Eutergesundheit Turbo für die Körperabwehr Zellzahlen bei 250.000 und immer wiederkehrende Mastitisinfektionen nach dem Kalben. Wo liegen die Probleme? Milchviehhalter Jörg Grotkopp arbeitet an den Schwachpunkten und setzt ein neues Konzept mit erstaunlichen Erfolgen um. Von Markus Pohlke • Jörg Grotkopp hat seit Jahren mit hohen Neuinfektionsraten nach dem Kalben zu kämpfen . • Der Betr iebsleite r hat die Schwach stellen identifiziert und geht sie Stück für Stück an. • Um die Neuinfektionsraten kurzfristig zu senke n, setzt er ein neues Medikament ein. • Auf diese Weise hat er es geschafft, die Zel lzah len von 240.000 auf 160.000 Zellen/ ml zu senken. D ic Mastitisrate auf dem Betrieb war schon immer recht hoch. Jede vierte Kuh ist bei uns nach dem Trockenstellen mit einer Mastitis in die Laktation gegangen': erläutert Eigentümer und Betriebsleiter Jörg Grotkopp. Bei den Färsen war sogar jede Dritte (35 Prozent) von einer Mastitis zu Laktationsbeginn betroffen. ,,Wir behandeln Kühe und Färsen schon seit Jahren. Mittlerweile stellten wir sie selektiv trocken und behandelten sie anschließend in der Laktation. Von den hohen Neuinfektionsraten sind wir nicht heruntergekommen", erläutert der Landwirt. Die Problemkeime auf dem Betrieb sind vor allem Umweltkeime, wie Streptococcus uberis und KNS (Koagulase-negative Staphylokokken) . Die somatischen Zellzahlen im Tank sanken selten unter 250.000 Zellen/ml. Milchviehhaltung in alter Substanz Der aus Schleswig-Holstein stammende Grotkopp hat den Betrieb in Bösewig, Sachsen-Anhalt, rund 20 km südöstlich von der Lutherstadt Wi ttenberg, im Jahr 1997 von der BVVG erworben. Derzeit bewirtschaftet er rund 400 ha und hält gut 500 Tiere in den alten Stallungen. Die Gebäude sind zwar noch aus DDR-Zeiten, ~ aber das Innenleben hat er soweit moder- ~ nisiert, wie es die Stallhülle zuließ. 150 m B.,; lang und 12 m breit ist der Stall, in dem ~ 26 dlz primus Rind MAI 2017 i I JJ W 1T h "'cl de (( di dE m z, G1 W( / n ück DER BETRIEB JÖRG GROTKOPP, BÖSEWIG Kennzahl Einheit Wert landwirtschaftliche Nut zfläche ha 0 Milchkühe Stück 270 0 Tiere insgesamt Stück 500 0Jährllche Milchleistung kg/Kuh 10.300 0 Fett % 4,1 0Eiweiß % 3,4 0Zellzahlen Zellen/ ml 160.000 0 Milchpreis Cent/kg 31.S* Remontierungsrate % 35 0 Zwischenkalbezeit Tage 392 0 Erstkalbealter Monate 24 0 Verlustrate % unter 5 Klauenpflegetermine pro Jahr Anzahl 3 Melkungen pro Tag Anzahl 2,6 Anzahl 5 Melksystem t, 400,davon lBOGrünund 220 Ackerland Mitarbeiter insgesamt 4 Roboter * Grundpreis März 2017 war rede iem ,titis 5en)pp. ritte ktaieln tfittund ~akaten 'läu: auf ime, sich das Milchvieh befindet. Der Fressbereich befindet sich außen. Am Fressplatz wurden die Laufflächen mit einem Gummibelag ausgelegt. 1m Stall wurden die Fenster ausgebaut und die Boxenmaße verbreitert, damit Holsteinkühe ausreichend Luft und Platz haben. Die Hochboxen mit Matratzen werden täglich mit einem Kalkstrohgemisch (Gewichtsverhältnis 2: l ) eingestreut, um die Feuchtigkeit auf der Fläche zu binden. Über den Spaltenboden bewegt sich m ehrmals täglich ein Spaltenroboter. Zweimal im Jahr führt der Landwirt eine Grundreinigung im Stall durch. Auch wenn die Stallmaße einen Kompromiss agu- ma~lten :nde wig, tlich Jahr rzeit t gut Die iten , 1i der- :C"' iOm .,; dem U-~ (l_ Abgekalbt wird in einer Gruppe. Hier gibt es noch Verbesserungsbedarf. D as Medikament ist seit Mitte letzten Jahres auf dem Markt und das Prinzip ist so einfach wie genial: Mittels natürlicher Botenstoffe (sogenannte Zytokine) wird das Wachstum von Abwehrzellen (sogenannte neutrophile Granulozyt en) angeregt. Letzt ere sind für die unspezifische Abwehr von Infektionen im Körper