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Nachhaltige Berufskarrieren in der Chemieindustrie
Nachhaltigkeit in der beruflichen Qualifizierung
zu Geprüften Industriemeistern –
dargestellt am Beispiel der Fachrichtungen Metall, Elektrotechnik und Chemie
Dr. Reinhard Zedler
Hochschule Koblenz
Inhalte
1. Ausgangsfragen
2. Verständnis von Nachhaltigkeit
2.1 Allgemeines Verständnis
2.2 Eine berufspädagogische Sichtweise von Nachhaltigkeit
3. Ansätze in der beruflichen Qualifizierung zu Geprüften Industriemeistern – Fachrichtungen
Metall und Elektrotechnik
3.1 Struktur der beruflichen Qualifizierung zu Industriemeistern
3.2 Inhalte in einzelnen Fachgebieten
3.3 Nachhaltigkeit in Prüfungen
4. Innovativer Ansatz in der beruflichen Qualifizierung zu Industriemeistern Chemie
5. Innovative Konzeption der Berufsbildung zu Fachkräften und Führungskräften der Chemie
in der Rhein-Erft-Akademie
5.1 Förderung von „Responsible Care“ in der beruflichen Qualifizierung
5.2 Förderung von Nachhaltigkeit in der Berufsausbildung
6. Zusammenfassung und Vorschläge für die berufliche Qualifizierung zu Industriemeistern
Literatur
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1. Ausgangsfragen
Nachhaltige Entwicklung ist seit einiger Zeit eine Leitidee in der politischen, gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Diskussion. Die Arbeitswelt ist ein wichtiger Gestaltungsraum für Nachhaltigkeit. Dafür müssen in der beruflichen Bildung entsprechende Qualifikationen vermittelt
und gefördert werden.
Im Rahmen der UN-Dekade ist es definiertes Ziel der beruflichen Bildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE),
- Kompetenzen zu fördern,
- um Arbeits- und Lebenswelt im Sinne der Nachhaltigkeit gestalten zu können (Bundesinstitut für Berufsbildung, 2013, S.18). Bereits früher wurde in der Bildung allgemein eine unabdingbare Voraussetzung für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung gesehen (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1992).
Zur Berufsbildung gehören nach Berufsbildungsgesetz
-berufliche Fortbildung und
-die Berufsausbildung.
Allgemeines Ziel der Berufsausbildung ist es, Jugendliche und junge Erwachsene zu Fachkräften zu qualifizieren.
Ziel der beruflichen Fortbildung oder Weiterbildung ist es wiederum, die Qualifizierung entsprechend veränderter Bedingungen fortzuführen und etwa Facharbeiter zu Industriemeistern zu fördern.
Ausgehend von diesen Zielen der Berufsbildung sind im Folgenden drei spezielle Fragen:
1. Inwieweit wird in der Weiterbildung zu Industriemeistern das Ziel der Nachhaltigkeit berücksichtigt?
2. Inwieweit wird Nachhaltigkeit als didaktisch - methodisches Prinzip in den Weiterbildungsgängen zum Industriemeister berücksichtigt?
3. Sind Prüfungen zum Industriemeister an Nachhaltigkeit orientiert?
Diese Fragen werden exemplarisch in der Qualifizierung zu Geprüften Industriemeistern der
Fachrichtungen Metall, Elektrotechnik und Chemie behandelt. Denn diese drei Fachrichtungen machen unter den Industriemeistern die größte Gruppe aus. So hatten nach der Fortbildungsstatistik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages im Jahr 2011 genau
10.689 an den entsprechenden Prüfungen teilgenommen; dabei kamen drei von vier Teilnehmern von den genannten drei Fachrichtungen (DIHK-Fortbildungsstatistik 2011, S.7).
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Grundlegend für die Qualifizierung dieser Industriemeister sind
- die Rahmenpläne dieser Weiterbildungen,
- Prüfungsaufgaben und
- die Praxis der Qualifizierung zu Industriemeistern Chemie exemplarisch an der Rhein-ErftAkademie.
