Cesare Lievi Machtspiele. Eine Soap Opera Über Macht, Politik und das Spiel mit dem Fächer Originaltitel: Soap Opera I Deutsch von Peter Iden Fragen an Cesare Lievi An der Spitze kann es einsam sein. Und wird es einsam bleiben. Aber die namenlos bleibende Signora in Cesare Lievis neuem Stück ist bereit, auch diesen Preis zu zahlen. Vom Präsidentenamt, der Spitze des Staates, ist sie nur noch einen kleinen Schritt entfernt. Der Sieg in der bevorstehenden Wahl scheint ihr sicher, aber dem Zufall überlassen will sie dennoch nichts. Voller Unruhe spürt sie in einer schlaflosen Nacht ihrer Wirkung auf die Massen nach, überprüft ihre Reize, posiert vor dem Spiegel. Das Volk will verführt werden! Und im Verführen hat sie über die Jahre hinweg beachtliches Talent erlangt. Nicht nur den verstorbenen Präsidenten konnte sie für sich gewinnen. Natürlich gab es auf ihrem Weg auch schmerzhafte Erfahrungen. Die haben sie aber nur abgehärtet für das, was kommt. Denn: Politik ist ein Geschäft, Liebe ein Spiel und Macht ist das größte Vergnügen. Sie ist bereit, ihren Platz in einer von Männern dominierten Welt einzunehmen. Cesare Lievis Stück führt direkt hinein ins Vorzimmer der Macht. Es ist die ungeschönte Lebensbeichte einer Frau, die die Regeln der Männer zu ihren eigenen gemacht hat. Virtuos führt es vor, wie politische Ziele hinter der Inszenierung und Ästhetisierung von Politik und Politikern verschwinden, und zeigt, wie Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen dem Spiel um die Macht unterworfen werden. (2 D) Frei zur Uraufführung »Das schmeichelhafte Vergnügen, so heimtückisch wie unwiderstehlich, oben zu sein, die Fäden unzählbarer menschlicher Schicksale in Händen zu halten, sie zu verstricken, zu verknoten, sie heillos zu verwirren – und sie wieder zu lösen, ganz nach deinem Belieben.« Cesare Lievi, ›Machtspiele. Eine Soap Opera‹ Cesare Lievi: Natürlich kann man an Politikerinnen wie die Präsidentin von Argentinien, Cristina Fernández de Kirchner, oder auch die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, denken. Mir geht es aber um etwas anderes, nämlich um die Inszenierung von Politik, von Macht. Wie stilisiert, inszeniert und kontrolliert sich jemand, um glaubhaft einen Politiker darzustellen, als eine von vielen Rollen, die man im Leben spielen kann. So etwas kann man aber auch bei Politikern wie Berlusconi oder Schröder – gerade zu Beginn seiner Kanzlerschaft – beobachten. Und grundsätzlich bei jedem, der mehr auf seine Wirkung nach außen achtet und dabei vergisst, dass es auch um Inhalte geht. Heißt das, dass die Signora in Ihrem Stück an dem politischen Amt, das sie anstrebt, gar nicht interessiert ist? Foto: Maurizio Buscarino 36 Cesare Lievi wurde 1952 in Gargnano am Gardasee geboren. Der Regisseur und Autor promovierte in Philosophie mit einer Arbeit über »Trotzki und den Surrealismus«. Er gilt als einer der großen Poeten des Theaters. Erste Erfolge feierte er durch seine Schauspielinszenierungen (u.a. am Schauspiel Frankfurt, an der Schaubühne Berlin, dem Burgtheater Wien oder dem Thalia Theater Hamburg), bevor die Oper zu seiner zweiten Heimat wurde. So inszenierte er u.a. an der Metropolitan Opera New York und regelmäßig an der Mailänder Scala und der Oper Zürich. Mit seinen Stücken Fotografie eines Raums und Fremde im Haus war er zu Gast bei der Theaterbiennale »Neue Stücke aus Europa«. 2010/11 wurde er zum Leiter des Schauspiels am Teatro Nuovo Giovanni da Udine berufen. Michael Sauter: Gibt es ein Vorbild unter den aktuellen Politikerinnen für die namenlos bleibende Signora in Ihrem Stück, die das Präsidentenamt anstrebt? Was sie interessiert, ist ihre Wirkung nach außen. Mit dieser will sie ihr Ziel erreichen, die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Das würde ihr Selbstbestätigung und, das Wichtigste, Macht geben. Sie will das Gefühl haben, bestimmen zu können, ihren Willen durchzusetzen. Auch, um sich über die Welt der Männer zu erheben. Männer betrachtet sie als Gegner oder Konkurren- ten. Sie hat sie in ihrem Leben nie als Partner erlebt. Wir begegnen der Signora als Kind, als junge Frau und als Erwachsene kurz vor der entscheidenden Wahl. Unterschiedliche Lebensalter, unterschiedliche Zeiten prallen also aufeinander, die im Stück zusammengeführt und verdichtet werden. Wichtiges Accessoire für die Selbstinszenierung der Signora ist ein Fächer, ihr Gesprächspartner ist ihre Amme. Das wirkt etwas anachronistisch, hat geradezu märchenhafte, opernhafte Züge … Genau das ist auch beabsichtigt. Es handelt sich hier ja nicht um ein psychologisch-realistisches Stück, sondern eher um eine Groteske, eine Farce. Die verschiedenen Zeiten, die zusammenkommen, die leicht unheimliche Amme, die sich nicht so recht zuordnen lässt … Das hat natürlich auch etwas Surreales, etwas aus der Realität Herausgefallenes. Wie würden Sie dann die Beziehung zwischen der Amme und der Signora beschreiben? Sie sind aneinander gebunden, brauchen einander. Sie schätzen und hassen sich zugleich. Jeder weiß alles vom anderen. Und somit hat jeder, vielleicht auf unterschiedliche Weise, Macht über den anderen. Und mit dieser Macht spielen sie, jeden Tag, an dem sie mehr oder weniger dasselbe Gespräch führen. Stücke – eine Auswahl Fotografie eines Raums Originaltitel: Fotografia di una stanza Deutsch von Peter Iden 1 D, 2 H UA: 25.1.2005, Teatro Brescia Regie: Cesare Lievi Fremde im Haus Originaltitel: La Badante Deutsch von Annette Hunscha de Cordero und Peter Iden 3 D, 2 H UA: 22.9.2007, Staatstheater Wiesbaden Regie: Cesare Lievi Die Sommergeschwister Originaltitel: Fratelli d’Estate Ein Stück Deutsch von Peter Iden 4 D, 4 H UA: 25.4.1992, Schaubühne Berlin Regie: Cesare Lievi Zweierlei Zeit Originaltitel: Festa d’Anime Deutsch von Annette Hunscha de Cordero und Peter Iden 9 D, 6 H UA: 18.9.1999, Schauspiel Bonn Regie: Cesare Lievi Himmel Originaltitel: Cielo Deutsch von Annette Hunscha de Cordero 2 D, 2 H Frei zur Uraufführung 37