Fleischrinder Mit Power zum ersten Kalb Hohe Zunahmen in der Säugeperiode und Aufzuchtphase sind Voraussetzung für ein niedriges Erstkalbealter. Auch Fleischrinder-Färsen sollten nach 24 Monaten das erste Mal kalben. Das setzt eine intensive Aufzucht voraus. Wie es geht, zeigt Dr. Manfred Golze von der Sächsischen Landesanstalt. W as für Milchkühe gilt, trifft auch auf Fleischrinder zu: Eine geringe Wachstumsintensität in der Färsenaufzucht verschlechtert fast alle Leistungsparamter der Tiere. Zudem erhöht sich das Erstkalbealter. Somit stehen mehr „unproduktive“ Tiere im Bestand. In der Mutterkuhhaltung kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Viele Betriebe setzen auf saisonale Kalbeperioden, meist mit Abkalbeschwerpunkt im Frühjahr. Das heißt, die Färsen müssen mit 24 Mo- R 26 top agrar 7/2010 naten das erste Mal kalben, um in den Herdenryhtmus integriert zu werden. Nur Betriebe mit mehreren Kalbeperioden können die Aufzuchtdauer der Färsen flexibel verlängern. Färsen müssen mit 24 Monaten kalben Bei nur einem Abkalbeschwerpunkt hat ein höheres Erstkalbealter als zwei Jahre hingegen negative Folgen: n Die ohnehin schon kleineren Kälber der Färsen haben es als letztgeborene schwer sich gegen die größeren Kälber der Altkühe durchzusetzen. Bei Weideabtrieb und Trennung von den Kühen sind sie die jüngsten und somit auch die leichtesten. n Andere Kälber können die Färsen bereits vor der Kalbung ansaugen und somit das Kolostrum „klauen“. n Die Jungkühe haben bis zur nächsten Besamungsperiode kaum Rastzeit. Wer- Übers. 1: Gewichte zur Besamung und Kalbung Rasse Charolais Fleisch-Fleckvieh Limousin Deutscher Angus Hereford Gewicht zur ersten Besamung, kg 480 – 550 420 – 520 420 – 450 360 – 420 360 – 450 Gewicht zur ersten Kalbung, kg 650 – 750 600 – 680 580 – 600 500 – 580 500 – 600 Gewicht der ausgewachsenen Kuh, kg 800 – 900 700 – 850 700 600 – 700 600 – 750 Färsen sollten zur Besamung etwa 60 bis 65 % des Gewichtes einer Kuh erreicht haben. Übersicht 2: Hohe Zunahmen senken das Erstkalbealter1) Rasse mittel- bis großrahmige Rassen Geburts- tägl. Zunahmen Absatzgewichte Säugeperiode2) alter Absatzgewicht tägl. Zunahme im Aufzuchtprozess3) Gewicht zur 1. Besamung 37 – 43 kg 850 – 950 g 8–9 Monate 260 – 300 kg 750 – 850 g 360 – 480 kg klein- bis mittel30 – 36 kg rahmige Rassen 750 – 850 g 8–9 Monate 220 – 260 kg 650 – 720 g 320 – 380 kg 1) auf 23 bis 25 Monate, 2) Geburt bis Absetzen, 3) Absetzen bis 1. Besamung den sie trotzdem tragend, kann es aufgrund des Gewichtverlustes zu Problemen bei der zweiten Kalbung kommen. Ein kontinuierliches und zügiges Wachstum ist aber auch für die Entwicklung des Verdauungstraktes erforderlich, damit die Tiere später trotz extensiver Grünlandwirtschaft viel fressen und ausreichend Milch für ihre Kälber produzieren. Zudem werden in der Wachstumsphase die Maße des Innenbeckens festgelegt, die den Geburtsverlauf entscheidend bestimmen. Um das Erstkalbealter von 24 Monaten zu erreichen, müssen die Färsen etwa im Alter von 15 Monaten besamt werden. Dabei sollten sie etwa 60 bis 65 % des Gewichts einer ausgewachsenen Kuh ihrer Rasse erreicht haben (Übersicht 1). Zu geringe Gewichte haben Schwergeburten und Kälberverluste zur Folge. Zudem ist der Zuwachs in der ersten Laktation geringer. Daher sind bei mittel- bis großrahmigen Rassen wie Charolais, Fleckvieh und Limousin zur ersten Besamung Lebendgewichte von 360 bis 480 kg und je nach Typ sogar bis zu 550 kg anzustreben. Intensive Aufzucht erforderlich Das setzt eine intensive Aufzucht voraus. Die weiblichen Kälber mittel- und großrahmiger Rassen müssen