Ethik-Kommissionen Ernst Singer Ethik-Kommission MUW Das Dilemma des klinischen Forschers... Als Arzt: Besorgt um die Gesundheit des Patienten Als Wissenschafter: Interesse an Erweiterung des Wissenstandes 1 Das Dilemma blieb lange Zeit verdeckt, weil die sittliche Zuverlässigkeit des Arztes auch das Handeln des Forschers zu legitimieren schien. Albert Neisser (1855 – 1916), der Entdecker des Gonokokkus, injizierte Serum syphilitischer Personen nicht an Syphilis erkrankten – zum Teil minderjährigen – Prostituierten, ohne Information oder Einwilligung der Betroffenen 2 Albert Neisser wurde in einem Disziplinarverfahren zu einer Geldstrafe verurteilt, die öffentliche Diskussion des Falles führte zu einer Verfügung des preußischen Kultusministeriums vom 29.12.1900. 1930, wurde in Lübeck eine groß angelegte Studie an Kindern mit einem Tuberkulose-Impfstoff durchgeführt. Vierzehn Kinder starben. 3 1931 Richtlinien des Reichsministeriums Für Neuartige Heilbehandlungen und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen Die Richtlinien sind hochmodern und heute noch relevant. Insbesondere stellten sie erstmalig klar, dass das Ausnützen sozialer Benachteiligung im Rahmen der Prüfung neuer Therapien mit medizinethischen Prinzipien unvereinbar ist. 4 Nach dem zweiten Weltkrieg…. Tuskegee Experiment Das U.S. Public Health Service (PHS) führte in den Jahren 1932-1972 eine Studie an 399 Patienten mit Syphilis durch. Es handelte sich um (mehrheitlich analphabetische) Afroamerikanische Erntearbeiter in Alabama. Sie erfuhren nicht, an welcher Krankheit sie litten, die Erkrankung wurde nur beobachtet (inkl. Gewinnung von Proben nach Autopsie). 5 Deklaration von Helsinki Empfehlungen und Basisprinzipien des Weltärztebundes für Ärzte, die Forschungen durchführen, in die Patienten eingebunden sind. Adopted by the 18th WMA General Assembly, Helsinki, Finland, June 1964, and amended by the 29th WMA General Assembly, Tokyo, Japan, October 1975 35th WMA General Assembly, Venice, Italy, October 1983 41st WMA General Assembly, Hong Kong, September 1989 48th WMA General Assembly, Somerset West, Republic of South Africa, October 1996 and the 52nd WMA General Assembly, Edinburgh, Scotland, October 2000 Note of Clarification on Paragraph 29 added by the WMA General Assembly, Washington 2002 Note of Clarification on Paragraph 30 added by the WMA General Assembly, Tokyo 2004 59th WMA General Assembly, Seoul 2008 6 Anforderungen an Wissenschafter Befolgung allgemein akzeptierter wissenschaftlicher Prinzipien Protokoll Ethik - Kommission Patientenaufklärung Was garantiert die EthikKommission? 1.Schützt die Integrität der Prüfungsteilnehmer 2. Unterstützt den Forscher in seinem Versuchsplan 3. Herstellung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen in der Öffentlichkeit 7 Ethikkommissionen Gesetzliche Grundlagen in Österreich: Niedergelassene Krankenanstalt Ärzte EK err. nach: AMG MPG KAKuG beurteilt: Klinische Prüfung von Klinische Prüfung von AM AM MP MP Krankenanstalt ist auch Univ.-Klinik UG2002 neue angewandte Methoden Forschung + nach: AMG MPG AMG MPG KAKuG AM/MP/Meth. Zusammensetzung (ICH-GCP 3.2.1) Angemessene Anzahl von Mitgliedern, die zusammen die Qualifikation und Expertise haben, die wissenschaftlichen, medizinischen und ethischen Aspekte der Studie zu beurteilen. a) mindestens 5 Mitglieder b) mindestens ein Mitglied, dessen berufliches Hauptinteresse in einem nicht-wissenschaftlichen Bereich liegt c) mindestens ein Mitglied, das unabhängig von der Institution ist 8 §41 (2) AMG Die Ethikkommission hat sich in einem ausgewogenen Verhältnis aus Frauen und Männern zusammenzusetzen und mindestens zu bestehen aus: 1. einem Arzt, der im Inland zur selbständigen Berufsausübung berechtigt ist