtteil wurde eine Kontaktstelle (K.I.O.S.K.) für die Bewohner mit
intensiver Quartiersarbeit aufgebaut, in
der auch Verbraucher- und Mobilitätsberatung stattfinden wird.
– Eine Ausleihe von Strommeßgeräten
und Lampenkoffern wurde eingerichtet.
– Die Bildung einer Einkaufsgemeinschaft
für Stromspargeräte wurde initiiert.
– Das Car-Sharing Angebot besteht. Der
Stellplatz für ein Gemeinschaftsauto ist
bei K.I.O.S.K.
– Die Vorbereitung einer Mobilitätsaktion
läuft. Damit sollen gezielt Arbeitnehmern – insbesondere aus dem angrenzenden Gewerbegebiet Haid – Wohnungsmöglichkeiten
im
Rieselfeld
angeboten werden, damit Wege und
Fahrten reduziert werden.
Vermarktung
Die Durchführung des Modellvorhabens
bedingte einen ständigen Abgleich der Forschung mit der Realität. Die Kontrolle und
Beurteilung der einzelnen Bauvorhaben
waren wichtige Bausteine, deren Inhalte in
den vielfältigen Planungs- und Vermarktungsgesprächen mit großer Effizienz eingesetzt werden konnten. Hier war natürlich
Überzeugungsarbeit notwendig, daß Energieeinsparung die Ressourcen schont und
Schadstofffreisetzungen vermeidet, mit
einer baulich besseren Qualität der Wert
der Immobilie erhöht wird, die Bewohner
geringere Heizkosten haben und die Im-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
17
mobilie sich aufgrund der Qualitätsmerkmale leichter verkaufen läßt.
Zeitlicher und technischer Ablauf der Qualitätssicherung
im Bauvorhaben Freiburg-Rieselfeld
Qualitätssicherung
Um die Einhaltung des vertraglich vereinbarten NEH-Standards von 65 kWh/m² im
Jahr zu bestätigen, wurde ein erstes vereinfachtes Prüfverfahren entwickelt, welches
vom Grundstückseigentümer umfangreiche Unterlagen einfordert:
– Kopie des Energiebedarfskennwertnachweises nach Freiburger Verfahren
(analog zum Nachweis nach Wärmeschutzverordnung),
– Berechnung nach Wohn- und Nutzflächen gem. DIN 277 und Zweiter Berechnungsverordnung (wie bei Baugesuch),
– ein Satz Werkpläne mit farbiger Markierung der thermischen Gebäudehülle,
– Beschreibung des Lüftungskonzeptes
und
– prinziphafte Darstellung von Bauteilanschlüssen.
Zeitlicher Aufwand in Stunden (h) pro Bauvorhaben (grobe Schätzung!)
Diese Art der Prüfung läuft seit Sommer
1996 durch ein von der Stadt beauftragtes
Büro. Die ersten Ergebnisse waren leider
nicht nur positiv. Die konkreten Plausibilitätsprüfungen ergaben, daß einzelne
Fehler beim Nachweis des Energiebedarfskennwertes „Heizwärme“, z. B. falsche
Flächenaufnahme oder Fenster- und
Dämmstoffdaten, immer wieder auftreten.
Um dem entgegenzuwirken, hat sich die
Stadt Freiburg entschlossen, künftig noch
gezielter auf die Einhaltung der geltenden
Regeln der Technik hinzuweisen, verstärkt
die frühzeitige Einschaltung eines Energieplaners zu empfehlen sowie ein Infoblatt
über die typischen „Stolpersteine” bei Planung, Berechnung und Umsetzung herauszugeben und auf die Prüfung der NEHKriterien während der gesamten Bauzeit
hinzuweisen.
Seit Mitte 1997 verpflichten sich im Grundstückskaufvertrag die Erwerber, den
rechnerischen
NEH-Wärmeschutznachweis nach Freiburger Verfahren und die
Bauausführung von einem Sachverständigen für Wärmeschutz oder einem Prüfingenieur für Baustatik überprüfen zu lassen.
Daneben wird die Stadt Freiburg in den
nächsten Monaten das konkrete Gespräch
mit den betreffenden Berufsständen
suchen, um auch hier einen kritischen und
konstruktiven Dialog zu beginnen. Insgesamt kann nur ein auf Einsicht basierendes
Verhalten des einzelnen Bauherrn zu
einem dauerhaften Umsetzungserfolg
führen.
Routinekontrolle
2h
2h–4h
1h
2h
Detailkontrolle bei
Unstimmigkeiten
12 h
16 h – 18 h
11 h
3h
2. Stufe
3. Stufe
4. Stufe
Technischer Ablauf pro Bauvorhaben
1. Stufe
Bauantrag
Baugenehmigung
Wärmebrückenkonzept (M 1:10)
Flächen, Kennwerte und
Energiekennzahl
rechnerisch
prüfen
Rohbau
Flächen prüfen
veredelter
Rohbau nach
und während
Einbau von
Fenstern und
Dämmstoffen
Brauchbarkeitsnachweise,
Kennwerte von
Dämmstoffen,
Kontrolltests
Haustechnikarbeiten
Unterscheidung:
beheizte und
unbeheizte
Zone, Einbau
der Lüftungsanlage
Resümee und Ausblick
Im Durchschnitt wird im Rieselfeld tatsächlich eine Heizenergieeinsparung gegenüber den Mindestanforderungen nach
Wärmeschutzverordnung von über 20 %
erzielt. Von Fraktionen des Gemeinderates
werden noch höhere Anforderungen zur
NEH-Bauweise diskutiert. Im Grundstücksvertrag wurden auch die Regelungen
zur Kontrolle und Vertragsstrafen neu
festgelegt. In Zukunft wird die gezielte Information, Beratung und Schulung der Bewohner sehr wichtig werden, da sie letztlich mit ihrem Verhalten entscheiden
werden, auf welchem Niveau sich die verursachten Schadstoffmengen bewegen
werden.
Insgesamt kann aus heutiger Sicht ein positives Resümee gezogen werden. Wir werden uns aber mit dem Erreichten nicht zufrieden geben und die Strategie der kleinen
praxisorientierten Schritte mit unserem
Leitsatz „Kommunikation statt Sanktion”
konsequent weiterverfolgen.
Begehung vor
Ort, Brauchbarkeitsnachweise
überprüfen
Plausibilität,
Blower-DoorMessung
Begehung vor
Ort, Brauchbarkeitsnachweise
überprüfen
Thermografie
Schadstoffminderung im Städtebau
18
Qualitätskontrolle bei der Planung und Umsetzung
durch die Bauaufsicht
Hans-Peter Kubach
Wirtschaftsministerium
Baden-Württemberg
Theodor-Heuss-Straße 4
70179 Stuttgart
Aufgaben der Bauaufsicht
Das Regelwerk des Bauordnungsrechts
greift bei der Umsetzung komplexer städtebaulicher Planungs- und Entscheidungsprozesse; es wird vollzogen, wenn bauliche
Anlagen errichtet, geändert oder abgerissen werden. „Qualitätskontrolle durch die
Bauaufsicht“ kann sich ausschließlich darauf erstrecken, zu prüfen, ob ein Bauvorhaben die baurechtlichen sowie die anderen
öffentlich-rechtlichen Vorschriften über
die Errichtung und den Abbruch von baulichen Anlagen einhält.
Die Entwicklung des Bauordnungsrechts
Die bauordnungsrechtlichen Vorschriften
sind in allen Ländern in den Landesbauordnungen verankert. Sie enthalten die
materiell-rechtlichen Anforderungen an
bauliche Anlagen, verfahrensrechtliche
Vorschriften sowie Bestimmungen über
die Aufgaben und Befugnisse, die den Bauaufsichtsbehörden zugewiesen sind. Seit
1990 haben die Länder ihre Bauordnungen
mit dem Ziel novelliert, baurechtliche Verfahren zu vereinfachen, zu beschleunigen,
auf entbehrliche Prüfungen zu verzichten,
die Behörden zu entlasten und die Eigenverantwortung der am Bau beteiligten Privaten zu stärken.
Materiell-rechtliche Anforderungen
Das Bauordnungsrecht dient primär der
Gefahrenabwehr: Bauliche Anlagen sind so
zu errichten, daß die öffentliche Sicherheit
oder Ordnung, insbesondere Leben und
Gesundheit, nicht gefährdet werden.
Inzwischen haben jedoch auch sozialpolitische und ökologische Zielsetzungen Eingang gefunden, in den Landesbauordnungen werden nun auch die natürlichen
Lebensgrundlagen als elementar schützenswerte Rechtsgüter besonders hervorgehoben.
Ökologische Standards
in den Landesbauordnungen
Die Mittel des Bauordnungsrechts zur Förderung des Umweltschutzes sind begrenzt;
nicht berücksichtigt werden können Anforderungen z. B. des Immissionsschutz-,
Naturschutz- oder Wasserrechtes und
Maßnahmen, die nicht in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. Den
sich hieraus ergebenden Rahmen für die
Verwirklichung ökologischer Zielsetzungen füllen die Bauordnungen der Länder
unterschiedlich aus.
In der Novelle 1996 der LBO Baden-Württembergs wurden zahlreiche Regelungen
verankert, die ökologischen Zielen dienen:
z.B. wurden bei Vorhaben zur Energieeinsparung Abweichungen von den baurechtlichen Vorschriften erleichtert; bei der
Stellplatzverpflichtung ist die Leistungsfähigkeit des ÖPNV zu berücksichtigen,
Ablösebeträge können zur Förderung des
ÖPNV und des Fahrradverkehrs verwendet
werden.
Beispiel: Verwendung von Bauprodukten
Die Länder haben die EU-Bauproduktenrichtlinie einheitlich in ihren Bauordnungen umgesetzt. So sind z. B. Bauprodukte,
die besondere wärmeschutztechnische
Eigenschaften aufweisen müssen, in das
bauordnungsrechtliche Verwendbarkeitsund Übereinstimmungsnachweisverfahren eingebunden. Die Bauprodukte sind in
der vom Deutschen Institut für Bautechnik
(DIBt), Berlin, bekanntgemachten Bauregelliste A geführt und müssen mit dem
Übereinstimmungszeichen
(Ü-Zeichen)
gekennzeichnet sein. Damit sind die wärmeschutztechnischen Eigenschaften dieser Bauprodukte für ihre Verwendung eindeutig definiert und unterliegen einem
baurechtlichen Nachweisverfahren.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
Beispiel: Wärmeschutz
Die Bauordnungen enthalten Grundanforderungen an den Wärmeschutz baulicher
Anlagen und z. T. Einzelanforderungen für
Bauteile. Die Anforderungen dienen dem
Schutz des Gebäudes vor klimabedingten
Feuchteschäden und damit der Bauerhaltung sowie dem Gesundheitsschutz für die
Bewohner (baulicher Wärmeschutz nach
DIN 4108). Über diese Gewährleistung
der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen hinaus verlangt die auf der
Grundlage des Energieeinsparungsgesetzes erlassene Wärmeschutzverordnung im
Interesse der Energieeinsparung einen erhöhten baulichen Wärmeschutz.
Behördliche Kontrolle: Baugenehmigungsverfahren und Bauabnahmen
Im herkömmlichen Baugenehmigungsverfahren hat die Baurechtsbehörde zu
prüfen, ob die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Zu den materiell-rechtlichen Vorschriften gehören alle
Vorschriften des öffentlichen Rechts, die
Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten, insbesondere
– planungsrechtliche Vorschriften
(BauGB, BauNVO, B-Plan);
– bauordnungsrechtliche Vorschriften
(LBO und Folgevorschriften);
– sonstige öffentlich-rechtliche
Vorschriften (z. B. Immissionsschutzrecht, Naturschutzrecht, Wasserrecht).
Damit umfaßt die präventive Kontrolle
auch die Einhaltung öffentlich-rechtlicher,
ökologisch
orientierter
Vorschriften.
Widerspricht das Vorhaben den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so
kann die Baugenehmigung nicht erteilt
werden.
Was die Bauausführung angeht, bleibt es
dem Ermessen der Baurechtsbehörde
überlassen, ob und in welchem Umfang sie
Bauzustandsbesichtigungen bzw. Bauabnahmen durchführt.
19
Eigenverantwortlichkeit / Übertragung
von Prüfaufgaben an Dritte
Da behördliche Prüfungen nicht überall
und umfassend möglich und nötig sind,
sollten behördliche Kontrollen überall dort
zurückgenommen werden, wo eine Erfüllung der Anforderungen auch ohne behördliche Kontrollen erwartet werden
kann.
Insbesondere das Modell der Eigenverantwortlichkeit hat über das sog.
Baufreistellungsverfahren Eingang in die
Bauordnungen der Länder gefunden. Bauplanungsrechtlich und bautechnisch einfachere Bauvorhaben werden demnach
von der Genehmigungspflicht freigestellt.
Im Geltungsbereich von qualifizierten Bebauungsplänen ist nur noch die Kenntnisgabe/Anzeige gegenüber der Gemeinde
bzw. Baurechtsbehörde erforderlich. Der
Bauherr bzw. sein Planverfasser übernehmen selbst die Verantwortung für die
Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften. So hat der Planverfasser in
Baden-Württemberg schriftlich zu bestätigen, daß sein Entwurf den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.
Bei „einfachen“ Vorhaben (insbesondere
Wohngebäude geringer Höhe) kann ferner
auf die Prüfung der Standsicherheits-,
Wärmeschutz- und Schallschutznachweise
verzichtet werden. Voraussetzung für
einen Prüfverzicht ist allerdings, daß der
Ersteller der einschlägigen Nachweise bestimmte Qualifikationsanforderungen aufweist.
Bei schwierigeren Vorhaben (Wohngebäude mittlerer Höhe, Hochhäuser, Sonderbauten), bei denen auf eine bautechnische
Prüfung nicht verzichtet werden kann,
besteht die Möglichkeit, diese auf qualifizierte Sachverständige, wie etwa die Prüfingenieure, zu übertragen.
Qualitätssicherung und „schlanker Staat“–
ein Zielkonflikt?
Bund und Länder haben sich verstärkt dem
Ziel „schlanker Staat“ verschrieben; in vielen Bereichen wird staatliches Handeln im
normativen und administrativen Bereich
Schadstoffminderung im Städtebau
20
zurückgenommen. Andererseits werden
immer neue Regelungen und Instrumente
gefordert, um gerade im Umweltbereich
höhere Standards zu erzielen.
Da die neuen Baufreistellungsverfahren
mit der Übertragung von bisher staatlichen
Pflichten auf die am Bau Beteiligten sich
bewährt haben, dürften weitere Initiativen
zur Deregulierung, Privatisierung und
Kostensenkung im Bauwesen folgen.
Öffentlich-rechtliche Qualitätssicherung
wird künftig verstärkt eigenverantwortlich
durch private Beteiligte bzw. qualifizierte
Sachverständige erfolgen müssen. Voraussetzung dafür sind möglichst einfache,
vollzugstaugliche Vorschriften. Nur klare,
praxisgerechte Vorgaben, Information und
Aufklärung bieten die Gewähr, daß innovative Regelungen zur Schadstoffminderung
bei den am Bau Beteiligten auf Akzeptanz
stoßen und qualifiziert umgesetzt werden.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
21
Themenblock 2
Qualifizierung und Qualitätskontrolle bei Planung und Bauausführung
Ergebnisse:
Handlungsanforderungen:
Druck von oben durch Verordnungen und Druck
von unten durch Marktnachfrage zwingt die am Bau
Beteiligten zur Qualifizierung
– Durchführung von Initiativprogrammen der Aus- und
Weiterbildung in der Stadt- und Regionalplanung
zum städtebaulichen Klimaschutz sowie der Moderation und dem Management städtebaulicher Prozesse
Nach dem erfolgreichen Schweizer Vorbild werden
auch in den Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Berlin Impuls-Programme vor allem für die Planung und Ausführung von
Niedrigenergiehäusern und das Stromsparen in Gebäuden durchgeführt. Die Inhalte werden den teilnehmenden Planern, Ingenieuren und Handwerkern dabei praxisnah von Fachleuten vermittelt sowie unter
Verwendung von vielfältigen Anschauungsmaterialien
und Simulationstechniken visualisiert.
Durch Durchführung öffentlicher Energiediskussionstische oder die Etablierung von Stromsparlabel beim
Verbraucher sind Beispiele für öffentlichkeitswirksame
Maßnahmen zur Aktivierung der Nachfrage nach mehr
Klimaschutz im Städtebau.
Die Einklagbarkeit von Qualitätsstandards, zum Beispiel der Luftdichtigkeit der Gebäudehülle nach DIN
4108, Teil 7, führt ebenfalls zu einer erhöhten Qualifizierungsbereitschaft der Architekten und Bauausführungen. Dabei ist das Zusammenspiel von Handlungsinstrumenten aus Gesetzen und Verordnungen
(Sanktionen und Kontrollen) sowie baupraktischer
Forschung, Förderanreizen und Beratungsinfrastrukturen (Information und Motivation) am wirkungsvollsten.
Die Deregulierung im Planungs- und Bauwesen
bedarf flankierender Maßnahmen zur Sicherung
der Qualität
Die Baupraxis widerspricht vielfach den Regelungen
der Verordnungen des Bundes und der Länder, insbesondere auch beim Wärmeschutz. Durch die Deregulierung im Planungs- und Bauwesen ist zunächst eine
Verstärkung dieser Diskrepanz zu erwarten. Die Stärkung der Eigenverantwortung bedarf demnach einer
kontinuierlichen Weiterbildung und Information der
am Bau Beteiligten.
– Einrichtung eines Beratungsprogramms für Klimaschutz im Städtebau, gerichtet an Kommunen und
regionale Planungsverbände, vergleichbar dem
Förderprogramm des BMWi zur Energie-Vor-OrtBeratung
– Aufbereitung neuer Gesetze und Verordnungen für
die Akteure im Vollzug sowie Investoren/Nutzer
(Marktnachfrage) zur Verbreitung des Standes der
Technik – in Verbindung mit Kammern und Verbänden
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
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Themenblock 3
Qualifizierung und Qualitätskontrolle bei Planung und Bauausführung
Referate:
– Solarunterstützte Nahwärmeversorgung in Neubausiedlungen
Prof. Dr.-Ing. Norbert Fisch, TU Braunschweig
– Solare Optimierungspfade für Neubausiedlungen: Modellvorhaben Saarbrücken-Franzenbrunnen
Jost Eberhard, Heide & Eberhard, Bonn
– Solarsiedlung und Wirtschaftlichkeit aus der Sicht des Investors: Freiburg-Schlierberg
Wilfried Rahe, Immoconsult, Freiburg im Breisgau
– Möglichkeiten der Schadstoffminderung im Verkehrsbereich in städtebaulichen Wettbewerben
Gisela Stete, Büro Frank und Stete, Darmstadt
– Anforderungen an den Verkehr im Städtebau: Ergebnisse aus dem ExWoSt-Forschungsfeld
„Städtebau und Verkehr“
Gerd Würdemann, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
– Engagement für Qualitäten zwischen Neubau und Sanierung: Stadtkernsanierung in Nauen
Silvia Weiß, Stattbau Stadtentwicklungsgesellschaft mbH, ASUM Arbeitsgruppe für Sozialplanung und
Mieterberatung gGmbH, Berlin
– Motivation eines Wohnungsunternehmens zur Erschließung hoher Schadstoffminderungspotentiale
in Alt- und Neubau
Helmut Asche, Prokurist, Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft Berlin mbH
– Einsatz von Kontrollinstrumenten im Rahmen privatwirtschaftlicher Betreibermodelle
Dr. Klaus Müschen, Energieleitstelle beim Senat für Stadtentwicklung, Umweltschutz
und Technologie, Bonn
– Neues Industrielles solares Bauen in Fertigbauweise
Achim Zielke, Pressesprecher des Deutschen Fertighausbaus
Der dritte Themenblock wurde der Qualitätssicherung
in den verschiedenen städtebaulichen Handlungsbereichen unter dem Aspekt der Schadstoffminderung
gewidmet. Die einzelnen Handlungsbereiche reichen
von der solaren Energienutzung in der Stadtplanung
und Architektur, den Anforderungen an den Stadtverkehr und die Altbausanierung bis zu zielführenden
Energieversorgungs- und Contractinglösungen. Neue
Qualitäten des solaren Bauens durch industrielle Vorfertigung haben diesen Themenblock abgeschlossen
und zur Besichtigungsfahrt zu den „ÖvolutionsHäusern“ der Firma WeberHaus übergeleitet (s. Exkursion 2).
Handlungsbereiche im Rahmen des Leitbildes
der „Nachhaltigen Stadtentwicklung“
Quelle: BMBau (Hrsg.): Klimaschutz und Städtebau – Mehr
Klimaschutz durch städtebauliche Wettbewerbe, Bonn o.J.
Nachhaltige Stadtentwicklung
Gestalt
Funktion
Umwelt
Städtebau
Verkehr
– verträgliche
Dichte
– Funktionsmischung
– Polyzentralität
– Vorrang für
den Umweltverbund
– push & pullMaßnahmen
Soziales
Ökonomie
Energieversorgung
– effiziente Energieversorgung
– Energieträger-Substitution (CO2-arm)
– Nutzung regenerativer Energien
Bautechnik
und
-physik
GebäudeTypologie
– Kompaktheit
– Orientierung,
aktive und passive
Solarnutzung
– keine Verschattung
(- Wärmeschutz)
Schadstoffminderung im Städtebau
Schadstoffminderung im Städtebau
24
Solarunterstützte Nahwärmeversorgung in Neubausiedlungen
Prof. Dr.-Ing. Norbert Fisch
TU Braunschweig – Institut für
Gebäude und Solartechnik
Mühlenpfordstraße 23
38106 Braunschweig
Steinbeis-Transferzentrum
Energie-, Gebäude und
Solartechnik
Heßbrühlstraße 15
70656 Stuttgart
Die Nutzung der Sonnenenergie zur Beheizung von Wohnsiedlungen ist weder technisch noch finanziell utopisch, wie die ersten drei in Betrieb befindlichen solaren
Großanlagen mit Langzeit-Wärmespeicher, die zur Erzielung eines 50 bis 70
%igen solaren Deckungsanteils erforderlich sind, in Deutschland zeigen. Die Entwicklung, Planung, Bau und Erprobung
dieser Speicher war ein Schwerpunkt der
Pilotprojekte, die im Rahmen des BMBFFörderprogramms SOLARTHERMIE 2000
(Teilprogramm 3 „Solare Nahwärme“) gefördert wurden. Diese sind in Friedrichshafen und Hamburg seit Ende 1996 und in
Neckarsulm-Amorbach seit November
1997 in Betrieb.1
Pilotprojekte „Solarunterstützte
Nahwärmeversorgung mit
Langzeit-Wärmespeicher“
Das Wohngebiet in Hamburg besteht aus
124 Reihenhäusern. Das Gebiet in Friedrichshafen setzt sich aus acht vierstöckigen
Gebäudeblöcken mit ca. 580 Wohneinheiten zusammen. Beiden Projekten gemeinsam ist ein Heißwasserspeicher, der
Kollektorfelder auf den
Mehrfamilienhäusern in
Friedrichshafen
als eingegrabener Betonbehälter realisiert
wurde.
Die Investitionskosten für das komplette
Solarsystem betragen in Friedrichshafen
rund 11 000 DM pro Wohneinheit, die
solaren Wärmepreise liegen bei 30 bis
40 Pf/kWh (ohne Förderung) und damit
doppelt so hoch wie bei großen Systemen
ohne
Langzeit-Wärmespeicher.
Dies
macht deutlich, daß ein Bedarf an günstigen Speicherkonzepten besteht und hier
weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeit geleistet werden muß.2
Ein weiteres Speichersystem stellt der KiesWasserspeicher mit 8 000 m³ Volumen
(entspricht 5 300 m³ Wasseräquivalent)
dar. Hier übernimmt die Kiesfüllung die
tragende Funktion, daher sind keine seitlichen Betonwände erforderlich. Die
Dichtheit des Speichers wird durch eine
2,5 mm dicke PE-HD-Folie gewährleistet.
Die Baukosten des Kies/Wasser-Wärmespeichers in der Pilotanlage Solaris Chemnitz lagen bei etwa 280 DM/m³ (Wasseräquivalent).3, 4
Zur Senkung der Kosten bei der Installation thermischer Solaranlagen entwickeln
gegenwärtig einige Hersteller sogenannte
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
25
Kollektordächer, die Kollektor und Dach
inklusive Sparren und Wärmedämmung
als integriertes Bauteil enthalten. Diese
Fertigdachelemente werden im Werk komplett gefertigt und mit dem Kran auf das
Haus gelegt. Mit diesem Konzept lassen
sich die Montagezeiten drastisch reduzieren und rund 20 bis 30 % Kosteneinsparung erzielen.
Zukünftige Projekte und Schlußfolgerung
Gegenwärtig sind weitere Demonstrationsprojekte in Planung bzw. Vorbereitung, unter anderem in Hannover-Kronsberg,
Rostock, Berlin und Bielefeld. Im Zuge dieser Projekte soll die Systemtechnik für große Solaranlagen weiterentwickelt werden.
Inbesondere sollen neue Wärmespeicherkonzepte (z. B. Aquifere) entwickelt und erprobt werden. Welcher Speichertyp – Heißwasserbecken, vertikale Erdsonden oder
Aquifer – am günstigsten ist, wird bestimmt von der örtlichen Hydrogeologie,
der Projektgröße und den Baukosten. Die
Erdsonden- und Aquifer-Wärmespeicher
erfordern einige 10 000 m³ Volumina, denn
die Seitenwände und meist auch die Decke
können nicht wärmegedämmt werden. So
kommen diese Speichertypen erst bei
Wohngebieten mit mindestens 600 bis 800
Wohneinheiten (je nach Wärmedämmstandard der Gebäude) in Frage, während
Erdbeckenspeicher bereits für Siedlungen
ab rund 100 bis 150 Wohneinheiten eingesetzt werden können.
Der Bau neuer solarunterstützter Nahwärmesysteme mit fortschrittlichen oder neuen saisonalen Speicherkonzepten, eine
Weiterentwicklung an den Flachkollektoren und eine Verbesserung der Systemtechnologie werden der thermischen Sonnenenergie in Zukunft einen breiten Markt
eröffnen.
Die Wohnsiedlungen, die wir heute planen
und bauen, sollten mit einer zukunftsorientierten und flexiblen Energieversorgung
ausgerüstet werden. Bei der Erstellung von
Bebauungsplänen bzw. der Auslobung von
städtebaulichen Wettbewerben wird leider
immer noch einer Solarisierung zu wenig
Aufmerksamkeit geschenkt. In diesem Stadium der Planung von Wohnsiedlungen
lassen sich ohne Mehraufwand Energieeinsparungen von 5 bis 15 % erzielen. Die
heute noch oft realisierten Einzelheizungen in Verbindung mit einer Gasversorgung genügen im Vergleich zu einer
Nahwärmeversorgung nicht dem Anspruch einer flexiblen Brennstoffwahl oder
dem kostengünstigen Einsatz regenerativer Energieträger in der Zukunft.