somit tägliche Zunahmen von 850 bis 950 g in der Säugeperiode (Geburt bis Absetzen) erreichen. Die Absetzgewichte der Kälber im Alter von acht bis neun Monaten sollten zwischen 260 und 300 kg liegen. Vom Absetzen bis zur Integration in die Belegungsherde (Aufzuchtperiode) müssen die Jungtiere mittel- und großrahmiger Rassen Tageszunahmen von 750 bis 850 g erzielen (Übersicht 2). Um das zu erreichen, sollten die im Frühjahr geborenen Kälber bereits wenige Wochen nach der Geburt zugefüttert werden. Bewährt hat sich hierzu ein Kälberschlupf. Das ist ein kleiner Laufhof mit Futterautomat, den ausschließlich die Kälber betreten können. Sie können so ab Sommer den nachlassenden Futterwert des Grases oder die geringere Milch- leistung des Muttertieres ausgleichen. Das Zufüttern von Kraftfutter oder einer Getreidemischung steigert die Tageszunahmen erfahrungsgemäß um 50 bis 100 g. Zudem erreichen die Kälber meist auch in der anschließenden Aufzuchtperiode höhere Zunahmen. Färsen nicht direkt in die Herde eingliedern Dazu ist allerdings eine optimale Rationsgestaltung erforderlich. Zwar sollen die Aufzuchttiere keinesfalls gemästet werden, doch aufgrund des noch relativ kleinen Verdauungstraktes können sie nur begrenzte Mengen Rohfaser aufnehmen. Deshalb sollten die Jungrinder vom Absetzen bis zum Belegen idealerweise eine Totale-Misch-Ration mit einer Energiedichte von 6,5 MJ NEL/kg Trockenmasse (TM) erhalten. Außerdem ist das Füttern von etwas Kraftfutter sinnvoll, um die geforderten Zunahmen zu erreichen. Im zweiten Lebensjahr sollten die Färsen zur Besamung in einer eigenen Herde, idealerweise getrennt von den Masttieren, geführt werden. Die tragenden Tiere sollten anschließend nicht direkt in die Mutterkuhherde integriert werden. Vielmehr sollten sie weiter in der Färsenherde auf der Weide bleiben. Denn so müssen sich die jungen, leichteren Tiere im darauffolgendem Winter bei der Fütterung nicht gegen die älteren, ranghöheren Kühe durchsetzen. Das Bilden von Die Absetzgewichte der Kälber im Alter von acht bis neun Monaten sollten zwischen 260 und 300 kg liegen. eigenen Färsenherden ist aber meist nur in größeren Beständen möglich. Zur Kalbung im Frühjahr sollten die Färsen zur Geburtsüberwachung in der Nähe des Stalles oder einem gut einsehbaren Ort gehalten werden. Betriebe mit kleineren Bestandsgrößen integrieren die Jungkühe anschließend meist in die Mutterkuhherde. Größere Bestände, die teilweise ohnehin mehrere Teilherden führen, sollten die Zutreter idealerweise erst nach der Säugeperiode und zweiter Trächtigkeit, also im Herbst, in die Herde integrieren. Das hat den Vorteil, dass die kräftigen Kälber der Altkühe die (noch verunsicherten) Jungkühe nicht zusätzlich besaugen können. Energieschub für Jungkühe Bei guter Weideführung ist für Mutterkühe keine Zufütterung erforderlich. Bei Jungkühen gibt es aber eine Ausnahme: Nach der Kalbung lasssen sich mit der Flushing-Fütterung in kurzer Zeit 5 bis 6 % höhere Trächtigkeitsraten erzielen. Dabei erhalten die Tiere etwa vier bis sechs Wochen vor der Besamung 1,5 bis 2 kg Kraftfutter pro Tag. Durch den Energieschub nehmen die Jungkühe besser auf. Hat der Betrieb keine Möglichkeit, die Mutterkuhherde getrennt von der Färsenherde zu halten, sollten die Färsen idealerweise zwei bis vier Wochen vor den Kühen abkalben. Die Färsenkälber sind bei der Geburt etwas leichter, die Über einen Kälberschlupf lassen sich die Kälber auf der Weide gezielt mit Kraftfutter zufüttern. top agrar 7/2010 R 27 Fleischrinder Milchleistung der Färsen ist etwas geringer. Somit erhalten die Kälber einen kleinen Vorsprung