und nicht der Prüfer ist, 2. einem Facharzt, in dessen Sonderfach die jeweilige klinische Prüfung fällt, oder gegebenenfalls einem Zahnarzt, und die nicht Prüfer sind, 3. einem Vertreter des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, 4. einem Juristen, 5. einem Pharmazeuten, 6. einem Patientenvertreter, 7. einem Vertreter einer repräsentativen Behindertenorganisation, 8. einer Person, die über biometrische Expertise verfügt und 9. einer weiteren, nicht unter die Z 1 bis 8 fallenden Person, die mit der Wahrnehmung seelsorgerischer Angelegenheiten betraut ist oder sonst über die entsprechende ethische Kompetenz verfügt EK beurteilt… Versuchsprotokoll/Amendment Einverständniserklärung Rekrutierungsverfahren Patienteninformation Prüferinformation (Investigator´s Brochure) 9 Patienteninformation und Einverständniserklärung Patienteninformation (1) Ziel und Zweck der Prüfung Art der Interventionen Erwarteter Nutzen und mögliche Risiken Belastungen Alternative Behandlungsmöglichkeiten Weitergabe neuer Informationen 10 Patienteninformation (2) Dauer der Prüfung Ungefähre Anzahl der Teilnehmer Vertraulichkeit Maßnahmen in Bezug auf Schwangerschaft Interessenskonflikte Rolle des Pharmazeuten in der klinischen Forschung Beurteilung der Qualiät der Prüfpräparate (=Beurteilung IMPD) Verfügbarkeit der Präparate Herstellung (?) 11 Rolle des Pharmazeuten in der klinischen Forschung Abschnitt VII AMG, Betriebsordnung § 62. (2) 3 Nicht als Betriebe gelten Anstaltsapotheken hinsichtlich der Herstellung von Prüfpräparaten, soweit es sich um das Umfüllen einschließlich des Abfüllens, das Abpacken und das Kennzeichnen handelt, und die Prüfpräparate zur Anwendung in einer Krankenanstalt bestimmt sind, Die Beurteilung durch die EK Wissenschaftliche und ethische Beurteilung können nicht eindeutig getrennt werden: wissenschaftlich minderwertige Forschung ist als solche unethisch, weil sie Patienten und Probanden sinnlosen Risiken und Belastungen aussetzt. 12 Studiensituation in Österreich Tätigkeitsberichtgs des Forums Österreichsicher EthikKommissionen Tätigkeitsbericht 2011 Rücklauf: 25 von 27 EKs (93%) Summe Mittelwert Min Max Zahl der Sitzungen 170 6,8 0 24 Neuanträge 3012 120 0 1227 - 10,2 0 51 Neuanträge pro Sitzung Summe % der Neuanträge kommerziell gesponsert 906 30,1% multizentrisch 1084 36,0% Summe % der Neuanträge 2920 96,9% 92 3,1% Krankenhaus Niedergelassene 13 Tätigkeitsbericht 2011 Beurteilte Studien - Erhebung gesamt 3000 2500 2000 1500 1000 500 0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Tätigkeitsbericht 2011 Studienarten, Begutachtungsergebnisse Summe % der Neuanträge AMG 964 32,0% MPG 236 7,8% Sonstige 1812 60,2% Summe % der Neuanträge ohne Auflagen akzeptiert 1061 35,2% mit Auflagen akzeptiert 1752 58,2% zur Weiterbehandlung vertagt 156 5,2% 43 1,4% abgelehnt/zurückgezogen 14 Allgemeines Krankenhaus 2200 Betten, 49 Kliniken 1528 Ärzte, 8998 Gesamtpersonal Einreichungen bei der Ethik-Kommission der Medizinischen Universität Wien 2000-2011 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 15 Die folgenden Auswertungen beziehen sich auf die Anträge nach AMG/MPG, aufgeteilt nach Sponsor (akademisch vs industriell) Aufteilung Voten (%) 16 Bearbeitungsdauer nach erster Sitzung - B2 – Aufteilung nach Sponsoren (Tage) Bearbeitungsdauer nach erster Sitzung B3 – Aufteilung nach Sponsoren (Tage) 17 Die Erledigung von B2’s bedeutet in der Regel unzählige telefonische Rückfragen, die die EK manchmal an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringen, wie das folgende Protokoll zeigt… Die nebenstehende Skizze wurde angefertigt, als im Rahmen einer B2Erledigung eine Person der EK den Hörer an eine andere Person der EK überreichte... 18 Danke für Ihre Aufmerksamkeit 19