Von der Skizze zum Gebäude – vom Konzept zum Baustein

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Von der Skizze zum Gebäude –
vom Konzept zum Baustein
Ideenskizze zum Wettbewerb, Klaus Schäfer, 1995
Exemplarisch für den Entwurfsprozess wird die Entstehung eines Baufeldes, das Klingelhöfer Dreieck im
Stadtteil Tiergarten von Berlin betrachtet. Die Zeit vom
entscheidenden Wettbewerb (1995) bis zur Belebung
Zwolf Vorlesungen zum Städtebau - Professor Klaus Schäfer
SCHOOL OF ARCHITECTURE
Hochschule Bremen
durch seine Bewohner beträgt über sieben Jahre, die
Historie des Geländes, wie des Stadtteils beginnt mit dem
19. Jahrhundert. Darin schon chronologisch mitprägend
für die weitere Geschichte, die Entstehung einer Typologie, der so genannten ‚Tiergarten-Villa’, zunächst vor der
Stadtgrenze, sich mehr und mehr verdichtend, zu einem
Typus, der bei enger Gebäudestellung, minimiertem Bauwich, einer Rhythmik von Erkern und Risaliten, großzügigen Gebäude-Proportionen am Bild einer luxuriösen
Wohnstätte trotz Verdichtung haften bleibt. Der Einzug
vieler diplomatischer Vertretungen in diesen neuen
Stadtteil tat sein Übriges. Denn lang ist die Planungsgeschichte nach der Zerstörung, zunächst durch die Nazis,
dann durch den Bombenkrieg und immer wieder auf der
Suche nach einer neuen Interpretation, eben dieses Typus
der Villa, jetzt in der Stadt (?), auch das wurde zu einer
existenziellen Fragestellung erhoben. Faktisch blieb der
Ort 50 Jahre lang leer, bis auf eine Villa, die verschont
blieb von Krieg und Abriss. Die Umgebung wurde zum
Tummelplatz der Verkehrsplanung und das Gelände bereitgestellt für Jahrmärkte, Frühlings- wie Oktoberfeste.
Sieben internationale Teams aus Stadtplanern, Architekten und Landschaftsplanern wurden zu einem Wettbewerb eingeladen, in dessen Raumprogramm die Geschichte des Stadtteils noch einmal deutlich wurde. Die
Skizze, Gebäude, Konzept und Baustein
Gruppe um das Büro für Städtebau aus Berlin 1 gewann
diesen Wettbewerb und die Jury empfahl den Beitrag mit
der Maßgabe einer Überarbeitung umzusetzen.
Eine anfängliche Konzeptskizze trägt den Großteil einer
Eigeninterpretation und Anreicherung des Wettbewerbsprogramms schon in sich: die Mitte des Geländes wird
für eine Öffentlichkeit zugänglich bleiben, als Reminiszenz an die Jahrmarktsnutzung, viele ‚Stadtbausteine’
bilden den neuen Ort ab, Gassen ermöglichen den hierarchiefreien Zutritt, die Häuser haben zwei Adressen (zum
Platz und zu den Straßen), eigenständige Haustypologien
mit Garten oder Hof. In der Fortsetzung dieser Gedanken
erfolgt die skizzenartige Formulierung der Potenziale der
einzelnen Bausteine: Unabhängigkeit zu den Nachbarn;
individuelle skulpturale Interpretation des Hausthemas;
Physiognomie der Fassaden in Ausrichtung auf die unterschiedlichen Ränder des Gebiets; die Gassen als spannungsgeladene Verengung zwischen Straße und neuer
Mitte, als einfacher Weg unter hängenden Gärten. Die
Proportionen nach Innen und Aussen werden bestimmt:
welche Nutzungsmöglichkeiten, Variabilität, Technik,
ruhender Verkehr, Sicherheit, Anzahl und Bedeutung der
Geschosse, Erschließung und Materialität, und Analogien werden gebildet zu vertrauten oder verständlichen
Baumustern. Das Planlayout wird abgestimmt, Modelle
werden akzeptiert oder verworfen.
Mit dem Wettbewerbsgewinn entsteht die Aufgabe einer
Überprüfung aller Planungsparameter, Machbarkeitsstudien des Verkehrs, des Lärmschutzes, der Freiraumpla-
nung und schlussendlich eines Entwurfes für den Bebauungsplan, dies vor dem Hintergrund einer Koordinierung
durch Steuerungsrunden mit den beteiligten Bauherren,
Grundstückseigentümern, Vertretern der Stadt und des
Bezirks. Der von allen planungsbeteiligten getragene (nur
das machte ihn möglich!) Entwurf betritt stadtplanerisches Neuland, denn Abstandsregeln, Anzahl der Gebäude, Dichteziffern, öffentliche Zugänglichkeit und offene
Bebauung zur großen Straße erfordern die Phantasie
planerischer Auslegung.
Den Entwürfen zu den Häusern geht ein zusätzlicher
Wettbewerb voraus. Die daraus entstehenden Einzelplanungen und die Freiraumplanung des Gartenarchitekten
werden stadtbaukünstlerisch koordiniert und abgesprochen, um ein Gesamtbild zu erzeugen durch Spielraum
und Zurückhaltung, Varianz und Regelwerk.
Der Wettbewerb zu den Nordischen Botschaften im Anschluss an das Gebiet verlief parallel, zu dem des Klingelhöfer Dreiecks (dem heutigem Tiergarten-Dreieck) 2 und
dürfte in seiner Entscheidung wohl formal beeinflusst
gewesen sein, was offenkundig wird beim Blick auf
die beiden Wettbewerbsmodelle. Die architektonische
Interpretation ist sehr verschieden und die städtebauliche
besitzt, neben den Übereinstimmungen, auch sehr unterschiedliche Sichtweisen. Während z.B. im TiergartenDreieck die vorhandene Villa ein ‚Gleicher und Vielen’
ist, bezieht sich der gemeinsame Hof der Nordischen
Botschaften eben auf diese alte Villa. So wird die Baugeschichte eingereiht oder in den Mittelpunkt gestellt.
(1) Machleidt und Partner, Klaus Schäfer (Städtebau), Walther Stepp (Architektur), Susanne Burger und Stefan Tischer (Landschaftsarchitekten)
(2) Wolfgang Schäche. Hildebrand Machleidt – Planungen für die Stadt. Jovis
Verlag. Berlin (2006)
Zwolf Vorlesungen zum Städtebau - Professor Klaus Schäfer
Skizze, Gebäude, Konzept und Baustein
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