2. Verständnis von Nachhaltigkeit
2.1 Allgemeines Verständnis
Heute ist Nachhaltigkeit vielfach zum Allerweltswort geworden. Was soll nicht alles in einer
volatilen Zeit „ nachhaltig“ sein? Daher wird von einigen Seiten der z.T. Inflationäre Gebrauch
des Begriffes „ Nachhaltigkeit“ kritisiert. Trotz dieser z.T. berechtigten Kritik bleibt der Sachverhalt weiterführend und seine Übertragung auf den Bildungsbereich berechtigt.
Für ein genaueres Verständnis von Nachhaltigkeit hat der „ Brundtland Bericht“ der UN von
1987 gesorgt. Hier wird Nachhaltigkeit folgendermaßen definiert: „ Entwicklungen zukunftsfähig zu machen, heißt, dass die gegenwärtigen Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen,
ohne die Fähigkeit der zukünftigen Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu
befriedigen“ (zitiert nach Institut der deutschen Wirtschaft, 2012, S. 9). Das heißt, die gegenwärtige Generation soll ihren Bedarf nur so befriedigen, dass künftige Generationen in ihrer
Bedarfsbefriedigung nicht eingeschränkt werden.
Ausgehend von dieser Definition entwickelte sich ein Verständnis von Nachhaltigkeit, nach
dem ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungen nicht voneinander zu trennen sind
(Wittwer, 2002, S.112). Demnach hat Nachhaltigkeit drei Dimensionen:
-eine wirtschaftliche
-eine ökologische und
-eine soziale Dimension, die zusammen gehören.
Diese Sichtweise ließe sich in folgender Weise emphatisch zusammenfassen: „Der kategorische, nachhaltige Imperativ schließt die gleichzeitige Berücksichtigung ökonomischer Wettbewerbsfähigkeit, ökologischer Verträglichkeit, sozialer und globaler Gerechtigkeit mit ein:
Lebe und wirtschafte heute nicht zulasten von morgen, z.B. künftiger Generationen, aber
auch nicht zulasten anderer Menschen, der Natur und anderer Regionen“ (Kutt, 2008, S.4).
Dieses Verständnis hat in Gesellschaft und Wirtschaft stilbildend gewirkt. So veröffentlichen
neuerdings DAX- Unternehmen spezielle Nachhaltigkeitsberichte, wie etwa die Bayer AG . Im
„Nachhaltigkeitsbericht 2012“ der Bayer AG heißt es unter anderem, dass die Unternehmensstrategie dem Prinzip der Nachhaltigkeit folgt. Und das Ziel Nachhaltigkeitsstrategie des Un4
ternehmens wird darin gesehen, „ durch eine nachhaltige Geschäftsstrategie wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Nutzen (zu) generieren“ (Bayer AG, 2013, S.9).
Andere Unternehmen, wie die Lanxess AG, stellen den aktuellen Geschäftsbericht unter das
Motto „Nachhaltig denken, viel bewegen“. Dazu heißt es: „ Es ist unser Anspruch, in unseren
gesellschaftlichen Aktivitäten die Erfordernisse von Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft
miteinander zu verbinden. Wir handeln nach dem Leitsatz: „Gut für das Geschäft, gut für die
Gemeinschaft“ (Lanxess AG, 2013, S.13).
Jenseits dieser und anderer Veröffentlichungen von Unternehmen hat der Wirtschaftsethiker
Nils Ole Oermann den Sachverhalt auf den Punkt gebracht und in das Stammbuch von Managern geschrieben: „ Die Leistung, die ein Manager für einen Konzern erbracht hat, muss nachhaltig sein – mit Blick auf Umsatz, Gewinn, Dividende und Aktienkurs. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ beschreibt nichts anderes als Vernunft auf der Zeitachse. Die Risiken – oder gar das
Fehlverhalten – werden aber oft erst nach vier oder fünf Jahren sichtbar. Da muss es Regeln
geben, mögliche Fehlentwicklungen zu sanktionieren“ (Oermann: Wer moralisiert, will nicht
verstehen“, 2013)
Für die Chemie haben die Verbände VCI, IG BCE und der BAVC in einer gemeinsamen Schrift
das Verständnis von Nachhaltigkeit folgendermaßen zusammengefasst: „ Hierzu setzen wir
auf eine Zukunftsstrategie, die bewusst alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit einbezieht“:
-den wirtschaftlichen Erfolg, der Basis für die Entwicklung der Branche und unseren Wohlstand ist;
-die gesellschaftliche und soziale Verantwortung und
-den Schutz von Mensch und Umwelt durch umweltfreundliche Produkt- und Verfahrenslösungen (VCI, IG BCE und BAVC, o.J.)
