LIcht Mi 21. — Fr 23. Juni 2017

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LIcht
Mi 21. —
Fr 23. Juni
201 7
LICHT
ROMANISCHER SOMMER KÖLN 2017
Im Anfang war die Erde wüst, und Finsternis lag über der Urflut.
Doch Gott sprach: »Es werde Licht!«. Wie am ersten Tag der biblischen Schöpfungsgeschichte haben leuchtende Himmelskörper, Licht und Feuer in allen Kulturkreisen und Religionen große
Bedeutung. Den Kalender bestimmen Sonne, Mond und Sterne.
Licht wirkt unmittelbar auf Körper und Geist, ebenso wie Dunkelheit, Nacht und Winter. So wie einst unsere Urahnen in prasselnde Lagerfeuer blickten, wird unsere Aufmerksamkeit heute
von selbstleuchtenden Körpern, Fernsehern, Computern, Smartphones gefesselt. Für Echnaton, Prometheus, Luzifer und Montezuma war Licht der Inbegriff von Leben, Sehen, Verstand und
Transzendenz. Jesus nannte sich »das Licht der Welt«. Licht ist
gleichermaßen Fackel der Aufklärung wie Medium der Mystik.
Wir erwarten es am Ende des Tunnels, streben durch Nacht zu
ihm, werden geblendet und gehen ein in Lux, Luce, Luz, Lätt,
Light, Lumière, valo, światło, ışık, cahya, mwanga …
Das diesjährige Musikfestival ROMANISCHER SOMMER KÖLN widmet sich während der längsten Tage des Jahres
rund um die Sommersonnenwende dem Thema LICHT. Wie dieses hat auch Musik eine Doppelnatur aus Welle und Materie.
Schall erfahren wir unmittelbar körperlich und doch bleibt er
ungreifbar. Analog zur An- und Abwesenheit von Licht beschreiben wir Klänge als hell oder dunkel. Eine zentrale Rolle spielt
Licht nicht nur in den Himmel stürmenden Kathedralen der
Lichtgotik mit ihren riesigen Fenstern. Auch die vom Festival
bespielten romanischen Kirchen der Stadt kennen neben allen
Schönheiten ihrer Architektur, Form und Proportion zahllose
Schattierungen von Licht, spirituelles Halbdunkel und die
Dramaturgie der zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten auf
besondere Orte einfallenden Sonne.
Herausragende Interpreten der Kölner Musikszene
sowie international renommierte Ensembles, Künstlerinnen und
Künstler verschiedener Sparten präsentieren beziehungsreich
zusammengestellte Programme. Die drei Festivaltage bieten
Musik verschiedener Epochen, Stilistiken und Herkunft. Das
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Mi 21. Juni
Licht Gottes scheint in jüdischer Spiritualität, japanischem
Gagaku sowie in christlichen Bekenntniswerken als das Heilige
oder als Verkündigung. Verschollen geglaubte mittelalterliche
Gesänge und Jahrhunderte alte litauische Volkslieder werden
neu ans Licht gebracht. Und den in allen Farben schillernden
Bogen zur Gegenwart schlagen perlender Impressionismus,
neue Werke für Flöte und Kantele, Jazz-Improvisationen,
das Raum-Klang-Ereignis »Raum A T M O S« sowie Wolfgang
Rihms Requiem »Et Lux« und La Monte Youngs »The Melodic
Version« in einer »Dream Light«-Umgebung der Lichtkünstlerin
Marian Zazeela.
Mittwoch
Rainer Nonnenmann
18
Uhr
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21. Juni 2017
MUSEUM SCHNÜTGEN / ST. CÄCILIEN
Raum A T M O S
NORBERT RODENKIRCHEN *1962
JOHANNES S. SISTERMANNS *1955
»Raum A T M O S«
In Zusammenarbeit mit ON – Neue Musik Köln
Norbert Rodenkirchen, Mersenne Flöte,
präparierte Harfe;
Johannes S. Sistermanns, Monochord, Stimme, Ching,
Gopichand, Exciter, Transducer,
elektroakustische Komposition, Electronics
Zunächst in unterschiedlichen musikalischen Welten
sich bewegend, finden der Komponist und Klangkünstler
Johannes S. Sistermanns und der Alte Musik-Spezialist,
Flötist und Komponist Norbert Rodenkirchen zum gemeinsam
entwickelten Projekt »Raum A T M O S« zusammen. Die beiden
Kölner Musiker performen Innenräume wie Übergangsräume.
Mit ihren Kompositionen und ausgewählten Instrumenten
erspielen sie die Atmosphäre und Resonanz des Raumes
selbst. Mit den Körperschallwandlern (Exciter und Transducer)
wird die elektroakustische Komposition direkt auf konstitu-tive Raumoberflächen (Holz/Metall) und Begrenzungen
(Glas-fenster) sowie Raummaterialien (Vitrine, Stele) übertragen. Das bestimmt und färbt den so gefilterten Klang im
Aufführungs-Raum. Die Musik spielt nicht nur im Raum. Ebenso spielt die Musik den Raum auch selbst.
