2.8 Wärmeregulation

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Feuchtwangen
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2.8 Wärmeregulation
2.8.1 Physiologische Grundlagen
Physiologie des Wärmehaushaltes
Der Mensch hält seine Körperkerntemperatur trotz wechselnder Umgebungstemperatur auf einem konstanten
Niveau von etwa 36,5 bis 37 °C. Als Körperkern werden
dabei die inneren Gewebe des Körpers bezeichnet, deren
Temperaturverhältnis untereinander nicht durch Anpassungen von Kreislauf oder durch Wärmeverlust zur
Umwelt beeinflusst werden (The Commision for Thermal
Physiology of the International Union of Physiological
Sciences 2001).
Dabei schwankt die Körperkerntemperatur tagesrhythmisch. Die niedrigsten Körperkerntemperaturen werden
nachts gefunden, die höchsten am frühen Nachmittag.
Die Regulation des Wärmehaushalts erfolgt im hinteren Anteil des Hypothalamus. Dort laufen afferente Impulse von Wärme- und Kälterezeptoren ein. Diese stammen zum Teil von temperaturempfindlichen Wärmeoder Kälteneuronen des vorderen Hypothalamus selbst
(Area praeoptica) (ca. 20 %), zum Teil aus anderen Teilen
des Gehirns (ca. 20 %), aus dem Rückenmark (ca. 20 %),
aus dem Abdomen (ca. 25 %) und aus der Haut (ca. 15 %)
(Sessler 1990). In der Area hypothalamica posterior werden diese Informationen durch thermoresponsive Zellen
verarbeitet. Dabei spielen Transmitter wie Histamin
(Hirose et al.), Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Acetylcholin, Prostaglandin E1 sowie verschiedene andere Neuropeptide (Sessler 1990) eine Rolle.
Reaktion auf Abkühlung
Bei Abkühlung setzen Regelprozesse ein, die zunächst
eine thermoregulatorische Vasokonstriktion auslösen.
Durch Noradrenalinfreisetzung aus sympathischen Nervenfasern werden an arteriovenösen Shunts α1-Rezeptoren stimuliert und führen dort zur Vasokonstriktion.
Diese arteriovenösen Shunts befinden sich hauptsächlich
in der Lederhaut der Akren. Durch die Abnahme der peripheren Hautdurchblutung kommt es zu einer Abkühlung
der der Haut. Dadurch verringert sich der Temperaturgradient zwischen Haut und Umgebung und damit auch die
Wärmeabgabe über die Haut.
Darüber hinaus kommt es zu einer Umverteilung des
venösen Rückstroms. Das venöse Blut der Extremitäten
fließt nun weniger durch die oberflächlichen Venen
zurück, sondern vermehrt durch die tiefen Venen und
tauscht dort die Wärme mit der direkt danebenliegenden
Arterie im Gegenstromprinzip aus. Über diesen Mechanismus führt die thermoregulatorische Vasokonstriktion
zu einer funktionellen Trennung von Körperkern und
Körperschale. Dies ist der entscheidende Wirkmechanismus der thermoregulatorischen Vasokonstriktion (Sessler
1990, Sessler 1997). Reicht dieser Mechanismus zur Konstanthaltung der Körperkerntemperatur nicht aus, so
wird die Wärmebildung zusätzlich durch Kältezittern
gesteigert (Abb. 2.8). Parallel zu diesen autonom ablaufenden Mechanismen greift der Mensch bewusst durch sein
Verhalten steuernd ein.
2.8.2 Physikalische Grundlagen
Physikalische Mechanismen
des Wärmeaustausches
Der menschliche Körper tauscht mit seiner Umgebung
über vier Mechanismen Wärme aus: Konduktion, Konvektion, Radiation und Evaporation. Ganz grundsätzlich
fließt Wärme immer vom Ort der höheren Energie zum
Ort mit niedrigerer Energie. Die Größe des Wärmeaustausches bestimmen drei Faktoren:
1. Der treibende Energiegradient. Dies ist für Konduktion, Konvektion und Radiation der Temperaturgradient. Beim evaporativen Wärmeaustausch ist der
treibende Energiegradient die Wasserdampfpartialdruckdifferenz.
2. Die wärmeaustauschende Fläche.
3. Der Wärmeaustauschkoeffizient h.
Der Wärmeaustausch wird wie folgt beschrieben:
.