2.2 Eine berufspädagogische Sichtweise der Nachhaltigkeit
Ausgehend von dem skizzierten allgemeinen Verständnis von Nachhaltigkeit zeichnen sich in
der pädagogischen Diskussion zwei Bedeutungs-zusammenhänge von Nachhaltigkeit ab: zum
ersten geht es um Nachhaltigkeit im Sinne einer fortwährenden Nutzung, zum anderen um
Nachhaltigkeit im Sinne einer dauerhaften Wirkung (s. Schüßler, 2002, S. 108 ff.).
Der zuletzt genannte, zweite Zusammenhang bezieht sich auf den dauerhaften Erwerb und
die Festigung erlernter Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten. Dabei wird nachhaltiges Lernen durch zwei Aspekte charakterisiert : einmal durch das nachhaltige, lebenslange – besser
lebensbegleitende - Lernen, zum anderen durch die Nachhaltigkeit der Lernergebnisse. In
diesem Sinne wird unter Nachhaltigkeit die Intensität sowie die Dauer der Nachwirkung des
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Lernens sowie seiner Ergebnisse verstanden. Dieser für Nachhaltigkeit wichtige Zusammenhang wird im Folgenden nicht weiter behandelt.
Im Lichte des allgemeinen Verständnisses von Nachhaltigkeit geht es vielmehr um den ersten Bedeutungszusammenhang, nämlich die Nachhaltigkeit im Sinne einer fortwährenden
Nutzung. „ Dabei sind ökonomische, ökologische und soziale bzw. kulturelle Entwicklungen in
ihrer Wechselwirkung zueinander zu betrachten“ (Schüßler 2002, s. 109).
Diese Dreidimensionalität der Nachhaltigkeit prägt auch Lehrpläne in der beruflichen Weiterbildung. So heißt es im Rahmenplan zum Geprüften Industriemeister Chemie: „ Im Qualifikationsschwerpunkt „Verantwortliches Handeln im Betrieb (Responsible Care“) soll die Fähigkeit nachgewiesen werden, die Vernetzung ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren
berücksichtigen zu können“ (Deutscher Industrie- und Handelskammertag, 2005, S.50).
Demnach sollte es bei der Qualifizierung zum Industriemeister – nicht nur der Chemie, sondern auch anderer Fachbereiche - stets um die Verbindung von:
-wirtschaftlichen Inhalten mit Aspekten
-der Umweltverträglichkeit und Ressourcenendlichkeit sowie
-dem sozialen Miteinander und der Humanisierung der Arbeitswelt
gehen.
Aufgrund dieser begrifflichen Analyse von Nachhaltigkeit können die anfangs allgemein gestellten Ausgangsfragen präzisiert werden:
1 .Inwieweit wird in der Weiterbildung zu Industriemeistern das Ziel der Nachhaltigkeit gefördert? Wird wenigstens der Begriff in den Rahmenplänen genannt?
2. Wird Nachhaltigkeit als integraler-curricularer Bestandteil der Weiterbildungsgänge zu Industriemeistern, in dem die Dimensionen -wirtschaftlich - ökologisch und sozial untrennbar
miteinander verbunden sind, berücksichtigt?
3. Werden Aspekte der Nachhaltigkeit in Abschlussprüfungen zum Industriemeister überprüft?
Diese drei Fragen werden im Folgenden zu beantworten gesucht.