Mit ihrem Instrumentarium wie Monochord,
Stimme, diversen Klangerzeugern, Transducer, Exciter, Ching
und Gopichand und der rätselhaften konischen Traversflöte
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Mi 21. Juni
ohne Klappen, welche Marin Mersenne 1627 in seinem Traktat
»Harmonie universelle« beschrieb, sowie einer präparierten
mittelalterlichen Harfe agieren sie frei von Genre-, Gattungsund Stil-Kategorien.
In der gegenseitigen Durchdringung von Live-Instrumentalspiel, Raumresonanz, Klangübertragung und Filterung
einer Komposition auf diverse Raumelemente dominiert das
Moment permanenten musikalischen Durchscheinens. Das Ohr
der Zuhörerinnen und Zuhörer ist unaufhörlich im Dialog
zwischen materialgefilterten Klängen sowie dem Inneren und
Äußeren von Klangräumen und Raumklängen. Der okzidentale
Kulturraum und seine orientalisch-byzantinischen EinflussSphären sind territoriale Referenzen des Projekts. Die sorgfältig
ausgesuchten Klänge spannen sich von der Spätantike über das
Mittelalter bis in unsere Gegenwart. Ausgesuchte archaische
Melodiefragmente in Transkriptionen und Übertragungen der
frühen Neuzeit, unter anderem von Athanasius Kircher und
Vincenzo Galilei, stehen parallel neben den eigenen Kompositionen: die spätantike Seikilosmusik und eine Hymnenweise des
Mesomedes aus dem 2. Jahrhundert, die altgriechische Ode des
Pindar sowie eine byzantinische Rarität namens »Persikon« aus
dem 15. Jahrhundert.
Norbert Rodenkirchen / Johannes S. Sistermanns
Mi 21. Juni
20
Uhr
ST. URSULA
Das Licht Gottes: Hebräische geistliche Musik
Profeti della Quinta
Doron Schleifer, Roman Melish, Cantus
Lior Leibovici, Dan Dunkelblum, Tenor
Orí Harmelin, Chitarrone
Elam Rotem, Bassu, Cembalo, Leitung
SALOMONE ROSSI ca. 1570–1630
»Lamnatséah ‘al hagitit«, ein Psalm Davids,
vorzusingen auf der Gittit / Psalm 8
»Elohím hashivénu«, Gott, tröste uns wieder /
Psalm 80:4, 8, 20
ELAM ROTEM *1984
»Kol dodí hineh-zéh bá«, Da ist die Stimme meines
Freundes / Hohelied 2:8-13
»Siméni chachotám al libécha«, Setze mich wie ein
Siegel auf dein Herz / Hohelied 8:6-7
ALESSANDRO PICCININI 1566–ca.1638
»Passacaglia«
SALOMONE ROSSI
»Shir hama’alot, beshuv Adonai et shivat Zion«,
Stufenlied, Wenn der HERR die Gefangenen Zions /
Psalm 126
»Hashkivénu«, Abendgebet
ELAM ROTEM
»Shechoráh aní venaváh«, Ich bin schwarz, aber gar
lieblich / Hohelied 1:5-7
»Aní yeshenáh velibí er«, Ich schlafe, aber mein Herz
wacht / Hohelied 5:2-16, 6:1-3
SALOMONE ROSSI
»Mizmór letodáh«, Psalm zum Danke / Psalm 100
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Mi 21. Juni
»Haleluyáh, Halelí nafshí et A-donáy«, Halleluja!
Preise du, meine Seele, den Ewigen / Psalm 146
»Al naharót Bavél«, An den Strömen Babels /
Psalm 137
ELAM ROTEM
»Aní chavatzélet haSharón«, Ich bin eine Blume
zu Scharon / Hohelied 2:1-5
»Hinách yafáh ra'yatí«, Siehe, meine Freundin,
du bist schön / Hohelied 4:1-7
SALOMONE ROSSI
»Yitgadal veyitkadash«, Kaddisch Gebet
Musik in der jüdischen Tradition und Liturgie ist so
etwas wie ein Widerspruch in sich. Zum einen schließt der
Gottesdienst die gesungene Lesung der Torah, die Kantilation,
ein. Zum anderen ist speziell für die Liturgie komponierte Musik
sehr selten und verhinderte die Verbannung des Gebrauchs von
Musikinstrumenten, Polyphonie und der Mitwirkung von Sängerinnen eine Entwicklung in der Art der christlichen Kirchenmusik. Das gilt besonders für die Epochen der Renaissance und
des Barock in Europa, als die meisten jüdischen Gemeinden
vom Rest der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, körperlich
und kulturell. Das heutige Programm von Profeti della Quinta«
präsentiert eine Ausnahme von dieser Regel: Die einzigartige
Musik, die der jüdisch-italienische Komponist Salomone Rossi
für die Synagoge schrieb, sowie neue Kompositionen in biblischem Hebräisch aus der Sammlung Quia Amore Langueo« von
Elam Rotem, geschrieben in derselben musikalischen Sprache.
