Protokoll Netzwerk gegen Kinderarmut 11_05_17

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NetzwerkgegenKinderarmut
ChristianPetermann
11.05.2017
Dokumentation der Tagung vom 11.05.2017
TeilnehmerInnen:
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Dr.DietmarBartsch,VorsitzenderderLinksfraktionimDeutschenBundestag
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Prof.Dr.MichaelKlundt,HochschuleMagdeburg-Stendal
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EvaGerth,LandesvorsitzendederGEWSachsen-Anhalt
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TomErdmann,LandesvorsitzenderderGEWBerlin
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Dr.UlrichSchneider,HauptgeschäftsführerdesParitätischenGesamtverbandes
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NinaOhlmeier,DeutschesKinderhilfswerk
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NorbertMüller,MdB,KinderpolitischerSprecher
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JacquelineBernhardt,MdLMecklenburg-Vorpommern
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EvavonAngern,MdLSachsen-Anhalt
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DagmarEnkelmann,VorstandsvorsitzendederRosa-Luxemburg-Stiftung
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RalfChristoffers,VorsitzenderderKonferenzderFraktionsvorsitzendenderParteiDIELINKE.
indenLandtagenundimDeutschenBundestag
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AnjaStiedenroth,PersönlicheReferentinderMinisterinArbeit,Soziales,Gesundheit,Frauen
undFamilieinBrandenburg,DianaGolze
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KonstantinBender,KoordinatorderKonferenzderFraktionsvorsitzendenderLINKEN
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StefanHartmann,MitarbeiterDietmarBartsch
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KoljaFuchslocher,ReferentfürKinder-undJugendpolitik
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ChristianPetermann,SekretärdesNetzwerkes
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MehrereVertreterinnenundVertreterderMedien
Begrüßung der TeilnehmerInnen
Dr.DietmarBartschbegrüßtdieTeilnehmerinnenundTeilnehmer.Erstelltfest,dassdieSensibilität
bezugnehmendaufdasThemaKinderarmutinderöffentlichenDebattesteigt.Insbesondereim
laufendenLandtagswahlkampfinNordrhein-WestfalenwirdKinderarmutvonmehrerenParteien
thematisiert.DieserTrendwirdsichauchimBundestagswahlkampfwiderspiegeln.DieBekämpfung
vonKinderarmutwirdauchwährendderKoalitionsverhandlungennachdenBundestagswahlenim
Herbstnichtignoriertwerdenkönnen,unabhängigdavoninwelcherKonstellationdie
Verhandlungengeführtwerden.Diesseizunächstermutigend,damitwirdjedochnochnichtsüber
dieErgebnissegesagt.EsbleibtdieHoffnung,dasseinenächsteBundesregierungsubstanzielle
Fortschritterealisiert.
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Prof. Dr. Michael Klundt: „Kinderarmut und Reichtum in Deutschland“
ZunächstistbeidenbestehendenstaatlichenUnterstützungsleistungeneineSchieflagefestzustellen.
VondeninDeutschlandjährlichrund200MilliardenEuroanFamilienleistungen(unterEinschluss
nichtkindbezogenerLeistungenwiedasEhegattensplitting)profitierennichtalle
Bevölkerungsgruppengleichermaßen.ÜberproportionalprofitiertdasobereZehntelder
Einkommensgruppen,dasuntersteZehntelerhältdementsprechendweniger.Kindergelderhöhungen
kommenbeidenTransferleistungsempfängernnichtan,daeineErhöhungvon10EuroKindergeldzu
einerAbsenkungvon10EurodesHartz-IV-Satzesführt.AuchdieEU-Kommissionstellte2017fest,
dassdieunteren40ProzentderBevölkerungseit1990wenigerzurVerfügungstehendesEinkommen
hätten.
DasProblembewusstseingegenüberKinderarmutistnichtbeiallenParteiengleichvorhanden.So
wirdKinderarmutimKoalitionsvertragderBundesregierungnichterwähnt.DieFolgeerscheinungen
vonKinderarmutwerdenzuweilenignoriertundbeschönigt.SowurdenimArmuts-und
ReichtumsberichtderBundesregierungStreichungenvorgenommenunddaProblemverharmlost.
AuchistdieTendenzinnerhalbderBundesregierungzukritisieren,ArmutalsabsoluteArmutzu
definieren.ArmutistimmeralsrelativeArmutanzusehen.DaszentraleArgumentderVerfechter
einesabsolutenArmutsbegriffsistzurückzuweisen.EswürdegesagtmiteinerReichtumsvermehrung
füralle,bliebederAnteilderBevölkerunggleich,derinRelationzurückbleibe.Trotzdemhätteer
mehralsjetztzurVerfügung.Abgesehendavon,dassesdenErfahrungenderletztenJahrzehnte
widerspricht,dasseszueinerReichtumsvermehrungfürallekommt,bleibtderrelativeUnterschied
bestehen.Dieswäreweiterhinzukritisieren,dennMenschenwürdensichimmeranihremUmfeld
messenunddieBenachteiligungentstehtimmerinRelationzuanderen.
KindersindkeineArmutsursache.DasVorhandenseinvonKindernistkeinAnlassundkeinekausale
NotwendigkeitfürArmut.DasBeispielderskandinavischenLänderzeigt,dassauchalleinerziehende
Haushaltegenausowenigarmutsbedrohtseinkönnen,wiedieHaushaltevon
Mehrfachverdienenden.