(1)
Schulz, M.E.; Seiwald, H.;
Fisch, M. N.: Central solar
heating plants with seasonal
storage, The first pilot plants
in Germany. 4th Europeaan
Conference on Solar Energy
in Architecture and Urban
Planning, Berlin, March 1996;
S. Stephens & Associates,
United Kingdom
(2)
Guigas, M.; Kübler, R.; Lutz, A.;
Schulz, M. E.; Fisch, M. N.;
Hahne, E.: Solar unterstützte
Nahwärmeversorgung mit und
ohne Langzeitwärmespeicherung. Forschungsbericht zum
BMBF-Vorhaben 032 - 8867 C,
Institut für Thermodynamik und
Wärmetechnik (ITW), Universität Stuttgart, 6/1995
(3)
Urbanek, T.: Solarunterstützte
Nahwärmeversorgung – Pilotanlage SOLARIS Chemnitz
Statusbericht, Solarunterstützte Nahwärmeversorgung –
Saisonale Wärmespeicherung
Neckarsulm, 1998, im Druck,
Steinbeis TZ/EGS, Stuttgart
(4)
Pfeil, M.; Koch, H.; Hahne, E.:
Solaranlagen mit Langzeitwärmespeicher zur Heizungsunterstützung und Brauchwassererwärmung Otti-Technologie-Kolleg,
7. Symp.
Thermische
Solarenergie,
Tagungsband, S. 350
Daten der Wohngebiete und Solaranlagen in Hamburg, Friedrichshafen und Neckarsulm
Wohngebiet
HamburgBramfeld
FriedrichshafenWiggenhausen
NeckarsulmAmorbach II
Gebäudetyp
Reihenhäuser
Mehrgeschoß
Mehrgeschoß
Anzahl der Gebäude/Wohnungen
Gesamte Wohnfläche
m2
124/124
14 800
8/586
39 500
noch im Ausbau
noch im Ausbau
Wärmedämmstandard
Gesamtgasverbrauch (Ref. ohne Solar)
bezogen auf Wohnfläche
MWh/a
kWh/(m2*a)
Hamburg ‘92
1 686
114
20 % u. WSVO ’95
4 106
104
25 % u. WSVO ‘95
im Ausbau
im Ausbau
Kd
kWh/(m2*a)
3 837
978
3 717
1 177
---
Kollektorfläche
Speichervolumen
Vor-/Rücklauftemperatur
Gasverbrauch (mit Solar)
m2
m3
ºC/ºC
MWh/a
3 000
4 500
60/30
860
5 600
12 000
70/40
2 191
5 700
55 000
70/40
--
bezogen auf Wohnfläche
Solarer Deckungsanteil
kWh/(m2*a)
%
58
50
55
47
44
51
Klima
Heizgradtage
Globalstrahlung in Horizontalebene
Solaranlage
Schadstoffminderung im Städtebau
26
Solare Optimierungspfade für Neubausiedlungen
– Modellvorhaben Saarbrücken - Franzenbrunnen –
Jost Eberhard
Planungsbüro Heide & Eberhard
Prinz-Albert-Straße 24
53113 Bonn
Energieorientiertes Bauen fängt mit den
geeigneten städtebaulichen Vorgaben an
und reicht über den Gebäudeentwurf und
die Bauphysik bis hin zu der versorgungstechnischen Ausführung eines Gebäudes.
In den folgenden sieben Thesen werden
die notwendigen Anforderungen an städtebauliche Vorgaben beschrieben.
1 Energienutzen und Energiesparen
beim Neubau
Die energie- und schadstoffrelevanten Wirkungen des Bauens müssen frühzeitig bei der städtebaulichen und der baulichen Planung sowie der
technischen Ausführung berücksichtigt werden.
Häufig wird der Anspruch z.B. an behagliches
Wohnen einseitig mit Technik und Energiezufuhr gewährleistet und die damit verbundenen
Umweltbelastungen als gegeben hingenommen.
Der Mangel an Energiebewußtsein bei der
städtebaulichen Planung und beim architektonischen Entwurf kommt zustande,
weil er scheinbar leicht durch Technik und
Energiezufuhr ausgeglichen werden kann.
Umweltbelastungen infolge unterschiedlicher Entscheidungen
bei der Wahl der Technik und der Energieverwendung
Mehr Technik, mehr
Fremdenergie …
Fensterlose
Räume
Eher 10 t/a Co2
pro Haushalt
(ohne Auto)
Träge
Heizung
Dauerlüften
Heizenergie
Beleuchtung:
Strom
Lüften
Behagliches
Wohnen
Frische
Luft
Kontrollierte
Lüftung
Wärmerückgewinnung
Wärmezufuhr
Passivorientierung,
Dämmung
Licht,
Komfort …
Umweltbelastung
Neubauwohnung ?
Sonnenorientierung,
Zonierung der
Nutzungen
Flinke
Heizung,
Kollektoren
Variabler
Sonnenschutz,
PV-Anlage
Eher 2 t/a Co2
pro Haushalt
(ohne Auto)
optim. Baukonzept,
Solarenergie …
Der Städtebau nimmt großen Einfluß auf
Art und Umfang der Energieverwendung
und der Solarenergienutzung. Durch Festlegungen in der Bauleitplanung, insbesondere in den Bebauungsplänen, kann das
Neubaugeschehen in eine gewünschte
Richtung gelenkt werden. Aus der Folge
von Einzelentscheidungen können sich
in der Summe erhebliche Unterschiede
ergeben, obwohl bei dem subjektiv
empfundenen Nutzen kein Unterschied zu
verzeichnen ist.
2 Städtebauliches Erschließungskonzept
und solares Bauen
Die Entscheidung für ein bestimmtes Erschließungskonzept ist häufig das Rückgrat einer städtebaulichen Entwurfsidee. Es wirkt sich unmittelbar auf die Orientierung von Gebäuden und
Grundrissen und damit auf die Eignung für eine
aktive und passive Solarenergienutzung aus.
Vor allem sind Ost-West-orientierte Gebäudezeilen zu kritisieren. Sie führen in
Verbindung mit traufständiger Bauweise
und einer Bebauung beiderseits der Straße
zu Mängeln, die durch eine nachträgliche
Firstdrehung nicht behoben werden können. Bei südorientierten Gebäudeanordnungen wird dagegen nicht immer auf eine
Vermeidung von Verschattungen und eine
geeignete Dachneigung für eine aktive Solarenergienutzung geachtet.
Bei einer bewußten Auswahl des geeigneten Erschließungsprinzips ist es möglich,
ein Konzept zu verfolgen, das eine energieorientierte Bauweise optimal unterstützt,
den Erschließungsaufwand vermindert
und die Spielräume einer ökologisch verträglichen Architektur vorzeichnet. Dabei
gilt es, die qualitativen Wechselwirkungen
zwischen der städtebaulichen Erschließung und den Zielen der Energieeinsparung und der Solarenergienutzung gegeneinander abzuwägen. So kann der bewußte
Verzicht auf eine ganzjährige Verschattungsfreiheit durch eine höhere Nutzungsdichte und niedrigere Herstellungskosten
aufgewogen werden, wenn die übrigen
energetischen Rahmenbedingungen optimal gelöst werden.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
3 Städtebauliche Nutzungsdichte und
geeignete Gebäudetypen
Für eine optimale solare Nutzung beim Neubau
ist die Festlegung der gewünschten städtebaulichen Nutzungsdichte, die Auswahl und die sorgfältige architektonische Gestaltung geeigneter
Gebäudetypen notwendig.
Mit Blick auf die Energieeinsparverordnung, die nochmals steigende Qualitätsanforderungen an den Wärmeschutz und die
Energiebereitstellung bringt, stellen sich
zwei Fragen:
ñ Wie sollen vermeintliche Mehrkosten eines energiesparenden, solaren Bauens
verkraftet werden, wenn zuerst einmal
„wie gehabt“ geplant und entworfen
wird und am Ende zusätzliche Anforderungen erfüllt werden müssen?
– Liegt in einer frühzeitigen Integration
von Energie, Verkehr und Umwelt in die
städtebauliche Planung die Chance,
zum Vorteil aller Beteiligten besser,
kostengünstiger und zukunftssicher zu
bauen?
Beispiele aus dem aktuellen Baugeschehen
belegen, daß sich sowohl im verdichteten
Flachbau als auch im Geschoßbau städtebauliche und architektonische Optimierungsmöglichkeiten, die sich bei einer
sorgfältigen Ausgestaltung in Richtung
Sonnenorientierung, Kompaktheit und
Verbesserung des A/V-Verhältnisses erzielen lassen.
4 Zukünftige Perspektiven
der solaren Versorgung im Neubau
Konventionelle Versorgungslösungen führen bei
einem künftig weiter abnehmenden Raumwärmebedarf im Neubau nicht mehr zum Ziel. Tragfähige Zukunftslösungen sind erzielbar, wenn
integrierte Konzepte (Städtebau, Architektur,
Haustechnik und Energieversorgung) an den Beginn der Planung gestellt werden.
Bei einem Jahresheizwärmebedarf von
nur noch 35 kWh/m²*a Wohnfläche (oder
weniger), also einem Niedrigenergie-Standard bei verdichteter Bauweise, sinkt die
Wärmedichte so stark, daß eine leitungsgebundene Versorgung nach herkömmlichen
wirtschaftlichen Kriterien nicht mehr möglich ist.
Mit den heute gegebenen Mitteln des Baurechts kann eine Niedrigenergiebauweise
oder bestimmte Brennstoff- sowie Elektrokennziffern oder eine aktive Sonnenenergienutzung in der Bauleitplanung nicht
verankert werden. Hier braucht es neue in-
27
strumentelle Ansätze, wie eine Mischkalkulation im Wärmemarkt etwa nach dem
Muster der kostendeckenden Einspeisevergütung für Solarstrom.
5 Den Neubau auf die Zukunft
vorbereiten
Tragfähige Lösungen für solares Bauen können
teilweise direkt realisiert werden, müssen z.T.
auch nur für die Zukunft gesichert werden. Notwendig ist in jedem Fall ein geeigneter rechtlicher
Rahmen.
Im Hinblick auf rechtliche Festlegungen
können Städte und Gemeinden derzeit
bereits in der Bauleitplanung besondere
Anforderungen an eine energiesparende,
solare Neubautätigkeit stellen, z. B. indem
sie vorsehen, daß
– Gebäude und geneigte Dächer zur
Sonne hin ausgerichtet werden,
– Baugebiete auf sonnenarmen Nordhängen vermieden werden oder
– Vorgaben zur Bepflanzung eine Winterverschattung der Gebäude verhindern.
Konkrete Qualitätsziele für solare Nutzungen bzw. wirksame örtliche Klimaschutzpolitik können die Kommunen aber bei der
Aufstellung von Bebauungsplänen nicht
vorgeben. Hier fehlen den Kommunen
klare Regelungsbefugnisse.
6 Städtebauliche Instrumente
für Solarenergie beim Neubau
Eine Orientierung des Städtebaus am Ziel der solaren Nutzung wird nur dann optimal gelingen,
wenn städtebauliche Planung und Verfahren
durch innovative Instrumente ergänzt werden.
Im Saarland beispielsweise sieht die novellierte Landesbauordnung vor, daß ergänzend zur Wärmeschutzverordnung eine
bestimmte Zahl von „Ökopunkten“ aus
einer zur Wahl stehenden Liste von ergänzenden Optimierungsmaßnahmen zu
erbringen ist. Der Bauherr kann anhand
dieser Liste individuell Vorteile und Profitchancen prüfen und Anregungen aufnehmen. Im Ergebnis kann der Qualitätsstandard der Neubauten in vielfältiger Weise
angehoben werden.
Schadstoffminderung im Städtebau
28
7 Wirtschaftliche Vergütung
im solaren Wärmemarkt
Mehr aktive Solarenergienutzung beim Neubau
kann nur durch eine bessere Vergütung im Wärmemarkt in Gang gesetzt werden. Sowohl die traditionelle energiewirtschaftliche Mischkalkulation als auch das Modell der kostendeckenden
Einspeisevergütung für Solarstrom weisen den
Weg dorthin.
Bei der energiewirtschaftlichen Mischkalkulation vergleichbar der Strom- und
Erdgasversorgung, stehen relativ wenige
Tarife einer Vielzahl unterschiedlich
kostenintensiver Produktionsarten gegen-
über. Eine vergleichbare Regelung für
Niedertemperaturwärme aus solarthermischen Anlagen ist derzeit jedoch noch
nicht vorstellbar.
Eine tragfähige Weiterentwicklung der örtlichen Energieversorgung könnte u.a. darin liegen, die kostendeckende Einspeisevergütung auch im Wärmemarkt offensiv
anzuwenden. Mit einer kostendeckenden
Vergütung, die auf alle Wärmekunden im
Versorgungsgebiet umgelegt wird, läßt sich
dagegen der Markt heute noch nicht einzelnen wirtschaftlichen solaren Versorgungsmodellen öffnen.
Solarsiedlung und Wirtschaftlichkeit aus der Sicht des Investors
Wilfried Rahe
Immoconsult
Rathausgasse 2
79098 Freiburg
Innovative und zukunftsfähige Siedlungskonzepte gehören zu den wesentlichen Zukunftsaufgaben. Gefragt ist die zielstrebige
Umsetzung ästhetisch ansprechender,
ökologisch ausgerichteter und ökonomisch
sinnvoller Gesamtsysteme. Häuser mit
innovativer und ressourcenschonender
Solar- und Gebäudetechnik müssen als
Teil eines ganzheitlichen Siedlungskonzeptes bezahlbar und kostengünstig zu betreiben sein. Diesen Anspruch erfüllt die
„Solarsiedlung am Schlierberg“. Erstmals
in Deutschland wird mit ca. 126 Reihenhäusern in 24 Reihenhauszeilen eine kostengünstige Reihenhausanlage erstellt,
die durch passive Solarenergie, aktiven
Photovoltaik-Einsatz, ein ökologisches
Sanitär- und ein konsequentes Gebäudekonzept eine positive Jahres-Energiebilanz
aufweist. Ergänzt wird das städtebauliche
Konzept durch das Sonnenschiff, einem
Wohn- und Dienstleistungsgebäude entlang der westlichen Siedlungsgrenze, das
einen großen Teil der auszuweisenden
Stellplätze der Siedlung beherbergen und
als Schallschutz dienen wird (siehe Abb. 1).
Im Sonnenschiff sind 62 Wohnungen sowie
26 Gewerbeeinheiten
mit
insgesamt
4 700 m² Nutzfläche geplant.
Das Gesamtkonzept
Die 148 Reihenhäuser im „Plusenergiehaus-Konzept“ (davon 22 Penthäuser auf
dem Sonnenschiff) entsprechen einem
flächensparenden, energiegewinnenden
und
kostenminimierenden
Doppel-/
Reihenhauskonzept. Die Südseite der
Dachterasse wird von einem aus Photovoltaikmodulen bestehenden Solardach
überschattet. Das „Plusenergiehaus“ hat
eine erhöhte Wärmedämmung und wird
unter Verwendung von besonderen
Wärmeschutzisolierverglasungen errichtet. Durch weitere Maßnahmen wird eine
optimale Ausnutzung der eingesetzten
Heizenergie und der Sonnenenergie ermöglicht (Lüftungs-Heizungssystem mit
Wärmerückgewinnung, nutzungsabhängiger Einzelraumregelung, Warmwasseranschlüsse für Spül- und Waschmaschine).
Die Warmwasserversorgung erfolgt über
eine Nahwärmeversorgung, gespeist aus
zentraler
Sonnenkollektoranlage
mit
500 m² Kollektorfläche und einem Blockheizkraftwerk. Um den Reihenhäusern die
nicht solar abgedeckte restliche Energie
zuzuführen bzw. die notwendigen Entsorgungsleistungen auf möglichst umweltschonendem Wege zu garantieren, sind
folgende weitere Maßnahmen und Einrichtungen vorgesehen:
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
29
Abbildung 1
Siedlungskonzept
„Solarsiedlung am
Schlierberg“
Quelle: Informationsbroschüre
zum Projekt „Solarsiedlung am
Schlierberg“, Freiburg; INSTAGUnternehmensgruppe
– Eine Vakuumanlage erzeugt im Fäkalleitungssystem einen Unterdruck. Flüssige
und feste Abfälle können so mit weitaus
weniger Wasserverbrauch (knapp 1 Liter
pro Spülgang) transportiert werden.
Ferner gelangt in Toiletten und Waschmaschinen Regen- statt Trinkwasser
zum Einsatz.
– Biogasgenerator zur Nahwärmeversorgung. Für die „Solarsiedlung am Schlierberg“ ist ein zentraler Biogasgenerator
geplant, der zum einen durch das Vakuumsystem versorgt wird, zum anderen
auch mit kompostierbaren Küchen- und
Gartenabfällen wie Rasen- und Heckenschnitt gespeist wird. Das unter weitgehendem Luftabschluß gewonnene Biogas wird in einem kleinen
– Blockheizkraftwerk zu nutzbarer Wärmeenergie für die Versorgung der Siedlung verwandelt. Der organische Rest
aus dem Biogasgenerator kann als wertvoller Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt werden.
Das Verkehrskonzept sieht vor, durch eine
verkehrsberuhigte Gestaltung der Straßen
und mehrfach genutzten Sammelgaragen
(im „Sonnenschiff“) sowie vielfältigen Angeboten rund um den Umweltverbund die
Immobilie mobil zu machen. Als Realisierungszeitraum werden die kommenden
zwei Jahre bis 2000 veranschlagt.
Das „Plusenergiehaus“
Neben dem Energiegewinn durch eine
konsequente Solararchitektur zeichnet
sich das „Plusenergiehaus“ durch die
Modulbauweise aus. Die Haustypen eignen sich für ein-, zwei- oder dreiseitige
Grenzbebauungen und können flächensparend zu Doppel- und Reihenhäusern
gruppiert werden. Je nach Anforderung
können die aus vorgefertigten Bauteilen
gebildeten Einheiten gestapelt werden, so
daß zwei- oder mehrgeschossige Häuser
entstehen. Bevorzugt werden nachwachsende und recyclingfähige Materialien, insbesondere Holz. Durch die Verlagerung
weiter Teile der Arbeiten von der Baustelle
in die Werkstatt und den hohen Vorfertigungsgrad werden große Präzision und damit Bauwerke mit hoher Qualität erzielt.
Durch die Modulbauweise und das energetische Konzept kann so einerseits der Kostenrahmen eines konventionell errichteten Einzel-, Doppel- oder Reihenhauses
eingehalten werden, andererseits ist das
Gebäude energetisch so ausgelegt, daß im
Jahresmittel eine positive Bilanz erreicht
wird und damit eine signifikante Kostenersparnis bei den laufenden Bewirtschaftungskosten verbunden ist.
Der berechnete Heizenergiebedarf nach
dem voraussichtlichen Freiburger-Passivhaus-Wärmeschutznachweis erreicht für
Schadstoffminderung im Städtebau
30
die „Plusenergiehäuser“ zwischen 8 und
12 kWh/m² und Jahr bei Reihenmittelhäusern bzw. 10 und 24 kWh/m² und Jahr bei
Reihenendhäusern.
Die Preis- und Kostensituation stellt sich
am Beispiel eines zweigeschossigen Standardhauses mit ausgebauten Dachgeschoß
(insgesamt 119,10 m² Wohnfläche) folgendermaßen dar (siehe Abb. 2):
Abbildung 2
Detail der „Solarsiedlung am Schlierberg“
Quelle:
Informationsbroschüre zum Projekt „Solarsiedlung am Schlierberg“, Freiburg; INSTAG-Unternehmensgruppe
Kaufpreis
davon
716 858 DM
Grundstücksanteil
Grundstück (ca. 143 m2)
Erschließung und Hausanschlüsse
Außenanlagen
174 800 DM
23 220 DM
26 396 DM
224 416 DM
davon
Hausanteil
Haus
davon Anteil für DG-Ausbau
PV-Anlage Grundversion (3,68 kWp)
431 631 DM
49 000 DM
60 811 DM
492 442 DM
Mehrkosten PV-Vollausbau (5,06 kWp)
14 634 DM
Preis DM/m2 Wohnfläche bezogen auf Hausanteil
4 135 DM/m2
Preis DM/m2 Wohnfläche bezogen auf Gesamtkaufpreis
6 019 DM/m2
Diese Preise entsprechen der Obergrenze der in Freiburg i.Br. üblichen Immobilienpreisen. Allerdings ist das ökologische Sanitärkonzept derzeit nur mit Fördermitteln für ein
Publikum mit entsprechenden hohen Ansprüchen realisierbar.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
31
Möglichkeiten der Schadstoffminderung im Verkehrsbereich
in städtebaulichen Wettbewerben
Einführung
Die Planung und Realisierung neuer
Stadtquartiere gehört zu den zukunftsbedeutsamen Aufgabenfeldern von Stadtentwicklung, die die Möglichkeit bieten,
Schadstoffminderung „von Anfang an” zu
thematisieren. Das gilt auch bzw. gerade
für den Verkehrsbereich.
Auf der Ebene von Stadtquartieren gilt es,
die Vorteile kompakter, nutzungsgemischter Strukturen verbunden mit attraktiven
Angeboten für die Verkehrsmittel des Umweltverbundes und der Möglichkeit zum
Verzicht auf die Autonutzung als Wert zu
begreifen und die Planung daran zu orientieren. Städtebauliche Wettbewerbe, die in
der Regel den Auftakt zur Realisierung
eines neuen Stadtquartiers bilden, bieten
die Chance zur frühzeitigen, direkten und
konsequenten Berücksichtigung energie-
relevanter Planungskriterien, da über die
festgelegten Strukturen und Prinzipien
eine hohe oder eine geringe Schadstoffbelastung zu erwarten ist.
Gisela Stete
Frank + Stete
Büro für Stadtplanung
und Verkehrsplanung
Sandbergstraße 65
64285 Darmstadt
Grundlagen
Die
spezifischen
Kfz-Schadstoffemissionen in einem (Stadt-)Gebiet werden
durch sich wechselseitig beeinflussende
stadtstrukturelle, geographische, wirtschaftliche,
fahrzeugtechnische
und
verhaltenspsychologische Faktoren sowie
verkehrspolitische Rahmenbedingungen
bestimmt (siehe Abb.).
Im wesentlichen sind Stadt(teil)struktur
und Verkehrsinfrastruktur bzw. Verkehrsnetze mit planerischen Mitteln und Instrumenten zu lenken, die i.d.R. im Rahmen
des städtebaulichen Wettbewerbs bearbeitet werden. Der lokalen Handlungsebene
Ausgewählte Einflußfaktoren auf die spezfischen Kfz-Schadstoffemissionen in Städten
Straßennetz
Kapazität, Maschendichte, Gestalt,
Raumwiderstand, Dichte, Gestaltung, . . .
Wirtschaftsstruktur
Konzentrationsgrad, Fertigungstiefen,
Anteile primärer, sekundärer, tertiärer
Sektor, . . .
Stadt-/Siedlungs-/Raumstruktur
Fläche, Flächennutzung, Funktionsmischung (Gelegenheitsverteilung),
Einwohnerzahl, Einwohnerdichte, . . .
Lagebedingungen, Topographie
Verkehrsverhalten der Bevölkerung
Benutzungsstruktur der Verkehrsmittel
(modal-split), Verhaltensweisen im MIV
(Fahrzeugauslastung, Fahrweise etc.),
Nachfrage der Angebote im Umweltverbund, Mobilitätsverhalten, . . .
Verkehrsbetrieb des MIV
Verkehrsleitsysteme des fließenden und
ruhenden Verkehrs, Verkehrsorganisation,
Stellplatzsituation, . . .
spezifische
Kfz-Schadstoff-Emissionen
einer Stadt / Siedlung
Verkehrspolitik
Priorisierungen, Öffentlichkeitsarbeit
monetäre Steuerungsinstrumente (bei
Kfz- und Kraftstoff-Steuer, Verwendung
von Ablösesummen, Parkraum- und
Straßenbewirtschaftung, Zuschüsse
für Umweltverbund etc.), gesetzliche
Regelungen (Stellplatzsatzung etc.), . . .
Fahrzeug-Parameter
technisch-konstruktive Bedingungen
(energetischer Wirkungsgrad, Verhältnis
Nutzlast/Fahrzeugmasse, . . .) Betriebszustand, Katalysatoreinsatz, . . .
Frank + Stete, Darmstadt
Verkehrsnetze des Umweltverbundes
Bedienungsqualität und Erschließungsgrad
des ÖPNV, Maschenweite von Rad- und
Fußverkehrsnetzen, Sicherheit der Netzelemente, Veknüpfungen untereinander, . . .
mit planerischen Mitteln und Instrumenten
zu beeinflussen
mit planerischen Mitteln und Instrumenten
nur bedingt oder indirekt zu beeinflussen
mit planerischen Mitteln und Instrumenten
nicht zu beeinflussen
Quelle: Stete, G.: Möglichkeiten und Grenzen der Schadstoffminderung im Verkehrsbereich; in: Inform. z. Raumentwickl., (1997) H. 4/5, S. 233
Schadstoffminderung im Städtebau
32
Stadt- und Verkehrsplanung kommt somit
eine wesentliche Rolle bei der Schadstoffminderung im Verkehrsbereich zu. Die
Strategien zur Emissionsminderung im
Verkehr lassen sich überwiegend unter den
sog. “drei V” – Vermeidung, Verlagerung
und Verträgliche Abwicklung – zusammenfassen, wobei eine integrative Betrachtung von Siedlungsplanung und Verkehrsplanung Grundvoraussetzung für diesen
Handlungsansatz ist:
– Verkehrsvermeidung zielt über bestimmte räumliche Anordnungsstruktur
auf die Reduzierung von motorisiertem
Individualverkehr durch die Verkürzung
von Wegelängen und der Bildung von
Wegekettenbildung.
– Verkehrsverlagerung bedeutet, daß
Wege anstatt mit dem Privat-Pkw mit
schadstofffreien oder schadstoffärmeren Verkehrsmitteln (zu Fuß, mit dem
Rad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln)
zurückgelegt werden.
– Verträgliche Abwicklung zielt auf den
Verkehrsanteil, der sich weder vermeiden noch verlagern läßt, sondern mit gezielten Strategien wie z.B. flächenhaften
Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung
und Hierarchisierungs- und Zonierungskonzepten stadtverträglicher zu
gestalten ist.
Aspekte der Stadtplanung und
des Städtebaus
Für den Verkehr und seine Reduzierungspotentiale auf Stadtteilebene sind folgende
stadtplanerischen und städtebaulichen
Einflußgrößen relevant:
– Lage und Größe des Gebietes:
Innenstadtnahe Gebiete weisen kurze
Wege und eine gute ÖPNV-Erschließung
auf, der MIV beeinträchtigt aber Wohnqualität und den nicht-motorisierten
Verkehr. Periphere Lagen dagegen weisen längere Wege zu allen Zielen außerhalb des eigenen Stadtteils auf. Bei neuen Gebieten besteht die Chance, einen
Stadtteil von vornherein konsequent mit
MIV-reduzierender Zielsetzung zu planen. Voraussetzung dafür ist die infrastrukturelle Autonomie eines Stadtteils,
was eine Mindestgröße von ca. 8 000 bis
10 000 Einwohnern erfordert.
– Art und räumliche Verteilung der
Nutzungen (Nutzungsmischung):
Die Nutzungsmischung im Quartier ist
auf die Bedürfnisse und die Größenordnung der Wohnbevölkerung abzustimmen, weshalb der „Zwang“ zur
Pkw-Benutzung durch eine sinnvolle
Nutzungsmischung abgebaut werden
kann.
– Dichte oder Kompaktheit des Gebietes:
Kompakte Stadtteile mit höherer Bebauungsdichte erzeugen weniger verkehrsbedingte Emissionen als flächenintensive
Stadtteile
mit
geringer
Bebauungsdichte. Deshalb entsprechen
verkehrssparsame Siedlungsstrukturen
immer auch den Zielen eines ressourcenschonenden und umweltverträglichen Städtebaus.
Aspekte des Verkehrs
Im Rahmen von Entwürfen für Stadtquartiere ist im Verkehrsbereich eine differenziertere Betrachtung erforderlich; hier sind
die Netze der verschiedenen Verkehrsmittel getrennt zu behandeln sowie die Priorisierung einzelner Verkehrsmittel in den
verschiedenen Stufen der Binnenerschließung zu beachten.
Im Binnenverkehr eines Stadtteils und für
Wege in benachbarte Stadtteile und in die
Landschaft stellt der Fuß- und Radverkehr
die wichtigste Alternative zum Kfz-Verkehr
dar. Das Fuß- und Radverkehrsnetz sollte
das Hauptgerüst der inneren Erschließung
sein, wobei
– alle wichtigen Ziele auf möglichst kurzen, direkten Wegen miteinander zu
verknüpfen sind,
– das Hauptverkehrsnetz für Fußgänger
und Radfahrer weitestgehend vom MIV
freizuhalten ist,
– die Durchgängigkeit des Netzes zu gewährleisten ist,
– eine ausreichende Dimensionierung der
Fuß- und Radverkehrsflächen sowie
weiterer möglicher Funktionen wie Kinderspiel oder Aufenthalt zu gewährleisten ist,
– die Wege durch Bereiche mit hoher Aufenthaltsqualität und sozialer Kontrollmöglichkeit zu führen sind.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
Dem ÖPNV kommt als Alternative zum
Pkw im Ziel- und Quellverkehr eine besondere Bedeutung zu. In einem neuen Stadtquartier muß das ÖPNV-Angebot rechtzeitig vorhanden und attraktiv sein. Es
zeichnet sich aus durch:
– möglichst zentrale Erschließung des
Stadtteils, mit direkter Anbindung der
Bereiche mit Wohnfolgeeinrichtungen,
– eigene Trassen oder Netzelemente (Busspuren, separater Gleiskörper für Straßenbahn etc.),
– kurze Wege zur Haltestelle zu Fuß und
mit dem Fahrrad (max. 400 m),
– Lage der Haltestelle in belebtem Umfeld,
– gute Zugänglichkeit der Haltestelle, d.h.
direkt, barrierefrei, bequem und übersichtlich,
– Aufenthaltsflächen, Wetterschutz sowie
Fahrradabstellmöglichkeiten an den
Haltestellen,
– bequemer, unbehinderter Einstieg in
die Verkehrsmittel.