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3. Ansätze in der beruflichen Qualifizierung zu Geprüften Industriemeistern –
Fachrichtungen Metall und Elektrotechnik
3.1 Struktur der beruflichen Qualifizierung zu Industriemeistern
Die berufliche Weiterbildung zu Industriemeistern hat zwei Teile, die jeweils mit Prüfungen
überprüft und abgeschlossen werden: Zum einen geht es um fachrichtungsübergreifende Basisqualifikationen oder grundlegende Qualifikationen, zum anderen um handlungsspezifische
Qualifikationen.
Zu den fachrichtungsübergreifenden Basisqualifikationen gehören die fünf Fachgebiete:
-Rechtsbewusstes Handeln
-Betriebswirtschaftliches Handeln,
-Anwendung von Methoden der Information, Kommunikation und Planung
-Zusammenarbeit im Betrieb
-Berücksichtigung naturwissenschaftlicher und technischer Gesetzmäßigkeiten.
Den „ handlungsspezifischen Qualifikationen“ sind etwa in der Qualifizierung zum Industriemeister Metall die drei Handlungsbereiche zugeordnet:
-Technik
-Organisation und
-Führung und Personal.
Während die beiden Handlungsbereiche „Technik“ und „ Organisation“ in der schriftlichen
Abschlussprüfung abgeschlossen werden, erfolgt die Überprüfung der Qualifikationen von „
Führung und Personal“ mit der Lösung eines Handlungsauftrages im Fachgespräch.
Für die Vermittlung dieser Fachgebiete und Handlungsbereiche hat der Deutsche Industrieund Handelskammertag Rahmenpläne veröffentlicht. Der Verfasser hat diese Rahmenpläne
hinsichtlich der Nachhaltigkeit analysiert. Zudem hat er Referenten der Rhein-Erft-Akademie,
die verschiedene Fächer in der Weiterbildung zu Industriemeistern Metall und Elektrotechnik unterrichten, nach ihrer Einschätzung des Stellenwertes von „ Nachhaltigkeit“ in den
Rahmenplänen befragt. Die folgende Darstellung beruht also auf eigener Analyse und der
Stellungnahme kompetenter Kollegen.
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3.2 Inhalte in einzelnen Fachgebieten
Um im Beruf verantwortlich im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung handeln zu können, benötigen Fachkräfte spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten, so etwa zu ökologischen und sozialen Implikationen des Handelns. Die Analyse der Rahmenpläne zur Fachrichtung Metall und
Elektrotechnik aber ergibt, dass hier der Begriff „ Nachhaltigkeit“ gar nicht vorkommt. Von
daher verwundert es auch nicht, dass die notwendige Wechselwirkung zwischen den drei Dimensionen - Ökologie, Ökonomie und Sozialem nicht enthalten.
Aber immerhin gibt es in einzelnen Fächern der Qualifizierung zum Industriemeister Metall
dafür verschiedene Anknüpfungspunkte. Exemplarisch seien genannt:
-in den grundlegenden Qualifikationen die Fachgebiete „ Rechtsbewusstes Handeln“,“ Betriebswirtschaftliches Handeln“ und „ Berücksichtigung naturwissenschaftlicher und technischer Gesetzmäßigkeiten“.
Das Fach „ Rechtsbewusstes Handeln“ bietet für Anknüpfung z.B. folgende Inhalte:
-Ziele und Aufgaben des Arbeitsschutzrechtes und des Arbeitssicherheitsrechtes
-Verantwortung für den Arbeitsschutz und die Arbeitssicherheit
-Ziel und Aufgaben des Umweltschutzes
-Umweltschutzrecht.
In diesem Zusammenhang ist es eine Aufgabe, Mitarbeiter zu sensibilisieren, verantwortlich
mit Ressourcen umzugehen. So sollte der Mitarbeiter wenig und ökologisch abbaubares Kühlschmiermittel verwenden. Oder ein anderes Beispiel: Der Mitarbeiter soll darauf achten, dass
in der Arbeitsstätte eine Öllache gesäubert wird. Ihm sollte klar sein, dass sonst Mitarbeiter
sich nicht nur verletzen, sondern auch die Umwelt geschädigt wird; ein Tropfen ÖL schädigt
etwa 600 l Grundwasser!