Neben seinem fruchtbaren Schaffen weltlicher Musik
war es Salomone Rossi ein Anliegen, die Musik der Synagoge
zu revolutionieren, indem er polyphone Sätze hebräischer
Gebete und Psalmen in die Liturgie einführte. Eine Sammlung
solcher Werke wurde im »Hashirim asher li'Shlomo« (Die
Gesänge Salomons) 1622 veröffentlicht. Die Inspiration lag
dabei – wenngleich nur ideell – in der Musik des alten Jerusalemer Tempels. Als Unterstützer Rossis und religiöse Autorität
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schreibt Rabbi Leon Modena (1571–1648) in seinem ausgefeilten
Vorwort zu dieser Publikation: [Denn] wer könnte vergessen
oder versagen, die Anstrengungen des alten Königs Davids zu
würdigen? [...] Er gewährte ihnen, Instrumente im Dienste der
instrumentalen und vokalen Musik zu haben. Solange das Haus
des Herrn bestand, blieb auch dieser Brauch bestehen [...] und
Salomone [Rossi] allein ist heutzutage mit dieser Weisheit [der
Musik] bedacht.”
Wie Rossi selber mehrfach im Vorwort zu »Hashirim
asher li'Shlomo« angibt, war es sein Ziel, das Gebet durch die
Vertonung der alten hebräischen Texte mit einer neuen Art von
Musik auszuschmücken und zu erheben. Musikalisch folgt er
präzise den Akzenten in der Deklamation der hebräischen
Sprache und schmückt dies lediglich mit einfachen Harmonien
aus. Deshalb fällt es dem Zuhörer leicht, dem Text zu folgen und
gleichzeitig die feine, sensible Musik zu genießen. Mit diesen
einfachen Mitteln scheint Rossi eher darauf bedacht, das Herz
des Zuhörers zu bewegen als diesen zu beeindrucken. Seine
Innovation hätte der Beginn einer Art jüdischer musikalischer
Renaissance sein können: Denn zum ersten Mal in der jüngeren
Geschichte pflegte mit dem Ghetto von Mantua ein jüdisches
Zentrum seine eigene Musik im Stile der Zeit, jenseits der traditionellen Klänge der Synagoge und des täglichen Lebens. Umso
bedauerlicher ist es, dass diese soziale und musikalische jüdische Revolution keine Fortsetzung fand und der Ort, der ihr
Zentrum hätte werden können – das Ghetto von Mantua –,
während der Besetzung der Stadt 1630 durch österreichische
Truppen stark zerstört wurde. Nach diesem Zeitpunkt verlieren
sich jegliche Spuren von Salomone Rossi.
Das Hohelied ist innerhalb der Bibel insofern einzigartig, da seine ursprüngliche Bedeutung bis heute in gewisser
Weise unklar ist. Während die meisten Bücher des Alten Testaments die Gegenwart Gottes in der Welt betonen, beschäftigt
sich das poetische Hohelied mit menschlichen Emotionen. Jede
wörtliche Interpretation des Hohelieds erschließt dieses als Feier von sinnlichen und intimen Liebesthemen im Dialog zweier
Liebenden. Dennoch wird das Hohelied sowohl in jüdischer als
auch in christlicher theologischer Auslegung für gewöhnlich
allegorisch verstanden. Demzufolge repräsentieren die beiden
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Mi 21. Juni
Liebenden beispielsweise Gott und das Volk Israel bzw. Gott
und die Kirche. Elam Rotems »Quia Amore Langueo« (Denn
ich bin krank vor Liebe) liegt die wörtliche Lesart des Textes
zugrunde. So stehen die ursprünglichen Gefühle des Menschen
Liebe und Zuneigung im Vordergrund. Rotem komponierte
seine Sammlung in der Musiksprache des Frühbarock. Die
musikalischen Entwicklungen in Italien um 1600 unterstützten
und erweiterten den Ausdruck von Texten, deren Inhalt sich
mit menschlichen Emotionen und Handlungen beschäftigt. Die
damalige Blüte von Monodie und Rezitativ erlaubte einem
Charakter, seine Emotionen mit der Öffentlichkeit auf intime
Weise zu teilen. Und sie dienen auch Rotem dazu, die in den
ausgewählten Bibeltexten beschriebenen Aspekte von Liebe
auszudrücken.
Die Werke Salomone Rossis haben verschiedene
Aspekte von Rotems Sammlung inspiriert. Rossi veröffentlichte
viele Bücher mit italienischen Madrigalen und Instrumentalmusik, doch es ist maßgeblich die Veröffentlichung von
»Hashirim asher li'Shlomo«, die ihn noch heute bekannt macht.
Der Titel von Rossis Publikation spielt auf das Hohelied der
Liebe an, auch »Das Hohelied Salomos« genannt, aber in Wahrheit schließt sie keinerlei Vertonung dieses Texts ein. In Rossis
Oeuvre gibt es eine klare Trennung zwischen der Musik, die
auf Italienisch geschrieben wurde und jener in Hebräisch, also
zwischen Liebesmadrigalen und liturgischen Gebeten. Die
Werke von Elam Rotem können daher als eine Brücke zwischen
diesen beiden Welten gesehen werden: Höfische Liebe und
jüdische Kultur.