verantwortlich. Der hier eingesetzte Wirkstoff Pegbovigrastim (Markenname lmrestor) ist ein geschütztes Zyt okin. Das heißt, im Vergle ich zur natürlichen Form zerfällt es nicht nach wenigen Stunden, sondern regt das Wachstum der Abwehrzellen mehr als drei Tage an (bis zu 80 Stunden). Bevor das neue Mittel im Betrieb eingesetzt wird, sollte der Tierarzt den Gesundheitsst at us der Herde prüfen. Dafür sollte er im Rahmen der Bestandsbetreuung die Daten des Betriebs kennen, um einschätzen zu können, ob eine Therapie infrage kommt. Wenn die Ursachen für das Mastitisproblem nicht eindeutig sind, muss er diesen zuerst auf den Grund gehen. Stehen eindeutige Fütterungs- und Haltungsfehler f est, gilt es, diese Probleme zunächst zu beseitigen. Auch bei akuten Erkrankungen sollte das Medikament nicht zum Einsatz kommen. Eine negative Energiebilanz (Ket ose) oder Calciummangel (Milchfieber) haben einen negativen Einfluss auf das Immunsystem. Auch hier könnte der Einsatz problematisch sein. mp Kommentar: Allheilmittel? Nein! an muss immer aufpassen, wenn ein neues Produkt mit vielen Versprechen auf den Markt kommt. Das gilt auch in diesem Fall. Das Prinzip des neuen Medikaments ist sehr interessant. Botenstoffe regen das Wachstum von Abwehrzellen an. Diese sogenannten Zytokine kennt man aus der Krebstherapie. Sie werden im Anschluss einer Behandlung eingesetzt um das Immunsystem wieder zu stärken. M Es ist auch deswegen interessant weil es in Zeiten, in denen Antibiotika in der Tierhaltung auf dem Prüfstand stehen, eine Alternative bieten könnte. Der Betrieb Grotkopp sieht genau diese Chance. 11 I I Für die Kritiker ist klar: Statt die Fehler im Management zu beheben, kann man die Probleme mit diesem Produkt einfach wegspritzen. Ich denke, das greift zu kurz. So sind dem Einsatz Grenzen durch die tierärztliche Überwachung gesetzt und die Tierärzte sind gut beraten, diese auch zu setzen. Denn wenn mit dem Produkt nur fortlaufende Fehler überdeckt werden, wirkt sich das über kurz oder lang negativ auf das wirtschaftliche Ergebnis des landwirtschaftlichen Betriebs aus. Wenn aber jemand seine Schwachpunkte erkennt und angeht und gleichzeitig rund um die Kalbung stabilere und gesündere Tiere hat weil er die Abwehr unterstützt kann dagegen niemand etwas haben. mp darstellen, versucht der Betriebsleiter, die Haltungsbedingungen zu optimieren. Vier Roboter in zwei Gruppen Vier Roboter melken die Kühe. 2,6-mal täglich besuchen die Tiere den Melkautomaten im Schnitt. Dreimal täglich werden sie nachgetrieben. In der Regel sind I O Prozent der Tiere täglich überfällig. Um zu verhindern , dass Keime von Kuh zu Kuh verteilt werden, desinfiziert die Technik die Reinigungsbürsten nach jeder Kuh mit Peressigsäure. Außerdem erfolgt nach jedem Melkdurchgang eine Heißwasserdampf-Zwischendesinfektion. Die Milchleistung liegt seit Jahren bei rund 10.000 kg. Doch regelmäßige Neu infektionen nach dem Kalben - insbesondere bei den Färsen - führen zu Milchverlusten und zusätzlich er Arbeit. Daher haben sich der Betriebsleiter und sein Herdenmanager Dirk Krüger dazu entschieden, die Herde in zwei Gruppen zu teilen. So melken sie seit letztem Jahr eine Gruppe, die fast nur aus Färsen besteht. ,,So bringen wir die Färsen stressfreier in die Laktation'~ erläutert der Landwirt. Da aber zu wenig Färsen vorhanden si nd, um beide Roboter im Stallabteil voll nutzen zu können, ist dort auch ein Teil der Kühe untergebracht. Da die Liegeboxengröße 28 dlz primus Rind MAI 2011 an die Färsen angepasst ist, verbleiben kleinere gesunde Kühe in der Gruppe. ,,Der Stress der Färsen äußerte sich, weil viele T iere nach dem Kalben extrem abnahmen und dann Ketose