Für die MIV-Erschließung ist zu beachten,
daß je nach verkehrsplanerischem Ansatz
ein und dieselbe Bebauungsstruktur flächenhaft uneingeschränkt mit dem MIV erschlossen oder völlig autofrei sein kann.
Unter den Aspekten der Emissionsminderung sind folgende Faktoren relevant:
– Straßennetz-Merkmale (Straßenlänge,
Straßennetzdichte,
Fahrbahnfläche,
Straßendurchlässigkeit, . . . ): Ein schadstoffminimierendes Straßennetz für den
MIV zeichnet sich demnach durch eine
möglichst geringe Länge bzw. Fahrbahnfläche aus.
– Form des Straßennetzes: Gleichmäßige,
undifferenzierte Netze mit geringen
Maschenweiten führen zur Übererschließung und wirken MIV-fördernd,
minimierte, hierarchisch aufgebaute
Netzformen wirken Kfz-reduzierend. Sie
zeichnen sich aus durch einen geringen
Wert für das Verhältnis „Straßennetzlänge / Werktagsbevölkerung” (als MIVNetzkennzahl). Ein hierarchisch aufgebautes und „verästeltes” Straßennetz
ermöglicht dem Ziel- und Quellverkehr
33
kurze Wege und unterbindet die direkte
Verbindung der einzelnen „Erschließungsarme” untereinander (Binnenverkehr) für den MIV.
– Flächenhafte Geschwindigkeitsreduzierung (z.B. Tempo-30-Zonen) kann die
Luftschadstoffbelastung insgesamt um
10 bis 20 % verringern.
– Straßenraumgestaltung: mit unterstützenden Gestaltungsmaßnahmen kann
eine Geschwindigkeitsreduzierung um
bis zu 30 % und damit eine günstigere
Schadstoffbilanz erreicht werden.
Über das Stellplatz- oder Parkraumkonzept gilt es, Chancengleichheit der Verkehrsmittel durch gleich weite Wege zur
ÖPNV-Haltestelle und zum Kfz-Stellplatz
(konzentrierte Parkraumkonzepte: Blockgaragen mit 80 bis 150 Stellplätzen oder
größere Quartiers-Sammelgaragen) zu
schaffen.
Fazit
Zwischen den verschiedenen Einflußfaktoren auf die Schadstoffemissionen eines Gebietes besteht ein komplexes Beziehungsgefüge mit gegenseitigen Korrelationen,
Kausalitäten und Synergieeffekte, so daß
sich die Wirkung einzelner Faktoren weder
klar gegeneinander abgrenzen noch exakt
quantifizieren läßt. Fest steht jedoch, daß
gezielte Maßnahmenbündel zu Synergieeffekten führen, die in ihrer Gesamtwirkung die Summe der Einzelwirkungen
übersteigen können.
Für städtebauliche Wettbewerbe bedeutet
dies eine verstärkte interdisziplinäre
Zusammenarbeit der verschiedenen Fachplanungen. Ziel ist nicht die einseitige
Optimierung von Einzelaspekten wie Baustruktur, Gebäudeform oder Grünkonzept,
sondern die Entwicklung von ganzheitlichen Lösungen. Dabei sind zu verkehrlichen Aspekten wie z.B. Netzhierarchie,
ÖPNV-Führung und Haltestellen genauso
differenzierte Aussagen zu treffen wie zu
städtebaulichen Aspekten. Im Verkehrsbereich ist verstärkt die Alltagsmobilität
innerhalb eines Quartiers in das Zentrum
der Betrachtung zu stellen.
Schadstoffminderung im Städtebau
34
Anforderungen an den Verkehr im Städtebau
Gerd Würdemann
Bundesamt für
Bauwesen und Raumordnung
Am Michaelshof 8
53177 Bonn
Prolog: Wachsende Mobilitätsansprüche und weniger Verkehr – oder:
Energiesparende Verkehrsvermeidung – ein Leit- oder Trugbild?
Energiesparende
Verkehrsvermeidung
braucht „verkehrssparsame Siedlungsstrukturen” im Sinne einer Verringerung
von Distanzen, denn Siedlungsflächenwachstum und räumlich entmischte Nutzungen bzw. Monostrukturen verstärken
den Verstädterungsprozeß der Landschaft
und die Abhängigkeit von Verkehrs- und
Transportaufwand.
Aufzubrechen ist hierfür die subjektiv
relativ preisgünstige Auto-Mobilität und
enorme Konsumstimulation, die dem
Autobesitz zugeschrieben wird. Des weiteren die „naturgemäß” überforderte, um
flüssigen Autoverkehr bemühte kurzfristig
sektorale Betrachtungsweise von Stadtund Verkehrsplanung, die die Ungleichzeitigkeit der Auswirkungen und Folgeschäden des Verkehrs in der Stadtregion oft
übersieht und zu spät bemerkt. Der Versuch, die Folgen des Verkehrswachstums
verträglicher zu gestalten, greift deshalb zu
kurz. Politik und Planung müssen darauf
hinwirken, die Verursachungsbereiche von
Transport und Verkehr zu beeinflussen
und das Wachstum der Ballungsräume und
der Verkehre (nicht Wachstum überhaupt)
unter Kontrolle zu bringen. Doch der Versuch der Politik, die Aussicht auf unendlich
steigerbare Verkehrsmobilität zu suggerieren, ist ungebrochen.
Die Stadtregion und
Stadt(rand)wirklichkeit müssen
Bestandteil im Planungsprozeß sein
Durch
schnelle
Verbindungen
geschrumpfte „Entfernungen” ermöglichen
ein vielfältiges Spektrum von erreichbaren
Möglichkeitsräumen oder Erlebniswelten,
eine Ausdehnung der Siedlungsfläche ins
weitere Umland mit der Folge einer weiteren
Dominanz
automobil-induzierter
Wegeketten. Verkehrssparsames Verhalten
kann sich bei diesem Angebot disperser
Siedlungsstrukturen nicht entwickeln. Die
verkehrsbedingten Belastungen sind die
Folge auf vorgegebene Rahmenbedingungen wie Bodenpreise, Transportkosten,
Wohnungsbauförderung, Förderprogramme.
Vor diesem Hintergrund ist als ein erster
offensiver Schritt in Richtung Verkehrssparsamkeit eine sowohl verkehrliche
Sensibilisierung der Städtebauer und
Raumordner bei raumbedeutsamen Entscheidungen als auch städtebauliche Sensibilisierung der Verkehrsplaner notwendig. Für den Planungsprozeß sind die
Wechselwirkungen zwischen Städtebau
und Verkehr herauszuarbeiten und zu nutzen, denn das Ziel verkehrssparsamer Siedlungsstrukturen kann nur interdisziplinär
und ressortübergreifend erreicht werden.
Die Modellgemeinden/-regionen als
Erkenntnisgrundlage
Zu den Erfahrungen und Erwartungshaltungen nach Ablauf und Auswertung
der Forschungsaktivitäten in den unterschiedlichen städtebaulichen, verkehrlichen und personellen Modellvorhaben ist
feststellbar:
– Die Modellvorhaben zeigen, daß stadtbzw. regionsspezifische Maßnahmenbündel zu entwickeln sind, die sich am
jeweiligen
örtlichen
Entwicklungspotential und nicht an der vermeintlichen bzw. tatsächlichen „Konkurrenz”- bzw. „Vorbild-Stadt” orientieren.
– Die Wirkungszusammenhänge zwischen Siedlungs-, Bevölkerungs- und
Wirtschaftsstruktur, individuellen Lebensstilen einerseits und dem Verkehrsverhalten andererseits sind derart
komplex, daß Ex-post-Analysen, Zustandsbeschreibungen und Szenarien
nicht alle relevanten Einflußgrößen erfassen können.
– Allen Projektträgern kann eine innovationsfreundliche Bereitschaft unterstellt
werden; die kommunale Praxis zeigt,
daß „fortschrittlichen” kommunalen
Alleingängen sowohl bei der Stadtentwicklung als auch bei der Verkehrsgestaltung enge Grenzen gesetzt sind.
Denn:
• Die lokalen Entscheidungsträger und
Akteure sind in ihrer Handlungs-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
freiheit durch traditionelle Denkmuster, den Blick auf Fördermöglichkeiten, Arbeitsplätze, städtebauliche
Maßnahmen, Wohnungsbau u.ä. und
die interkommunale/interregionale
Konkurrenzsituation erheblich eingeschränkt. Daneben besteht eine enge
Abhängigkeit zwischen kommunalen
Initiativen und Rahmenbedingungen
durch den Bund und die Länder.
Das Forschungsfeld als Experiment
und Impulsgeber
Im Forschungsfeld wurde deutlich, daß die
Hemmnisse für die Entwicklung und
Umsetzung integrierter Konzepte für Städtebau und Verkehr vor allem durch eine
Neuorientierung der am Planungsprozeß
mitwirkenden Planer und Entscheidungsträger vermindert bzw. aufgehoben werden kann. In Anlehnung an die für die Verkehrsberuhigung aufgestellte Erkenntnis
gilt:
„Verkehrs- und damit Energievermeidung
beginnt im Kopf ”
Der Begriff „Vermeidung” zielt dabei auf
Veränderung des Verkehrsverhaltens und
nicht auf Verzicht. Allerdings setzt die angestrebte Veränderung eine Denkwende
voraus, die durch den positiv belegten
Begriff „Verkehrssparsamkeit” unterstützt
werden soll. „An die Nachwelt” sind
folgende Empfehlungen weiterzugeben:
) Die Ressource Raum muß in den Mittelpunkt
nachhaltiger Planung gerückt werden, denn
nicht Symptome, sondern die verkehrsaufwand-steigernden Entwicklungstrends sind
zu stoppen
) Raumüberwindung durch schnelle Verkehrswege schafft zwar neue Teilnahmechancen
an anderen Orten, aber mit dem motorisierten Individualverkehr werden gravierende
Raumbeeinträchtigungen in Stadt und Region
produziert und die Nutzungsvielfalt vor Ort
zerstört.
) Der
Abbau von Verkehrsbelastungen bei
gleichzeitiger Mobilitätssicherung ist abhängig von einer gesellschaftlichen Wertediskussion, denn nachhaltiges Handeln erfordert
35
) Verkehrs- und transportsparende Strukturen
erfordern integrierte Strategien und Maßnahmenkonzepte für Städtebau und Verkehr.
Handlungsfelder für ein Miteinander
von Städtebau und Verkehr
Als Fazit lassen sich folgende Konzeptvorstellungen als Handlungsfelder für eine
lebenswerte und verkehrssparsame Zukunft in Stadt und Region aus den Einsichten des Forschungsfeldes ableiten. Gebündelt zu einem Strategiekatalog, zielen die
zur Diskussion – hier verkürzt – vorgestellten „Zehn Gebote zum Handeln” auf ein
Miteinander von regionalen, städtebaulichen und verkehrlichen Aktivitäten.
Verkehrssparsame Raumstrukturen schaffen
und verkehrsmindernde Raumnutzung
ermöglichen
Eine günstige Raumstruktur erleichtert den
Menschen verkehrssparsames Verhalten.
An Verkehrssparsamkeit orientierte Verhaltensmuster tragen dazu bei, daß raum-
Ansätze einer integrierten Verkehrsplanung:
nicht entweder-oder, sondern und
Distanzen
reduzieren
Umweltverbund
nutzen
leiser, sicherer,
sparsamer . . . fahren
Ausgewogene Mischung,
verträgliche Dichte und
hohe Wohn(umfeld)qualität als bauliche
Voraussetzungen
Ein hoher ÖV-Standard,
gute Angebote für Fußgänger und Radfahrer
als bauliche Voraussetzungen
Kleine, sichere, sparsame
und emissionsarme Fahrzeuge sowie eine geschwindigkeitsdämpfende
Straßengestaltung als
Voraussetzungen
werden ergänzt durch
eine verkehrssparsame
Organisation.
werden flankiert durch
Einschränkungen im
MIV.
werden unterstützt durch
Geschwindigkeitsbegrenzungen und Grenzwerte für Emissionen
sowie Kraftstoffverbrauch.
Abstimmung von Siedlungsstruktur und Verkehrsangeboten: Mischung und Dichte fördern den
Umweltverbund, gute Angebote im Umweltverbund
steigern die Attraktivität integrierter Standorte.
Telematikkonzepte erleichtern die Bevorrechtigung
des ÖV und eine verursachergerechte Kostenanlastung im MIV.
) Für die nachhaltige Gestaltung der Stadt sind
Die Anlastung externer Kosten vor allem über die Mineralölsteuer beeinflußt
Standortentscheidungen, erhöht die Attraktivität des Umweltverbundes und
fördert eine zukunftsorientierte Fahrzeugtechnik.
isolierte Lösungen von (Innenstadt-) Verkehrsproblemen zu wenig – die Stadtregion
und Stadt(rand)wirklichkeit müssen Bestand-
Nur bekannte und nachvollziehbar begründete Verhaltensangebote werden
genutzt. Voraussetzungen einer nachhaltigen Verkehrsstruktur sind daher
offene und überzeugende Informations- und Beteiligungsformen.
neue Sichtweisen.
teil im Planungsprozeß sein.
Schadstoffminderung im Städtebau
36
strukturell
mögliche
Verkehrsminderungspotentiale auch zu tatsächlicher Verkehrseinsparung führen. Der unmittelbare
verkehrssparende Effekt günstiger Raumstrukturen ist am deutlichsten im Versorgungs- bzw. Einkaufsverkehr nachweisbar.
Bedeutung für einen günstigen „modal
split” zu.
Attraktive städtische Lebensräume
gestalten und Wohn- und
Aufenthaltsqualität verbessern
Die Zukunft der Stadtregion
durch ressourcenschonende und
umweltfreundliche Mobilität stärken
Raumstrukturelle Bedingungen bestimmen in erheblichem Maße, welche Verkehrsmittel für die Bewältigung von Ortsveränderungen
überhaupt
bzw.
in
hinreichender Qualität zur Verfügung stehen. Im regionalen Kontext erschließt vor
allem eine an den Schienenverkehrswegen
orientierte dezentrale Konzentration Potentiale zur Verlagerung möglichst großer
Verkehrsanteile auf den Umweltverbund.
Eine energiesparende innere und äußere
Erreichbarkeit durch attraktive Optionen
im Umweltverbund ermöglicht eine Maximierung der nichtmotorisiert zu bewältigenden Verkehrsbedürfnisse. Im städtischen Kontext kommt der Förderung
polyzentraler, möglichst „ausgewogener”
Strukturen durch stadtteilintegrierte Arbeitsplatz-, Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Freizeitangebote wesentliche
Die Aufwertung der Nähe kann die Chancen für den Fußgänger- und Radverkehr
fördern und einen wesentlichen Beitrag für
eine energiesparende innere Erreichbarkeit
und somit vom Auto unabhängige Mobilität der Bewohner leisten.
Eine neue Planungskultur entwickeln,
die Kommunikationssperren abbaut und
Akzeptanz und Konsens schafft
Verkehrssparsame
Siedlungsstrukturen
sind als interdisziplinäre Aufgabe von Verkehrsplanung und Raum- bzw. Stadtplanung in herkömmliche Strukturen der planenden Verwaltungen nicht ohne weiteres
einzupassen. Angesichts der hohen Komplexität von Wirkungszusammenhängen
und Problemen sowie wegen der erheblichen Bedeutung, die der Akzeptanz
insbesondere von restriktiv wirkenden
Handlungsansätzen zukommt, gewinnen
planungsstrategische und konsensorientierte Vorgehensweisen in der Stadt- und
Verkehrsplanung an Wichtigkeit.
Epilog: Die Ambivalenz unserer Optionsvielfalt – oder:
Die Kunst politischen Handelns ist gefordert!
Wenn diese Handlungskonzepte wirksam
und glaubwürdig werden sollen, müssen
wir uns zugleich der Ambivalenz zahlreicher gesellschaftlicher Optionen stellen
und der bestehenden und entstehende
Konflikte bewußt werden. Konfliktfreie
Lösungen wird es nicht geben und, um
Kommunikationsstörungen abzubauen, ist
ein deutlicher Verständniszuwachs über
die komplexen Wirkungszusammenhänge
von Städtebau und Verkehr im Bewußtsein
der Öffentlichkeit nötig.
Die Umsetzung eines umfassenden KfzVerkehr-einsparenden
Konzeptes
hat
einen langen und beschwerlichen Weg vor
sich, insbesondere gegen den kurzfristigökonomischen Zeitgeist der Vergötterung
der Auto-Mobilität. Gelungene Modellvorhaben, „vor Ort“ wie „vor Region“ auf den
Handlungsfeldern von Städtebau und Verkehr, sind bereits erste konstruktive „Bestpractise“-Beispiele, die in den „Köpfen“
weiter wirken und den Prozeß des mühseligen Überzeugens begleiten.
Qualitätssicherung im vorgestellten Handlungsbereich Verkehr im Städtebau bedeutet, städtebauliches Handeln und Mobilitätserfordernisse so zu verbinden, daß sich
eine verkehrssparsamere Zukunft von
Stadt und Region entwickeln kann. Die
Zielsetzung Verkehrssparsame Siedlungsstrukturen ist von der Politik offensiv, mit
mehr Stadtqualität, mehr Bewegungsfreiheit und Wahlfreiheit im Verkehr zu vermitteln und unterstützt die Sicherung von
Teilnahmechancen in funktionsfähigen
und attraktiven Stadträumen.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
37
Engagement für Qualitäten zwischen Neubau und Sanierung
Das Leitbild der Nachhaltigkeit meint die
kompakte Stadt, die „Stadt der kurzen
Wege“, der Dichte, der Mischung, das Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und
Freizeit, wie sie uns in Europa historisch
vorgegeben und gerade in den neuen Bundesländern noch vielfach wunderbar überkommen ist und vor einer „Amerikanisierung“ zu bewahren gilt. Die kompakte
Stadt ist kein ausschließlich räumliches
Leitbild, sondern ein Vorgehens-, Planungs-, Prüf-, Ordnungs- und Betriebsprinzip.
Die Nauener Altstadt
Die deutlich sichtbare Vernachlässigung
des Stadtkerns in Nauen kann in der jahrzehntelangen Ignoranz der Werte des
Überkommenen durch den sozialistischen
Städtebau gesucht werden. Nauen blieb in
ihrem Kern die gewachsene Stadt, weniger
die gelebte, da es „Besserverdienende“
nach draußen zog, die Alten und Randgruppen blieben. Ein wichtiger Teil des
Wesens ist immer noch sichtbar: die Stadt
der kurzen Wege.
Die Ausgangssituation innerhalb der Altstadt Nauen bietet somit eine wesentliche
Rahmenbedingung zur Umsetzung nachhaltiger städtebaulicher Planungen. Das
Umsetzungspotential von Schadstoffminderungskonzepten wird im wesentlichen in
der Abhängigkeit von der Existenz gesamtstädtischer Klimaschutz- bzw. Energiekonzepte gesehen und dabei vor allem deren
Integration in das Leitbild der städtischen
Politik.
Die Grundsätze des Verkehrskonzeptes des
Rahmenplans der Altstadt Nauen beispielsweise, wie er im Februar 1993 vorlag,
wurden durch das Rahmenkonzept Straßen- und Freiräume im Dezember 1995
weiterentwickelt, detailliert untersetzt, ergänzt und in Teilen modifiziert.
Dabei ist die Altstadt grundsätzlich als homogenes, auf die Anliegererschließung
ausgerichtetes System zu gestalten und
von jeglichem Durchgangsverkehr freizuhalten, was die Auflösung der jetzt bestehenden Hierarchisierung des Straßen-
netzes bedeuten würde. Es ist eine flächenhafte Verkehrsberuhigung mit Einrichtung
als Tempo-30-Zone, gemäß VZ 325, anzustreben, das Angebot des ÖPNV durch Verlegung einer innerörtlichen Buslinie über
die Altstadt, den Bahnhof und Busbahnhof
in die Wohngebiete zu erweitern.
Die Erarbeitung des Rahmenkonzeptes
Straßen- und Freiräume erfolgte in Abstimmung mit dem parallel erstellten
Lärmminderungsplan. Übereinstimmung
bestand vor allem darin, daß durch Verkehrsberuhigung und Reduzierung des
Kraftfahrzeugverkehrs die Lärm- und Abgasemissionen in der Altstadt erheblich
verringert werden müssen. Das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung (MUNR) sowie das Ministerium
für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr (MSWV) des Landes Brandenburg bestätigten in ihren Stellungnahmen zum
Lärmminderungskonzept als auch zum
Rahmenkonzept der Straßen- und Freiräume die Bedeutung eines verbindlich beschlossenen, konkreten Leitbildes für die
verkehrliche Planung in Nauen und damit
die Chancen eines schadstoffmindernden
Städtebaus.
Für das ganzheitlich angelegte Handlungskonzept wurden jedoch nur rein technische Lösung akzeptiert und damit die
Handlungsbereitschaft erheblich reduziert. In der Fortschreibung des Rahmenplanes ist deshalb die Zielformulierung der
Tempo-30-Zone selbst in der langfristigen
Umsetzungsvariante nicht mehr enthalten.
Qualitäten zwischen Neubau und
Sanierung
Der Umgang mit gefährdeter, wertvoller
Bausubstanz hat sich in den letzten Jahren
als schwieriges Problemfeld herauskristallisiert. 1995 standen etwa 50 Gebäude der
Altstadt Nauens unter Einzeldenkmalschutz. Aber auch 20 % aller Gebäude mit
schweren bzw. schwersten Schäden sind
denkmalgeschützt bzw. als denkmalwerte
Objekte eingestuft. Bei den bestandsgefährdeten Objekten sind es sogar über
50 %. Die Praxis zeigt, daß es bei der Forderung nach Erhalt oder Abriß eines, u.U.
Silvia Weiß
Stattbau Stadtentwicklungsgesellschaft mbH
ASUM Arbeitsgruppe
für Sozialplanung
und Mieterberatung GmbH
Berlin
Schadstoffminderung im Städtebau
38
Literatur
– Kessler, Wolfgang: „Wirtschaften im dritten Jahrtausend – Leitfaden für ein zukunftsfähiges Deutschland“.
Publik-Forum Verlagsgesellschaft mbH 1996
– „Sanierungsgebiet Altstadt
Nauen – Überarbeitung und
Fortschreibung der Rahmenplanung“
– „Neubebauung Wallstraße/
Wallgasse in der Nauener
Altstadt“ – Wettbewerbsausschreibung
– „Neubebauung Wallstraße/
Wallgasse in der Nauener
Altstadt“
KostengünstigÖkologisch-Nachbarschaftlich Bausteine des Neubauprojektes
– STATTBAU
Stadtentwicklungsgesellschaft
mbH:
„Bauen im Sanierungsgebiet Altstadt Nauen“ – Entwurf einer Bauherrenbroschüre, Berlin 1996
– Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung: „Informationen aus der Forschung des BBR“ Nr.1/März
1998; Bonn 1998
auch denkmalgeschützten, Gebäudes einer
genauen Einzelfallprüfung bedarf, die zum
Ziel hat, Argumente für oder gegen den
Erhalt eines Gebäudes zu benennen.
Handlungsgrundlagen
Der städtebauliche Rahmenplan stellt die
Ziele der Sanierung in den Bereichen
Nutzungskonzept,
Stadtgestaltungskonzept, Grün- und Freiflächenkonzept, Verkehrskonzept sowie Handlungs- und
Maßnahmenkonzept dar. Im Handlungsund Maßnahmenkonzept wurde bereits
auf die Notwendigkeit weiterführender,
grundstücksbezogener Planungen sowie
einer detaillierten Gestaltsatzung hingewiesen, die als Fortschreibung der Rahmenplanung verbindlich zur Beurteilung
von Einzelmaßnahmen heranzuziehen
sind.
Die Leitbilder für die städtebauliche Neuordnung wurden u.a. in den zwölf Baufeldkonzepten weiterentwickelt und ergänzt
bzw. im Detail modifiziert und korrigiert.
Mit der Verabschiedung des überarbeiteten Rahmenplanes erhalten die Ergebnisse
Entwicklungskonzept für das Baufeld 7
der Baufeldkonzepte zu Art und Maß der
baulichen Nutzung, die Regelungen der
Gestaltungsrichtlinie zur Erneuerung des
Bestandes und zum Neubau von Gebäuden, die abgestimmte Konzepte zur Verkehrserschließung sowie zur Straßen- und
Freiraumgestaltung den Verbindlichkeitsgrad von Sanierungszielen (siehe Abb.
unten).
Im Vorfeld des Abwägungsprozesses Erhalt
oder Abriß/Neubau eines Gebäudes oder
Gebäudeteiles müssen Grundlagen erarbeitet werden, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden sollen. Gerade
die Wirtschaftlichkeit der Sanierung auch
durch den Einsatz öffentlicher Mittel oder
den außerordentlichen finanziellen Einsatz des Bauherren oder Investors ist dabei
bestimmend.
Ein spezielles Problem in den neuen Bundesländern, somit auch in der Nauener
Altstadt, ist die relativ große Anzahl von
ortsansässigen kapitalschwachen Eigentümern. Für diese Eigentümer endet die
wirtschaftliche Zumutbarkeit, wenn sie die
Sanierung eines Gebäudes aus eigener
Kraft nicht tragen können und auch Probleme damit haben, den Eigenanteil für
eine öffentliche Förderung aufzubringen.
Diese Eigentümer sind dann aber auch
nicht in der Lage, einen Abriß und den anschließenden Neubau zu finanzieren. Es
muß daher in Zusammenarbeit mit den betreffenden Eigentümern nach sozial verträglichen Lösungsmöglichkeiten gesucht
werden.
Die Schwierigkeiten und finanziellen
Unwägbarkeiten einer Sanierung, der
umfangreiche Abstimmungsprozeß, um
die Wünsche des Bauherren mit den
städtebaulichen,
denkmalpflegerischen
und architektonischen Anforderungen in
Einklang zu bringen, bedarf engagierter
Bauherren und erfahrener Architekten, die
bereit sind, sich dieser Aufgabe im Interesse der Altstadt zu stellen.
Nachhaltigkeit von Qualitäten
Quelle: Baufeld 7 – Altstadterneuerung in Nauen; Stattbau Berlin, o.J.
Die Stärkung und Durchsetzung einer
nachhaltigen Stadt- und Verkehrsentwicklung setzt zwingend Kostenwahrheit und
die Anlastung externer Kosten voraus. Es
setzt ebenso ein Überdenken der „Lebensstil-Leitbilder“ sowie der „Technik- und
Produktionsleitbilder“ voraus. Wenn Ver-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
ständnis für den Ort die Hand des Architekten geübt und sensibel lenken oder der
Sinn des Bauherren sich nicht von der Werbung für eine Moderichtung leiten läßt,
39
sondern der Sprache heimischer Baumaterialien bewußt ist, dann kann ökologisch
sinnvoll, d.h. nachhaltig gebaut werden.
Motivation eines Wohnungsunternehmens
zur Erschließung hoher Schadstoffminderungspotentiale
im Alt- und Neubau
Standortbestimmung
Berliner Wohnungswirtschaft
Die Berliner Wohnungswirtschaft hat im
Bereich der Wärmeversorgung und der
Energieeinsparung in den letzten Jahren
mit großer Innovationsbereitschaft dazu
beigetragen, neue Technologien auf breiter
Front einsatzfähig zu machen und dabei
auch neue Formen der Zusammenarbeit
mit Ingenieuren und Wärmelieferanten erprobt.
Während die kalten Betriebskosten innerhalb weniger Jahre durch stetige Preiserhöhungen der öffentlichen Hand (Wasser/
Abwasser, Müllabfuhr, Grundsteuer) erheblich anstiegen, blieben die warmen Betriebskosten im Westberliner Wohnungsbestand nahezu konstant und gingen in
Ostberlin zurück. Allerdings findet die Umstellung von Öl-Anlagen trotz energetischer Verbesserung (Modernisierung)
kein positives Votum beim Mieter, da sich
der Energieverbrauch zwar verringert, die
Energiekosten sich aber aufgrund der
Modernisierungsumlage erhöhen.