Elam Rotem / Dan Dunkelblum
Mi 21. Juni
22
Uhr
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ST. GEORG
Light Still and Moving
Eija Kankaanranta, Kantelen
Camilla Hoitenga, Flöten
RAY WARLEIGH 1938–2015
»First Light, Second Light« für Flöte solo (2004)
Uraufführung
STEPAN RAK *1945
aus »Spectrum« für Kantele solo (1991)
ANNE LEBARON *1953
»Solar Music«, Version für Flöten und Kantele (1997)
Uraufführung
MAIJA HYNNINEN *1977
»Lightness of the Days”, geschrieben für Camilla
Hoitenga und Eija Kankaanranta (2017)
Uraufführung
MALIKA KISHINO *1971
»Monochromer Garten VIII« für Alt-Flöte Solo (2016)
Deutsche Erstaufführung
KAIJA SAARIAHO *1952
»Light Still and Moving« für Flöte und Kantele (2016)
Deutsche Erstaufführung
»Daibutsu (great Buddha)« »Engakuji (ancient Temple and Zen Garden)«
»Windy Road«
Meine Freundschaft mit Ray Warleigh begann in den
1980er Jahren als er und einige andere Jazzmusiker der WDRBig Band (namentlich Paul Peucker) auf der Hohestraße in Köln
stehen blieben, um meinem Spiel (Stockhausen) zuzuhören.
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Mi 21. Juni
Ray komponierte dann das Stück »First Light, Second Light«
für mein Geburtstagskonzert 2004 in Paris. Einblicke in seine
Musik eröffnen seine Lebenserfahrungen. Ray Warleigh wurde
in Australien geboren und lebte seit den frühen 60er Jahren
in Großbritannien. Allgemein als Alt-Saxophonist und Flötist
bekannt, spielte er außerdem Sopran-, Tenor- und Baritonsaxophon, Pikkoloflöte, Alt- und Bassflöte sowie Klarinette und
Bassklarinette. Er interessierte sich für Jazz, Rhythm & Blues,
Pop und Klassik. Oft spielte er mit Gil Evans, Muddy Waters,
Joe Henderson, The Ronnie Scott Band und seinem eigenen
Quartett. Er trat mit Stevie Wonder in der Royal Albert Hall auf,
begleitete Ella Fitzgerald und Jessye Norman, spielte mit Ron
Carter, Gradie Tate und anderen weltbekannten Musikern und
produzierte auch zahlreiche Filmmusiken, darunter für »Leaving Las Vegas« und »Stormy Monday« von Mike Figgis.
Der tschechische Komponist und Gitarrist Stepan Rak
verlangt in seiner achtteiligen »Suite Spectrum« (1991) alle möglichen Klangarten und Spieltechniken der Kantele. Motive und
repetitive Pattern entwickeln sich zu Skalen, Arpeggien und
Clustern in sämtlichen Spektren und Klangfarben. Drei Stücke
aus dieser »Suite of Light« werden heute gespielt: »Sininen«
(Blau) und »Vihreä« (Grün) nutzen bei freier Rhythmik statische
Cluster und Tremoli. »Sinipunainen« (Lila) besteht aus rhythmischen, modulierenden Läufen in zusammengesetzten Metren.
Anne LeBaron schrieb »Solar Music« 1997 ursprünglich
für Flöte und Harfe, gab Eija Kankaanranta aber die Zustimmung, den Harfenpart für Kantele zu adaptieren. Von der Bassbis zur Pikkoloflöte aufsteigend streckt sich das Stück der Sonne entgegen. Inspiriert wurde es von einem gleichnamigen
Gemälde der mexikanischen surrealistischen Malerin Remedios
Varo (»Música Solar«, 1955). Dieses Bild zeigt eine Frau, wie sie
in einem sterbenden Wald in den einzigen durchdringenden
Lichtstrahl der Sonne greift. Die vier Flöten (Bass-, Alt-,
C- und Pikkolo-Flöte) werden von derselben Musikerin gespielt,
und zwar mit erweiterten Spieltechniken. Unkonventionelle
Spielweisen finden sich auch in der Harfe: Tonbeugungen, Gleiten über die Stimmstifte und Streichen der Saiten mit einem
Bogen. Die Uraufführung im Kammermusiksaal der Berliner
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Philharmonie spielten 1997 Camilla Hoitenga und Alice Giles, die
das Stück auch auf CD einspielten.
Maija Hynninen schreibt über ihr »Lightness of the
Days«: »Vom ersten Moment an, da ich die Kantele hörte, war
ich von deren multiphonischer Harmonik fasziniert. Der glockengleiche Klang erinnert überraschenderweise nicht an finnische Landschaft, sondern an kalifornische. Zusammen mit den
luft- und stimmgleichen Klängen der Bassflöte lassen sie ein
Licht assoziieren, das aus einem ganz anderen Himmel scheint,
viel weiter weg, mit hellerem Raum darunter und mit Wolken,
die sich in langen weichen Kurven über das Meer erstrecken.
Oft gehe ich denselben Weg über den Campus der University
of California in Berkeley, um zu meinem Studio zu gelangen.
Der Weg führt über die Berkeley Hills in Richtung der ruhigen
Landschaft der Bucht. Oben auf den Treppen angelangt, bleibe
ich eine Weile stehen, um den Blick einzusaugen. Diese Momente fühle ich von Licht und Helligkeit erfüllt. Diese Leichtigkeit
gewinnt durch das Gegenteil – schwere schläfrige Momente –
ihren Charakter.«
Malika Kishino schreibt über ihr Stück: »Monochromer
Garten‹ ist ein weiteres Stück meiner fortgesetzten Reihe an
Kammermusikwerken für Besetzungen von ein bis drei Musiker.