bekamen", erklärt Grotkopp. Um dem vorzubeugen, erhalten die Färsen drei Wochen vor dem Kalben einen Ketoseschutz-Bolus. Das erhöht die Glukoseproduktion im Pansen und mindert den Fettabbau. Shredlage und Heu Die Herde wird zweimal am Tag gefüttert. Die Ration der Frischmelkenden besteht aus Grassilage, Maissilage, Körnermais, Rapsschrot, Stroh, Heu und Mineralfutter. l n den ersten 30 Laktationstagen erhalten d ie Frischlaktierenden zusätzlich Propylenglykol im Roboter. Um die Schmackhaftigkeit zu verbessern, wird der Energiespender mit Melasse vermischt. Die Ration mit 6,6 MJ NEL und 15 Prozent Rohprotein ist auf25 l Milch ausgelegt. Was die Tiere darüber hinaus leisten, wird über Kraftfutter im Melkautomaten ausgeglichen. Hier sind bis zu 7 kg Konzentrat je Tier und Tag möglich. Heu gibt es für alle Tiere in Heuraufen ad libitum. Den Mais verfüttert Jörg Grotkopp mittlerweile schon im zweiten Jahr als Shredlage mit einem Trockenmassegehalt von H Im Färsenstall ist kaum noch Platz. Das will der Landwirt künftig ändern. f.l Der Futtertisch befindet sich im Außenbereich. rund 32 Prozent und achtet darauf, dass die Futterqualität schon im Silo stimmt und nur gute Qualität in den Trog kommt. Trockenstellen mit Tücken Herdcnmanager Dirk Krüger verantwortet das Trockenstellen der Tiere. ,,Wir wollen künftig weniger Antibiotika einsetzen. Da her stellen wir seit gut zwei Jahren selektiv trocken", erklärt er. Mittels Zellzahlmessung im automatischen Melksystem identifiziert er die Tiere mit mehr als J00.000 somatischen Zellzahlen pro Milliliter Milch. Das sind im Schnitt rund 10 Prozent der Tiere. Nur sie werden antibiotisch trockengestellt. Alle Kühe erhalten einen Zitzenversiegler. Trockengestellt wird nach Tragetagen - die Zwischenkalbezeit liegt unter 400 Tagen. Durch d ie relativ kurzen Kalbeintervallc verfetten die Altmelkenden kaum. Die Färsen kommen drei Wochen vor dem Kalben ebenfalls in den Trockenstehcrstall. Bei der Fütterung müssen sie sich nicht umstellen, denn beide Gruppen erhalten dasselbe Futter. In der Transitgruppe wird die Trockensteherration zu 40 Prozent mit der Frischmelkerration aufgewertet. ,,Außerdem streuen wir Kraftfutterpellets über das Futter, dam it sich die Färsen daran gewöhnen, das Konzentrat auch im Melkroboter zu fressen", erklärt Grotkopp. Eine Woche vor dem Kalben kommen die Tiere in die Abkalbegruppe. Sie kalben in einer Gruppenbucht ab. Hier sieht der Betriebsleiter Verbesserungsbedarf. ,,WiJ: planen Einzelboxen, weil wir glauben, dass ein Grund für die Neuin fektionen nach dem Kal ben die Hygiene im Abkalbestall ist", meint Jörg Grotkopp. Nach dem Kalben ~ kommen alle Tiere zur Beobachtung in ~ eine Freshcow-Gruppe, bevor sie an- § schließend in die Melkherde wechseln. (r. Färsenüberschuss Dass mancher Segen auch zum Fluch werden kann, ist auf dem Betrieb im FärsenstaU zu beobachten. ,,Wir haben tendenziell zu viele Färsen und der StaU ist voU. Ich befürchte, dass auch hier eine Ursache für unser Mastitisproblem liegt", glaubt Jörg Grotkopp. Der Segen sind die enorm guten Aufzuchtzahlen bei den Kälbern. Der Betrieb hat eine Verlustrate von unter 5 Prozent. Und er zog bisher sein gesamtes weibliches Jungvieh auf, um dann zu entscheiden, welche Tiere sich für die Herde am besten eignen. Seit Kurzem geht man nun einen anderen Weg. Um die Auswahl frühzeitig treffen zu können, wird jetzt von allen weiblichen Tieren der genomische Zuchtwert ermittelt. ,,Das versetzt uns in die Lage, die interessantesten Tiere vorab zu selektieren. Den Rest können wir verkaufen oder mit Kreuzungsrassen belegen. So hoffen wir, von den hohen Tierzahlen im Färsenstall runterzukommen", so der Landwirt. .ass ,mt