Beim Einsatz von Blockheizkraftwerken
refinanzieren sich die Investitionsmehrkosten aus dem Stromverkauf an die Mieter, dieser besitzt jedoch ein Widerrufsrecht zur Stromversorgung vom Betreiber
oder vom EVU. Die Folge davon ist die Bevorzugung einer konventionellen Heizversorgung.
Investitionen (Mehrkosten) bei einer Fassadensanierung in Wärmedämmsysteme
verursacht dem Bauherren – trotz Förderung – unrentierliche Kosten, weil der Be-
trag nur bedingt über die Miete refinanziert werden kann (Mietrecht und Förderungsrichtlinien). Die warmen Betriebskosten des Mieters sinken durch die
Investitionen, der Schadstoffausstoß wird
reduziert; somit gibt es zwei „Gewinner“
(Mieter und Umwelt) und einen „Verlierer“
(Eigentümer).
Vor dem Hintergrund der politischen Vorgaben sowie der Selbstverpflichtung der
Berliner Wirtschaft zur CO2-Reduktion
muß die heutige Wohnungswirtschaft im
Hinblick auf derartige Aufgabenstellungen
neben der Ökonomie und Sozialverträglichkeit auch die Umweltverträglichkeit
berücksichtigen.
Motivationsebenen
Dem Vermieter gibt die Senkung der Energiekosten einerseits Mieterhöhungsspielraum, andererseits sichert eine niedrige
(Warm-)Miete im Wettbewerb die Vermietbarkeit. Zudem führt eine sozialverträgliche Miete (mit niedrigen Heizkosten)
zu mehr Mieterzufriedenheit, wodurch
wiederum die Fluktuationsrate bzw. der
Leerstand sinkt. Finanziell belastet jeder
Mieterwechsel den Vermieter mit ca.
5 000 DM (Verwaltungs- und Instandhaltungsaufwand).
Die ökologische Grundpositionen der
Wohnungswirtschaft sind 1993 in 15 Thesen formuliert worden. Darüber hinaus hat
die Berliner Wirtschaft im Oktober 1997
eine „Freiwillige Vereinbarung zur CO2Minderung und zur Verbreitung von Solaranlagen“ abgeschlossen, in welcher sie sich
Helmut Asche
GSW Gemeinnützige Siedlungsund Wohnungsgesllschaft
Kochstraße 22/23
10969 Berlin
Schadstoffminderung im Städtebau
40
verpflichtet, in den nächsten fünf Jahren in
Nichtwohngebäuden, Wohnungsneubauten und bei der Modernisierung von bestehenden Gebäuden solarthermische
Anlagen einzubauen und durch den Einsatz anderer CO2-mindernder Technologien zur Energieeinsparung und Schadstoffminderung beizutragen.
Die GSW hat die politische Zielsetzung, die
CO2-Emissionen auf dem Stand von 1990
bis zum Jahre 2005 um 25 % zu reduzieren,
fast erreicht (derzeit ca. 20 % CO2-Einsparung). Anlagen mit Kraftwärmekoppelung,
die in einzelnen Wohnhausgruppen der
GSW die Wärmeversorgung übernehmen,
sind in dem Bericht 1996 noch nicht enthalten.
Anpassungen
im Mietrecht/Betreibermodelle
Als ein Lösungsansatz kann die Einführung
eines „Warmmietenspiegels“, also eine
Übertragung des Vergleichsmietenprinzips
auf die Warmmiete, betrachtet werden.
Notwendig wäre hierzu u. a. die zusätzliche
Erfassung der Heizkosten unter standardisierten Bedingungen (z. B. Wärmepaß,
Energiepaß). Wohnungen mit hohem Wärmebedarf und einem Heizungssystem mit
schlechtem Wirkungsgrad würden damit
einen geringeren Kaltmietanteil beinhalten.
Nach den geltenden Modernisierungs-/Instandhaltungsrichtlinien des Landes Berlin
(1996) kann man aus dem gewährten
Modernisierungszuschuß und der zulässigen geringen Mietanhebung ca. ein Drittel
der erforderlichen Modernisierungskosten
decken. Der Rest muß als unverzinstes
Eigenkapital neben dem Instandsetzungsaufwand aufgebracht werden. Die neue
Miete nach der Modernisierung (max. 10 %
über Mietspiegel) muß, als Gegenleistung
für den öffentlichen Zuschuß, für zehn Jahre festgeschrieben werden. Fazit: Das
Modell „rechnet“ sich nicht!
Als Kriterien bei anderen (freien) Finanzierungsvarianten gilt die Sozialverträglichkeit (Leerstände?) und die Zumutbarkeitsgrenze nach Miethöhegesetz. Danach ist
die Zumutbarkeitsgrenze (Gebot der Wirtschaftlichkeit) bei der Modernisierungsumlage überschritten, wenn die Mieterhöhung zwei- bis dreifach so hoch ist wie die
erzielten (energielosen-) Einsparungen!
Der Mieterhöhungsbetrag läßt sich nur
über die berechnete Energieeinsparung
(Gutachten) ermitteln. Sollten die realen
Investitionen für Energiesparmaßnahmen
den Mieterhöhungsbetrag überschreiten,
so hat diesen unrentierlichen Anteil der
Bauherr (Vermieter) zu tragen.
Unter den gegebenen gesetzlichen wie
auch mietrechtlichen Bedingungen besteht deshalb für den Gebäudeverwalter
bzw. Eigentümer im Mietwohnungsbau
daher wenig Motivation, Energieverluste
durch einen passiven Wärmeschutz zu
reduzieren.
Energieeinsparung und Emmissionsreduzierung müssen jedoch als Gebot der Zukunft verstanden werden. Hier ist konsequent nach energie- und baupolitischen
Lösungen zu suchen, weil sonst Ökonomie
und Ökologie unvereinbar bleiben. Solange nicht im Mietrecht die Energieeinsparungen aus baulichen Sondermaßnahmen
proportional auf die Miete angerechnet
werden können, bleibt das Reduktionspotential im Gebäudebestand wesentlich
ungenutzt.
Im Bereich der Raumheizung und Warmwasserversorgung sind in den nächsten
Jahren die noch mit Kohleeinzelöfen ausgestatteten Wohnungen an Sammelheizung anzuschließen (280 000 Wohnungen,
ca. 16 % des Gesamtbestandes), bestehende Heizanlagen mit „alter“ Heiz- und
Regeltechnik sind zu modernisieren und
der bauliche Wärmeschutz ist im Zusammenhang mit notwendigen Instandsetzungsarbeiten an der Außenhaut der Gebäude zu verbessern. Daraus erschließen
sich mittelfristig CO2-Einsparungen von
über 30 %.
Modellprojekte im Neubausektor
Die Entwicklung zukunftsweisender Technologien sowie aktive und passive Strategien der Niedrigenergiebauweise stehen
im Vordergrund diverser ökologischer
Modellprojekte der GSW.
Mit dem Modellprojekt Berlin-Pankow
(Gartenhofstadt) soll der Nachweis geführt
werden, daß Ökologie und Ökonomie keine Gegensätze bilden müssen. Leitgedanke
ist, unter strikter Einhaltung des Finanzierungsrahmens im sozialen Wohnungsbau,
eine städtebauliche, soziale und ökologische Qualität zu entwickeln, die dem Begriff „Sustainability“, d. h. Nachhaltigkeit,
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
gerecht wird und ein zukunftsfähiges und
dauerhaftes Wohnquartier erhoffen läßt
(siehe Abb. 1 und 2).
Mit dem Null-Heizenergie-Haus (Projekt
Weinmeisterhornweg,
Berlin-Spandau)
und dem Verwaltungsneubau (20-geschossig) verfolgt die GSW einen weiteren Weg
zur Erschließung von Schadstoffminde-
41
rungspotentialen. Neben allen Restriktionen aus finanziellen Vorgaben, Förderungs- und Mietrecht bleibt uns – wie die
Modellprojekte zeigen – in unserer Funktion als Bauherr eine „produktive Vision“:
„Die Experimente von heute sind die
Standards von morgen!“
Quelle: GSW Berlin
Abbildung 1
Modellfoto der
Gartenhofstadt
Berlin-Pankow
Quelle : GSW Berlin
Abbildung 2
Dachansicht der
Gartenhofstadt
Berlin-Pankow
Quelle : GSW Berlin
Schadstoffminderung im Städtebau
42
Einsatz von Kontrollinstrumenten
im Rahmen privatwirtschaftlicher Betreibermodelle
Dr. Klaus Müschen
Referat VI E
Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung, Umweltschutz
und Technologie
Am Köllnischen Park 3
10179 Berlin
Das Modell
Das Land Berlin hat 1994 im Energiekonzept beschlossen, mindestens 25 % der
CO2-Emissionen des Energiesektors bis
zum Jahr 2010 einzusparen. Eine besondere Rolle spielt dabei der Gebäudebestand.
Dabei handelt es sich zum einen um rund
6 000 öffentlichen Liegenschaften Berlins,
zum anderen um rund 1,7 Mio. Wohnungen. Für die öffentliche Hand ist das
Modell „Energiesparpartnerschaft“ entwickelt worden: private Energiedienstleister realisieren in öffentlichen Gebäuden
ein Einsparpotential von rund 30 %.
Energiedienstleistungen
(Einspar-Contracting) werden für eine größere Zahl von
Gebäuden der Bezirke, der Körperschaften
und des Landesverwaltungsamtes öffentlich ausgeschrieben. Ziel ist es, über eine
Mischkalkulation hochrentable mit weniger rentablen Energiesparinvestitionen,
summiert über einen Pool von Liegenschaften, zu verknüpfen, die Energiedienstleistung für diesen Pool auszuschrei-
Allgemeines Funktionsschema der Berliner Energie-Contracting-Modelle
Erste Energiediaglose durch EnergieDienstleistungsunternehmen
Vertragsverhandlungen und Ermittlung
des aktuellen Energieverbrauchs
Ausführliche Energiediagnose
Investition der Energiespartechnik
Amortisationsdauer
Anpassung des Vertrages
Quelle:
oder
Learning by doing
In der Arbeitsgruppe Energiesparpartnerschaft haben acht Bezirke, fünf Hauptverwaltungen, das Landesverwaltungsamt
und nachgeordnete Körperschaften wie die
Oberfinanzdirektion und die Berliner Forsten zusammengearbeitet, um das Projekt
auf den Weg zu bringen. Allein das war eine
große Leistung, bei einer solchen Vielzahl
von Beteiligten bis zum Vertragsabschluß
zu kommen. Zur Schnittstellendefinition
gehörte auch, laufende eigene Baumaßnahmen des Landes mit energetischen
Effekten für die Einzelliegenschaften zu erfassen und bei der Vertragserarbeitung zu
berücksichtigen.
Rückblickend kann gesagt werden, daß zu
viele Verwaltungen einzubinden waren.
Weitere Pools werden möglichst nur mit
einer gebäudeverwaltenden Behörde ausgeschrieben. Auf dieser Basis wäre allerdings der erste Pool nicht zustande gekommen, da einzelne Verwaltungen wegen der
Unsicherheit eines Modellprojekts nur ein
oder wenige Gebäude in den Pool gaben.
Anlagenbesitzer und EnergieDienstleistungsunternehmen
teilen sich die Ersparnisse
Anlagenbesitzer erneuert den
Vertrag mit verändertem Anteil
an den Ersparnissen
ben und für eine bestimmte Laufzeit auf einen externen Energiesparpartner zu übertragen. Dabei ist das vorhandene Energiesparpotential unter Bereitstellung von
privatem Kapital zu erschließen. Die Energiesparpartner und die von ihnen zu erbringenden Leistungen finanzieren sich
durch die zu erzielenden Einsparungen unter Abzug der dem Land Berlin jährlich garantierten Beträge. Das Land Berlin soll,
nach einem Senatsbeschluß zur Energiesparpartnerschaft vom 04.04.1995, an
zusätzlichen Einsparungen beteiligt sein,
soweit ein bestimmtes Sparpotential überschritten wird. Zugleich wird verwaltungsintern eine Controllingfunktion entwickelt,
um ein effizientes Energiemanagement
aller öffentlichen Liegenschaften zu erreichen.
Geräte gehen
in das Eigentum
des Besitzers über
Göhringer, Peter: Energieeinsparung im Krankenhaus. In: Deutsche Bauzeitung db,
(1992) 5, S. 77
Die Energiesparpartnerschaft für die beiden ersten Gebäudepools wurde von der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung,
Umweltschutz und Technologie in einem
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
europaweiten Verfahren im Sommer 1995
öffentlich ausgeschrieben.
Ergebnisse Pool I und II
Aus dem Anbieterkreis wurden nach intensiven Verhandlungen zwei Bieterkonsortien ausgewählt, mit denen eine Energiesparpartnerschaft für die energetische
Bewirtschaftung von jeweils einem Gebäudepool von ca. 40 Gebäuden bei einer Vertragslaufzeit von 12 Jahren begründet wird.
Das Ergebnis läßt sich sehen und hat inzwischen bundesweite Aufmerksamkeit erregt:
– Die Energiesparpartner garantieren
dem Land Berlin für jeden Gebäudepool, dessen Energiebezugskosten im
Jahr 1994 bei ca. 10 Mio. DM lagen, ab
1996 eine jährliche Energiekosteneinsparung von über 1 Mio. DM.
– Das Land Berlin kann als zusätzlichen
Nutzen je Gebäudepool ca. 0,5 Mio. DM
jährlich an vermiedenen Instandhaltungskosten verbuchen.
– Nach Ablauf der Energiesparpartnerschaft stehen die optimierten Anlagen
dem Land Berlin uneingeschränkt zur
Verfügung.
Inzwischen haben die Energiesparpartner
die Energiesparmaßnahmen umgesetzt.
Aus der – noch vorläufigen – Jahresabrechnung 1996 können die ersten konkreten
Ergebnisse dargestellt werden:
– Energiesparpartner im Pool I ist eine
Arbeitsgemeinschaft aus Bewag / Landis
& Stefa. Die zu bewirtschaftenden
Objekte umfassen 39 Liegenschaften mit
einer Bruttogeschoßfläche von ca.
410 000 m2. Die Kosten für den Energiebezug lagen im Referenzjahr 1994 bei
insgesamt rd. 9,5 Mio. DM, der Anteil für
Strom lag bei etwa einem Drittel. Die geplanten Investitionen belaufen sich auf
rd. 3,5 Mio. DM für diesen Pool. Zusätzlich werden laufend Instandhaltungsaufgaben für die Altanlagen durchgeführt.
– Energiesparpartner im Pool II ist die ESB
GmbH, eine Tochter der Saarberg Fernwärme. Die zu bewirtschaftenden Objekte umfassen 42 Liegenschaften mit
einer Bruttogeschoßfläche von ca.
400 000 m2. Die Kosten für den Energie-
43
bezug lagen im Referenzjahr 1994 bei
insgesamt rd. 11 Mio. DM, der Anteil für
Strom lag bei etwa 4,4 Mio. DM. Im Pool
II sind Maßnahmen zur Energieeinsparung mit einem Investitionsvolumen
von rd. 6,3 Mio. DM und Planungsleistungen von rd. 1 Mio. DM durchgeführt
worden.
Bezogen auf das Referenzjahr sind bereits
im Rumpfjahr 1996 etwa 18 % Kosten eingespart worden. Nach Vorlage der ersten
Zahlen für 1997 wird das prognostizierte
Einsparpotential von 30 % ausgeschöpft
werden. Das Einsparpotential in den einzelnen Liegenschaften liegt in einer Bandbreite zwischen 5 und 60 %.
Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der
Europäischen Union im Oktober 1997 ist
europaweit der dritte Pool ausgeschrieben
worden. Die Vertragsverhandlungen sollen
im zweiten Quartal des Jahres 1998 mit
der Vertragsunterzeichnung abgeschlossen werden. Weitere Pools mit derzeit vier
Bezirken werden vorbereitet. Die nächsten
Ausschreibungen erfolgen in den kommenden Monaten.
Übertragung auf die Wohnungswirtschaft
Analog zum Projekt „Energiesparpartnerschaft für öffentliche Einrichtungen” sollen auch für die Wohnungswirtschaft
Modellvorhaben umgesetzt werden, indem
im Rahmen des Wettbewerbes private Betreiber zur Umsetzung energiesparender
Maßnahmen im Wohngebäudebereich
aufgefordert werden. Mit dem Modellprojekt soll insbesondere geklärt werden, wie
miet- und eigentumsrechtliche Rahmenbedingungen, die Einbindung der Mieter
und die Warmmietenneutralität mit den
Ausschreibungsverfahren verbunden werden können.
In diesem Zusammenhang formuliert das
„Energiekonzept Berlin“ auch die Prüfung
einer Brennstoffkennzahl (BKZ) als vorzugebende Kennzahl für eine zusätzliche Förderung. Das Brennstoffkennzahl-Verfahren soll die Grundlage für eine effektivere
energetische Förderung im Städtebau
schaffen. Für die ersten beiden Wohngebiete mit rd. 200 bzw. 600 Wohneinheiten
hat inzwischen ein europaweites Verfahren
zur Interessenbekundung stattgefunden.
Schadstoffminderung im Städtebau
44
Kontrollinstrumente
In den Verhandlungen und Verträgen zum
Energiespar-Contracting werden sowohl
Vorgaben für die angestrebte Energiekosteneinsparung als auch für die Einsparung an Energie – und gegebenenfalls auch
an CO2-Emissionen – gemacht. Alle Energiesparpartner für öffentliche Gebäude
sind verpflichtet, für das Controlling ein
eigenes Datensystem aufzubauen und mit
dem Land Berlin abzustimmen. Die Ergebnisse werden in regelmäßig tagenden Arbeitssitzungen zwischen Verwaltung und
Energiesparpartnern abgestimmt. Zusätzlich läßt sich der Hauptausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses regelmäßig über
den Stand der Energiesparpartnerschaften
berichten.
Neues industrielles solares Bauen in Fertigbauweise
Achim Zielke
BDF Bundesverband Deutscher
Fertighausbau e.V.
Flutgraben 2
53604 Bad Honnef
Solaranlagen auf Neubauten
sollten baurechtliche Vorschrift werden!
Das gilt sowohl für die flächendeckende
Nutzung von Sonnenkollektoren zur
Brauchwassererwärmung und Heizungsunterstützung als auch für den Einsatz von
Photovoltaikmodulen zur Stromgewinnung. Die Mitgliedsunternehmen im Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF)
wollen dazu ihren konstruktiven Beitrag
leisten: Gefragt ist in den nächsten Jahren
eine „Energiewende am Bau hin zum
intelligent gebauten – umweltgerechten –
Haus“.
Der Anteil der Privathaushalte am jährlichen Heizenergiebedarf liegt bei rund
40 %. Schon eine einfache Solaranlage zur
Brauchwassererwärmung mit 4,5 bis 6 m²
Kollektorfläche für einen Vier-PersonenHaushalt spart der Umwelt Jahr für Jahr
eine ganze Tonne CO2! Mit einer Solarthermieanlage läßt sich der Heizölverbrauch
pro Jahr in einem Einfamilienhaus um
rund 300 Liter bzw. um 300 m³ Gas senken.
Der BDF würde es begrüßen, wenn die
Landesbauordnungen übereinstimmend
in allen Bundesländern Solaranlagen für
Neubauten zur Pflicht machen würden.
Kein Neubau ohne Kollektor auf dem Dach!
Damit muß die Fertigbaubranche als
eine von drei Haupt-Vertriebsschienen
betrachtet werden – neben dem Sanitärund Klimahandwerk sowie den Baumärkten.
Aus Gründen der Qualitätssicherung auf
hohem Niveau und verbraucherfreundlichen Gewährleistung favorisieren die
Mitgliedsunternehmen des BDF die Komplettleistung aus einer Hand – das gilt
selbstverständlich auch für Sonnenkollektoren zur Brauchwassererwärmung und
Heizungsunterstützung sowie für Photovoltaikmodule zur Stromgewinnung.
Intelligent bauen, Ressourcen schonen
Wie intelligente haustechnische Konzepte
der Zukunft aussehen können, zeigen BDFMitgliedsunternehmen schon seit geraumer Zeit. Nicht von ungefähr wurde der
Deutsche Solarpreis sowohl 1996 als auch
1997 jeweils an ein BDF-Mitglied vergeben.
Dies läßt die Trendsetter-Funktion des
modernen Fertigbaus für die gesamte Bauwirtschaft erkennen. Weitere vorbildliche
Haus-Konzepte sehen Fertighäuser vor, die
Energieüberschüsse produzieren statt
Ressourcen zu verbrauchen. BDF-Mitgliedsunternehmen sind auf dem Weg zur
Serienreife schon ein gutes Stück vorangekommen.
Mit dem Start der 10 000-SolardächerInitiative Mitte August ‘97 hat der BDF ein
klares Zeichen gesetzt: 10 000 neue Fertighäuser wollen die BDF-Mitgliedsunternehmen innerhalb von zwei Jahren mit
Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
45
ausstatten. Bei vielen Häusern sind Sonnenkollektoren sogar serienmäßig vorgesehen. Sieben BDF-Mitgliedsfirmen bieten
Solaranlagen serienmäßig im Gesamtprogramm; zwölf weitere statten mindestens
einen, oft mehrere Haustypen ab Werk mit
Sonnenkollektor zur Warmwasserbereitung aus. Für alle Kollektoren gelten besonders strenge Leistungsanforderungen,
die vom TÜV Süddeutschland im Auftrag
des BDF festgelegt wurden. Die danach
ausgewählten Unternehmen haben erst
kürzlich beim großen Solaranlagen-Test
der Stiftung Warentest überzeugend abgeschnitten: Buderus, Ikarus Solar und
Viessmann. Der Röhrenkollektor von Elco
Klöckner wurde sogar Testsieger.
Rund 10 000 Besucher haben 1997 die
spezielle Solar-Informationstour des BDF
durch die großen deutschen Fertighausausstellungen besucht. Nach unseren bisherigen Erfahrungen können wir sagen,
daß die Akzeptanz in der Bevölkerung für
innovative haustechnische Konzepte groß
ist und das Denken keineswegs traditionsgerichtet oder gar innovationsfeindlich.
BDF begrüßt
Energie-Einspar-Verordnung
Logo der „Solardach-Initiative
des Bundesverbandes
Deutscher Fertigbau e.V.“
Bei der Eigeninitiative von Bauwilligen und Vorleistungen der Fertigbauindustrie darf es allerdings
nicht bleiben. Hinzu kommen müssen entsprechende politische Rahmenbedingungen. Mit der neuen
Energieeinsparverordnung
(EnEV)
kann der Bund geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Der BDF begrüßt die
Absicht, den Energieverbrauch von Neubauten um 30 % zu senken und die Anforderungen der aktuellen Heizanlagenverordnung mit den Anforderungen der
geltenden Wärmeschutzverordnung zusammenzufassen. Dies um so mehr, als die
meisten Fertighäuser der BDF-Mitgliedsunternehmen schon heute den zukünftigen strengeren Standards gerecht werden.
Solar-Förderung einheitlich gestalten
Um energiesparendem solarem Bauen
bundesweit zum Durchbruch zu verhelfen,
brauchen wir baurechtliche Rahmenbe-
Komponente
Niedrig-Energiehaus
„Övolution“
„ÖvolutionPlus“
Wärmeerzeugung
Gas-Umlaufwasserheizer
U 104 mit 11 kW
modulierend bis 45 %
Gas-Brennwertkessel
GB 112 W mit 11 kW
modulierend bis 30 %
40 m2 Solarkollektoren
Langzeitspeicher 20 m3
Zwischenspeicher 0,8 m3
Brauchwasser
bivalenter Speicher 380 ltr.
4 m2 Solarkollektoren
Überdachmontage
Kombispeicher 800 Ltr.
12 m2 Solarkollektoren
Heizungsunterstützung
Kombispeicher mit 140 Ltr.
Brauchwasseranteil; zusätzl.
elektr. getestete Nacherhitzer
(Gas) an den Verbraucher
in Küche/Bad
Wärmeverteilung
Flachheizkörper 55/45
Zweirohr-Sternschaltung
Flachheizkörper 45/35
Zweirohr-Sternschaltung
Flächenheizung
Flachheizkörper 35/25
Zweirohrsternschaltung
Regelungstechnik
Ecomatic Raum Controler
Witterungsgeführte Vorlauftemperatur mit Raumtemperatureinfluß
Thermostatventile mit
Fensterkontakt
Einzelraumregelung
über EIB.HW 4201
Zentrale Zonenventile
mit Fensterkontakt
Einzelraumregelung/
Totalabschaltung
Zonenventile
Lüftungstechnik
Fensterlüftung
Be- und Entlüftung mit WRG
Totalabschaltung im Sommer
Verriegelung über Fensterkontakt
Be- und Entlüftung mit WRG
Totalabschaltung im Sommer
Elektroversorgung
extern/intern über PV-Module
für sämtliche Antriebe
extern/intern über PV-Module
für sämtliche Antriebe
extern/intern über PV Module
für sämtliche Antriebe
Energiesysteme für
die Projekte „Övolution“
und „ÖvolutionPlus“
Quelle:
Prospekt WeberHaus
Schadstoffminderung im Städtebau
46
dingungen, die Investitionen in energiesparende Hauskonzepte verläßlich honorieren. Das Nebeneinander von Bundes-,
Landes- und kommunalen Solar-Fördertöpfen hat vieles unnötig kompliziert,
manchen Interessenten sogar abgeschreckt, wie Fachberater berichten! Gefragt sind einheitliche – nachvollziehbare –
Förderrichtlinien bundesweit. Und Fördermittel, die nicht von jetzt auf gleich versiegen. Das gilt für Solarthermie wie für Photovoltaikanlagen.
Insofern apelliert der BDF, den Ökobonus
in seiner bestehenden oder in abgewandelter Form über das Jahresende hinaus weiter zu gewähren. Nach der bisher geltenden Regelung erhält vom Finanzamt
maximal acht Jahre lang jeweils 400 DM,
wer ein Niedrig-Energie-Haus baut (das
mithin höchstens 7 l Heizöl bzw. m³ Gas
zum Heizen pro m² und Jahr verbrauchen
darf); wer eine Solaranlage oder Erdwärmepumpe einbauen läßt, wird mit jährlich
2 % der Anschaffungskosten – höchstens
500 DM – gefördert. Insgesamt werden also
bis zu 7 200 DM rückvergütet. Eine Nichtverlängerung des Ökobonus wäre jetzt, zu
einem Zeitpunkt, da der Markt den Nutzen
solarer haustechnischer Systeme allmählich begreift, ein Signal in die falsche Richtung.
Das Bild des Hauses wandelt sich
Mit dem Vordringen von Sonnenkollektoren zur Brauchwassererwärmung und
Heizungsunterstützung, Photovoltaikmodulen zur Stromgewinnung, Erdwärmepumpen sowie Systemen zur kontrollierten
Be- und Entlüftung wird sich das traditionelle Bild des Hauses wandeln. Hausfassaden im „PV-Look“ mögen manchen Zeitgenossen anfangs irritieren. Der BDF und
seine Mitgliedsunternehmen gehen jedoch
davon aus, daß der Trend zum umweltschonenden Haus mit intelligenter Gebäudetechnik anhalten wird. Längst ist die
Solartechnik ihrem Schattendasein entwachsen und ins Rampenlicht der Bauöffentlichkeit getreten. Die Fertighaushersteller im BDF sind auf eine entsprechende
Nachfrage eingestellt, getreu dem Motto:
„Intelligent bauen,
um Ressourcen zu schonen.“
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
47
Themenblock 3
Qualitätssicherung in einzelnen städtebaulichen Handlungsbereichen
Ergebnisse:
Solarer Städtebau – wird den stadtgestalterischen
Anforerungen gerecht
Investoren- und Betreibermodelle im
Gebäudebestand durch Warmmietenspiegel fördern
Das Grundprinzip des solaren Städtebaus lautet: passive und aktive Solarenergienutzung optimieren und
Energieverluste minimieren.
Um dem Interessenkonflikt zwischen Investor und
Nutzer bezüglich wirtschaftlicher Maßnahmen zur
Energieeinsparung zu begegnen, ist im Mietrecht analog zur Kaltmietenbegrenzung (Mietspiegel) ein Warmmietenspiegel einzuführen. Die Investoren und Betreiber sind erst dann im großen Umfang bereit,
Energiesparmaßnahmen durchzuführen, wenn es den
Marktwert ihrer Immobilie berührt.