und die Jungkuh hat etwas mehr Zeit bis zur neuen Belegung. Der Zeitvorsprung ist nötig, da die Jungkühe nach der Kalbung noch etwa 60 bis 70 kg Lebendmasse verlieren. Bei noch größeren Gewichtsverlusten verschlechtern sich die Trächtigkeitsraten drastisch. Das belegt eine Auswertung der Universität Leipzig. Darin erreichten Jungkühe (Fleischrind x Milchrind) mit weniger als 51 kg Gewichtsverlust in der sechswöchigen Besamungsperiode eine Trächtigkeitsrate von 74 %. Bei Jungkühen mit einem Gewichtsverlust von über 100 kg lag die Trächtigkeitsrate hingegen nur bei 31 %. Auch die Milchleistung der Jungkühe wird von dem Gewichtsverlust beeinflusst. Das verschlechtert insbesondere die Zunahmen und Absetzgewichte der Kälber. Untersuchungen zeigen, dass durch den Gewichtsverlust die Milchleistung um bis zu 600 bis 800 kg in der ersten Laktation zurückgeht. Das hat geringere Absetzgewichte von 60 bis 80 kg zur Folge. Schaffen die Jungkühe es nicht, innerhalb des Besamungszeitraums tragend zu werden, scheiden sie meist aus der Produktion aus, da sie nicht mehr in den Kalberythmus passen. Durch die geringe Nutzungsdauer werden viele Färsen zur Bestandsergänzung benötigt. Damit können weniger Tiere verkauft werden. Zudem verschlechtert sich die Wirtschaftlichkeit, da pro tragende Färse Aufzuchtkosten von etwa 1 200 € angesetzt werden müssen. Hinzu kommt, dass die abgehenden Jungkühe nur geringe Schlachtgewichte und -körperqualitäten erreichen. Somit erzielen sie niedrigere Schlachterlöse. Wir halten fest In den meisten Mutterkuhherden müssen die Färsen im Alter von zwei Jahren abkalben. Das setzt eine intensive Aufzucht voraus. Während der Säugeperiode sind für mittel- und großrahmige Rassen Tageszunahmen von 850 bis 950 g anzustreben. Um das zu erreichen, ist das Zufüttern von Kraftfutter über einen Kälberschlupf zu empfehlen. In der Aufzuchtperiode sollten die täglichen Zunahmen zwischen 750 und 850 g liegen. Hierzu ist eine Ration mit einem Energiegehalt von etwa 6,5 MJ NEL/kg TM nötig. Zur Besamung sollten die Färsen etwa 60 bis 65 % ihres späteren Gewichts erreicht haben. Zu geringe Gewichte bei der Kalbung oder ein zu hohes Erstkalbealter führen zu Problemen bei der Eingliederung der Jungkühe in die Mutterkuhherde. R 28 top agrar 7/2010 Die besten Tricks der Aufzucht-Profis Zwei Mutterkuhhalter aus Sachsen verraten, wie sie ein Erstkalbealter von 24 Monaten erreichen. Klaus-Dieter Pätzold hält die tragenden Fleckvieh-Färsen ohne Zufütterung auf der Weide. Dabei passt er die Weidefläche ständig dem Futterbedarf an. Fotos: Liste Herde kalbt Anfang Winter I n der Koberland eG aus Langenbernsdorf kalben fast alle der 100 FleckviehMutterkühe zwischen Oktober und Dezember. „Zum einen sind die Zuchtbullen auf den Auktionen im Februar besser konditioniert, da sie schon über ein Jahr alt sind. Zum anderen können wir die Masttiere im Alter von 16 bis 18 Monaten noch vor dem üblichen Preisverfall in der Sommerpause vermarkten“, begründet Gottfried Wolf, Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft. Zu Beginn der Kalbeperiode sind die Tiere noch auf der Weide. Anfang November wird die Herdbuch-Herde dann in einen umgebauten Anbindestall aufgestallt. Dort kalben alle Tiere in einer Abkalbebucht. „Anschließend bilden wir 25er-Mutter-Kalb-Gruppen und stallen diese gruppenweise im Tiefstreustall auf“, erklärt Klaus-Dieter Pätzold, Abteilungsleiter Rinderaufzucht und –mast. Herzstück jeder Tiefstreu-Bucht ist der Kälberschlupf: Hier erhalten die Kälber zusätzlich noch energiereiche Silage, Heu und gequetschte Gerste ad libitum. Die weiblichen Kälber kommen Ende April zusammen mit den Muttertieren wieder auf die Weide. Dort erhalten sie bis zum Absetzen im Mai/Juni ebenfalls noch Gerstenschrot ad libitum über einen Kälberschlupf. „So erreichen wir bis zum Absetzen Tageszunahmen zwischen 1 100 und 1 200 g. Nach dem Absetzen verzichten wir aber auf das Zufüttern, achten jedoch auf ausreichend Weideaufwuchs“, sagt Pätzold. Im Winter werden die Färsen mit den Silagen gefüttert, „die sich bei den 600 Milchkühen nicht verwerten lassen.