Auf den Punkt gebracht - Donau

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Auf den Punkt gebracht
Auf den politischen Bühnen, national wie international, zeichnet sich ein Wandel ab: Immer mehr Frauen drängen in
Führungspositionen – die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und die französische Präsidentschaftskandidatin
Ségolène Royal sind dafür nur die plakativsten Beispiele. Was oft zum Geschlechterkampf hochstilisiert wird, hängt
– wie alle Ergebnisse demokratischer Wahlen – vor allem mit dem Wahlverhalten der Bürger zusammen. Hier unterscheiden sich die Präferenzen der Geschlechter in Europa weniger als in den USA. Wählerstimmen werden – trotz
geschlechtsspezifischer Unterschiede – noch immer hauptsächlich durch Sachthemen gewonnen.
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Wahlen in der modernen Gesellschaft
Frau gegen Mann
im politischen Wettbewerb
In den Jahren 2007 und 2008 wurden und werden jene internationalen Wahlen mit
dem größten Medienecho zum quotenträchtigen Geschlechterkampf hochstilisiert. In der Journalistensprache war Frankreichs Innenpolitik vom „Infight“ Ségolène Royals gegen Nicolas Sarkozy geprägt. In den USA wird trotz des jüngsten
Obama-Hypes ein Duell um die Präsidentschaft zwischen Hillary Clinton und Rudy
Giuliani immer wahrscheinlicher.
Gesellschaftlich sollte außer Streit stehen, dass
ein höherer Frauenanteil in der Politik nicht bloß
wünschenswert, sondern eine dringende Notwendigkeit ist. Welche Konsequenzen hat jedoch das Antreten von Frauen für den politischen
Wettbewerb? In der Regel liegt in Wahlen vorne,
wer den Bürgern glaubhaft deren Sorgen abnimmt oder sich zumindest um diese kümmert.
Ein gängiges Vorurteil besagt, dass Frauen das
vor allem bei Alltagsproblemen besser können
als Männer.
Parteien. Wären in Österreich nur Frauen wahlberechtigt, hätten wir fast immer eine Regierung
der SPÖ mit den Grünen. Sogar 2002, als der ÖVP
ein Sensationsergebnis gelang, gab es unter den
Frauen eine rot-grüne Mehrheit.
REAKTIONÄRE FRAUENKLISCHEES
Eine solche Behauptung ist diskriminierend und
falsch zugleich. Einerseits drängt man dadurch
Kandidatinnen in die Rolle einer sich um ihre
Kinder kümmernden Hausfrau. So werden reaktionäre Frauenklischees befriedigt. Andererseits
passen ausgerechnet die konservativen Aushängeschilder Maggie Thatcher und Angela Merkel
nicht ins Bild. Beide verkörpern alles Mögliche,
doch waren und sind sie keine Mütter der Nation.
FRAU WÄHLT ROT-GRÜN
Damals stimmten 50 Prozent der Frauen und nur
39 Prozent der Männer für – in Summe der beiden
Parteien – SPÖ und Grüne. Umgekehrt wählten 56
Prozent der Männer ÖVP oder FPÖ, während nur
48 Prozent der Frauen für eine der seinerzeitigen
Regierungsparteien votierten. Die Nationalratswahl von 2006 (Abbildung Seite 18) setzte diesen Trend eindeutig fort: SPÖ und Grüne kamen
im Vorjahr bei den Frauen auf exakt 50 Prozent
der Stimmen, während unter den Männern diese
zwei Parteien in Summe nur 42 Prozent erreichten. Rechts der Mitte, d. h. seitens der Parteien
ÖVP, FPÖ und BZÖ, gab es eine männliche Mehrheit von 53 Prozent. Im Gegensatz dazu hätten
die Frauen den drei genannten Parteien nur 47
Prozent der Wählerstimmen gebracht.