Ohne eine wesentliche Verschlechterung der passiven Energiegewinne eines Niedrigenergiegebäudes
herbeizuführen, kann die Orientierung bis zu 90º aus
der Südrichtung erfolgen (-2 bis 4 %). Für die aktive
Nutzung der Solarenergie (hier: Solarthermie) sinken
die Ertragswerte bei einer SW-SO-Orientierung um ca.
5 %, bei einer Westorientierung liegen sie bereits 30 %
unter dem Optimum.
Solarer Städtebau – ist finanzierbar
Im Mehrgeschoßwohnungsbau wird ein vierfach besseres Kostenverhältnis für die Investition und den Betrieb von solarer Nahwärme erzielt als im Einfamilienhausbau. Die Systemkosten können derzeit durch
großflächige Solaranlagen und Kollektoren als Dachhaut bis auf 850 DM/m2 Kollektorfläche gesenkt werden.
Solare Versorgungskonzepte werden in Zukunft an
Bedeutung gewinnen, weil aufgrund der Niedrigenergiebauweise die Wärmedichte derart sinkt, daß auch
die Wirtschaftlichkeit einer konventionell leitungsgebundenen Wärmeversorgung systemtechnisch bedingt abnimmt.
Verkehrsmindernde Siedlungsstrukturen erfordern
einen Bewußtseinswandel
Siedlungsstruktur und Verkehrswegenetze sind eng
miteinander veknüpft und bedingen sich gegenseitig.
Verkehrsmindernde Siedlungsstrukturen sind neben
der Schadstoffminderung auch aus Gründen der Verkehrssicherheit und eines verminderten Flächenverbrauchs zu realisieren. Der erforderliche Bewußtseinswandel bei den Akteuren und Bewohnern ist zudem
über die Kostenwahrscheinlichkeit einzelner Verkehrserschließungssysteme herbeizuführen.
Handlungsanforderungen:
– Verankerung eines Energiedeckungsgrades von
> 10 % durch erneuerbare Energien in der Energieeinsparverordnung bzw. den Landesbauordnungen
(vgl. Schweiz und Saarland)
– Vermarktung guter Beispiele solaren Städtebaus
unter Hervorhebung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Handlungsspielräume
– Erhöhung der Energiekosten für fossile Energieträger über Steuern bzw. Abgaben
– Novellierung der Stellplatzverordnungen der Länder
– von der Stellplatzpflicht zur Stellplatzbegrenzung
– Ausweisung von energetischen Sanierungsgebieten zur Förderung der Energieeinsparung im
Gebäudebestand
– Einführung und Etablierung eines Warmmietenspiegels im Zusammenspiel mit der mietrechtilchen
Begrenzung der Warmmiete
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
Themenblock 4
Qualitätsvereinbarungen in der städtebaulichen Entwicklung
Referate:
– Qualitätsvereinbarungen als Instrument der Erfolgskontrolle städtebaulicher Entwicklung
Dr. Manfred Fuhrich, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
– Qualitätsverbesserungen bei Maßnahmen der Schadstoffminderung durch lokale Agenda 21:
Viernheim
Dr.-Ing. Harald Kissel, Stadtplanungsamt Viernheim
– Qualitätsvereinbarungen zur Schadstoffminderung als „Stadt der Zukunft“:
Modellstadt Heidelberg
Beate Weber, Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg
Neue Wege hinsichtlich der Qualitätsvereinbarung sowie der Erfolgskontrolle durch Meßgrößen, die im Sinne einer
nachhaltigen Schadstoffminderung und
Stadtentwicklung bürgernah vermittelbar sind, werden in einigen Modellorten
begangen. Hierzu hat das Bundesbauministerium ein neues Forschungsfeld
„Städte der Zukunft“ aufgelegt, über
das ebenso wie über die Modellorte
Viernheim und Heidelberg berichtet
wurde.
CO2-Barometer der Stadt Viernheim
Quelle: Broschüre zum Modellprojekt „Brundtlandstadt“;
Hrsg.: Hessisches Ministerium für Umwelt, Jugend,
Familie und Gesundheit; 2. Aufl., Wiesbaden 1997
49
Schadstoffminderung im Städtebau
50
Qualitätsvereinbarungen als Instrument
der Erfolgskontrolle städtebaulicher Entwicklung
Dr. Manfred Fuhrich
Bundesamt für
Bauwesen und Raumordnung
Am Michaelshof 8
53177 Bonn
Rückblick
Die Vorbereitungsphase im ExWoSt-Forschungsfeld „Städte der Zukunft“ ist mit
der förmlichen Unterzeichnung der Qualitätsvereinbarungen zwischen BMBau und
den Modellstädten am 6. Oktober 1997
abgeschlossen worden, die praktische Umsetzung in den vier Modellstädten Münster, Heidelberg, Güstrow und Dessau hat
begonnen.
Die Auftaktveranstaltung zum Forschungsfeld fand am 13./14. November 1997 in der
Modellstadt Münster statt. Inhalte waren
die fachpolitische Einordnung des Forschungsfeldes in den HABITAT-II-Folgeprozeß durch das BMBau, die Vorstellung
der Ziele, Inhalte und der ausgewählten
Handlungsfelder des ExWoSt-Forschungsfeldes sowie der Ausgangssituation der
Modellstädte und der geplanten Aktivitäten auf dem Wege zur „nachhaltigen
Stadt“. Ergänzt wurden die Vorstellungen
durch eine Übersicht über die deutschen
Referenzstädte, die im Rahmen des Forschungsfeldes mitwirken. Der zweite Tag
des Zukunftsforums diente der Präsentation und Diskussion der ausländischen
Vergleichsprojekte unter der Moderation
von International Council for Local
Environmental Initiatives (ICLEI).
Handlungsbereiche und
städtebauliche Strategien
des ExWoSt-Forschungsfeldes „Städte der
Zukunft“
Handlungsfeld
Grundlage für die Kooperationen des BMBau mit den Modellstädten ist der von der
BfLR erstellte Strategiekatolog (BfLRArbeitspapiere 2/97), der die Ergebnisse
und Erfahrungen des städtebaulichen Berichtes „Nachhaltige Stadtentwicklung“
und bisheriger ExWoSt-Forschungsfelder
berücksichtigt. Das Positionspapier (BfLRArbeitspapiere 1/97) verdeutlicht die Zielsetzung des ExWoSt-Forschungsfeldes.
Der inhaltlichen Vorbereitung der Qualitätsvereinbarungen dienten neben einer
Reihe von bilateralen Verhandlungsrunden
des BMBau mit den Modellstädten verschiedene Fachgespräche mit den Modellstädten und weiteren Beteiligten. Als Ergebnis der Erörterungen wurde die Zahl
der ausgewählten städtebaulichen Strategien von 25 auf 21 in fünf städtebaulichen
Handlungsfeldern reduziert.
Einzelne Strategien wurden stärker auf die
Wechselwirkungen zwischen Städtebau
und anderen Fachgebieten ausgerichtet.
Wesentlicher war der Verzicht auf quantitative Orientierungswerte für bestimmte
Strategien. So wird es im Bereich des
„haushälterischen Bodenmanagements“
darum gehen, anstelle von vorgegebenen
Werten quantitative Aussagen aus den Erfahrungen der Modellstädte abzuleiten.
Städtebauliche Strategie
Haushälterisches
Bodenmanagement
B1
B2
B3
B4
B5
Reduzierung des Zuwachses an bebauter Siedlungsfläche
Wiedernutzung städtischer Brachen und leerstehender Gebäude
optimale Nutzung städtebaulicher Dichte
Erhaltung und Vernetzung klimawirksamer Freiflächen
Reduzierung der Bodenversiegelung
Versorgender
Umweltschutz
U1
Energieeinsparung und Ausweitung des Anteils regenerativer Energien
U2
Minderung der Luftschadstoffe und der Treibhausgase
U3
Schutz und Pflege des Grundwassers und lokaler Wasservorkommen
U4
Stärkung von Stoffkreisläufen und Reduzierung des Restmüllaufkommens
Stadtverträgliche
Mobilitätssteuerung
M1
M2
M3
M4
Anbindung von Wohngebieten und Arbeitsstätten an den ÖPNV
Reduzierung des Flächenbedarfs des motorisierten Individualverkehrs
Ausbau des Fahrradwegenetzes
Erhöhung der Aufenthaltsqualität für Fußgänger/innen
Sozialverantwortliche
Wohnungsversorgung
W1
W2
W3
W4
Ressourcenschonender, kostensparender Wohnungsbau
Versorgung von Wohnungssuchenden mit besonderem Wohnungsbedarf
Förderung nachbarschaftlicher Selbsthilfe
Sicherung wohnungsnaher Grundversorgung
Standortsichernde
Wirtschaftsförderung
Ö1
Ö2
Ö3
Ö4
Sicherung innerstädtischer Wirtschaftsstandorte
Schaffung wohngebietsverträglicher Arbeitsplätze
Stärkung und Entwicklung innerstädtischer Zentren
Gezielte Standortförderung für umweltschonende Betriebe
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
51
Am prozeßbegleitenden Erfahrungsaustausch nehmen neben den Modellstädten
sechs deutsche Städte als „Referenzstädte“
teil (Altenburg, Bonn, Freiburg, Neuruppin, Nürnberg, Viernheim), mit deren
Unterstützung die Fortschritte in den
Modellvorhaben bewertet und eingeordnet
werden können. Die Referenzstädte sollen
kommunalpolitisch abgesicherte Anregungen für die vielfältige Palette von städtebaulichen Strategien liefern. ICLEI wiederum wertet die Ergebnisse der europäischen
Vergleichsstädte prozeßbegleitend aus und
steuert den grenzüberschreitenden Informationsfluß.
– Verkehrsunfälle
Reduzierung der Verkehrsunfälle mit
Todesfolge und Körperverletzungen;
Die Modellstädte haben sich zur Umsetzung einer Reihe quantitativer Ziele verpflichtet, wobei mit Mitteln des Bundes neben Bestandsaufnahmen in erster Linie
Umsetzungsmaßnahmen gefördert werden. Zentral geht es im Forschungsfeld um
die Umsetzung städtebaulicher Strategien,
im Mittelpunkt des Bundesinteresses steht
eine prozeßbegleitende Erfolgskontrolle.
Neben qualitativen Zielen wurden folgende quantitativen Ziele vereinbart:
– Siedlungsfläche
Reduzierung des Zuwachses an bebauter Siedlungsfläche, Orientierung: Innenentwicklung vor Außenentwicklung
im Verhältnis 3 : 1;
Ausblick
– CO2-Ausstoß
Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Gemeindegebiet um mind. 20 % bis 2005
bzw. um mind. 50 % bis 2010;
– Wassergüte
Verminderung des Nähr- und Schadstoffeintrags in den örtlichen Gewässern
durch Unterschreitung der EU-Vorgaben;
– Trinkwasser
Begrenzung des Trinkwasserverbrauchs
der privaten Haushalte auf unter 110 l
pro Tag und Person;
– Restmüll
Begrenzung des nicht verwertbaren
Restmüllaufkommens
der
privaten
Haushalte auf unter 10 Liter bzw. 2,5 kg
pro Woche und Person;
– Modal-Split
Umweltverbund (zu Fuß, Radfahren,
Nutzung des ÖPNV) zu motorisiertem
Individualverkehr (MIV) im Verhältnis
von 2 : 1;
– Aufenthaltsqualität
Erhöhung des Anteils verkehrsberuhigter Quartiere (Tempo-30-Zonen)
Neben den vorbereitenden Materialien
(Arbeitshefte, Positionspapier, Strategiekatalog) sind bereits die ExWoSt-Informationen 22.1 (Vorstellung des Forschungsfeldes
und der Modellstädte) und 22.2 (städtebauliche Strategien, Qualitätsvereinbarung) erschienen.
Die öffentliche Berichterstattung über das
Forschungsfeld in Form der bewährten
„ExWoSt-Informationen“ soll im Zusammenhang mit dem Aufbau der www.-Präsenz des Experimentellen Wohnungs- und
Städtebaus über ein Online-Forum
„ZukunftStadt“ im Rahmen des Forschungsfeldes „Städte der Zukunft“ ergänzt werden.
Das ICLEI-Gutachten zum Thema „europäische Vergleichsprojekte“ soll in einem
einschlägigen Fachverlag veröffentlicht
werden, eine Publikation zum Thema „Auf
der Suche nach der Stadt von morgen“ als
Beitragssammlung der Forscher/innen des
Forschungsfeldes ist in Vorbereitung.
Für 1998 sind in jeder Modellstadt jeweils
drei Koordinierungssitzungen zur Abstimmung der Arbeitsschritte und drei Zukunftswerkstätten als Erfahrungsaustausch
zwischen den Vertretern der Modellstädte
und der ExWoSt-Forschung geplant. Im
Rahmen jährlich durchgeführter „Zukunftsforen“, am 01.10.1998 in Heidelberg
zum Thema „Städte der Zukunft – Städte
der Bürger’, 1999 in Güstrow und 2000 in
Dessau, wird der Verlauf des Forschungsfeldes der Fachöffentlichkeit vorgestellt
und zur Diskussion gestellt. Zum Weltstädtebaukongreß werden die erreichten Fortschritte in den Modellstädten einer breiten
Öffentlichkeit präsentiert.
Schadstoffminderung im Städtebau
52
Qualitätsverbesserung bei Maßnahmen der Schadstoffminderung
durch lokale Agenda 21: Viernheim
Harald Kissel
Amt für Stadtentwicklung
und Umweltplanung
Kettelerstraße 3
68519 Viernheim
– Verbesserung der klimatischen Bedingungen,
Bebauungsplänen bzw. Ausführungsplanungen auch der intensiven politischen
Diskussion und sind gleichzeitig Instrumente der Bürgerinformation und -beteiligung. Sie tragen wesentlich zur Verwirklichung der eingangs genannten Ziele bzw.
Leitideen bei.
– Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung der Natur- und Landschaftsfunktionen,
Verwaltungsstruktur
Leitbild
Die Stadt Viernheim hat Mitte der 80er Jahre das Leitbild der „ökologischen Stadtentwicklung“ mit den Zielen der
– Schonung der natürlichen Ressourcen,
– Schaffung gesundheitsfördernder Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen sowie
– Information und Beteiligung der Bürger
und der lokalen Wirtschaft formuliert.
Darunter subsumiert ist die Zielsetzung
der Schadstoffminderung in Verbindung
mit städtebaulichen Qualitätsverbesserungen, daneben sind diese Ziele nur durch
eine Strategie zum sozialen Marketing umzusetzen.
Um die Umsetzung des Leitbildes „ökologische Stadtentwicklung“ bzw. der „Nachhaltigen Stadtentwicklung“ zu garantieren,
bedarf es einer Umstrukturierung der Verwaltung. Auch hier hat Viernheim schon
früh begonnen, neue Wege zu gehen, was
sich u.a. an folgenden Maßnahmen festmachen läßt:
– Errichtung eines Amtes für Stadtentwicklung und Umweltplanung 1986;
– Aufbau von dezernats- und ämterübergreifender Arbeitsgruppen;
– Schaffung einer Energieberaterstelle bei
den Stadtwerken 1991;
Planungsinstrumente
Die Stadtentwicklung Viernheims wird geprägt durch das Wechselspiel formaler Planungen und informeller Pläne, z.B.
– dem Szenario Stadtentwicklung Viernheim 2030,
– der Städtebaulichen Rahmenplanung
Innenstadt,
– der Grünrahmenplanung Viernheim,
– der Erholungsrahmenplanung,
– städtebaulichen Gutachten wie „Standort und Marktgutachten“, klimaökologische Beurteilung der Hinterbauung in
innerstädtischen Baublöcken und
– der Durchführung von Planungswerkstätten zu Themen wie der
„Detailplanung in den Blöcken des
Sanierungsgebietes“, Rathauserweiterung,
Entwicklung
Tivoli-Park,
Wohnnutzung auf der Fläche: „OEGWagenhalle“, Entwicklung Rhein-Nekkar-Einkaufszentrum,
städtebauliche
Entwicklungsmaßnahme „Bannholzgraben“.
Alle diese Planungen und Planungsmethoden dienten neben der Vorbereitung von
– Einrichtung der Stelle des Brundtlandbeauftragten 1994;
– Einrichtung des Bürgerbüros 1996;
– Ämterübergreifende Mitarbeiterschulungen zu verschiedenen Umweltthemen
Öffentlichkeitsarbeit
Die informellen Planungen bieten die
Chance, eine größere Öffentlichkeit, aber
auch die Fachbehörden in den offenen Planungsprozeß mit einzubeziehen. Darüber
hinaus wurde eine Reihe von öffentlich
wirksamen Veranstaltungen durchgeführt,
mit der ein Verständnis für unsere Ziele geweckt wurde, wie
– Bürgerinformationsabende,
– Ausstellungen,
– Umweltwettbewerbe (seit ca. 10 Jahren)
u.a.
Social-Marketing-Kampagne –
Brundtlandstadt
Der Titel Brundtlandstadt wurde Viernheim 1994 vom Hessischen Umwelt-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
ministerium verliehen. Viernheims zukunftsweisende Energiepolitik und die
ökologische Stadtentwicklung fanden Anerkennung und damit Unterstützung für
effektiven Klimaschutz. Brundtlandstadt,
das heißt Energiesparstadt. Brundtlandstadt, das heißt vor allem, den eingeschlagenen Weg, z.B. mit Wärme, Strom und
Wasser sparsamer umzugehen, den Einsatz
erneuerbarer Energien zu fördern und
beim Verkehr den Umweltverbund gezielt
zu verstärken, fortzusetzen.
Bis zum Jahr 2010 wollen wir in Viernheim
die CO2-Emissionen um mindestens 30 %
senken. Der Weg zu diesem Ziel setzt sich
aus vielen kleinen Schritten zusammen
und kann nur unter Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger gelingen. Mit Beginn
des Brundtlandprojekts wurden diese Aktivitäten in eine professionelle SocialMarketing-Kampagne einbezogen. Der
Aufbau der Kampagne ist dreiphasig:
– Im ersten Schritt geht es um die Verbreitung der Grundinformation:
Brundtland – Klimaschutz – CO2 -Reduzierung sollen als zusammengehörige
Begriffe gesehen werden.
– Die zweite Phase soll dazu dienen, die
Bürger zu einer Verhaltensänderung im
Sinne des Klimaschutzes zu motivieren.
– In der dritten Phase soll erreicht werden,
daß die gewünschte Verhaltensänderung mit einem positiven Image verbunden ist.
Zur Kampagne gehört ein äußeres Image
mit wiederkehrenden Symbolen, das sogenannte Corporate design, wie ein Logo,
Broschüren, Plakate, eine bunte Zeitschrift
sowie der Slogan „Klimaschutz, wir sind
dabei“, der im Rahmen eines Wettbewerbs
ermittelt wurde. Die Kampagne wird durch
eine Aktion belebt, die sich rund um ein
Treibhaus dreht, das als „CO2-Barometer“
dient und als Spiel organisiert ist. An die
Stelle technikorientierter Einheiten rücken
konkrete Handlungsvorschläge, die auf die
Einleitung einer Verhaltensänderung abzielen, wobei die Hemmschwelle, sich zu
beteiligen, gering ist. Die Psychologen nennen diesen Vorgang „foot in the door“Technik, d.h. wer erst einmal dabei ist, realisiert vielleicht später noch eine andere
Maßnahme.
Zur Belohnung des umweltbewußten Bürgers wurde die Viernheimer Klimaschutzwährung „GRO“ eingeführt. Die bei dem
Kauf energiesparender Produkte oder für
53
klimaschützende
Aktivitäten
ausgegebenen GRO-Rabattmarken werden in einem Heft gesammelt. Ist es voll, erhält man
als Lohn des eifrigen Sammelns
einen bunten CO2 -Ball aus einem
CO2-Treibhaus sowie eine Energiesparlampe. Für jeweils zehn
ausgegebene CO2-Bälle wird von
der Stadt Viernheim ein Baum
gepflanzt, der sich mit dem Fortschritt der Aktivitäten zu einem
„Brundtland-Hain“ entwickeln
soll, womit ein neues, dauerhaftes Symbol entsteht.
Neben der GRO-Marken-Aktion
wird das Brundtlandprojekt im
öffentlichen und gesellschaftlichen Leben der Stadt etabliert,
z. B. bei der Frühjahrsmesse oder
einem Radl-Markt.
Anzeige der
Brundlandt-Fachgeschäfte
im Klima-Magazin Klare
Quelle: Broschüre zum Modellprojekt
„Brundtlandschaft“; Hrsg.: Hessisches
Ministerium für Umwelt, Jugend, Familie und
Gesundheit; 2. Aufl., Wiesbaden 1997
Ganz im Sinne des KampagnenKonzepts ist es dabei gelungen,
sowohl die breite Bevölkerung als
auch wichtige Zielgruppen und Multiplikatoren für die Mitorganisation zu gewinnen.
Durch die aktive Einbindung von Schulen
und Vereinen erreicht die Kampagne
schrittweise die gewünschte Eigendynamik. In diesem Jahr gab es erstmalig auch
eine sogenannte Brundtlandperformance,
einen Jazztanz zum Projekt.
In Zusammenarbeit mit einer Viernheimer
Wochenzeitung erscheint jetzt das Klimaschutzmagazin KLARO, in dem vier- bis
fünfmal jährlich über die Klimaschutzaktivitäten in Viernheim berichtet wird. Geplant ist des weiteren eine BrundtlandHomepage im Internet sowie ein KinoWerbespot, der von Mitgliedern der Jugendstadtverordneten-Versammlung gedreht wird.
Ergebnisse und Ausblick
In regelmäßigen Abständen werden die
Viernheimer befragt, was sie über das Projekt wissen und was sie von bestimmten
Aktionen halten. Das Thema Klimaschutz
hat demnach in Viernheim einen hohen
Stellenwert, da 93 % der Viernheimer die
Aktivitäten zum Thema Klimaschutz für
„wichtig“ bzw. „sehr wichtig“ halten. Die
Ziele des Brundtlandprojekts finden einen
breiten Konsens, das Problembewußtsein
für den Klimaschutz ist ausgeprägt. 66 %
der Bevölkerung äußern, daß sie „stolz darauf sind, daß Viernheim Brundtlandstadt
Schadstoffminderung im Städtebau
54
ist“. Die Social-Marketing-Kampagne wird
von zwei Drittel der Bevölkerung als „sehr
gut“ bewertet.
All diese Aktivitäten verstehen wir als
Agenda 21-wirksame Methoden zur Schadstoffminderung. Der Brundtlandbericht
war gewissermaßen die Basis für den Umweltgipfel 1992 in Rio. Deshalb ist nicht erstaunlich, daß eine Stadt wie Viernheim,
die schon seit Mitte der 80er Jahre Agenda
21 betreibt, seit 1994 Brundtlandstadt ist.
Qualitätsvereinbarungen zur Schadstoffminderung
als „Stadt der Zukunft“: Modellstadt Heidelberg
Beate Weber
Oberbürgermeisterin
der Stadt Heidelberg
Postfach 520
69045 Heidelberg
Nach über zweijähriger intensiver Beratung, an der sich alle Organisationen, Institutionen und Verbände (Wirtschaft,
Gewerkschaften, Universität, Umweltverbände, Gemeinderäte) in einem Beirat beteiligt haben, ist ein neuer Stadtentwicklungsplan „Heidelberg 2010“ entstanden,
der im Februar letzten Jahres fast einstimmig vom Gemeinderat beschlossen wurde.
In der Präambel wird das entscheidende
Ziel so festgeschrieben:
„Heidelberg
strebt
eine
Entwicklung
an,
die auch in Zukunft unter Bewahrung seiner unverwechselbaren Eigenart gleichermaßen sozial
verantwortlich, umweltverträglich und wirtschaftlich erfolgreich ist. Es orientiert sich dabei
am Ziel der regionalen und globalen Verantwortung im Sinne der Charta von Aalborg. Die Stadt
Heidelberg will damit eine nachhaltige Entwicklung einleiten.“
Mit diesem neuen Stadtentwicklungsplan
haben wir alle Voraussetzungen erfüllt, die
von den UN-Konferenzen zur Umwelt und
Entwicklung (Rio 1992) und HABITAT II
(Istanbul 1996) an eine nachhaltige Entwicklung hin zu einer „Stadt der Zukunft“
gestellt worden sind. Wir haben zudem den
besonderen Vorteil, daß der Stadtentwicklungsplan als „Lokale Agenda 21“ in das
Verwaltungshandeln integriert ist. Damit
könnte unsere Vorgehensweise auch ein
Modell für andere Städte sein.
Einen besonderen Schwerpunkt unserer
städtischen Umweltpolitik – und einen
wichtigen Bestandteil unserer Projekte im
ExWoSt-Programm „Stadt der Zukunft” –
bildet der Klimaschutz. Als Startschuß zum
“Klimaschutz Heidelberg - gemeinsam gegen dicke Luft” haben wir 1991 ein kommunales Konzept zur CO2-Minderung und
einen Maßnahmenkatalog speziell für Heidelberg entwickelt. Seitdem ziehen wir in
ca. zweijährigem Rhythmus mit den CO2Umsetzungsberichten eine Bilanz der realisierten Maßnahmen und der erzielten
Auswirkungen.
Mit der 1992 verabschiedeten Energiekonzeption der Stadt Heidelberg wurden Zielvorgaben für den Ausbau der Fernwärmeversorgung aus Kraft-Wärme-Kopplung,
für die Nutzung erneuerbarer Energien,
den Aufbau von Energieberatungsangeboten, die Berücksichtigung des Klimaschutzes in der Bauleitplanung, konkrete Qualitätsanforderungen an den Energiestandard
städtischer Neubauten und Sanierungsprojekte sowie an private Bauvorhaben auf
städtischem Bauland festgelegt. Die Energiekonzeption legt weiterhin Leitlinien für
die energiepolitischen Ziele, Tarifgestaltung und Dienstleistungsangebote der
Stadtwerke Heidelberg AG fest. Die Energiekonzeption stellt damit eine zentrale
stadtinterne Qualitätsvereinbarung dar.
Als Ergebnis der Heidelberger Klimaschutzkonferenz „How to Combat Global
Warming” wurde 1994 eine Zielvereinbarung zur CO2-Minderung um 20 % bis zum
Jahre 2005 getroffen. Der dritte CO2-Umsetzungsbericht 1996 zeigt besonders für
den CO2-Ausstoß der kommunalen Liegenschaften – trotz Flächenerweiterungen –
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
bezogen auf 1987 bis 1995 eine Reduzierung um 12 %; eine weitere Reduzierung ist
abzusehen. Ebenfalls erfreulich ist die Entwicklung des CO2-Ausstoßes für die private
Wohnungsbeheizung, der trotz erheblichen Wohnflächenzuwachses um 2 % gesenkt wurde. In der gesamtstädtischen
Bilanz konnte dennoch ein Anstieg um 3 %
nicht verhindert werden. Dieser Anstieg
wurde vor allem durch beträchtliche Flächenzuwächse und Neubauten von Instituten im Umfeld der Universität verursacht.
Neben technischen und baulichen Maßnahmen bilden
– Öffentlichkeitsarbeit
(Schulungen für die städtischen Hausmeister,
Fortbildungsangebote
für
Handwerker, den Energie-Tisch Heidelberg, den Arbeitskreis Umweltwirtschaft
Rhein-Neckar, das Verkehrsforum Heidelberg oder Workshops für das Neubaugebiet Wieblingen-Süd bis hin zum
Schulprojekt der E-Teams) und
– Kooperation mit allen beteiligten Akteuren die Schwerpunkte des Klimaschutzkonzeptes.
Das Klimaschutzziel und eine nachhaltige
Wirtschaftsentwicklung erfordern die Information und vor allem die Motivation
vieler, damit sie in ihrem jeweiligen Wirkungskreis den Umweltschutz bei allen
Entscheidungen berücksichtigen. Gemeinsam ist allen diesen Ansätzen ihre erst mittel- bis langfristige Wirksamkeit und damit
schwierige Bilanzierbarkeit. Die „Heidelberger Gebäudetypologie” stellt für typische Altbauten die Wärmedämmaßnahmen und die möglichen Einsparungen dar:
Im Mittel ist eine Verringerung des Energiebedarfs um 75 % möglich – ausschließlich
durch heute erprobte und marktverfügbare Techniken und Materialien. Um dieses
Potential zu erschließen, wurde eine Bürgerberatungsstelle eingerichtet, die eine
kostenlose Energieberatung anbietet. Wir
haben ein Förderprogramm aufgelegt, mit
dem die Wärmedämmung von Außenwänden, Dächern und Fenstern sowie der Bau
von Niedrigenergiehäusern und Solarkollektoren zur Warmwasserbereitung unterstützt werden.