Q = ΔT · A · h.
Dabei ist:
.
Q = Wärmeaustausch [W]
ΔT = Temperaturgradient [°C]
A = Fläche [m2]
h = Wärmeaustauschkoeffizient [W m–2 °C–1]
Verändert sich der Temperaturgradient und misst man
zeitgleich den Wärmeaustausch pro Flächeneinheit, so
lässt sich aus diesen Daten der Wärmeaustauschkoeffizient bestimmen. Dazu wird der Wärmefluss pro Flä-
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2 Physiologische Veränderungen im Alter
Abb. 2.8 Das Thermoregulationszentrum befindet sich im hinteren Hypothalamus. Hier laufen die afferenten Impulse aus dem
vorderen Hypothalamus, aus anderen Teilen des Gehirns, aus dem Rückenmark, aus dem Abdomen und der Haut ein. Beim Erreichen bestimmter Schwellenwerte werden thermoregulatorische Gegenmechanismen wie Vasokonstriktion und Kältezittern ausgelöst.
cheneinheit über dem Temperaturgradienten aufgetragen
und durch die Datenpunkte eine Regressionsgerade
gelegt (Abb. 2.9).
Dieser Wärmeaustauschkoeffizient erlaubt dann die
Effektivität des betrachteten Wärmeaustauschmechanismus zu quantifizieren. Dabei ist der Wärmeaustauschkoeffizient vom Temperaturgradienten unabhängig. Die
Kenntnis des Wärmeaustauschkoeffizienten erlaubt die
Berechnung der Wärmeflüsse, wenn nur der Temperaturgradient bekannt ist (English 2001).
det konvektive Wärmeübertragung nur in Gasen oder
Flüssigkeiten statt (English 2001).
Beispiel: Konvektive Luftwärmer.
Konduktion
Bei Konduktion wird Wärme von Molekül zu Molekül
übertragen. Dabei kommt es zu einer Steigerung der
Energie der Moleküle und auch der Temperatur. Bei
konduktiver Wärmeübertragung bleiben alle beteiligten
Moleküle an ihrem Standort. Daher kann konduktive
Wärmeübertragung nur in oder zwischen Festkörpern
stattfinden (English 2001).
Beispiel: Elektrisch oder wasserbetriebene Wärmematten.
Konvektion
Bei Konvektion wird Wärme ebenfalls von Molekül zu
Molekül übertragen. Dabei kommt es auch hier zu einer
Steigerung der Energie der Moleküle und der Temperatur.
Anders als bei Konduktion ändern bei konvektiver Wärmeübertragung die Moleküle ihren Standort. Daher fin-
Abb. 2.9 Linearer Zusammenhang zwischen Wärmefluss pro
Fläche und Temperaturgradienten bei konduktivem Wärmeaustausch zwischen einer mit Gel beschichteten Wassermatte und
dem Rücken.
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2.8 Wärmeregulation
Radiation
Bei Radiation wird Wärme durch elektromagnetische
Wellen zwischen zwei Körpern mit unterschiedlicher
Temperatur übertragen. Dabei wird kein Medium zur
Wärmeübertragung benötigt. Wenn Strahlung auf einen
festen Körper trifft, so kann diese Strahlung entweder
den Körper durchdringen, reflektiert oder absorbiert werden. Nur extrem dünne Körper können von Infrarotstrahlung durchdrungen werden. Diese Möglichkeit kann bei
der Interaktion von Infrarotstrahlung mit dem menschlichen Körper vernachlässigt werden. Der Anteil an Strahlung, der von einem Körper absorbiert wird, ist abhängig
vom Absorptionsvermögen dieses Körpers. Da die
menschliche Haut eine Emissivität von annähernd 1 hat,
wird die auftreffende Infrarotstrahlung fast vollständig
absorbiert. Der restliche Anteil der Strahlung wird reflektiert.
Beispiel: Infrarotstrahler.
Vorerkrankungen. Zusammen mit der damit verbundenen Medikation sind diese Patienten schon vor jeglicher
anästhesiologischen Maßnahme gefährdet, hypotherm zu
werden.