Tatsache ist eine – spätestens seit den achtziger
Jahren beobachtbare – Geschlechterkluft im
Wahlverhalten. Weltweit stimmen Frauen mehr
für Mitte-Links- und Männer für Mitte-Rechts-
Nach den einzelnen Parteien und im Vergleich
zur Nationalratswahl 2002 musste 2006 die ÖVP
deutlich größere Verluste unter den weiblichen
Wählerinnen (minus zehn Prozent) als bei männ-
Peter Filzmaier
Leiter Department Politische Kommunikation, Donau-Universität Krems
Text
Peter Filzmaier
Foto
Presse und Informationsamt der
Bundesrepublik Deutschland,
Donau-Universität Krems
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Peter Filzmaier
Peter Filzmaier ist seit 2005 Leiter des
Departments Politische Kommunikation
an der Donau-Universität Krems. Von
1994 an arbeitete er an den Universitäten
Salzburg und Wien. Zudem war Filzmaier
ab 1999 Bereichs- und Abteilungsleiter
für Politische Bildung am Institut für
Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung in Innsbruck und Klagenfurt und
übernahm dort 2001 auch eine Professorenstelle für Politikwissenschaft. Hinzu
kommen mehrere Auslandsaufenthalte
am Georgetown University Law Center,
der Library of Congress und im U.S. State
Department in Washington D.C. Seine
Arbeitsschwerpunkte sind Politik und
Medien, Politische Kommunikation und
Wahlen, Politik und Politische Bildung
in Österreich. Außerdem erforscht Filzmaier den Vergleich politischer Systeme,
insbesondere das politische System
und den politischen Prozess in den USA
sowie Internet und Demokratie.
lichen Wählern (minus fünf Prozent) hinnehmen.
Dies korreliert stark mit dem schwachen Sozialimage der ÖVP, welches bei Frauen vermutlich
stark das Wahlergebnis beeinflussend wirkte.
Überraschenderweise konnte die FPÖ bei Frauen von einem relativ niedrigen Ausgangsniveau
zulegen, was laut Wahlmotivforschung auch mit
der Person des Spitzenkandidaten Heinz-Christian Strache zusammenhing. Sie verlor jedoch im
Gegenzug einen kleinen Anteil an männlichen
Wählern. Die Grünen wurden 2002 ebenso wie
2006 mehrheitlich von Frauen gewählt.
WAHLMOTIVATION TERROR
In Österreich beträgt die Differenz in der Stimmverteilung von Frauen und Männern demnach bis
zu fünf Prozentpunkte. In den USA werden noch
höhere Werte gemessen. Frauen begünstigen
manchmal mit einem Unterschied von zehn Punkten die Demokratische Partei bzw. deren – freilich ebenso großteils männliche – Kandidaten,
wobei in der letzten Präsidentschaftswahl der
republikanische Stimmenanteil unter Frauen geringfügig anstieg. Offensichtlich stellten manche
weiße Frauen der Mittelklasse Terrorängste bzw.
eine Bekämpfung der Terrorgefahr als Wahlmotiv über soziale Sicherheitssorgen des Alltags
(Löhne, Mieten, Schulgeld usw.) und sahen in
diesen Problemfeldern die Republikaner als
kompetenter und handlungsbereiter an (security
moms). Unter weißen Frauen verzeichneten zugleich republikanische Kongresskandidaten von
2000 bis 2004 in Summe einen Anstieg von rund
vier Prozentpunkten. Mehrheiten gewannen die
Republikaner auch unter nicht-berufstätigen
Frauen.
In Frankreich, wo übrigens nach Frauen und
Männern paritätische Wahllisten für Regionalräte und das Europäische Parlament gesetzlich
in der Theorie und als zahnloses Gesetz vorgeschrieben sind, waren es 2002 sechs Prozentpunkte Geschlechterdifferenz im Wahlverhalten.
In einem Frauenentscheid wäre Jean-Marie Le
Pen nicht in den zweiten Wahlgang gekommen.
2007 lag Sarkozy in der Stichwahl bei den Frauen
nur vier Prozentpunkte vor Royal, bei den Männern war sein Vorsprung doppelt so groß.