Damit alle beteiligten Akteure an einem
Strang ziehen und in ihrem jeweiligen Bereich den Energiespar- und Klimaschutzgedanken berücksichtigen, entstand der
55
„Energie-Tisch Heidelberg Bauen und
Sanieren”, an dem Vertreter von Handwerk, Architekten, Industrie, Wohnungsbaugesellschaften
und
-eigentümern,
Mietern, Umweltschutzverbänden, der
Verbraucherzentrale, der Stadt und der
Stadtwerke seit 1995 in regelmäßigen
Sitzungen gemeinsame Konzepte zur Energieeinsparung entwickeln. Resultate der
Arbeit des Energie-Tisches sind die Einführung des Heidelberger Wärmepasses, die
Erarbeitung der „Heidelberger Gebäudetypologie“ und die Gründung der Klimaschutzund
Energieberatungsagentur
Heidelberg
und
Nachbargemeinden
gGmbH KLIBA in diesem Jahr. Zu den
Hauptaufgaben der KLIBA gehört es, die
Kooperation mit dem Handwerk, den Wohnungsbaugesellschaften und den Architekten zu intensivieren. Demzufolge wurde
die KLIBA im Haus des Handwerks angesiedelt. Aktuelles Projekt ist eine Marktförderungskampagne für Solarkollektoranlagen zur Warmwasserbereitung in Verbindung mit einem Schulungsangebot für
Handwerksbetriebe.
Die Verbreitung neuer Umweltstandards
bedarf neben intensiver Überzeugungsarbeit und Fortbildung vor allem praktischer
Beispiele. In einem Neubaugebiet hat die
städtische Wohnungsbaugesellschaft eine
Niedrigenergiehaus-Wohnanlage mit 68
Wohnungen im sozialen Wohnungsbau er-
Podium auf der BMBau-Fachtagung
„Mehr Klimaschutz im Städtebau durch Qualitätsmanagement“
v.li.n.re.: Dr.-Ing. Harald Kissel, MD Prof. Dr.-Ing. Ehm, Fr. Beate Weber, Dr. Manfred Fuhrich
Schadstoffminderung im Städtebau
56
richtet. Der Heizwärmebedarf dieser
Wohnanlage liegt um über 30 % unter den
Anforderungen der Wärmeschutzverordnung. Berücksichtigt man zusätzlich die
Einsparung durch die Solarkollektoranlage, den Gas-Brennwertkessel und die Lüftungsanlage, so liegen die CO2-Emissionen
bei nur 50 % der Emissionen konventioneller Bauvorhaben. Erfreulicherweise liegen
die Baukosten im normalen Rahmen der
vergleichbaren Wohnungsbauprojekte.
de Anforderungen an den Energiestandard
zu stellen.
Ich appelliere daher an alle Beteiligten, bei
der bevorstehenden Ausarbeitung der Energiespar-Verordnung den Niedrigenergiehaus-Standard konsequent umzusetzen.
Gebäude sind diejenigen Investitionen in
unserer Volkswirtschaft mit der längsten
Nutzungsdauer. Eine weitere wichtige Forderung im Umfeld der geplanten Energiespar-Verordnung ist daher, den Städten
und Gemeinden die Möglichkeit zu geben,
in Bebauungsplänen oder per Satzung über
die Energiespar-Verordnung hinausgehen-
Städte und Gemeinden können mit den
dargestellten Instrumenten sowohl im
Rahmen ihrer traditionellen Aufgaben als
auch mit freiwilligen Maßnahmen zur
Motivation von Akteuren und der Koordinierung von Projekteneffektiven Klimaschutz betreiben. Den erforderlichen
Haushaltsmitteln stehen Gewinne für den
Umweltschutz sowie für die örtliche Wirtschaft gegenüber. Beim kommunalen
Gebäudebestand sind deutliche und rentable Senkungen der Energiekosten möglich.
Eine über 50%ige Steigerung der ÖPNVNutzung und 25 % mehr Radwege in Heidelberg zeigen die Chancen einer lokal und
regional betriebenen Politik des Umstiegs
auf den Umweltverbund. Leider werden
diese positiven Ergebnisse durch den Zuwachs der Zulassungszahlen und der stärkeren Nutzung von Autos im Endeffekt
wieder konterkariert.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
57
Themenblock 4
Qualitätsvereinbarungen in der städtebaulichen Entwicklung
Ergebnisse:
Handlungsanforderungen:
Meßbare Qualitätsvereinbarungen ermöglichen
eine Erfolgskontrolle
– Modellvorhaben bzw. Anschubfinanzierungen für
Öko-Audit in Kommunen (insbesondere mit Klimaschutzbezug) sind zu fördern – erste Zertifizierungen sind zu vermarkten
Klimarelevante Gesichtspunkte sind bei allen kommunalen Entscheidungen (von der Beschaffung bis zur
städtebaulichen Planung) einzubeziehen. Aufbauend
auf einer Umweltanalyse (-prüfung) sind im Rahmen
eines kommunalen Öko-Audits Entwicklungsziele im
Umweltprogramm festzuschreiben, aber vor allem
deren Umsetzung im Umweltmanagementsystem zu
dokumentieren sowie die Effekte in der Umwelterklärung darzustellen und zu validieren.
Nur über vielfältige Aktionen der Öffentlichkeitsarbeit
und vorbildliches Verhalten der Kommunen im Bereich des städtebaulichen Klimaschutzes kann auf der
Grundlage von Erfolgskontrollen und deren Vermarktung der eingeforderte Bewußtseinswandel der Bürger
und Akteure initiiert werden. Insgesamt führt dies zu
einem breiten Konsens und zu mehr Problembewußtsein und damit Engagement für den Klimaschutz.
Meßbare Qualitätsvereinbarungen machen den
Klimaschutz im Städtebau vermittelbar
Der städtebauliche Klimaschutz muß von oben gewollt
und von unten betrieben werden und bedarf auf allen
Ebenen viel persönlichen Engagements. Langfristige
Realisierungszeiten im Städtebau sind politisch
schwer zu vermitteln, eine „große Lösung“ ist jedoch
nicht möglich, deshalb sind zur Motivation Zwischenerfolge herauszuarbeiten. Das Argument der Kosteneinsparung durch Energieeinsparung und damit
Klimaschutz ist am einfachsten zu vermitteln.
– Verpflichtung der Regionen und Kommunen zum
Monitoring – Klimaschutzbericht
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
59
Themenblock 5
Qualitätssicherung im baulichen Wärmeschutz
Referate:
– Von der Wärmeschutzverordnung zur Energiesparverordnung
Prof. Dr.-Ing. Herbert Ehm, Ministerialdirigent, Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen
und Städtebau
– Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes und Erfahrungen mit der Qualitätssicherung
in der Schweiz
Conrad U. Brunner, Architektur-Energie-Umwelt, Zürich
– Qualitätsfallen auf dem Weg zur Niedrigenergiebauweise
Dr. habil. Claus Kahlert, ebök Tübingen
– Chancen und Perspektiven der Baustoffhersteller bei Einführung der Energieeinsparverordnung
Hans Peters, Geschäftsführer der Poroton-GmbH für Bundesverband Steine und Erden, Frankfurt a.M.
– Die neue Energiesparverordnung im Verhältnis zum Nutzerverhalten
Elisabeth Scholdra, Bundesarchitektenkammer, Bonn
– Schadstoffminderung im Altbau – vernachlässigte Zukunftschance?
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Gerd Hauser, Universität Gesamthochschule Kassel
Als Ausblick wurden im fünften Themenblock die
erhöhten Qualifätsanforderungen in der neuen
Energiesparverordnung vorgestellt. Erfahrungen
zur Niedrigenergiebauweise im Stadtteil FreiburgRieselfeld sowie der Qualitätssicherung in der
Schweiz lieferten ergänzende Hinweise zur Thematik des baulichen Wärmeschutzes. Schließlich
wurden die Anforderungen der neuen Enegiesparverordnung aus der Sicht der Baustoffhersteller
und der Bundesarchitektenkammer bewertet. Den
Schlußpunkt der Fachtagung setzte der Vortrag
zum Thema Schadstoffminderung im Altbau – vernachlässigte Zukunftschance?
Energiekennwerte unterschiedlicher
wärmetechnischer Standards
Quelle: Institut Wohnen und Umwelt, Darmstadt
Schadstoffminderung im Städtebau
60
Von der Wärmeschutzverordnung zur Energiesparverordnung
Prof. Dr.-Ing. Herbert Ehm
Bundesministerium für
Raumordnung,
Bauwesen und Städtebau
Deichmanns Aue
53179 Bonn
Die nach dem Energieeinsparungsgesetz
vom Juli 1976 erlassenen Verordnungen
haben neben Fördermaßnahmen dazu beigetragen, daß im Gebäudebestand bis Mitte der 90er Jahre eine Reduzierung des
spezifischen nutzflächenbezogenen Heizenergiebedarfs von rd. 30 % erreicht werden konnte. Neubauten nach den Anforderungen der 2. Wärmeschutzverordnung
(WSchVO) 1982/84 weisen einen Heizenergiebedarf von im Mittel 150 kWh/m2*a auf.
Die 3. WSchVO, seit Anfang 1995 in Kraft,
führt bei neuen Gebäuden zu einer Senkung des Heizwärmebedarfs um durchschnittlich 30 % im Vergleich zur 2. WSchVO. Ein NEH-Standard ist Gegenstand der
geplanten Energieeinsparverordnung.
Weiterentwicklung der Normung
Eine Fortschreibung der WSchVO muß der
Entwicklung im Bereich der Normung und
insbesondere der europäischen Harmonisierung Rechnung tragen, wie zukünftigen
Prüf- und Berechnungsnormen für die
thermische Bauphysik sowie Normen für
wärmeschutzrelevante Produkte.
Das „wärmetechnische Verhalten von Gebäuden“ für Wohn- und wohnähnliche
Nutzung wird in der europäischen Berechnungsnorm EN 832 beschrieben, an der
sich die geltende Wärmeschutzverordnung
mit ihrem Wärmebilanzverfahren und der
internationalen Grundnorm ISO 0164 orientiert. Eine Verbindung zwischen der europäischen Norm, den national zu ergänzenden Randbedingungen sowie der in
der Verordnung gewählten Heizperiodenbilanzierung stellt die deutsche Vornorm
DIN V 4108-T 6 her.
von einer Reihe von Vereinfachungen aus,
die beim derzeitigen Anforderungsniveau
keinen nennenswerten Einfluß auf die Vergleichbarkeit des Nachweisergebnisses mit
Praxisergebnissen haben.
Bei verschärftem Anforderungsniveau ist
eine Diversifizierung vor allem hinsichtlich
der unterschiedlichen Nutzungsarten der
Gebäude erforderlich: Der beim Nachweis
ermittelte Bedarfswert eignet sich dann
besser als Prognosewert für den Energieverbrauch.
Zusammenfassung der Wärmeschutzund der Heizungsanlagenverordnung
zu einer „Energieeinsparverordnung“
Bei weiterer Absenkung des Wärmebedarfs
gewinnt das Zusammenspiel zwischen
dem Gebäude und der Heiztechnik weiter
an Bedeutung. Je kleiner der Unterschied
zwischen Wärmeverlusten und Fremdwärme wird, desto anspruchsvoller werden die
Anforderungen an die Regelung der Heizungsanlage. Je kleiner der „Umsatz“ einer
Heizungsanlage ist, desto stärker fallen Bereitschaftsverluste des Systems ins Gewicht.
Vor diesem Hintergrund ist beabsichtigt,
die WSchVO zu einer „Energieeinsparverordnung“ fortzuentwickeln, in die z.B. Regelungsinhalte der Heizungsanlagen-Verordnung in geeigneter Weise einbezogen
werden sollen.
Geltende Wärmeschutzverordnung und
Fortschreibung der bauphysikalischen
Randbedingungen
Damit kann auch den bekannten Kritikpunkten an der geltenden Heizungsanlagen-Verordnung begegnet werden, da
nunmehr ein Anreiz zu einem ganzheitlichen, energetisch günstigen Gesamtkonzept für ein Gebäude gegeben wird. Daneben wird die Heizungsanlagenverordnung
hinsichtlich der Dämmregeln flexibler gestaltet, um den Erfordernissen der Wärmeversorgung von Gebäuden mit niedrigem
Heizwärmebedarf Rechnung zu tragen.
Die 3. WSchVO orientiert sich beim Nachweisverfahren an einer Wärmebilanz: Anforderungsgröße
ist
ein
normierter
Heizwärmebedarf, definiert als „diejenige
Wärme, die ein Heizsystem unter den Maßgaben des in Anlage 1 angegebenen Berechnungsverfahrens jährlich für die Gesamtheit der beheizten Räume dieses
Gebäudes bereitzustellen hat“. Sie geht
Für die Einbeziehung der Regelungsziele
der Heizungsanlagen-Verordnung ist eine
Grundlage in Form einer Regel der Technik
erforderlich. Seit 1996 wird an einer Norm
zur Beschreibung und Berechnung der Effizienz von Heizungssystemen unter dem
Arbeitstitel „Energetische Bewertung von
heiz- und raumlufttechnischen Anlagen“
gearbeitet.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
61
Konzeption für eine künftige
Energiesparverordnung
Im Einklang mit der europäischen Norm
soll die Hauptanforderungsgröße der künftigen Energieeinsparverordnung, der Heizenergiebedarf „Q“, sich auf Endenergie
beziehen. Der ausgewiesene Energiebedarfs-Kennwert korrespondiert mit der
Summe der an den Energiezählern des Gebäudes ablesbaren und zu bezahlenden
Verbräuche für Heizung und ggf. Wärmewasserbereitung. Für Neubauten soll nach
der künftigen Verordnung eine neue Anforderung für eine Energieeinsparung von rd.
30 % festgelegt werden. Ein Bezug allein
auf die Endenergie greift allerdings zu kurz.
Während bei der klassischen Zentralheizung alle Verluste für Erzeugung und Verteilung innerhalb des Gebäudes anfallen,
finden sich bei einer Fernwärmeversorgung und der Elektroheizung die Äquivalente hierfür außerhalb des Gebäudes.
Die Substituierbarkeit bautechnischer gegen anlagentechnische Energiesparmaßnahmen ist gezielt zu begrenzen, so daß
auf baulicher Seite der gegenwärtige Standard nicht in Frage gestellt wird. Mit einer
Energieträger- und heizsystemabhängigen
„Plafondierung“ des Heizwärmebedarfs QH
kann das Anforderungsniveau der Verordnung am „Referenzfall“ mit einer zeitgemäßen Anlagentechnik, für die Mindestanforderungen in der Verordnung enthalten
sind, kalibriert werden. Beim Referenzfall
teilen sich – ohne Einbeziehung der Warmwasserbereitung – die Verluste zwischen
Gebäude und Anlagentechnik etwa im Verhältnis 8 : 2 auf: Der Gesamtnutzungsgrad
des Heizsystems beträgt also 80 %. Eine
Verbesserung der Heizungssysteme mit
heutigen Techniken kann den Gesamtnutzungsgrad bis auf rd. 95 % erhöhen.
Die Plafondierung ermöglicht dann mittels
einer Nebenanforderung abhängig vom System bzw. dem eingesetzten Energieträger
eine Berücksichtigung des Aspektes der
Wirtschaftlichkeit. So erhält ein Gebäude
mit einem Energieversorgungssystem, das
einen hohen Anteil an erneuerbaren Energien nutzt, einen Vorteil durch Verschiebung der Grenze in Richtung höherer
zulässiger Heizwärmebedarfswerte. Es
handelt sich um eine primärenergetische
„Bewertung“. Eine 100%ige primärenergetische Bewertung hätte zur Folge, daß bei
primärenergetisch sehr günstigen Systemen auf einen energiesparenden Wärmeschutz verzichtet werden könnte und bei
primärenergetisch ungünstigen Systemen
wegen zusätzlicher Einsparungen die baulichen Maßnahmen so stark belastet würden, daß sie technisch-wirtschaftlich nicht
mehr ausgeführt werden könnten. Ein hohes Wärmeschutzniveau muß vorhanden
sein, um einen möglichst effektiven Einsatz
erneuerbarer Energien zu ermöglichen.
Eine Umsetzung der Anforderungen allein
auf primärenergetischer Basis ist nicht
möglich.
Maßnahmen im Gebäudebestand
Bereits in der 2. WSchVO wurden Anforderungen
an
bestehende
Gebäude
aufgenommen und in der Wärmeschutzverordnung 1994/95 fortgeschrieben. Bei-
Bilanzformel nach EN 832
Q
+
QR =
QH
+
QW
Heizenergiebedarf
Hauptanforderungsgröße
der Energiesparverordnung
+
QT
Verluste der Anlagentechnik
Wärmegewinn aus Umwelt
Beitrag erneuerbarer Energien
Wärmebedarf für Warmwasserbereitung
(optional, nur Wohngebäude)
Heizwärmebedarf = Transmission + Lüftung – (interne+solare) Gewinne
analog 3. WSchVO – Nebenanforderungen der Energiesparverordnung
Schadstoffminderung im Städtebau
62
spielsweise muß ein Eigentümer oder
Nutzer bei bestimmten Erneuerungen an
Außenbauteilen oder Anlagenkomponenten energiesparende Anforderungen beachten. Die Anforderungen wurden mit der
Neufassung der Verordnung 1995 um heiztechnische Maßnahmen erweitert und
verschärft. Sie haben für die Umsetzung
der CO2-Reduktionsziele entscheidende
Bedeutung, da vor der Einführung der energiesparenden Anforderungen (1977) errichtete Gebäude etwa 90 % der gebäudebezogenen CO2-Emissionen verursachen.
Im heizungstechnischen Bereich weisen
bestimmte Maßnahmen eine besonders
hohe Wirtschaftlichkeit auf, hier können
Nachrüstungsverpflichtungen wie z.B. für
vor 1978 errichtete Anlagen begründet
werden. Für bauliche Maßnahmen wiederum kommen Nachrüstungsverpflichtungen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit in
der Regel nicht in Betracht. Andererseits
muß der Vollzug der für bestehende Gebäude geltenden Vorschriften der Wärmeschutzverordnung und der Heizungsanlagen-Verordnung verbessert werden.
Zusammenfassung
Das beabsichtigte neue Anforderungsniveau kann technisch und wirtschaftlich
ohne Probleme umgesetzt werden. Das
Nachweisverfahren stützt sich auf die DIN
EN 832 ab, alternativ ist auch eine Heizperiodenbilanzierung vorgesehen. Als
Hauptanforderung ist die Begrenzung des
rechnerischen Endenergiebedarf vorgesehen, als Nebenanforderung eine Plafondierung des Jahresheizwärmebedarfs. Der
Ansatz wird zu einer integrierten Gebäudeplanung beitragen, so daß künftig bereits
in der Vorplanung wichtige Elemente der
Heizungs- und Anlagentechnik festgelegt
werden müssen.
Anforderungen des baulichen Wärmeschutzes und Erfahrungen
mit der Qualitätssicherung in der Schweiz
Conrad U. Brunner
Energieplaner und
Architekt
CUB Architektur & Energie &
Umwelt
CH-8001 Zürich
Einführung
Die Verminderung des spezifischen Energieverbrauches für Wärme und Elektrizität
(und damit die Schadstoff- und Klimabelastung) hat in den letzten 20 Jahren bei
Wohn- und Verwaltungsbauten in der
Schweiz eine sprunghafte Entwicklung
durchgemacht.
Wissenschaftliche Basis
Einige der früheren Mißverständnisse,
Ängste und Ammenmärchen gegen das
Niedrigenergiehaus sind geklärt und inzwischen von der wissenschaftlichen Gemeinde anerkannt: Atmende Außenwände,
Massenwirkung von Außen- und Innenelementen, hohe Wärmedämmung versus
Sonnenbestrahlung,
Wasserdampfhaushalt und Schimmelpilz bei dichteren Fensterfugen, Radonbelastung bei geringerem
Luftwechsel etc.
Neue Materialien, Konstruktionen
und Apparate
Durch Verbesserungen der Gebäudehüllen
sind die spezifischen Wärmeverluste von
Gebäuden von 100 W/m² auf 20 bis 30 W/
m² bei tiefsten Außentemperaturen gesunken. Dadurch sind die Beiträge der „Freien
Wärme“ (Sonneneinstrahlung, elektrische
und Personenwärme) für den Heizenergie-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
bedarf größer und ihre regeltechnische
Beherrschung wichtiger geworden.
Weitere stilbildende Innovationen betreffen den Brenner für Öl oder Gas mit kleiner
und regulierbarer Wärmeleistung und sehr
hoher durch die Ausnutzung des
Brennwertes bei niedertemperaturigen
Verteilsystemen. Innovative Quellüftungssysteme mit besserer Luftspülung bei geringerem Außenluftanteil und Wärmeverlust sind im Markt erhältlich. Außerdem
sind im Bereich der Lampen und Leuchten
Sprünge im Dreieck Lichtfarbe, Lichtausbeute und Designanforderungen geschehen. In Nebenbereichen, wie bei
Umwälzpumpen oder raumorientierten
Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungssystemen, sind graduelle Verbesserungen erfolgt.
Normen und Standards
In der Schweiz sind in den drei maßgeblichen Sektoren des Energieverbrauchs
in Gebäuden (Wärmebedarf und -erzeugung, elektrische Energie, Lüftungs- und
Klimaanlagen) normative Grundlagen eingeführt. Im Bereich der seriellen Elektroapparate sind Anstrengungen zur Intensivierung des Labels „Energie 2000” im
Gange. Wichtig sind dabei Einführungsund Schulungskurse sowie unterstützende
Hilfsmittel für die Praktiker (EDV-Berechnungsprogramme, Fallbeispiele etc.), um
die Akzeptanz zu verbessern und die Einführung zu beschleunigen.
63
Alternativen werden entweder freiwillige
Vereinbarungen oder ökonomische Anreize oder Zertifikate gewünscht. Immerhin
werden 1999 die beiden hängigen Volksinitiativen (Energie- und Umweltinitiative
sowie Solar-Initiative) zur Abstimmung gelangen und möglicherweise zum erstenmal
monetäre Maßnahmen ins Spiel bringen.
Hindernisse und Anreize
Die übrigen Hindernisse (Unkenntnis der
Planer, Bauherren und Unternehmer, administrative Barrieren, geringe Verfügbarkeit und mangelnde Zuverlässigkeit neuer
Technologien) sind in vielen Themenbereichen ausgeräumt. Einen wichtigen Beitrag haben dazu die staatlich geförderten
Impuls-Programme zur Weiterbildung im
Bereich Wärmetechnik, Elektrotechnik, Solartechnik und bauliche Erneuerung sowie
zeitlich begrenzte Investitionsprogramme
geliefert.
In der gegenwärtigen konjunkturellen
Situation und der hohen Anzahl der Beschäftigungslosen hat sich allmählich auch
die Erkenntnis durchgesetzt, daß Investitionen und Ausbildungsprogramme im Bereich der Energieeffizienz eine nachhaltige
Veränderung und Belebung der Beschäftigung darstellen. Bisher sind immerhin ca.
10 000 neue Arbeitsplätze direkt durch
„Energie 2000”-Effekte2 ausgewiesen worden.
Stand der Umsetzung am Bau
Gesetzliche Vorschriften
In der Arbeitsteilung Bund/Kantone wacht
der Bund sorgfältig über den Nachvollzug
der Bundesvorschriften auf kantonaler
Ebene. Dazu wird regelmäßig eine synoptische Auswertung der kantonalen Vollzugsvorschriften im Rahmen des „Energiepolitischen Programmes”1 veröffentlicht und
werden säumige Kantone öffentlich gemahnt. Wichtig ist dabei, daß es bei weitem
nicht nur um die klassische Wärmedämmung, sondern um die integralen Energieeffizienz bei Gebäuden – alten und neuen –
geht.
Verschiedentlich ist Ermüdung und Überdruß auf politischer Ebene über die Vielzahl unterschiedlicher baupolizeilicher
Energievorschriften geäußert worden. Als
Die Ende der 70er Jahre mit den Impulsprogrammen „Wärmetechnische Gebäudesanierung” und „Haustechnik” eingesetzte Arbeit zur Verbesserung des
Wissentransfers von Forschern zu Praktikern sowie die berufsbegleitende Ausbildungsgänge für „Energiefachleute” haben
sich bewährt. Ein Fachverband der Energieberater wacht über die Sachkenntnisse
seiner Mitglieder. Ein Programm „Energiestadt” zur Unterstützung der Gemeinden
im Rahmen ihrer Kompetenzen, energetisch und ökologisch richtig zu handeln, ist
bereits in 60 Städten etabliert.
Damit soll allerdings nicht der Eindruck erweckt werden, daß überall alles perfekt
läuft: Nur systematische Stichproben der
Ausführung auf der Baustelle durch die
vollziehenden Bauorgane kann mittelfri-
(1)
Bundesamt für Energie: Stand
der Energiepolitik in den Kantonen, Bern 1997
(2)
Infras: Beschäftigungswirkung
der Ressortaktivitäten von Energie 2000 und der erneuerbaren Energien in der Schweiz,
Bern 1997
Schadstoffminderung im Städtebau
64
Entwicklung der durchschnittlichen Energiekennzahlen für Wärme
von ölbeheizten Wohngebäuden im Kanton Zürich
Energiekennzahl
in MJ/m2a
Gebäudebaujahr
1980-82
800
1983-84
700
1985-86
600
1987-88
500
1989-92
400
300
200
100
50
1975-79
40
1970-74
1960-69
30
1947-59
vor 1920
20
1920-46
10
0
60
Energiebezugsfläche Mio. m2
Gebäudebaujahr
Quelle: R. Kriesi, AWEL Kanton Zürich
stig grobe Fehler eliminieren und das allgemeine Qualitätsniveau anheben.
Quantitative Wirkung
(3)
T. Püntener et al.: Auswertung
Baugesuche 1990 – 1997,
Zürich 1998 (unveröffentlicht)
(4)
R. Kriesi. Die Entwicklung des
spezifischen
Energieverbrauchs bei Gebäuden im Kanton Zürich, Zürich 1998 (unveröffentlicht)
(5)
K. Eckerle, Prognos. Der Energieverbrauch 1990 – 1996,
Basel 1997
Aufgrund verschiedener Langzeituntersuchungen ist es möglich, die Wirkung der
Energiesparvorschriften und -programme
zu belegen. Eine wichtige Datenbank wird
von der Energieberatungsgruppe der Stadt
Zürich (0,4 Mio. Einwohner/innen) über
den baupolizeilichen Vollzug bei Neu- und
Umbauprojekten3 geführt. Daraus ist abzuleiten, daß der geforderte (und 1997 neuerlich abgesenkte) Grenzwert des Heizenergiebedarfs eingehalten wird (werden muß)
und daß insgesamt etwa die Hälfte sogar
freiwillig 10 bis 30 % unterhalb des Grenzwertes liegen. Der so erzielte Mittelwert hat
sich in der von 1992 bis 1998 beobachteten
Periode leicht von 94 auf 86 % verbessert.
Eine seit mehreren Jahren existierende und
laufend verbesserte Datenbank ist im Kanton Zürich (1,1 Mio. Einwohner/innen)
auswertbar. Dabei werden Gebäudedaten
und Energieverbrauchswerte nach einheitlicher Bottom-up-Methode erfaßt, zugeordnet und ausgewertet.4 Daraus lassen
sich für ölbeheizte Wohnbauten Verminderungen des spezifischen Energieverbrauchs von einem Höchstpunkt um 770
MJ/m²*a auf heute 470 MJ/m²*a (ca. 60 %)
für die Gebäudegruppe 1989-1992 ableiten.