Ziel der Serie ist es, die Erscheinungsweisen und die Ästhetik
japanischer Gärten und Architektur zu porträtieren. Einmal
sah ich aus einem Fenster hinter einem Tempel in Kyoto eine
versilberte nächtliche Welt, mit schwarzen, schneebedeckten
Blättern, reflektierendem Licht, Raum, Stille… Diesen Eindruck
möchte ich durch Musik nachgestalten. Der nächtliche Blick
in den Garten war wie eine indische Tuschezeichnung, ein
Kunstwerk aus Schwarz und Weiß. Ich entdeckte darin den
Inbegriff von Schönheit, der mich anregte, darüber nachzudenken, mit welchen Kriterien man diese Schönheit ermessen
kann. Gemäß Shinichi Hisamatsu (1889–1980), einem japanischen Philosophen und Gelehrten des Zen-Buddhismus, gibt
es sieben allgemeine Merkmale der japanischen Kultur, die in
verschiedenen Künsten Gültigkeit haben. 1 Asymmetrie, 2 Einfachheit, 3 strenge Erhabenheit, 4 Natürlichkeit, 5 subtile Tiefe,
6 Freiheit von Hinzufügungen, 7 Ruhe. Schöne Architektur kann
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Mi 21. Juni
alle diese Charakteristika erfüllen, die in ihrer Untrennbarkeit
ein perfektes Ganzes bilden. In ›Monochromer Garten‹ betrachte ich die Komposition der Musik wie die Gestaltung einer
Landschaftsarchitektur. Statt Materialien wie Felsen, Moos,
geschnittene Bäume, Sand und Raum für einen japanischen
Garten, verwende ich für mein Stück Klänge und Zeit. In ›Monochromer Garten VIII‹ (2016) habe ich besonders Atemgeräusche,
Bisbigliando-Effekte und Mehrklänge der Altflöte hervorgehoben, um einen aus zahlreichen Farbtönen bestehenden Klangorganismus zu kreieren. Obwohl es sich um ein komponiertes
Stück handelt, behält es einen spontanen Charakter. Mein
Wunsch war es, ein Universum der Schönheit zu schaffen
sowie die Tiefe und Weite meines Wahrnehmungsvermögens
zu erforschen«.
Kaija Saariaho schreibt über »Light Still and Moving«
(2016): »Seit der Komposition meiner letzten Oper ›Only the
Sound Remains‹ (2015), in der Flöte und Kantele eine wichtige
Roll spielen, dachte ich an dieses Stück. Doch sollte ich beide
Instrumente nur im Plural nennen, da ich mehrere Mitglieder
dieser Instrumentenfamilien verwendet habe. Das neue Duo
›Light Still and Moving‹ ist für Pikkolo-Flöte, Bass-Flöte und
Flöte in C geschrieben sowie für eine Konzert-Kantele mit 39
Saiten, eine kleine Kantele mit 5 Saiten und eine mit 15 Saiten.
Das musikalische Material stammt aus der Oper, das ich im
Zuge der Inspirationen, die ich durch eine Reise nach Japan im
vergangenen August erfahren habe, jedoch neu strukturierte
und entwickelte. Nach dem Besuch der Gärten und Tempel von
Kamakura wurden die Materialien von ihren Funktionen in der
Oper befreit. Ich stellte mir ein Stück vor, dessen drei Teile ich
›Daibutsu‹ (großer Buddha), ›Engakuji‹ (alter Tempel und ZenGarten) und ›Windy Road‹ betitelte. Das Duo ist Camilla Hoitenga und Eija Kankaanranta gewidmet, die in Paris 2017 die
Premiere spielten.«
Camilla Hoitenga
Do 22. Juni
Donnerstag
18
Uhr
15
22. Juni 2017
MUSEUM SCHNÜTGEN/ST. CÄCILIEN
Clair de lune
Agnès Clément, Harfe
PAUL HINDEMITH
»Sonate« (1939)
1895–1963
CLAUDE DEBUSSY 1862–1918
»Deux Arabesques« (1888–1891)
FRANZ LISZT 1811–1886
»Consolation« Nr. 3 (1849)
JOHANN SEBASTIAN BACH
»Partita« Nr. 1 (1731)
1685–1750
FRANZ LISZT
»Liebestraum« Nr. 3 (1850)
CLAUDE DEBUSSY
»Clair de Lune« (1890)
ELIAS PARISH-ALVARS 1808–1849
»Variations sur la ›Norma‹ de Bellini« op. 36 (1840)
Licht, Feuer, Leidenschaft, Liebe – diese Begriffe sind
eng miteinander verbunden. Die Programmfolge der sieben
Stücke für Harfe folgt der Form eines Regenbogens, in dem
jedes Musikstück eine Farbe darstellt: Eine »gelbe« lebhafte
Kindheit mit Hindemiths imaginären Kindern, die an einem sonnigen Tag auf den Stufen einer Kathedrale spielen. Der blasse
Mond einer »indigoblauen« Nacht in Debussys »Clair de Lune«.