LAW & ORDER VS. LIBERALITÄT
Für die Präsidentschaftswahlen in den USA und
Frankreich passt das Links-Rechts-Schema von
den angeblich „linken“ Frauen, weil vor allem
Royal und zum Teil Clinton ein liberales Image haben. Ihre Konkurrenten haben sich als konservative law-and-order-Haudegen profiliert. Rudolph
Giuliani als Gegner Clintons erfand lange vor dem
11. September für New York die Nulltoleranzstrategie. Mit rigorosen Strafen wurde die Kriminalitätsrate in acht Jahren um 57 Prozent gesenkt.
Sarkozy erlebte als Innenminister bereits 2005
ein Popularitätshoch, als er die Pariser Vororte
mit roher Polizeigewalt befriedete.
Bestimmen daher Sicherheitsthemen den Wahlkampf, haben Frauen einen schweren Stand.
Wählen jedoch Frauen wirklich keine Männer?
Da sind die Befunde weniger eindeutig. Benita
Ferrero-Waldner etwa hatte mehr Frauen als
Männer hinter sich und trotzdem keine wirkliche
Chance. Ihr Problem war, dass sie unter Wechselwählerinnen in liberal-städtischen Gebieten
kaum punkten konnte. Die Paradefrau von des
Ergebnisse der österreichischen Nationalratswahl 2006 nach Geschlecht
Männer
Frauen
40 35 30 25 -
Ergebnisse insgesamt
20 15 -
Sonstige
10 5+/– 2002
18 upgrade
ÖVP 34%
GRÜNE 11%
FPÖ 11%
–5 –10
–1 +1
+2 +2
–3 +2
ÖVP
SPÖ
GRÜNE
FPÖ
SPÖ 35%
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Kanzlers Gnaden sprach ein weibliches Stammpublikum an, das auch den größten Macho als
ÖVP-Kandidaten gewählt hätte.
ZIELGRUPPE HERD-HEIMCHEN
Mit umgekehrten Vorzeichen befand sich Royal
und befindet sich Clinton in einem ähnlichen Dilemma. Sie müssen in fremden Revieren wildern,
d. h. die Wahlen nicht bei jüngeren Feministinnen und/oder in den Großstädten gewinnen. Der
Weg zum Erfolg führt über ältere Heimchen am
Herd im kleinbürgerlichen Hinterland bzw. den
konservativen Südstaaten. Das ist schwierig
bis unmöglich. In einer modernen Gesellschaft
könnte man/n – unabhängig von den genannten
Kandidatinnen sowie deren Stärken und Schwächen aus gesellschaftspolitischen Erwägungen
– grundsätzlich hinzufügen: Leider!
LITERATUR UND LINKS
Peter Filzmaier, Wie wir politisch ticken,
Ueberreuter, 2007
Peter Filzmaier/Fritz Plasser, Politik auf amerikanisch: Wahlen und politischer Wettbewerb in
den USA, Manz Verlag, 2005
Regina Richter, Angela Merkel und andere kluge
Frauen, Vdm Verlag, 2007
Unabhängige „Wahlkabine“ für politische
Meinungsbildung
http://politikkabine.at
Politische
Kommunikation
Medien sind die zentrale Plattform
für politische Kommunikation. Der
postgraduale Universitätslehrgang
„Politische Kommunikation“ richtet
sich an Journalisten und vermittelt die
Kompetenz, in einem komplexen Medienumfeld politische Inhalte überzeugend
vermitteln zu können. Im Theoriebereich
dienen Einführungs- und Pflichtseminare
zur Grundlagenbildung, im Praxisbereich
sind Exkursionen, Übungen und Praktika
Teil des Lehrgangs. Medienmanager,
Herausgeber und Chefredakteure, Journalisten, Politikberater sowie führende
Politik- und Kommunikationswissenschaftler vermitteln als Top-Referenten
Schlüsselqualifikationen für eine
Tätigkeit als Politikvermittler.
www.donau-uni.ac.at/pk
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