Seit 1990 werden auf Stufe Schweiz von
Prognos im Auftrag des Bundesamtes für
Energie im Rahmen der Energieperspektiven mit den sogenannten „Ex-Post-Analysen” im Top-Down-Verfahren die Parameter des spezifischen Energieverbrauchs
aller Sektoren ermittelt und quantifiziert.5
Für den Gebäudesektor sind dadurch inzwischen gut abgestützte Reihen von 1990
bis 1997 für die Entwicklung des Gebäudebestandes und deren -fläche, deren Ausrüstung, Energiesystem und -träger sowie
deren spezifischen Energieverbrauch vorhanden. Korrekturen für die Preisentwicklung, das Klima etc. lassen gute Aussagen
über die Beiträge der baulichen und technischen Effizienzmassnahmen sowie der
erneuerbaren Energie zu. Zwischen 1990
und 1996 wird dabei im Haushaltssektor
ein spezifischer Minderverbrauch aus
dem Raumwärmebereich von 8,3 %, dem
Warmwasserbereich von 1,5 % und von
Kochen und elektrischen Geräten von
0,5 %, insgesamt 10,3 % ausgewiesen.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
65
Qualitätsfallen auf dem Weg zur Niedrigenergiebauweise
Einleitung
Die konsequente Einführung der Niedrigenergiebauweise im Neubau und (mit
gewissen Abstrichen) im Bestand ist der
entscheidende Schritt im Rahmen der Bemühungen um einen verbesserten Klimaschutz im Städtebau. Die erfreuliche Botschaft aus erfolgreichen Projekten lautet:
Das Ziel läßt sich ohne exotische Materialien oder Konstruktionen erreichen.
Darüber hinaus sind eine erhöhte Bauschadensfreiheit, ein verbessertes Raumklima und bessere Luftqualität Aspekte,
welche sich als Synergismen der Heizenergieersparnis auch in anderen Bereichen,
wie etwa der Gesundheitsvorsorge, positiv
auswirken.
Erfolgreiche Niedrigenergiehäuser dürfen
jedoch keine Zufallsprodukte sein; sie
müssen im Rahmen der heute üblichen
Planungs- und Baupraxis zu üblichen
Kosten (sprich: vertretbaren Mehrkosten)
erstellt werden. Einen Teil dieser Mehrkosten erfordert die der erhöhten Qualität
des Produkts angepaßten Aufwendungen
bei Planung und Ausführung. Das Knowhow über die hierfür notwendigen Maßnahmen ist heute noch nicht Gemeingut.
Hier liegt die Aufgabe einer Qualitätssicherung, die fachlich auf Defizite hinweist
bzw. überzogene und teure Lösungen vermeidet.
werden. Darüber hinaus sollten auch bereits in der Konzeptphase Zielwerte für die
Luftdichtheit der Gebäudehülle und die
Effizienz der haustechnischen Anlagen
festgelegt werden. Bleibt es bei dem
„Pflichtnachweis“ eines Fachplaners, so
kann das gebaute Objekt den Zielwert erreichen – oder auch nicht. Häufig wird das
Ziel nach dem Nachweis vergessen oder ist
zumindest nicht mehr planungsrelevant.
Das notwendige Übel des Nachweises,
etwa nach dem Freiburger Verfahren, läßt
sich zum Vorteil wenden, indem das Rechenverfahren als Planungswerkzeug genutzt wird. Immer dann, wenn die Planung
eine neue Abstraktionsstufe erreicht,
erfolgt eine Rückkopplung. Für die Raumwärme bedeutet dies, daß in der Entwurfsphase mit bauphysikalischen Rechenwerten operiert wird und diese in der
Werkplanung mit adäquaten Konstruktionen hinterlegt werden. Nach Erarbeitung
der Anschlußdetails läßt sich der Einfluß
von Wärmebrücken aufzeigen und einarbeiten - die verwendeten Wärmebrückenverlustkoeffizienten sind dabei häufig ein
Nebenprodukt von Untersuchungen zur
Tauwasserfreiheit. Schließlich müssen die
verwendeten Materialien und Ausführungsqualitäten die Planung umsetzen.
Jede Änderung muß aber, unter Berücksichtigung aller erkennbarer Folgen, wohlbegründet sein, und der Entscheidungsprozeß sollte sorgfältig dokumentiert sein.
Qualitätsfallen
Qualitätvolle Lösungen sind nicht immer
die technisch besten, sondern die der Problemstellung am besten angepaßten. In
einem langen Planungs- und Bauprozeß
tun sich zahlreiche Möglichkeiten auf, sich
so weit vom Optimum zu entfernen, daß
die Erfüllung der Mission gefährdet wird.
Die Stellen, an denen diese Gefahr besonders groß ist oder weitreichende Folgen zu
erwarten sind, sind Qualitätsfallen.
Die Kontinuitätsfalle
Am Anfang jeden Projektes sollte eine Vision stehen, aus der sich konkrete Ziele für
das Vorhaben formulieren lassen. Für die
Energie ist das Ziel die Reduzierung des
Heizenergiebedarfs. Diese Vorgabe muß
planerisch realisiert und nachgewiesen
Die Kommunikationsfalle
Der heute noch vielfach übliche sequentielle, architektenzentrierte Planungsablauf
verhindert, daß die einzelnen Fachplaner
ihren Beitrag und ihre Verantwortung für
das Gelingen des Gesamtunternehmens
korrekt einschätzen. Im Rahmen eines integralen Planungsansatzes bilden alle Beteiligten für die gesamte Projektlaufzeit ein
Planungsteam. Dabei werden in jeder Phase die Belange aller relevanten Gewerke berücksichtigt. Beispielsweise kann bei entsprechender Qualität der Gebäudehülle
und dem Einsatz einer hochwertigen Lüftung auf Heizkörper an den Außenwänden
verzichtet werden, was die Wirtschaftlichkeit von Grundrissen erheblich beeinflußt.
Dieser Ansatz erfordert einen erhöhten
Dr. habil Claus Kahlert
ebök - Ingenieurbüro
für Energieberatung,
Haustechnik und ökologische
Konzepte
Reutlinger Straße 16
72072 Tübingen
Schadstoffminderung im Städtebau
66
Gegenüberstellung der Projektphasen im Rahmen
eines „seriellen“ und eines „integrierten Planungsablaufes“
Planungsphase
Konzeptphase
Integrierter
Planungsablauf
Serieller Planungsablauf
Architekt
Bauherr
Bauherr
Architekt
Statik
Bauphysik
Architekt und
Fachingenieure
TEAM
Vorentwurfsphase
Entwurfsplanung
TEAM
Heizung
Lüftung
Ausführungsplanung
Architekt
Bauphysik
Licht
Akustik
Elektro
Bauleitung
Fachkoordination
Bauleitung und
Fachkoordination
Zeitaufwand, welcher in der Regel jedoch
durch günstigere Baukosten und eine bessere Qualitäten des Endprodukts mehr als
kompensiert wird. Als weiterer Aspekt sollte nicht übersehen werden, daß die personelle Kontinuität des Planungsprozesses
gestärkt wird.
Die System-/ Detailfalle
Kleine Ursachen besitzen oft große Folgen.
Ein unzureichend gedämmter Sturz ruiniert nicht die Energiebilanz eines Hauses,
kann aber zu Tauwasserausfall und Schimmelbildung führen.
Gebäude sind komplexe Gebilde, deren
Nutzungsqualität sich im (geplanten) Zusammenwirken verschiedener Komponenten manifestiert, für eine erfolgreiche Planung und Ausführung ist das Denken in
solchen Systemen erforderlich. Wenn, wie
in dem oben erwähnten Beispiel, die
Schwäche einer Komponente durch eine
andere Komponente ausgeglichen werden
kann und dieses Zusammenspiel in seiner
Struktur erkannt ist, läßt sich anhand der
relevanten Kategorien, etwa Geld, Raumklima, Lufthygiene etc., abwägen, wo sich
die vorhandenen Ressourcen am effektivsten plazieren lassen.
Für Niedrigenergiehäuser bedeutet dies,
daß ein verbesserter Wärmeschutz in der
Fläche auch Wärmebrückenlösungen von
ähnlicher Qualität erfordert. Ebenso sind
erhöhte Anforderungen an die Luftdichtheit der Gebäudehülle zu stellen, einerseits
dann, wenn Lüftungsanlagen zur Erfüllung
ihrer Aufgabe solches erfordern, andererseits, weil die kleinere installierte Heizleistung Zugerscheinungen nicht mehr so
„effektiv“ kompensieren kann.
Die Produktfalle
Heute wird am Markt eine fast unüberschaubare Palette „energiesparender Produkte“ angeboten, die Summe dieser Komponenten liefert jedoch keine optimale
Energieeinsparung, lediglich maximierte
Kosten.
Die einzelnen Bauteile in dem System
„Haus“ müssen abgestimmt zusammenwirken, um ihre Stärken entfalten zu können und damit auch kosteneffizient zu
sein. Eine Wärmedämmung auf einem
dämmenden Stein ist ebenso fehlangepaßt
wie eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die einem schlechten Dämmstandard über die Hürde der Wärmeschutzverordnung verhelfen soll.
Im Zusammenhang mit der Produktauswahl tritt in den letzten Jahren als weiterer
Aspekt die Frage der Ökobilanz zunehmend in den Vordergrund, wobei neuere
Untersuchungen zeigen, daß die Nutzung
eines Gebäudes den bei weitem dominierenden Faktor darstellt. Das zeigt auf, wie
groß das Einsparpotential bei der Nutzung
noch ist, bevor der Energieeinsatz für eine
Sparmaßnahme so groß wird wie die Einsparung, die er bewirkt. In den nächsten
Jahren dürfte die heute noch weit verbreitete Unsicherheit zu diesem Thema einer
routinemäßigen Bilanzierung der Ökoindikatoren weichen.
Die Inspektionsfalle
Niedrigenergiebauweise stellt nicht nur erhöhte Anforderungen an die Planung, sie
verlangt auch bei der Ausführung mehr
Sorgfalt und Präzision – zusammen mit
einer qualifizierten Überwachung, wobei
jedoch der Baufortschritt hierdurch nicht
gebremst werden darf.
Da sich ein Niedrigenergiehaus mit bekannten Produkten und Techniken erstellen läßt, besteht die Haupttätigkeit der
Qualitätssicherung in „vertrauensbildenden Maßnahmen“. Die Überwachung kann
dann, wenn auch intensiviert, im üblichen
Rahmen erfolgen.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
Die andere zentrale Aufgabe bildet eine
Prüfung „zur richtigen Zeit am richtigen
Bauteil“. Eine erste Prüfung der Luftdichtheit wird dann anberaumt, wenn die luftdichtende Schicht installiert, aber noch
zugänglich ist. Bei Gegenwart der Handwerker können diese einerseits unmittelbar nachbessern, falls dies notwendig ist,
andererseits erleben sie die Funktionsfähigkeit ihres Produkts - was in aller Regel
Motivation und Sorgfalt steigert.
67
Resümee
Eine Qualitätssicherung ist in erster Linie
eine prozeßorientierte Unterstützung des
Planungsteams, die von außen, aber auch
aus dem Team kommen kann. Das Ziel, ein
qualitativ hochwertiges Produkt zu liefern,
wird dadurch erreicht, daß einerseits an
strategisch wichtigen Stellen dezidierte
Impulse gesetzt werden und andererseits
in kontinuierlicher Kleinarbeit ein Abgleiten in den „alten Trott“ verhindert wird.
Chancen und Perspektiven der Baustoffhersteller
bei Einführung der Energiesparverordnung
Klimaschutz und Schadstoffkonzentrationen in städtischen Strukturen werden
durch die Faktoren Verkehr, Industrie,
Kleinverbraucher (Handel, Handwerk, Verwaltung etc.) und Haushalte geprägt.
Daneben ist die Verwendung von unterschiedlichen Energieträgern ein entscheidender Faktor zur Beeinflussung der
Emissionsfaktoren. So würde allein die
Umstellung auf den schadstoffarmen Energieträger Erdgas in den Haushalten die
CO2-Emissionen für die Wärmeerzeugung
um ca. 30 % reduzieren.
Das hier erkannte erhebliche Energie- und
damit CO2-Minderungspotential im Wohnungsbestand sowie bei Neubauten führte
schließlich 1994 zur dritten Novellierung
der Wärmeschutzverordnung sowie zu
dem Beschluß, bis zur Jahrtausendwende
eine weitere Verschärfung des Anforderungsniveaus vorzunehmen. Verbindliche
Vorgaben soll es nach wie vor nur für den
Neubau geben, für den Gebäudebestand
daneben eine Nachrüstpflicht bei der
Sanierung oder dem Ersatz von Bauteilen.
In Deutschland existieren zur Zeit ca.
36 Mio. Wohnungen, deren mittlerer Energieverbrauch ca. 200 kWh/m²*a für Raumwärme beträgt, als energetisch sanierungsbedürftig sind letztendlich ca. 24 Mio.
Wohnungen einzuschätzen. Die Anpas-
sung dieses Bestands an das Niveau der
gültigen Wärmeschutzverordnung würde
eine CO2-Minderung von ca. 50 % bewirken!
Die entscheidenden Reduktionsmöglichkeiten liegen damit im Gebäudebestand.
Unter dem Gesichtspunkt, daß Gebäude
langlebige Wirtschaftsgüter sind, zunehmende Wohnflächen auch zunehmende
Emissionen bedingen, ist eine Anpassung
der wärmeschutztechnischen Anforderungen an den jeweiligen Stand der Bautechnik sinnvoll, auch wenn sie keinen kurzfristigen Beitrag zur CO2-Minderung liefern
kann.
Gebäudebestand
In Deutschland werden zur Zeit ca.
150 Mrd. DM für die Sanierung und Modernisierung des Wohnungsbestandes ausgegeben, nur ein Bruchteil davon mit dem
Ziel einer energetischen Sanierung. Das
wesentliche Argument ist die Unwirtschaftlichkeit dieser Maßnahmen, diese
liegt aber im wesentlichen an den mietund steuerrechtlichen Gegebenheiten.
Dieses grundlegende Problem kann auch
durch eine Energieeinsparverordnung
nicht aufgehoben werden. Auch Aktionen
Hans Peters
Deutsche POROTON GmbH
53639 Königswinter
Schadstoffminderung im Städtebau
68
Anzahl der energetisch sanierten Wohnungen
im Verhältnis zum Gesamtwohnungsbestand
Wohnungen
(Mio.)
Wohnungen
Als Regelungsinstrument stößt allerdings
die Energieeinsparverordnung an der
Schnittstelle zur Aufklärungspflicht sowie
zur Honorierung volkswirtschaftlicher und
ökologischer Vorteile an ihre Grenzen.
Kommunen, Länder und der Bund sind
aufgefordert, ihrer Hinweis- und Förderpflicht nachzukommen.
Neubau
energ. saniert
gem. WSchV ‘84
gem. WSchV ‘95
Quelle: Deutsche POROTON GmbH, Königswinter 1998
von Bundesländern wie die Zulassung höherer Mieten bei besonders hohem baulichen Wärmeschutz waren nicht sinnvoll,
weil i.d.R. die Einsparungen beim Heizenergieverbrauch geringer sind als die zulässigen Mieterhöhungen und die höheren
Renditen die baulichen Mehraufwendungen nicht abdeckten.
Bei einer energetischen Sanierung des
Bestands sind zukünftige Energiepreissteigerungen in Verbindung mit sowieso anfallenden Kosten bei erforderlichen Sanierungsarbeiten sowie volkswirtschaftliche,
ökologische und gesundheitliche Aspekte
zu berücksichtigen. Bereits die beiden erstgenannten Faktoren machen einige Verbesserungsmaßnahmen am Gebäudebestand rentabel. Insbesondere weist auch
der „Dritte Bericht über Schäden an Gebäuden“ des Bundesministeriums für
Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
auf die Notwendigkeit einer qualitativ
hochwertigen Gebäudesanierung hin, die
im Grundsatz mit einer energetischen Verbesserung gekoppelt sein muß. In der Gesamtbreite der Anwendungsfälle (Dach,
Wand, Fenster, Keller) stehen inzwischen
zahlreiche Sanierungskonstruktionen zur
Verfügung. Notwendig ist, auch weitere
Aspekte wie beispielsweise die Bauwerkserhaltung und den Schallschutz zu
berücksichtigen. Mittlerweile stellen alle
Systemanbieter qualitativ hochwertige, abgestimmte Systeme bereit, die zugleich
eine deutliche Verbesserung des Lärmschutzes der Fassaden bewirken.
Über 4 Mio. Menschen wollen in den nächsten Jahren Wohneigentum erwerben,
wobei die entscheidenden Faktoren
kostengünstige Bauweisen sowie die angemessene Ausweisung von geeignetem,
preiswertem Bauland sind.
Preiswertes Bauen bis hin zu 1 600 DM/m²
Wohnfläche konnte durch eine ganze Reihe von Demonstrativvorhaben in massiver
Bauart nachgewiesen werden. Umgesetzt
wurden hierzu im wesentlichen beschleunigte Bauabläufe über optimierte Baustoffe und -verfahren oder auch elementierte
Bauweisen. Die energetische Qualität der
Gebäudehülle hat dabei im wesentlichen
nicht gelitten.
Zum energiesparenden Bauen haben
Modellbauvorhaben unter industriellen
Randbedingungen nachgewiesen, daß
Niedrigenergiehäuser bis hin zu Null-Energiehäusern schon heute in der Praxis umzusetzen sind. Erhöhter Planungsaufwand
sowie der Rückgriff auf Sonderlösungen
werden mit zunehmender Erfahrung und
Nachfrage zur Praxis werden und Standardlösungen weichen. Die umfangreichen Studien zu diesen Projekten zeigen
deutlich die Energieeinsparpotentiale,
aber auch das Preis- / Leistungsverhältnis
der einzelnen Maßnahmen. Wie im Bestand sind Heizsysteme und Energieträger
das größte schadstoffmindernde Potential.
Hieraus ergibt sich zwingend eine übergeordnete, d. h. auf die Gesamtenergie eines
Gebäudes bezogene Betrachtungsweise.
Die Fortschreibung der energiesparrechtlichen Anforderungen an den Stand der
Technik ist daher unbestritten und sinnvoll.
Kompakte Siedlungsstrukturen mit einer
optimierten Erschließung weisen erheblich
geringere Emissionen aus. Neubaugebiete
sollten an die Gasversorgung angeschlossen sein und eine weitgehende Nutzung
von Solarenergie ermöglichen. Dies kann
durch strukturelle Vorgaben und die Ge-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
69
bäudeausrichtung oftmals kostenneutral
umgesetzt werden. Vorgaben zur Verwendung erneuerbarer Energien können in Bebauungspläne aufgenommen und an Fördermittel gekoppelt werden. Kurze Wege
reduzieren verkehrliche Emissionen. Das
beste Niedrigenergiehaus oder gar NullEnergiehaus weit vor den Toren der Stadt
ist kontraproduktiv.
Zusammenfassung
Die wesentlichen Energie- und Schadstoffminderungspotentiale liegen im Gebäude-
bestand. Nur über die Verbesserung der
baulichen- und anlagetechnischen Ausstattung der vorhandenen Gebäude können effizient, zeitnah und dauerhaft Energie und damit klimarelevante Emissionen
eingespart werden. Die Nachführung der
ordnungsrechtlichen Anforderungen an
die Weiterentwicklung der Bau- und
Anlagetechnik im Neubaubereich ist ein
sinnvoller Schritt im Sinne der Ressourcenschonung. Eine wesentliche CO2-Reduktion kann kurzfristig nur über eine
Änderung der steuerrechtlichen Situation
erreicht werden.
Die neue Energiesparverordnung
im Verhältnis zum Nutzerverhalten
Die derzeit gültige 3. Wärmeschutzverordnung (WSchVO) ist seit 1. Januar 1995 in
Kraft und orientiert sich bereits am Niedrigenergiehausstandard. Erstmals wird mit
dieser Verordnung eine differenzierte Beschreibung und Zusammenfassung der
Verlustgrößen (Transmissions- und Lüftungswärmeverluste) unter möglicher Einbeziehung mechanischer Lüftungsanlagen
mit Wärmerückgewinnung realisierbar.
Ebenso sind mögliche solare und interne
Wärmegewinne einzubeziehen, der spezifische Jahres-Heizenergiebedarf ist in
Anlehnung an sogenannte Energiekennzahlen zu ermitteln. Die Erfahrungen mit
der baulichen Umsetzung der 3. WSchVO
haben gezeigt, daß Architekten sehr wohl
in der Lage sind, energetisch bessere Entwurfslösungen zu erarbeiten und auszuführen.
Zur Durchsetzung des postulierten Zieles
ist es aber zwingend notwendig, die geltende WSchVO in diesem Sinne weiter fortzuschreiben, da der Gebäudesektor hinsichtlich der CO2-Emissionen bzw. deren
Reduktion eine entscheidende Rolle einnimmt.
Bis 1997 soll von der Bundesregierung eine
WSchVO-Novelle vorgelegt werden, indem
bei Neubauten der Heizwärmebedarf um
weitere 25 bis 35% reduziert werden soll. Es
besteht weitgehende Einigkeit darüber,
durch die zur Verfügung stehende Technik
und durch die rasante Entwicklung bei
Baumaterialien und Produkten weitere
Verschärfungen auch hinsichtlich des
EnEG wirtschaftlich durchsetzen zu können.
Ein weiterer Grund für die angestrebte Novelle ist, daß für Wohn- und wohnähnliche
Nutzung das wärmetechnische Verhalten
von Gebäuden in der europäischen Berechnungsnorm DIN EN 832 dargestellt
wird. Auf diese Norm hin muß daher eine
deutsche Verordnung abgestimmt werden.
Zur Realisierung weiterer Einsparpotentiale ist das auf größtmögliche Effizienz abgestimmte Zusammenwirken zwischen Gebäude und Heizungsanlage von großer
Bedeutung. Es ist geplant, die WSchVO zu
einer umfassenden Energiesparverordnung weiterzuentwickeln, in der Regelungsinhalte der Heizungsanlagen-Verord-
Elisabeth Scholdra
Bundesarchitektenkammer
Königswinterer Straße 709
53227 Bonn
Schadstoffminderung im Städtebau
70
nung in geeigneter Weise berücksichtigt
werden. So wird dem allgemeinem Wunsch
nach einem Energiekennwert entsprochen,
der mit der Summe der an den Energiezählern des Gebäudes ablesbaren und zu bezahlenden Verbräuchen für Heizung und
Warmwasserbereitung korrespondiert.
Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Randbedingungen der einzelnen
Systeme der Wärmeversorgung können
laut Verordnungsgeber zwei verschiedene
Wege beschritten werden:
– Zum einen werden für die unterschiedlichen Arten der Wärmeversorgung auch
unterschiedliche Anforderungskurven
vorgegeben, deren Höhe sich streng am
Gebot der Wirtschaftlichkeit des Energieeinsparungsgesetzes und an primärenergetischen Bewertungen orientiert.
Aufgrund der unterschiedlich hohen Investitionskosten der Systeme, der unterschiedlichen Preise der einzelnen Energieträger und dessen Bewertung
ergeben sich größere Spielräume für
den baulichen Wärmeschutz.
– Zum anderen kann man die systembedingten Unterschiede der Heizsysteme
mit
derselben
Nebenanforderung
egalisieren, mit der auch die Substituierbarkeit der baulichen und anlagentechnischen Energiesparmaßnahmen
begrenzt wird. Durch Verschieben der
daraus resultierenden Grenze soll abhängig vom verwendeten System bzw.
den eingesetzten Energieträgern der Primärenergieeinfluß und der Aspekt der
Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Primärenergetisch günstige Versorgungsformen sollen einen Vorteil durch
Verschiebung der Grenze in Richtung
höherer zulässiger Werte bezüglich des
erhalQH-Jahres-Heizwärmebedarfes
ten, Systeme mit großen Verlusten sollen niedriger QH-Werte bekommen.
Für Maßnahmen im Gebäudebestand
gelten seit der 2. WSchVO „bedingte Anforderungen”, wonach bei bestimmten
Erneuerungen an Außenbauteilen oder Anlagenkomponenten energiesparende Anforderungen zu beachten sind. Generelle
Nachrüstungspflichten für Maßnahmen im
Bestand kommen lt. Meinung des Verordnungsgebers aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht in Betracht. Dabei haben
Maßnahmen zur wärmetechnischen Verbesserung des Gebäudebestandes eine
entscheidende Bedeutung für die Umset-
zung der CO2-Reduktionsziele. Ca. 90 %
der gebäudebezogenen CO2-Emissionen
werden durch Gebäude, die vor Einführung der energiesparenden Anforderungen
(1977) errichtet worden sind, verursacht,
der Heizenergiebedarf eines wirtschaftlich
optimal gedämmten Gebäudes ist nach einer durchgeführten Sanierungsmaßnahme
dreimal niedriger.
Das Gesamtvolumen des Gebäudebestandes und die Kopplung der energetischen
Verbesserung mit ohnehin fälligen Arbeiten läßt erwarten, daß das Einsparpotential frühestens in 30 bis 50 Jahren erschlossen sein wird, auch wenn ab sofort jede
Gebäudesanierung energetisch optimal
ausgeführt werden würde. Ein solches Programm der wärmetechnischen Sanierung
beträfe in Deutschland 15 Mio. Wohn- und
Gewerbegebäude. Setzt man einen Modernisierungszyklus von durchschnittlich 30
Jahren voraus, sind umfassende Arbeiten
an 500 000 Gebäuden pro Jahr zu prognostizieren. Dies entspricht etwa einem zusätzlichen jährlichen Bauvolumen von ca.
20 Mrd. DM.
Zur Aktivierung des vorhandenen energetischen Einsparpotentials im Gebäudebestand erscheint es sinnvoll, von staatlicher
Seite attraktive finanzielle Anreize zu
schaffen, die über die bisherigen Förderprogramme weit hinausgehen. So könnten
zum einen die CO2-Emissionen nachhaltig
reduziert, zum anderen positive Effekte auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt erzielt werden. Die Architektenschaft ist also aufgefordert, sich aktiv und kompetent mit diesem Komplex auseinanderzusetzen und
dieser Herausforderung positiv entgegenzutreten.
Nach der Darstellung der technischen und
rechtlichen Rahmenbedingungen stellt
sich nun die Frage, welche Rolle der Nutzer
in diesem doch recht komplizierten System
der unterschiedlichsten Abhängigkeiten
spielt. Welche Rolle kann der Architekt als
vermittelnder Moderator zwischen Gesetz
und Nutzer bzw. Bauherr einnehmen?
Der Energiebedarf von Gebäuden hängt
u.a. mit dem Nutzerverhalten hinsichtlich
seiner Lüftungsgewohnheiten zusammen.
Die Luftdichtigkeit der Gebäudehülle war
lange ein Stiefkind der bundesdeutschen
Baudiskussion. Die Einschätzung des Themas „Luftdichtigkeit von Gebäuden“ hat
sich nicht zuletzt aufgrund der fortschrei-
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
tenden Entwicklung im Niedrig-Energiehausbereich und der Zunahme von
konvektionsbedingter
Feuchteschäden
verändert.
Das tatsächliche Verhalten des Nutzers
weicht jedoch mehr oder weniger stark von
den erwähnten idealtypischen Bedingungen ab. Dies ist der Grund für die bei
Gebäuden auftretende Streuung der im
realen Betrieb gemessenen Energieverbrauchswerte gegenüber den theoretischen Rechenwerten. Bei gleicher wärmetechnischer Ausstattung können die
Verbräuche um den Faktor 2 bis 9 differieren. Daraus ergibt sich die Frage: Ist der
Aufwand für die Niedrigenergiebauweise
(Heizwärmebedarf unter 70 kWh/(m²*a))
gesamtwirtschaftlich zu vertreten, wenn
das Verhalten der Nutzer so unterschiedlich zu bewerten ist?
Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die das
Verhalten des Nutzers hinsichtlich seines
Energieverbrauches
beeinflußen.
Ich
möchte an dieser Stelle nur einige exemplarisch nennen, wie z. B.:
– psychologisch-persönliche Faktoren beeinflussen das subjektive Temperaturempfinden;
– finanziell-materielle Faktoren bestimmen die Energiekosten;
– technische Faktoren beeinflussen Regelung und Wartung der Haustechnik;
– gesellschaftliche Wertediskussion beeinflußt Einstellung zum Themenkreis
„Ökologie“.
Anhand dieser Aufzählung wird deutlich,
wie komplex und wechselseitig die Abhängigkeiten sind, die letztendlich das Nutzerverhalten bestimmen.