Die Komplexität von Liszts Lieben mit dem ganzen Spektrum
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Do 22. Juni
von »Rot« und »Pink«, vom aufgeregten und leidenschaftlichen
»Rot« bis zum nostalgischen, »verträumten Lila«. Debussys
sanfte orangefarbene« »Arabesque« und Bachs heiter-friedliche
blaue« Partita«. Die Musik aus Bellinis Oper »Norma« verbindet
schließlich in den Variationen von Parish-Alvars das »Grün« des
Neids und der Eifersucht mit dem »Rot« des Zorns, temperiert
von sensiblem »Lila« und virtuosem »Gelb«. – Wenn Sie wieder
einen Regenbogen sehen, wird er in Ihnen Erinnerungen wachrufen: an einen farbenreichen Sommerabend, erhellt durch dieses Harfenspiel.
Agnès Clément
Do 22. Juni
20
Uhr
17
ST. MARIA LYSKIRCHEN
Sutar tines – Strahlen der Dissonanz
Traditionelle Lieder aus Litauen
Trys Keturiose
Daina Norvaišytė, Eglė Sereičikienė, Rima Visackienė,
Audrone Žilinskienė, Gesang
Daiva Vyčinienė, Gesang und Leitung
Intro: »Aš kanapį sejau«
Medžiai, augalalai (Bäume)
»Kalnuti, tatato«
»Lioj, dagilėli, lioj, kas kalnuosi«
»Apynėlis auga tėvelia pakluonej«
»Aisma, sese, sesutela«
»Eglala jaukštuola, ladūto«
»Vidur girias liepela«
Bitės (Bienen)
»Ratui, ratu, bitel, ratu«
»Bitełė siaubia in balta dabila«
»Ulioja bitela, tatato, lylio«
»Ašei pasilgau, dobilio«
Vestuvinės (Hochzeit)
»Kai mes buvom, dalijo«
»Sauliute tekėja, ciutelė lylia«
»Dūno dūnoja, dūno dūno«
»Dobilutėli dobile, susidūmoja, dobilio«
»Sodauto sodauto, sodauto lingo«
»Sviro lingo mergelių suolas«
»Katė« (Instrumental mit skudučiai)
Paukščiai (Vögel, Enten)
»Loduta loduta, tu gervala, ladūto« / »Tu gervela,
ladoto«/ »Untinas untełį«/ »Untutis« (Instrumental
mit skudučiai)
18
Do 22. Juni
Saulė (Die Sonne)
»Dai kas teka, sauliula«
»Lioj saudailio, vokaro«
»Ėjau rytelia, čiūta«
Sutartinės sind polyphone Lieder, die vor allem im
Nordosten Litauens von Frauen gesungen werden und einen
einzigartigen Ausdruck litauischer traditioneller Musik darstellen. Sie wurden 2010 von der UNESCO auf die »Repräsentative
Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit« aufgenommen. Die Bezeichnung Sutartinės leitet sich vom litauischen Wort sutarti« (übereinstimmen, im Einklang sein) ab. Sie
sind musikalische Paradoxe, die keine Analogien zu polyphonen
Gesängen anderer Kulturen aufweisen: Im strikten Wechsel von
Dissonanz und Konsonanz werden gleichzeitig nicht nur zwei
verschiedene Melodien, Stimmen und Rhythmen, sondern
auch zwei unterschiedliche Liedtexte miteinander verwoben.
Hauptmerkmal ist die dabei entstehende Fülle an dissonanten
Sekunden.
Die Melodie kann in bis zu vierzig verschiedenen stilistischen Arten und Formen variieren und viele Male von den
Sängerinnen wiederholt werden, oft mit Worten und Silben
ohne heute erkennbare Bedeutung. Einzelne Worte verweisen
auf uraltes Wissen, das seit über tausend Jahren mündlich von
Frauen überliefert wird und dessen Ursprünge in heute vergessenen uralten magischen Beschwörungsformeln liegen. Aber
es gibt in den Sutartinės auch zahlreiche Silben, die auf sehr
alte indoeuropäische Wörter für großes Wasser« zurückgehen.
Neben den gesungenen Sutartinės gibt es instrumentale Stücke, von denen Trys Keturiose im Konzert einige präsentiert.
Das Ensemble spielt dabei das kleinste und älteste litauische
Instrument, die Skudučiai. Diese ähnelt einer Panflöte, jedoch
mit nicht verbundenen Flötenrohren, aus denen nur jeweils ein
Ton erklingt. Traditionell wird die Skudučiai in Paaren oder kleinen Gruppen gespielt.
Während des Gesangs und Spiels von Sutartinės
bewegen sich die Mitwirkenden genauso minimalistisch, wie
der Klang der Musik: Sie tanzen weniger, als dass sie langsam
Do 22. Juni
19
im Kreis schreiten, und zwar in gegenläufiger Richtung, statt
sich miteinander zu drehen. Diese Bewegungen haben Wurzeln
in archaischen Symbolen einer dualistischen Weltanschauung
antiker indoeuropäischer Kultur. Das Fundament der polyphonen Sutartinės ist ein zyklischer Zeitbegriff. Die Gesänge und
instrumentalen Stücke klingen endlos, wie ein geschlossener
Kreis. Das Fehlen von hörbaren Atempausen, von Kulminationen und der Einführung oder Vollendung von Kadenzen erlaubt
den Sängerinnen wie den Zuhörern, in einen einzigartigen
Zustand des Seins einzutauchen, um die fast hypnotische Wirkung dieser Musik zu erleben. Es überrascht nicht, dass aufmerksame Zuhörer in eine fast tranceartige Versunkenheit und
Verzückung geraten können. Sutartinės werden als klingender
und pulsierender Raum in ewiger Zeit verstanden, nicht als
Komposition mit separaten Stimmen. So gesehen haben
Sutartinės viel gemeinsam mit heutiger Minimal Art und minimalistischen Musikkonzepten. Deshalb ist es auch kein Zufall,
dass sie immer wieder als litauische proto-minimalistische
Musik bezeichnet werden.