Auch bei gesunden älteren Menschen sind die Kälteabwehrmechanismen wie Vasokonstriktion und Steigerung
der Wärmeproduktion abgeschwächt (Kenney u. Munce
2003, DeGroot u. Kenney 2006). Dies führt in Verbindung
mit einer reduzierten Muskelmasse, einem geringeren
Ruheenergieumsatz (Harris u. Benedict 1919) und dem
reduzierten subkutanen Fettgewebe (Priebe 2000) dazu,
dass ältere Menschen unter Kältestress schneller hypotherm werden (Kenney u. Munce 2003). Dies ist auch
unter perioperativen Bedingungen nachgewiesen (Kurz
et al. 1993).
Kernaussagen
●
Evaporation
Bei Evaporation wird Wärme durch die Verdunstung von
Feuchtigkeit abgegeben. Die Wassermoleküle diffundieren hierbei von einer feuchten Oberfläche mit einem
hohen Wasserdampfpartialdruck zu einem Ort mit
niedrigerem Wasserdampfpartialdruck. Das Ausmaß der
Evaporation ist hierbei abhängig vom Unterschied des
Wasserdampfpartialdrucks. Durch Zunahme der Luftgeschwindigkeit erhöht sich auch das Ausmaß der Wärmeabgabe durch Evaporation. Dabei besteht ein linearer
Zusammenhang zwischen evaporativem Wärmeverlust
und konvektivem Wärmeverlust (English 2001).
Beispiel: Wärmeverlust über das eröffnete Peritioneum.
2.8.3 Besonderheiten
beim alten Menschen
Die Körperkerntemperatur von gesunden älteren Menschen unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der jüngerer Menschen. Kommen allerdings zusätzliche Faktoren, wie z. B. Mangelernährung, Untergewicht, Rauchen,
Alkoholkonsum, Diabetes mellitus, neurologische Erkrankungen oder der Einfluss verschiedener Medikamente
wie z. B. von Neuroleptika (Kudoh et al. 2004) hinzu,
dann finden sich häufig niedrige Körperkerntemperaturen bei älteren Menschen (Kenney u. Munce 2003).
In aller Regel sind ältere Patienten, die sich einem größeren operativen Eingriff unterziehen müssen, nicht
gesund. Sehr viele dieser Patienten haben kardiovaskuläre, pulmonale, renale, neurologische und psychiatrische
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●
●
Bei Abkühlung reagiert der menschliche Körper zunächst mit einer thermoregulatorischen Vasokonstriktion zur Aufrechterhaltung der Körperkerntemperatur.
Bei Nichterfolg setzt das Kältezittern zur Wärmebildung
ein.
Ältere Menschen mit Vorerkrankungen haben häufig
niedrige Körperkerntemperaturen.
Ältere Menschen sind generell anfälliger für Hypothermie unter Stressbedingungen.
Literatur
DeGroot DW, Kenney WL. Impaired defense of core temperature in
aged humans during mild cold stress. Am J Physiol Regul Integr
Comp Physiol 2006; 292: R103–108
English MJM. Physical principles of heat transfer. Curr Anaesth Crit
Care 2001; 12: 66–71
Harris JA, Benedict FG. A biometric study of basal metabolism in
man. Philadelphia: Lippincott; 1919
Hirose M, Hara Y, Matsusaki M. Premedication with famotidine augments core hypothermia during general anesthesia. Anesthesiology 1995; 83: 1179–1183
Kenney WL, Munce TA. Invited review: aging and human temperature regulation. J Appl Physiol 2003; 95: 2598–2603
Kudoh A, Takase H, Takazawa T. Chronic treatment with antipsychotics enhances intraoperative core hypothermia. Anesth Analg
2004; 98: 111–115
Kurz A, Plattner O, Sessler DI et al. The threshold for thermoregulatory vasoconstriction during nitrous oxide/isoflurane anesthesia
is lower in elderly than in young patients. Anesthesiology 1993;
79: 465–469
Priebe H-J. The aged cardiovascular risk patient. Brit J Anaesth
2000; 85: 763–778
Sessler DI. Mild perioperative hypothermia. N Engl J Med 1997;
336: 1730–1737
Sessler DI. Temperature monitoring. In: Miller RD, Hrsg. Anesthesia.
3. Aufl. New York: Churchill Livingstone; 1990: 1227–1242
The Commission for Thermal Physiology of the International Union
of Physiological Sciences. Glossary of terms for thermal physiology. 3rd ed. Jpn J Physiol 2001; 51: 245–280
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