mt. Immunsystem stimulieren orVir inNei tels Ob nun der Umbau des Abkalbebereichs oder das Zurückfahren von Aufzuchtfärsen: Beide Maßnahmen greifen erst mittel- bis langfristig. Doch die Euterentzündungen und somatischen Zellzahlen hat Grotkopp jetzt schon gut im Griff. Das verdankt er einem Medikament, das seit knapp einem Jahr auf dem Markt ist. Das Arzneimittel fu nktioniert, vereinfacht gesagt, indem es das Immunsystem der Tiere stimuliert (siehe Kasten ,,Wie die Tmmunstimulation funktioniert''). Der Milchviehhalter setzt das Mittel seit Juni 2016 mit dem Ziel ein, die Neuinfektionen zu senken. Dafür erhalten alle Tiere eine Woche vor dem Kalben eine Dosis :lk- ehr JrO md m- ialeUt :al- erlm. 1or w1ter die Haut. Eine zweite Injektion folgt umnittelbar nach dem Kalben. Bis Anfang März hatte er 192 Tiere auf diese Weise behandelt. Der T ierarzt sah den Einsatz auf dem Betrieb als gerechtfertigt an, da er trotz guter Haltungsbedingungen und Fütterung hohe Erkrankungsraten aufwies. Damit war vor allem die hohe Zahl an Mastitiserkrankungen in den ersten 30 Laktationstagen gemeint. Der Erfolg der Behandlung war durchschlagend: Von den 192 behandelten Tieren hatten in der Folgelaktation nur noch acht Tiere eine Mastitisinfektion nach dem Trockenstellen. Das waren 87 Prozent weniger als vorher! Damit verbunden sanken auch die somatischen Zellzahlen: Lagen sie vor dem Einsatz noch bei 240.000 Zellen/ml, sind sie jetzt bei 160.000. Allerdings kommt es bei Einzeltieren vor, dass die Zellzahlen in den ersten fünf Laktationstagen (ein bis zwei Melkzeiten) ansteigen, ohne Anzeichen klinischer Symptome wie zum Beispiel Flocken. ,,Im ersten Moment kommt es einem widersinnig vor. Aber eigentlich ist es einleuchtend, denn das Mittel stimuliert die Produktion von Abwehrzellen und wenn ein Tier erkrankt, stehen mehr Abwehrzellen zur Verfügung, die zum Einsatz kom men", erläutert Herdenmanager Krüger. Weniger Antibiotika ,,Schon mit dem selektiven Trockenstellen versuchen wir, den Antibiotikaeinsatz herunterzufahren. Mit der Immunstinmlanz bestand die Möglichkeit, ihn noch weiter zu senken. Künftig wollen wir ohne Antibiotika auskommen'~erläutert Grotkopp seine Motivation. Und dies ist ihm gelungen. So haben sich die Mastitisfälle Betriebsleiter Jörg Grotkopp hat den Betrieb in Bösewig seit 1997. Die alten Ställe sind ein Kompromiss, den er durch bestmöglichen Komfort auszugleichen versucht. während der gesamten Laktation von 86 auf 45 fast halbiert. Und auch der Antibiotikavcrbrauch ging zurück. Heißt das, dass auch die Kosten gesunken sind? Im Vergleich zum Vorjahr sanken sie für die Mastitisbehandlung mit dem Einsatz der Immunstimulanz um ein Drittel. ,,Vergleicht man nur die Medikamentenkosten, würde sich der Einsatz nicht lohnen. Wenn wir aber die Kosten reclmen, die wir durch das Vermeiden einer Mastitis sparen, und die zusätzliche Milch, die wir jetzt abliefern können, bleibt unter dem Strich ein positives Ergebnis", ist der Betriebsleiter überzeugt. Theoretisch wäre es möglich, die Immunstimulanz während der Laktation einzusetzen. ,,Wir haben das ausprobiert, aber den größten Nutzen bringt es zu Beginn der Laktation. Hier ist das Krankheitsrisiko am höchsten", ergänzt Hermp denmanager Dirk Krüger. ~n- sie 1pm- .011 ltiNir nit ias es- Schützen Sie Ihre Rinder vor lästigen Insekten wie Augenfliegen, Wadenstecher oder Bremsen im Stall und auf der Weide bis zu 11 Wochen lang! Die blaue Farbe lässt die bereits behandelten Tiere leicht erkennen! Wirkstoff: Permethrin 1or :lie 1pter In- ~in em st", ,en -"' in :C 0. "' (l/ Biozide vorstehtly ve,wendenl lll - .,; 0 Vor Gebrauch stets Etikett und 11. U. Produkt1nfo1mation lesen I ö