Auch das Konzert von Trys Keturiose folgt dem zyklischen Zeitbegriff. In fünf Stückfolgen werden wichtige Themen
der baltischen Mythologie in den Mittelpunkt gestellt: Sonne,
Licht, Natur. Den Anfang macht ein Zyklus aus sechs Sutartinės,
die sich den Bäumen widmen. Seit der Frühzeit wurden Bäume
in Ritualen besungen. Šventas miškas – der Sakralwald – war
der Ort für diese Rituale. Sehr oft ist der Baum in der Lage,
zu sprechen oder Ratschläge zu geben. In den Texten der
Sutartinės spendet der Baum den Menschen Trost. Die Natur
wird als Teil der menschlichen Familie begriffen und besungen.
Es gibt viele Lieder, in denen die Sonne die Mutter ist, der Mond
der Vater und die Sterne sind die Schwestern. Und obwohl
Litauen die letzte Region Europas war, die sich Ende des
14. Jahrhunderts zum Christentum bekannte, sind Zeugnisse der
vorchristlichen litauischen Mythologie und notierte Quellen der
Musik dieser Zeit nur noch durch wenige archäologische
Bruchstücke überliefert.
Der zweite Zyklus des Konzertes widmet sich den
Bienen. Oft wird die Harmonie eines Bienenschwarms mit dem
20
Do 22. Juni
menschlichen Familienleben verglichen. Das Wort »biciulis«
bedeutet so viel wie eine sehr nahe stehende Person oder ein
Freund. Das Wort ist abgeleitet von »Bite« (Biene). In Litauen
lebt bis heute die Tradition, einem guten Freund als Ausdruck
der Wertschätzung Honig zu schenken. Auch das uralte, aus
Honig gebraute Ritualgetränk »midus« (Met/Honigwein), wird
immer wieder in Sutartinės erwähnt. Eine weitere Reihe von
Sutartinės widmet sich solchen, die auf Hochzeitsfeiern gesungen wurden. Die Hochzeit stellte die wichtigste Veränderung
im Leben einer Frau dar, die in Zeremonien gefeiert und mit Liedern besungen wurde, um ihr gute Wünsche, Erfolg und
Gesundheit für den neuen Lebensabschnitt mitzugeben. Eine
weitere Liedreihe thematisiert Vögel, nicht nur wegen der
Schönheit ihres Gesanges, denn in der alten baltischen Mythologie entstand die Welt aus dem Ei einer Ente. So ist dieser
Zyklus der Ente gewidmet. Der letzte Zyklus des Konzerts widmet sich schließlich der Sonne, die besonders im Norden Europas wegen der langen dunklen Winter eine besondere Bedeutung hat. Sie war seit vorchristlicher Zeit das wichtigste Symbol
für Fruchtbarkeit, Leben und die Mutter. Entsprechend oft wird
sie in Sutartinės – nicht nur zu Erntefesten – besungen.
Do 22. Juni
22
Uhr
21
KUNST-STATION SANKT PETER
Kathedrale der Träume
LA MONTE YOUNG *1935
»The Melodic Version« (1984) of »The Second Dream
of The High-Tension Line Stepdown Transformer«
from »The Four Dreams of China« (1962) in der
Installation »Dream Light« von MARIAN ZAZEELA
(*1940). Deutsche Erstaufführung
The Theatre of Eternal Music Brass Ensemble
Ben Neill, Marco Blaauw, Stephen Burns,
Christine Chapman, Nathan Plante, Matthew Conley,
Markus Schwind, Bob Koertshuis, Trompeten
mit Harmon-Dämpfer
B it te sehen Sie von G eräuschen während der Per formance ab. Stille is t auch
nach und vor dem Konzer t willkommen . Fotograf ieren und sons tige Aufnahmen
sind nur mit schr if tlicher G enehmigung des Küns tler s er laubt .
W ir würden gerne die Tradition , nicht zu applaudieren , for t se t zen . D ies wird
die Stimmung der M usik in der L uf t und in unseren G edächtnissen halten .
L ass t uns gemeinsam in der Welt der M usik ver bleiben .
L a M onte Young / M ar ian Zazeela
In Kooperation mit Marco Blaauw und littlebit als Koproduzenten
der Europatournee von »The Theatre of Eternal Music Brass Ensemble«
Birgit Ellinghaus
mit freundlicher Unterstützung der Kunststiftung NRW
Der allererste Klang, an den ich mich erinnere, ist das
Wehen des Windes um die Blockhütte in Idaho, in der ich geboren wurde, um und durch ihre Spalten. Ich habe dies schon immer für eine meiner wichtigsten frühen Erfahrungen gehalten.