Das Fach „ Betriebswirtschaftliches Handeln“ enthält z.B. folgende Aspekte:
Betriebswirtschaft sollte immer strategisch d.h. langfristig ausgerichtet sein; denn langfristig
sichern Gewinn und Kennzahlen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Aber Wettbewerbsdruck und operative Ziele beeinträchtigen diese strategische Ausrichtung!
Auch Inhalte im Fachgebiet „ Berücksichtigung naturwissenschaftlicher und technischer Gesetzmäßigkeiten“ verweisen auf die genannte Trias der Nachhaltigkeit. Allerdings werden
diese Hinweise bei den Taxonomien und in den Empfehlungen zur Vermittlung immer unspezifischer und abstrakter. Daher erscheint eine eindeutige Identifikation kaum möglich, und
Akzente der Handlungsorientierung bleiben außen vor. Aber dieser Kontext ist für die Zuordnung von entscheidender Bedeutung.
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Auch bei den „ handlungsspezifischen Qualifikationen“ bestehen vielfältige Möglichkeiten,
angehenden Industriemeistern Nachhaltigkeit zu vermitteln. Aber in den den Fächern „ Montagetechnik“ und „ Qualitätsmanagement werden primär wirtschaftliche Themen betrachtet.
Die soziale Dimension spielt kaum eine Rolle. Das Themengebiet Qualitätsmanagement berührt höchstens die soziale Dimension, wenn es darum geht, eine Qualifikationsmatrix zu
verwende, um Verfahren wie „job rotation“ zu verwirklichen. Allerdings sind solche Aspekte
laut Lehrplan eher positive „ Begleitumstände“ bei der Erreichung wirtschaftlicher Ziele. Daher verwundert es nicht, dass ökologische Ziele ebenfalls kaum berücksichtigt werden.
Auch im Fach Personalentwicklung“ des Handlungsbereiches „ Führung und Personal“ werden zwar verschiedene Ziele der Personalentwicklung unterschieden, wie wirtschaftliches Ziel,
soziales Ziel, persönliches Ziel der Mitarbeiter und allgemeines Unternehmensziel. Aber die
Verbindung dieser Ziele im Ziel der nachhaltigen Entwicklung fehlt völlig!
3.3 Nachhaltigkeit in Prüfungen
Außer mit Inhalten kann Nachhaltigkeit in der beruflichen Qualifizierung zu Industriemeistern
in Prüfungen umgesetzt werden. Aber angesichts der dargestellten Ansätze und inhaltlicher
Lücken ist es nicht verwunderlich, dass nachhaltige Entwicklung noch kein Prüfungsinhalt bei
Industriemeistern Metall ist.
Exemplarisch wird das etwa bei Aufgaben im Fach „ Rechtsbewusstes Handeln“. Hier wurde
zwar gelegentlich auch Fragen zum Umweltschutz gestellt. Beispielhaft seien genannt:
-Welche Gesetze bzw. Verordnungen bestehen zum Umweltschutz?
-Was bedeuten „Altlasten“?
-Was bedeutet „Recycling“?
-Was sind Ziele des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes? Bei dieser Aufgabe war die richtige Lösung Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen; doch die Nachhaltigkeit
fehlte.
- Eine andere Frage in der Prüfung war: Welche Prinzipien bestimmen den Umweltschutz?
Bei dieser Aufgabe wurde zwar als richtige Antwort außer Vorsorgeprinzip – Verursacherprinzip – Kooperationsprinzip immerhin auch Nachhaltigkeit erwartet.