“ Etwa ab Januar, wenn die Färsen mindestens 14 Monate alt und 440 kg schwer sind, beginnt die Besamungsperiode. Färsen, die bis März das erforderliche Gewicht oder Alter noch nicht erreicht haben, werden erst im Herbst mit etwa 22 Monaten besamt, damit sie später wieder in den Kalberythmus passen. Alle tragenden Färsen werden auf der Weide in einer Gruppe gehalten. Damit sie nicht verfetten, setzt Pätzold auf eine Mischung von Portions- und Standweide. Probleme bei der Eingliederung der im Alter von zwei Jahren abgekalbten Färsen in die Mutterkuh-Herde sieht Vorstandsvorsitzender Wolf nicht: „Die Rinder mit einem Erstkalbealter von über 30 Monaten sind zwar in der ersten Laktation besser konditioniert, doch die jüngeren Färsen holen das schnell wieder auf. Zudem überwiegen die Vorteile durch den Abkalbeschwerpunkt im Frühwinter.“ -pl- Färsen kalben früher D ie Färsen und Jungkühe kalben etwa drei Wochen vor den Kühen. Dadurch haben wir mehr Zeit, uns um die Färsen zu kümmen. Zudem haben sowohl die Färsen als auch deren Kälber einen Zeitvorsprung gegenüber den älteren Tieren“, erzählt Jürgen Schubart aus Beilrode. Zusammen mit seiner Frau Jutta Wiegand hält er in der Elbaue etwa 130 Hereford-Kühe ganzjährig auf der Weide. Das Erstkalbealter auf dem Betrieb liegt bei etwa 23 Monaten. Dazu sind eine intensive Aufzucht und hohe Tageszunahmen erforderlich. „Das erreichen wir mit einer gezielten Zufütterung bis zum Belegen der Färsen“, sagt Schubart. Alle Tiere kalben von März bis Anfang April. In der Säugeperiode füttert Schubart den Kälbern zusätzlich über einen Kälberschlupf Maissilage zu. Zwar liegt die Futtermenge unter 1 kg Trockenmasse pro Kalb und Tag, dennoch erzielen die Kälber dadurch bis zum Absetzen im November Tageszunahmen von durchschnittlich 1 100 g. Die Absetzgewichte liegen bei ca. 300 kg. Vom Absetzen bis zum Belegen Anfang Mai bekommen die Färsen eine Mischration aus Maissilage, Nassschnitzel und Kraftfutter (Energiestufe II, 16 % Rohprotein) sowie Heu. Damit erreichen sie Tageszunahmen von etwa 900 g. Das Lebendgewicht zur Belegung beträgt etwa 500 kg. Um den Zuchtfortschritt zu beschleunigen, besamt Schubart einen Teil der Färsen künstlich. Dazu fixiert er die Tiere in einem Fangwagen. Bei nicht tragenden sowie den übrigen Färsen und Kühen kommen Deckbullen zum Einsatz. Bis zum Kalben hält Schubart die tragenden Färsen ohne Zufütterung auf der Weide. Im Winter füttert er ausschließlich Heu an alle tragenden Tiere, damit sie nicht verfetten. Nach dem Kalben bildet der begeisterte Züchter mit den Färsen und Jungkühen eine eigene Herde. „Diese halten wir dann auf den besseren Weiden, damit der Gewichtsverlust so gering wie möglich ausfällt. Sollten die Frischkalbinnen allerdings mehr als 80 kg verlieren, füttern wir noch zu“, erklärt Schubart. Zukünftig will er mit seiner Frau weiter an der Zuchtstrategie im Betrieb feilen. „Unser Ziel sind Tiere, die dem Markt und dem Zuchtziel entsprechen.“ -pl- „Damit wir ein Erstkalbealter von 23 Monaten erreichen, füttern wir unsere Hereford-Färsen gezielt zu“, sagt Jürgen Schubart. top agrar 7/2010 R 29