NeoliberalesDemografisierungs-Framing:EsseiBestandteilundpolitischesZieleinesneoliberalen
DogmasdenStaatindieKürzungsnotwendigkeitzutreiben.AusEinnahmeverlustenwerden
Kürzungsprogramme.DieseUmverteilungistbelegbar,seit1990findetausdenöffentlichen
HaushalteneineVermögensschiebungzugunstengroßerprivaterEinkommenstatt.
Dieseit2013zuverzeichnendenÜberschüssedesBundes-undderLänderhaushaltesindErgebnis
radikalerKürzungsprogramme.DerPreisdafürwarenunterlasseneInstandsetzung,dasAusbleiben
vonInvestitionenunddieKürzungvonsozialstaatlichenLeistungen.EinsolchesVorgehenistjedoch
nichtnachhaltig.
UmderKinderarmutzubegegnensindvieleMaßnahmennotwendig.Esistzubegrüßen,dassauf
LandesebeneNetzwerkebzw.RundeTische,wieinBrandenburggebildetwerden,umdurch
KooperationenundInterventionenFolgenvonArmutzulindern.Armutschecksbei
GesetzesvorhabensindeineMöglichkeitdieÖffentlichkeitzusensibilisieren.EineVielzahlan
weiteren„kleinen“Maßnahmensindsinnvoll:dieKostenfreiheitvonBibliotheken,diedes
öffentlichenPersonennahverkehrs,einkostenfreiesMittagessen.AufkommunalerEbeneistdas
DormagenerModellalsPräventionsansatzinderKinder-undJugendhilfeundFamilienarbeit
beispielgebend.
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DerErfolgstehtundfälltjedochmitdenpolitischenMaßnahmenimBund.Diesermussdie
Finanzierungsgrundlageschaffen.DarunterzähltvorallemdieVerbesserungderArbeitsbedingungen
derEltern.DiesteuerlichePrivilegierungvonMini-Jobsmussaufgehobenwerden,Tarifverträgesind
alsallgemeinverbindlichzuerklären,dasSteueraufkommenderWohlhabendenistzuerhöhen.Die
oberen30ProzentderBevölkerunghabensichüber90ProzentdesGesamtvermögensangeeignet.
ImErgebnisistderVerteilungskampfumdieverbleibendenzehnProzentumsohöher.
Eva Gerth, Landesvorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt sowie Tom Erdmann,
Landesvorsitzender der GEW Berlin: Zusammenhänge von Bildung und sozialer
Herkunft
EinüberproportionalesArmutsrisikobestehtbeiFamilienmitmehralsdreiKindern,mit
MigrationshintergrundundbeiAlleinerziehenden.34%allerKinderinBerlinlebenin
Bedarfsgemeinschaften.Armutwirdvererbt,weilsichBildungsarmutüberGenerationenfortsetzt.
AlsLehrkraftistAusgrenzung,dieinKinderarmutihreUrsachefindet,zwangsweisezubeobachten.
LautPISA-StudieseidieschulischeLeistungnirgendswosonstsoabhängigvondersozialenHerkunft
wieinSachsen-Anhalt.DieOECDstelltfest:InDeutschlandhängtderBildungserfolgbesondersstark
vondersozialenHerkunftab.DeswegensindgeradeinsozialenBrennpunktenmehrRessourcenfür
eingutesBildungsangebotnotwendig.
DieDiskussionumdieKindergrundsicherungwirdzuverkürztgeführt,wennmandabeinurauf
GeldüberweisungenfürdieElternhäuserhinauswill.Vielmehrmüssendamitauchinfrastrukturelle
Ausgabenverknüpftwerden.EinTeildesGeldesmüssefürKitasundSchulenverwendetwerden,da
nichtgarantiertsei,dassdieKindergrundsicherungbeidenKindernankomme.Gleichbehandlung
funktioniereamehestenübergleicheBildungschancen.
EineGEWForderungandiePolitikistdieEinführungderflächendeckendenGanztagsschule.Hierbei
istmanindenletztenJahreninBerlinschongutvorangekommen.NahezualleSchulenhaben
zumindesteinoffenesGanztagsangebot.
DaseigentlicheReferenzobjektfürdieÜberwindungdesZusammenhangsvonBildungserfolgund
sozialerHerkunftistjedochdieGemeinschaftsschule.DerenErfolgistübereinewissenschaftliche
BegleitunginzweiErhebungswellenbelegt.DemnachsindLernzuwächseinDeutsch,Englischund
mittlerweileauchinMatheundNaturwissenschaftenfestzustellen.ÜberdurchschnittlicheErfolge
wurdenimVergleichzurHamburgerKontrollgruppefestgestellt,dieauchGymnasienbeinhaltete.
DemnachistderBildungserfolginGemeinschaftsschulenunabhängigvondersozialenHerkunft.
Zukritisierenistjedoch,dassesnichtdieBerlinerGemeinschaftsschulegibt.DerenAusgestaltungist
individuellverschieden,weilesdarunterwelchegibt,diekeineOberstufehabenoderdieehemals
Hauptschulewaren.InsofernistdasKonzeptderGemeinschaftsschulenochnichtabschließend
umgesetzt.
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