Solche Wissensfragen bleiben taxonomisch auf der Stufe der Reproduktion. Dabei ist Reproduktion im Rahmen der Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich die unterste, niedrigsten Stufe. Darauf kommt in einer höheren Stufe die Reorganisation, dann der Transfer des
Lernens und schließlich die Kreativität. Diese klassische Taxonomie hatte bereits der Deutsche Bildungsrat 1972 verwandt (Deutscher Bildungsrat, 1972, S. 78 -82). In Folge der Bloom9
schen Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich gibt es eine neue Bearbeitung (Anderson, L.W./ Krathwohl,D.R., 2001), was aber über unser Thema hinausgeht. Festzuhalten bleibt
hier, dass solche Wissensfragen wie beim Fach „ Rechtsbewusstes Handeln“ kaum die Fähigkeit angehender Industriemeister Metall fördern , nachhaltig verantwortlich zu handeln.
4. Innovativer Ansatz in der beruflichen Qualifizierung zu Industriemeistern Chemie
Der Rahmenplan zur beruflichen Qualifizierung zu Industriemeistern Chemie ist im Teil der „
Fachübergreifenden Qualifikationen“ ähnlich aufgebaut wie der Rahmenplan für Industriemeister Metall oder Elektrotechnik. Aber im Teil der „ Handlungsspezifischen Qualifikationen“
enthält er im ersten Handlungsbereich „Chemische Produktion“ den Qualifikationsschwerpunkt „ Verantwortliches Handeln im Betrieb (Responsible Care“). Ich sehe in diesem Schwerpunkt einen innovativen Ansatz überhaupt in der beruflichen Qualifizierung zu Industriemeistern.
Dieser Schwerpunkt umfasst im Rahmenplan folgende fünf Aspekte/ Unterthemen:
1)Überprüfen und Gewährleisten der Arbeits- und Anlagensicherheit sowie des Gesundheitsund Umweltschutzes
2)Erkennen von Schwachstellen im Bereich Arbeits- und Anlagensicherheit, Gesundheits- und
Umweltschutz sowie Einleiten vorbeugender Maßnahmen
3)Fördern des verantwortlichen Handelns von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Betrieb
4)Planen und Durchführen von Unterweisungen zur Arbeitssicher- und Anlagensicherheit sowie zum Gesundheits- und Umweltschutz
5)Gewährleisten des Informationsaustausches über sicherheits- und umweltrelevante Vorgänge
5. Innovative Konzeption der Berufsbildung zu Fachkräften und Führungskräften der Chemie in der Rhein-Erft-Akademie
5.1 Förderung von „ Responsible Care“ in der beruflichen Qualifizierung
In der Qualifizierung zu Industriemeistern Chemie werden an der Rhein-Erft-Akademie alle
genannten Inhalte vermittelt. Für den verantwortlichen Referenten sind von den genannten
Inhalten besonders die Themen wichtig:
-Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz
-Gefährdungsbeurteilung nach Arbeitsschutzgesetz im Verantwortungsbereich
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-Risikoermittlung im Verantwortungsbereich
-Vermeidung von Belastungen für Menschen und Umwelt durch
-Anlagen
-Einrichtungen
-Stoffe
-Tätigkeiten.
Die inhaltliche und methodische Umsetzung dieser Themen in 32 Stunden kann hier nur skizziert werden:
-Der Ansatz für die Gefährdungsbeurteilung besteht im Arbeitsschutzgesetz § 5.
-Ziele und Maßnahmen zur Beseitigung von Gefährdungen beziehen sich auf Technik – Organisation und persönliches Verhalten.
-Die Umsetzung und Wirkungskontrolle von Maßnahmen zur Beseitigung oder Verminderung
von Gefährdungen umfassen nicht nur Kontrolle, Prüfung der Arbeitsmittel, sondern auch
Unterweisung.
Mit diesen und anderen Inhalten werden zwar die angehenden Industriemeister vorbereitet,
Aufgaben zur Gefährdungsbeurteilung etwa in den Prüfungen von 2006 (3.Aufgabe) und 2009
(11.Aufgabe) richtig zu lösen. Aber in den Prüfungsaufgaben fehlt der Aspekt der Nachhaltigkeit – ganz zu schweigen von den drei miteinander verbundenen Dimensionen der Ökonomie, Ökologie und des sozialen Lernens.