Lange Zeit wurde mit viel Skepsis und
Zweifel dem Gedanken der „Energieeinsparung“ begegnet, weil das Nutzerverhalten die hohen Investitionen wieder zunichte machen würde. Die in der Zwischenzeit
errichteten und im Heizenergieverbrauch
gemessenen Niedrigenergiehäuser ermöglichen die Überprüfung dieser vorgebrachten Zweifel. Aufgrund von Untersuchungen und präziser Messungen des
Heizenergieverbrauchs bei einer großen
Anzahl von Wohnungen in konventionell
errichteten Gebäuden und in Niedrigenergiehäusern ergibt sich: Die Niedrigenergiebauweise ist ein funktionsfähiges, in sich
71
Elisabeth Scholdra und MD Prof. Dr. Peter Ehm
Quelle:
B.&S.U., Berlin
schlüssiges Konzept, das auch gesamtwirtschaftlich betrachtet die notwendige Reduzierung des Verbrauchs der Energieressourcen gewährleistet. Die berechneten
Heizwärmebedarfswerte
werden
im
Durchschnitt immer erreicht, so daß man
behaupten kann, Niedrigenergiehäuser
schaffen die Voraussetzung zum Energiesparen. Die Verbrauchswerte glichen sich
im Durchschnitt aller Nutzer einer Wohnanlage aber wieder aus, so daß der errechnete niedrige Heizwärmeverbrauch erreicht wird.
Interessanterweise wird durch den Vergleich mit älterer Bausubstanz deutlich,
daß die Technik des Niedrigenergiehauses
den Nutzern erst die Möglichkeit gibt,
Energie einsparen zu können. Wärmedämmung, passive Solarenergienutzung,
Dichtheit der Gebäudehülle und effiziente
Heiztechnik erledigen die Aufgabe des
Energiesparens vom Nutzer unabhängig,
so daß keinerlei Einschränkungen in den
Ansprüchen hinzunehmen sind.
Pointiert kann man feststellen: Auch bei
üblich individuell unterschiedlich ausgeprägtem Nutzerverhalten treten die angestrebten niedrigen Verbrauchswerte ein.
Damit liegen die tatsächlichen Energieverbräuche von Niedrigenergiehäusern noch
weit unter denen von ungedämmten,
konventionell errichteten Wohngebäuden.
Darüber hinaus existieren noch Einsparpotentiale durch ein weitergehendes überlegtes, umweltschonendes und sparsames
Verhalten des Nutzers.
Schadstoffminderung im Städtebau
72
Der Architekt hat die Verpflichtung und
Verantwortung, aufgrund dieser Kenntnisse und des Wissens um dieser Zusammenhänge eindeutig zum Wohle der Gemeinschaft Stellung zu beziehen. Dabei haben
Architekten durch ihre Ausbildung die besondere Fähigkeit, komplexe Anforderungen einer Bauaufgabe umweltgerecht in
Architektur so umzusetzen, daß ein Inter-
essenausgleich aller Beteiligten stattfindet.
Die Ausbildung des Architekten als Generalist ist seine Stärke im Planungs- und
Bauprozeß und beschreibt seine Rolle als
Moderator. Künftig müssen Gebäude mehr
als bisher funktionellen Ansprüchen genügen, längere Lebensdauer haben, weniger
Energie verbrauchen, sorgfältiger gestaltet
sein und sich besser in die Umgebung einfügen.
Schadstoffminderung im Altbau
– Vernachlässigte Zukunftschancen –
Prof. Dr.-Ing. Gerd Hauser
Universität Gesamthochschule
Kassel
Gottschalkstraße 28
34109 Kassel
Ausgangslage
Der Wohnungsbestand umfaßte 1990 in
Deutschland 33,8 Mio. Wohneinheiten
(WE) mit einer Wohnfläche von 2 698 Mio.
m². Die energetische Beschreibung des
Wohngebäudebestandes kann durch insgesamt 46 repräsentative Gebäudetypen
erfolgen, wobei 30 Typen zur Kennzeichnung des Bestandes der alten Bundesländer und 16 für die neuen Bundesländer
notwendig sind. Im flächengewichteten
Durchschnitt ergibt sich für ein Normaljahr (langjährige Mittelwerte der meteorologischen Daten) für die alten Bundesländer ein Jahres-Heizwärmebedart von
162 kWh/m²*a und für die neuen Bundesländer von 204 kWh/m²*a.
Einsparpotentiale
(1)
Born, R.; u.a.: Empirische
Überprüfung der Möglichkeiten
und Kosten, im Gebäudebestand und bei Neubauten Energie einzusparen und die Energieeffizienz zu steigern (ABL
und NBL). Institut Wohnen und
Umwelt, Darmstadt 1995.
(2)
Kolmetz, S. und Rouvel, L.:
Nutzenergiebedarf für Raumwärme in der Bundesrepublik
Deutschland. Lehrstuhl für Energiewirtschaft und Kraftwerkstechnik, Universität München
Oktober 1993
Die Wärmeschutzverordnung ’95 verlangt
in bestimmten Fällen bei erstmaligem Einbau, Ersatz oder Erneuerung von Außenbauteilen bestehender Gebäude die
Einhaltung vorgegebener Wärmedurchgangskoeffizienten. Bei Einhaltung aller
dieser Werte würde allmählich der Gebäudebestand auf das Wärmeschutzniveau der
Verordnung ’95 gebracht werden. Hierdurch lassen sich für die einzelnen repräsentativen Gebäudetypen Einsparungen
am Jahres-Heizwärmebedart erzielen.1 Die
dabei angesetzten A/V-Werte sind entnommen.2
Multipliziert man diese spezifischen Bedarfe mit der dazugehörigen Wohnfläche
und berücksichtigt einen Nutzungsgrad
des Heizsystems von 0,8, ergibt sich für den
gesamten Wohngebäudebestand eine jährliche Energieeinsparung von 309 Mrd.
kWh. Dies entspricht einer Minderung von
63 %. Bei unveränderter Struktur der Heizenergieträger und Heizsysteme würde
hieraus eine CO2-Emissionsminderung von
74 Mio. t resultieren.
Könnte demgegenüber sogar das für 1999
anvisierte Wärmeschutzniveau mit einer
30 %igen Absenkung des Jahres-Heizwärmebedarfs gegenüber der WSchVO ’95 im
Wohngebäudebestand erreicht werden, so
betrüge die jährliche Energieeinsparung
des gesamten Wohngebäudebestandes 385
Mrd. kWh, entsprechend einer Minderung
von 78 %, und die CO2-Minderung beliefe
sich auf 92 Mio. t. Werden demgegenüber
nur wirtschaftliche Maßnahmen durchgeführt, ergeben sich bei einem Energiepreis
von 0,06 DM/kWh folgende flächengewichtete Heizwärmebedarfe
– alte Bundesländer
101 kWh/m²*a = -38 % Absenkung
– neue Bundesländer
95 kWh/m²*a = -53 % Absenkung
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
73
Ein typisches „freistehendes Ein- und Zweifamilienhaus, Baujahr 1969 bis 1978“
Quelle:
Born, R. u.a.: Empirische Überprüfung der Möglichkeiten und Kosten, im Gebäudebestand und bei Neubauten
Energie einzusparen und die Energieeffizienz zu steigern (ABL und NBL). Darmstadt 1995
Bautechnische
Realisierungsmöglichkeiten
Die Möglichkeiten zur Realisierung des gesamten Wärmeschutzniveaus sollen an
Hand des Gebäudetyps „freistehendes Einund Zweifamilienhaus 1969 bis 1978“ aufgezeigt werden.
Das A/V-Verhältnis dieses Gebäudetyps
beträgt 1,07 m-1, das Bruttovolumen
514 m³, die Wohnfläche 158 m² und der kmWert 0,59 W/(m²*K) (2).
Nach dem Rechenansatz der WSchVO ’95
ergibt sich ein Transmissionswärmebedarf
von 128 kWh/(m²*a). Um das Heizwärmebedarfsniveau der WSchVO ’95 zu erreichen, muß der Transmissionswärmebedarf
auf 80,6 kWh/(m²*a) abgesenkt werden.
Dies ist bereits allein durch neue wärmeschutzverglaste Fenster und durch eine
5,5 cm dicke Wärmedämmung der Außenwände in Form eines Wärmedämmverbundsystems oder einer vorgehängten,
hinterlüfteten Fassade erreichbar. Dabei
sei jedoch darauf hingewiesen, daß eine
derart dünne Dämmstoffschicht nicht
sinnvoll ist – vielmehr sollte gleich eine
Dicke von 12 bis 15 cm realisiert werden.
Um das voraussichtliche Heizwärmebedarfsniveau der Energieeinsparverordnung
(ESVO) ’99 zu erreichen, muß der Transmissionswärmebedarf auf 47,2 kWh/(m²*a)
abgesenkt werden. Dies kann z. B. erzielt
werden, indem
– alle Fenster durch wärmeschutzverglaste Fenster ausgetauscht werden,
– im Dach raumseitig eine zusätzliche
Untersparrendämmung von 8 cm angeordnet wird,
– die Außenwände 12 cm Dämmstoff in
Form
eines
Wärmedämmverbundsystems oder einer vorgehängten, hinterlüfteten Fassade erhalten und
– die Kellerdecke unterseitig mit 4 cm
Dämmstoff verkleidet wird.
Hierbei handelt es sich um oftmals bewährte, praktisch umfangreich erprobte
Standardlösungen zur Heizenergieeinsparung. Das Einsparpotential anlagentechnischer Maßnahmen ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Schadstoffminderung im Städtebau
74
(3)
Hauser, G.: Brauchen wir künftig ein Gebäudezertifikat? DBZ
44, 1996, H. 11, S. 171–174
(4)
Behring, K.; u.a.: Gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer
Wiedereinführung und Verstetigung der steuerlichen Abschreibung für energiesparende
Maßnahmen
im
Gebäudebestand. ifo Institut,
München, April 1997
(5)
Hauser, G. und Hausladen, G.:
Energiekennzahl zur Beschreibung des Heizenergiebedarfs
von Wohngebäuden. Hrsg.:
Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung e.V., Berlin.
Energiepaß-Service Hauser &
Hausladen GmbH, Baunatal
1991
(6)
Dritter Bericht über Schäden
an Gebäuden. Deutscher Bundestag,
13.
Wahlperiode,
Drucksache 13 3593, Januar
1996.
Des weiteren:
Bundesministerium für Wirtschaft: Energiedaten ’96. Nationale und internationale Entwicklung. Bonn, Oktober 1996
Fischedick, M.; u.a.: Kritische
Anmerkungen zur RWI/ifo-Studie „Gesamtwirtschaftliche Beurteilung von CO2-Minderungsstrategien“. Wuppertal Institut
für Klima, Umwelt, Energie im
Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen, Februar 1997
Hauser, G., Stiegel, H. u.a.:
Heizenergieeinsparung im Gebäudebestand. Baucom-Verlag, Böhl-Iggelheim, September 1996
Rossin, R.; u.a.: Gebäudetypologie und spezifischer Energiebedarf für den Wohngebäudebestand
in
den
neuen
Bundesländern. Institut für Lüftung, Heizung und Grundlagen
der Bautechnik, IHLGB Berlin
1991
Politische Realisierungsstrategien
Die Notwendigkeit einer umfangreichen
energetischen Sanierung des Gebäudebestands ist unumstritten und die technischen Lösungen sind bekannt.3 Zu deren
Realisierung können folgende Mittel beitragen:
– Energiesparverordnung
Mit Übergangsfristen die Herbeiführung
vorgegebener Jahres-Heizenergiebedarfe verlangen. (vgl. Einführung der Thermostatventile)
– Energiesteuer/CO2-Abgabe
Einführung einer EU-weiten Energiesteuer, die mit Kosten für energiesparende Maßnahmen verrechnet werden
darf. (vgl. Abwasserabgabe)
– Förderungen
Anstelle direkter Förderungen indirekte
Förderungen über verstetigte Abschreibungsmodelle (§ 82a ESt DV), um große
Volumina privater Investitionen freizusetzen, aufgrund derer Arbeitsplätze
und erhöhte Steuereinnahmen entstünden4, so daß die Staatseinnahmen die
Ausgaben nahezu decken.
– Mietrecht
Heizkosten mit Übergangsfristen, Energieeinsparmaßnahmen sind dabei zu
einem Anteil auf die Kaltmiete umlegbar.
– Energiepaß
verbindliche Einführung des Energiepasses, wie ihn die Gesellschaft für
Rationelle Energieverwendung e.V. Berlin seit 1989 herausgibt.5
– Aus- und Fortbildung
Verbesserung der Aus- und Fortbildung,
da insbesondere die Kenntnisse beim
Bauen im Bestand ungenügend sind,
worauf bereits der dritte Bauschadensbericht der Bundesregierung6 hinweist.
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
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Themenblock 5
Qualitätssicherung im baulichen Wärmeschutz
Ergebnisse:
Handlungsanforderungen:
Strengere Gesetze und Verordnungen sowie Normen dienen als Werkzeuge der klimaschützenden
Optimierung
– Einfordern einer energetischen Optimierung als Bestandteil der Baugenehmigung und Bauabnahme
analog den statischen Berechnungen und Prüfungen
Im Kanton Zürich muß im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens für Alt- und Neubauten verpflichtend
die Energieberatung einbezogen werden.
Der Energiepaß als Erweiterung des Wärmebedarfsausweises, wie er in der Energieeinsparverordnung
vorgesehen ist, ist auf dem Mieter- und Käufermarkt
zu etablieren, um seine Nachfrage zu erhöhen und
über das neu gewonnene Image energiesparende
Maßnahmen vor allem im Gebäudebestand zu initiieren.
Förderprogramme schaffen Anreize zum Handeln
Für den Gebäudebestand sind Anreize zum baulichen
Wärmeschutz über Förderprogramme zu schaffen (10
bis 20 %ige Zuschüsse). Diese Förderung refinanziert
sich über Steuerzahlungen der beauftragten Firmen
(insbesondere mittelständische Betriebe werden für
derartige Maßnahmen beauftragt).
Qualifizierung und Markterschließung als Aufgabe
der Kammern und Verbände
Weiterbildungsmaßnahmen für die am Bau Beteiligten
und Ausführenden haben zum Ziel:
– die Bauherren/Investoren bezüglich Energieeinsparpotentialen und deren Wirtschaftlichkeit
fachkompetent zu beraten und zu motivieren sowie
– die baulichen Ausführungen qualitativ zu
verbessern.
Hierbei übernimmt der Architekt im Gebäudebereich
eine wichtige Aufgabe als Moderator und Berater der
Beteiligten.
Die Verbände der Bauproduktindustrie stellen umfangreiche wirtschaftliche Produktsysteme insbesondere auch zur energetischen Sanierung inklusive Informations- und Schulungsmaterial zur Verfügung.
– Veröffentlichung von aufgeschlüsselten Energieverbrauchsdaten für Siedlungen und Gebäude als Orientierungsmaßstäbe (vgl. Heizspiegel München)
– Weiterführung der Ökozulage des Eigenheimfördergesetzes über das Jahr 1998 hinaus unter
Anpassung der Anforderungen an die Energieeinsparverordnung und der Priorisierung des Gebäudesbestandes (in Teilen bereits mit dem Regierungsbeschluß vom 27.05.1998 erfolgt)
– Etablierung einer Dienstleistung für den Gebäudebestand zur Motivation der Eigentümer, energiesparende Maßnahmen durchzuführen – in Zusammenarbeit mit der Architektenkammer
– Ausdehnung der Impuls-Programme zur Weiterbildung der am Bau Beteiligten in Zusammenarbeit mit
Kammern und Verbänden
– Hilfestellungen für den Verbraucher über Fachunternehmerbescheinigungen durch die Verbände der
Baustoffindustrie
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
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Exkursionen
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
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Exkursion 1
Empfang der Stadt-Freiburg im Stadtteil Rieselfeld, Kepler-Gymnasium
Dr. Sven von Ungern-Sternberg, Bürgermeister von Freiburg i.Br.
Mit der neuen Straßenbahnlinie im Stadtteil angekommen, führte die Besichtigung zunächst auf das Dach des
bereits fertiggestellten Kepler-Gymnasiums. Neben der
Regiosolarstrom-Anlage (Finanzierung über Anteilscheine) galt dort dem Blick über die Dächer der Niedrigenergiestadt die Aufmerksamkeit der Teilnehmer.
Abbildung 1
Blick über die Niedrigenergiestadt Freiburg-Rieselfeld
Abbildung 2
Regisolarstromanlage auf dem Dach
des Kepler-Gymnasiums
Quelle:
Quelle:
B.&S.U., Berlin
B.&S.U., Berlin
Städtebauliche Führung durch die
Niedrigenergiestadt Freiburg-Rieselfeld
Demonstration einer Blower-Door-Messung
in einem Niedrigenergiehaus
Stadtplanungsamt Freiburg i.Br. und Geschäftsstelle Rieselfeld
ebök, Ingenieurbüro für Energieberatung, Haustechnik
und ökologische Konzepte
In
–
–
–
Bei der Vorführung wurden die notwendigen Maßnahmen
zur Durchführung der Messung erklärt und der n50-Wert
der Wohnung ermittelt. Anschließend erfolgte eine „Ortung“ einzelner Leckagen, die in der Wohnung vorzufinden sind. Ergänzend wurden Angaben zur baulichen Ausführung der luftdichten Gebäudehülle gemacht.
drei Gruppen mit den thematischen Schwerpunkten:
Stadtgestalt, Verkehr, Freiraum
Vermarktung, Projektmanagement
Finanzierung, Infrastrukturausstattung
wurden aufbauend auf den Tagungsbeiträgen zur Niedrigenergiestadt die Hintergründe der Planung und Umsetzung
des Stadtteils vertiefend erläutert und diskutiert.
Im Anschluß an die Besichtigungen wurden die Teilnehmer von der Stadt Freiburg zu einem Umtrunk im KeplerGymnasium empfangen.
Schadstoffminderung im Städtebau
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Exkursion 2
Besichtigung der Övolutionshäuser in Durbach-Ebersweiher
WeberHaus GmbH, Rheinau-Linx
Öko-Revolution im Hausbau – die WeberHaus
Baureihe Övolution1
Mit dem Hauskonzept Övolution hat WeberHaus einen
Meilenstein zum ganzheitlichen Bauen für das nächste
Jahrtausend gesetzt:
– flexible energetische Konzepte vom Niedrigenergiehaus über das 3-Liter-Haus bis zum Null-Heizenergiehaus (wird komplett durch regenerative Energie versorgt)
– Der Mensch steht im Mittelpunkt, d. h. ein natürliches
Wohnen mit mehr Komfort und persönlichem Gewinn
für die Bewohner ist verwirklicht
– moderne, zukunftsorientierte, von Architekt und Fachingenieuren intelligent geplante Architektur (das Bauen der Zukunft ist ein Bauen mit der Sonne)
Abbildung 1
Systemkomponenten der „Övolutionshäuser“
Warmwasserkollektoren
sammeln die Sonnenenergie und laden
Warmwassertanks für Brauchwasser
und Heizungsunterstützung. Sie sparen
Energie für die Heizung und für die
Warmwasserbereitung.
– Nutzung regenerativer Energien und positive Ökobilanz für die Gebäude (Baustoff Holz)
– aus den Ergebnissen wurde die ökonomisch und ökologisch sinnvoll machbare WeberHaus Baureihe Övolution für jedermann entwickelt und damit das solare
Bauen in Deutschland serienreif gemacht.
Dieses Konzept ist daher in seinem Umfang unter Berücksichtigung aller Faktoren und Randparameter einmalig.
So wurde Övolution mit dem Eurosolarpreis 1997 sowie
der „Goldenen DM“ für innovative Produkte ausgezeichnet. Ebenso ist die Erfahrung von früheren Forschungsvorhaben, dem Solararchitekten Rolf Disch aus Freiburg
und über 7 000 von WeberHaus gebauten Niedrigenergiehäusern mit eingeflossen.
Fazit: Es ist möglich, Häuser zu bauen, die, anstatt
Unmengen von Ressourcen zu verbrauchen, Energie gewinnen!
Intelligente Haustechnik
Durch die Verwendung intelligenter
Haustechnik können alle Funktionen
des Hauses, wie Heizung, Lüftung,
Jalousien usw., zentral gesteuert
werden.
Photovoltaik
Photovoltaikelemente produzieren Strom aus Sonnenenergie
und reduzieren ihren Energiebedarf aus dem öffentlichen Netz.
Passive Solarnutzung
Die nach Süden orientierten
Fensterflächen ermöglichen eine
hohe Gewinnrate bei der passiven
Solarnutzung
Wärmedämmung
Optimierte Isolierung in der
Holzrahmenkonstruktion
minimiert die Bildung von
Wärmebrücken
Kontrollierte Be- und Entlüftung
„Övolutions“-Häuser können mit einer automatischen
Lüftung ausgestattet werden, die die verbrauchte Luft
so nutzt, daß mit ihrer Abwärme wiederum frische Luft
für die Wohnräume erwärmt wird.
Regenwassernutzung
Kostenloses Regenwasser kann
mittelts einer Regenwassernutzungsanlage für die Toilettenspülung, die
Waschmaschine oder die Gartenbewässerung eingesetzt werden.
1)
Saisonalspeicher
Die Sonnenenergie gelangt
über einen einfachen Wärmetauscher in einen Langzeitspeicher (ein großer Wassertank). So wird im Sommer
Energie getankt, die im Winter
genutzt werden kann.
Övolution ist ein Kunstnahme aus Evolution (=fortschreitende Entwicklung, sich stetig weiterentwickeln)
und Ökologie (= Lehre von den Beziehungen der Lebewesen zur Umwelt).
Weitere Informationen können im Internet unter: http\\www.bauforum.com abgerufen werden.
Quelle:
WeberHaus GmbH, Rheinau-Linx
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
Flexibles und individuelles Gebäudekonzept: vom
Einfamilienhaus bis zur Reihenhausbebauung
Das Gebäudekonzept sieht ein Höchstmaß an Flexibilität
vor. Durch kombinierbare Bauelemente lassen sich nahezu beliebig große, individuelle Häuser und Hausgruppen
realisieren. Die Möglichkeit, die Elemente auch in Reihenhauszeilen und -siedlungen einzubringen, wird nicht nur
den Anforderungen der Anpassung des Produktes an
unterschiedliche Bauherrennachfragen gerecht, sondern
trägt auch den Bedingungen für modernes ressourcensparendes Bauen Rechnung.
Ganzheitliche Produktphilosophie
Ziel der neuen Hausgeneration Weber Övolution ist es,
heute schon zukunftsfähige Häuser zu bauen, an die die
Meßlatte strenger ökologischer Kriterien angelegt wird.
Dies kann nur mit einem ganzheitlichen Ansatz erreicht
werden, der auch die Bedürfnisse der Bewohner berücksichtigt. Övolutionshäuser zeigen, daß Behaglichkeit und
umweltbewußtes Bauen unbedingt zusammengehören.
Konkret heißt dies: Die für Solararchitektur erforderliche
Öffnung von Gebäuden zur Sonne trägt unmittelbar zum
Wohlbefinden der Bewohner bei.
Abbildung 2 und 3
„Övolutionshaus“ in Durbach-Ebersweier
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Neue Wirtschaftlichkeit
Nicht allein der Anschaffungspreis ist relevantes Kalkül
bei den Überlegungen zum Hauskauf. Entscheidend wirken sich die niedrigen Betriebskosten auch auf die Möglichkeiten der Finanzierung aus. Konkret: Eine geringe
monatliche Belastung hinsichtlich Wärme- und Stromgewinnung läßt mehr Spielraum bei der Tilgung und wird bei
(zu erwartenden) steigenden Energiekosten zum entscheidenden Vorzug gegenüber konventionellen Eigenheimen.
Aber nicht nur hier findet die Revolution der „Häuslebauer“ statt. Der Käufer erwirbt ein Haus, das hinsichtlich
Wohnqualität und ökologischer Verantwortlichkeit klar
sichtbare Zeichen setzt. Schon die äußere Gestalt vermittelt die Innovationskraft der Produktphilosophie: Wir
reden nicht über die Zukunft – wir haben sie bereits gebaut.
Quelle: Gerhard Wagner, BBR, Bonn
Schadstoffminderung im Städtebau
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Exkursion 3
Solartour in und um Freiburg i.Br.
fesa, förderverein energie- und solaragentur regio freiburg e.v. in Zusammenarbeit
mit Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme
Solarturm der Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule
Solarhaus Gundelfingen
Der Solarturm mit Unterrichtsraum auf dem Gelände der
Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule dient sowohl für
Ausbildungs- als auch für Demonstrations- und Forschungszwecke. Er ist ausgerüstet mit verschiedenen
Systemen der aktiven und passiven Solarenergienutzung
im thermischen und photovoltaischen Bereich. Die mit
der Demonstrationsanalge erzeugte Wärme wird in der
benachbarten Sporthalle der Schule für die Warmwasserbereitung verbraucht; der erzeugte Strom versorgt eine
Solarsteckdose (für Solarroller, Solarfahrrad etc.) und
wird darüber hinaus ins öffentliche Netz eingespeist.
Energiesparen und Wohnkomfort schließen sich nicht
aus, sondern sind zwei Aspekte eines integrativen
Planungskonzeptes. Das beweist das Solarhaus Gundelfingen, das die Freiburger Baugesellschaft W94 zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) und dem Architekten Dieter Hölken entwickelt
hat.
Mit den Solar-Demonstrationsanlagen wird vor allem die
Ausbildung von Berufs- und Fachschülern hinsichtlich der
vielfältigen Bandbreite der Solartechnologien als Hauptziel verbunden. So besitzt der Solarturm sowohl aufgeständerte und fassadenintegrierte Speicherkollektoren
(70 m²) sowie verschiedene weitere Kollektoren zu Versuchszwecken als auch eine transparente Wärmedämmung (40 m²) sowie eine solargespeiste Fußbodenheizung, eine Photovoltaik-Anlage (11,8 m²) und einen
Unterrichtsraum mit Meß- und Regeleinrichtungen der
Solaranlagen.
Ziel des Projektes ist es, die Möglichkeiten der Solarenergienutzung in einem Mehrfamilienhaus aufzuzeigen sowie eine energieeffiziente Wohnungslüftung durch Wärmerückgewinnung mittels Elektro-Wärmepumpe zu
realisieren. Ein weiteres Anliegen ist die sommerliche Energieautarkie für den thermischen Energiebedarf, um damit zukünftig die Möglichkeit zu erhalten, das Nahwärmenetz in den Sommermonaten vollständig abschalten zu
können (Vermeidung von Wärmeverteilverlusten in der
Größenordnung des Warmwasserbedarfs).
Die Finanzierung erfolgte über das Bundesministerium für
Forschung und Technologie, das Wirtschaftsministerium
Baden-Württemberg und die Stadt Freiburg, aber auch
über Spenden der Wirtschaft und Eigenleistungen der
Gewerbeschule.
Durch konsequenten Wärmeschutz (k-Werte der Wände
0,13 bis 0,17 W/m²K, der Verglasung 0,4 W/m²K) sowie
eine winddichte Konstruktion (nL50-Wert < 1,0), der Vermeidung von Wärmebrücken und hochwertige Eingangstüren wird der Raumwärmebedarf im Solarhaus auf
34 kWh/m²*a reduziert werden. Die Verbrauchskosten
für die Heizung und Warmwasserbereitung für eine Dreizimmerwohnung wird somit lediglich etwa 150 DM pro
Jahr (!) betragen. Der Energieverbrauch unterbietet damit den Niedrigenergiehaus-Standard um nochmals mehr
als die Hälfte.
Abbildung 1
Solarturm der Richtard-Fehrenbach-Gewerbeschule
Abbildung 2
Probefahrt auf dem Solarroller
Quelle: B.& S.U., Berlin
Quelle: B.& S.U., Berlin
ExWoSt – Information
Nr. 14.8 / 1998
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Abbildung 3
Solarhaus Gundelfingen
im Rohbau
Quelle: B.& S.U., Berlin
In der kalten Jahreszeit sorgt eine transparente Wärmedämmung (80 m²) auf der Südfassade für eine Wohnatmosphäre, die eher an einen Kachelofen klassischer Bauart als an moderne Solartechnologie denken läßt.
Solarkollektoren auf dem Dach und eine permanente
Grundlüftung mit Wärmerückgewinnung (Zuführung zum
Heizungssystem über Elektro-Wärempumpe) runden das
solaroptimierte Konzept ab. Insgesamt entsteht somit ein
gesundes und behagliches Wohnen mit niedrigstem Energieverbrauch.
Das Bundesforschungsministerium förderte die Planung
und Ausstattung des Projektes. Damit wurde ein attraktiver Verkaufspreis für die Wohnungen und die wissenschaftliche Begleituntersuchung ermöglicht. Die Erkenntnisse des Projektes werden nach Fertigstellung
aufbereitet, so daß der Wohnungsbau der kommenden
Jahre von den Erfahrungen profitieren kann.
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