5.2 Förderung von Nachhaltigkeit in der Berufsausbildung
Nachhaltigkeit wird bei der Rhein-Erft –Akademie nicht nur in der Qualifizierung von Industriemeistern gefördert. Hervorhebenswert ist, dass bereits die naturwissenschaftliche Berufsausbildung zum Chemikanten im Zeichen der Nachhaltigkeit steht (Rhein-Erft-Akademie: Das
Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung/ Informations- und Begleitheft)
Die Berufsausbildung zum Chemikanten umfasst bei der Akademie unter anderem 12 Wahlqualifikationseinheiten. Die beiden letzten Einheiten befassen sich auch mit der Nachhaltigkeit. So gehören zum 11.Zertifikat „Produktionstechnische Grundoperationen´“ folgende Inhalte:
-Einführung in das Arbeitsgebiet
-Betriebstechnische Grundoperationen
-Einweisung in die produktionstechnischen Anlagen
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-Produktionstechnische Aufgaben
-Aspekte der Nachhaltigkeit.
Ausdrücklich trägt das letzte, 12. Zertifikat den Titel „Nachhaltigkeit“. Hierzu gehören für die
angehenden Chemikanten die Inhalte:
-Sensibilisierung für zukunftsfähige Nachhaltigkeit
-Bedeutung des Zusammenwirkens von Ökonomie, Ökologie und Sozialem
-Nachhaltiges Wirtschaften im Betrieb
-Nachhaltige Betriebserkundung anhand eines Indikatoren- und Kennzahlensystems.
Mit dieser Förderung von Nachhaltigkeit gibt die naturwissenschaftliche Berufsausbildung
der Akademie wichtige Impulse für die künftige Gestaltung der Qualifizierung von Industriemeistern.
6. Zusammenfassung und Vorschläge für die berufliche Qualifizierung von Industriemeistern
Für die Leitidee der nachhaltigen Entwicklung hat die Berufsbildung entsprechende Grundlagen zu legen. Im Rahmen der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist es erklärtes Ziel der Berufsbildung, Kompetenzen bei den Beschäftigen zu fördern, mit denen Arbeitsund Lebenswelt im Sinne der Nachhaltigkeit gestaltet werden können. Ein wichtiger Bereich
ist dafür die berufliche Weiterbildung und hier ausgewählt die Qualifizierung zu Industriemeistern.
Nachhaltigkeit kann in der Qualifizierung zu Industriemeistern in unterschiedlichen Dimensionen gefördert werden:
-inhaltlich/ fachlich
-didaktisch/methodisch und
-in Prüfungen.
Im Hinblick auf die Ausgangsfragen (S.5/6)lassen sich die exemplarisch dargestellten Ergebnisse wie folgt zusammenfassen:
1. In den Rahmenplänen der ausgewählten Bereiche Metall und Elektrotechnik fehlen der
Begriff und das Thema der Nachhaltigkeit.
2. Immerhin gibt es verschiedene Ansätze für die Vermittlung von Nachhaltigkeit; aber die
drei verschränkten Dimensionen der Nachhaltigkeit von Ökonomie, Ökologie und Sozialem
sind nicht erkennbar.
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3. Völlig fehlen Aufgaben solcherart in Abschlussprüfungen für Industriemeister.
Weiterführend ist hier der Rahmenplan der Industriemeister Chemie mit dem Qualifikationsschwerpunkt „ Verantwortliches Handeln im Betrieb (Responsible Care). Dieser Schwerpunkt
kann für die Modernisierung der Qualifizierung von Industriemeistern Metall und Elektrotechnik der Maßstab sein.
Es geht bei der Modernisierung dieser Qualifizierung im Zeichen der Nachhaltigkeit um zweierlei:
-Erstens sind Inhalte z.B. der Arbeitssicherheit und des Umweltschutzes nicht eklizistisch zu
vermitteln, sondern unter der Betonung der Nachhaltigkeit und Langfristigkeit.
-Zweitens sind entsprechende Prüfungsaufgaben zu entwickeln; denn vielfach wird in der
Weiterbildung nur das gelernt, beherrscht und Ernst genommen, was auch geprüft wird! In
der Abschlussprüfung bieten gerade die Situationsaufgaben oder Handlungsaufträge als Prüfungsform gute Möglichkeiten, um eine Verschränkung von sozialen, ökologischen und ökonomischen Fragestellungen vorzunehmen. Diese Prüfung setzt aber eine entsprechende Vermittlung im Unterricht voraus, die bei den Rahmenplänen für Metall und Elektrotechnik eine
gründliche Reform erfordert!
Literatur
Anderson.L.W./ Krathwohl, D.R.: A Taxonomy for Learning, Teaching and Assessing: A Revision
of Bloom`s Taxonomy of Educational Objectives, New York 2001.
Bayer AG (Hrsg.): Nachhaltigkeitsbericht 2012, Leverkusen 2013.
Bundesinstitut für Berufsbildung (Hrsg.): Berufsbildung zukunftsfähig gestalten. Mittelfristiges Forschungs- und Entwicklungsprogramm des Bundesinstituts für Berufsbildung 2013 –
2016,Bonn 2013.
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Konferenz der Vereinten
Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro, Agenda 21, Bonn 1992.
Deutscher Bildungsrat (Hrsg.): Empfehlungen der Bildungskommission, Strukturplan für das
Bildungswesen, 4.Aufl., Stuttgart 1972.
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.): DIHK – Fortbildungsstatistik 2011, Berlin
2012.
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.): Geprüfter Industriemeister/ Geprüfte
Industriemeisterin. Fachrichtung Metall. Handlungsspezifische Qualifikationen. Rahmenplan
mit Lernzielen, Berlin 2006.
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Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.): Geprüfter Industriemeister/ Geprüfte
Industriemeisterin. Fachrichtungsübergreifende Basisqualifikationen. Grundlegende Qualifikationen. Rahmenplan mit Lernzielen, Berlin 2005.
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.): Geprüfter Industriemeister/ Geprüfte
Industriemeisterin. Fachrichtung Elektrotechnik, Handlungsspezifische Qualifikationen, Rahmenplan mit Lernzielen, Berlin 2005.
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Hrsg.):Geprüfter Industriemeister/ Geprüfte
Industriemeisterin. Fachrichtung Chemie. Rahmenplan mit Lernzielen, Bonn 2005.
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.): Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Erfolge
und Herausforderungen 25 Jahre nach dem Brundtland-Bericht, Köln 2012.
Kutt, Konrad: Berufsbildung und nachhaltige Entwicklung. In: Cramer/ Schmidt/Wittwer
(Hrsg.): Ausbilder-Handbuch, Köln 2008 (104.Erg.-Lfg.)
Lanxess AG (Hrsg.): Geschäftsbericht 2012: Nachhaltig denken – viel bewegen, Leverkusen
2013.
Oermann, Nils Ole: „ Wer moralisiert, will nicht verstehen“. In: Handelsblatt 22./23./24.März
2013, S.56/57.
Rhein-Erft Akademie (Hrsg.): Das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung. Informationsschrift
zur Nachhaltigkeitsschulung von Auszubildenden bei der RHEIN-ERFT AKADEMIE im Modellprojekt NaBiKa – Nachhaltige Bildungskarrieren in der Chemieindustrie. Hürth (o.J.)
Rhein-Erft-Akademie (Hrsg.): Informations- und Begleitheft: Ausbildung Chemikant/in. (Hürth
o.J.).
Schüßler, Ingeborg: Nachhaltigkeit in der Weiterbildung. In: Grundlagen der Weiterbildung,
2002, Heft 2, S. 108 – 111.
Verband der Chemischen Industrie, Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Bundesarbeitgeberverband Chemie: Das Nachhaltigkeitsverständnis der deutschen ChemieBranche, Frankfurt o.J.
Wittwer, Wolfgang: Nachhaltigkeit der betrieblichen Weiterbildung und Betriebsentwicklung.
In: Grundlagen der Weiterbildung, 2002, Heft 2, S. 111- 114.
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