Es war ehrfurchtgebietend, wunderschön und geheimnisvoll.
Da ich es nicht sehen konnte und auch nicht wusste, was es
war, fragte ich meine Mutter stundenlang darüber aus.
»The Four Dreams of China« komponierte ich während einer Autofahrt von San Francisco nach New York City im
Dezember 1962. Ich notierte die ersten Entwürfe auf einer
Papierserviette, die ich aus einem Restaurant am Wegesrand
hatte, und schrieb das Werk im Detail aus, als ich zurück nach
New York kam. Ich war noch inspiriert von der Uraufführung
meines »Trio for Strings« einige Monate zuvor. »The Four
22
Do 22. Juni
Dreams of China« bildet ein strukturelles, stilistisches und harmonisches Bindeglied zwischen meinen früheren, vollständig
notierten Werken lange gehaltener Töne der späten 50er Jahre
und meinen späteren Werken, die Improvisation mit festgelegten Regeln und Elementen zusammenführen.
Im »Trio for Strings« von 1958 begann ich, meinen
eigenen musikalischen Modus zu entwickeln. Ahnungen dieses
ausschließlich harmonischen Vokabulars, bestehend aus intervallischen und akkordischen Strukturen, tauchten schon vorher
in meinen Werken »for Brass« und »for Guitar« auf. Die vier
Eröffnungstöne von »for Brass« stellen eine beispielhafte Präsentation eines meiner »Dream Chords« dar. Und durch das
ganze Werk hindurch finden sich zum ersten Mal in meiner Musik zahlreiche weitere Beispiele der Dream Chords in verschiedenen Transpositionen. Im »Trio for Strings« hingegen lässt sich
in jedem Akkord, Dreiklang und Intervall eine Transposition
eines der Dream Chords oder einer Teilmenge davon finden. Ich
entdeckte, dass es vier Dream Chords gibt, und jeder einzelne
wurde irgendwann zum gesamten tonalen Inhalt jeweils eines
der »Four Dreams of China«. Als ich auf einen dieser gehaltenen
Akkorde lauschte, während ich das »Trio for Strings« komponierte, entstand ein eindringliches Bild vom Klang und der
Zeitlosigkeit Chinas. Dieses Gefühl durchzieht die vier Dream
Chords und inspirierte den Titel: »The Four Dreams of China«.
Deren Titel lauten: 1. »The First Dream of China«, 2. »The First
Blossom of Spring« (ursprünglicher Arbeitstitel »The Plains
of China«), 3. »The First Dream of The High-Tension Line Stepdown Transformer«, 4. »The Second Dream of The High-Tension
Line Stepdown Transformer«. Die Titel deuten darauf hin, dass
sich die Töne dem Obertonspektrum der Klänge von Kraftwerken und Telefonmasten verdanken können.
Stilistisch führen »The Four Dreams of China« die
Textur von lange gehaltenen Tönen und Stille sowie das auf
ausgedehnten Dauern beruhende Zeit-Konstrukt fort, das im
»Trio for Strings« eingeführt wurde. Strukturell hingegen ist
»The Four Dreams of China« das erste Werk, das ich im Stil des
Trios komponierte und das zugleich Improvisation einbezieht.
Inspiriert durch Werke von Cage, Feldman, Brown, Wolff und
Do 22. Juni
23
Bussotti, die Interpretation durch ausübende Musiker fordern,
entwickelte ich ein Kompositionskonzept, das zu regelbasierter
Musik führte und sich schließlich zu »The Four Dreams of
China« kristallisierte. Strenge Regeln legen in allen vier
»Dreams« genau fest, welche der vier Tonhöhen gemeinsam
erklingen dürfen. Innerhalb dieses Rahmens an fixen Regeln
hören die Musiker aufeinander und improvisieren. Dieser Prozess des aktiven Einander-Zuhörens ist einer der wichtigsten
Aspekte des Stücks und wurde zu einem zentralen Prinzip für
Gruppenimprovisation in allen meinen folgenden Ensemblestücken. Da Improvisation ein Teil der Aufführung ist, ist jede
Umsetzung von »The Four Dreams of China« verschieden.
1984 komponierte ich in New York City »The Melodic
Version« des »Second Dream of The High-Tension Line Stepdown Transformer«. »The Melodic Version« beinhaltet das
gesamte Material der ursprünglichen »harmonischen« Version
von 1962. In der »Harmonic Version« darf jeder Spieler immer
nur einen der vier Töne spielen, dagegen erlaubt die »Melodic
Version« jedem Spieler alle vier vorhandenen Töne zu spielen,
vorausgesetzt sie werden in Abfolgen gespielt, die durch die
harmonischen Regeln gedeckt sind; das heißt Töne, die harmonisch zugleich gespielt werden dürfen, können auch nacheinander in schrittweisen melodischen Sequenzen gespielt werden.
»The Four Dreams of China« stellen in meinem Werk
eine Ausdehnung der Zeitstruktur dar: An der Vorstellung von
Zeitlosigkeit weiterarbeitend bestimmte ich, dass die einzelnen
Aufführungen von »The Four Dreams of China« weder Anfang
noch Ende hätten. Jede Aufführung ist gewebt aus einem ewigen Stoff aus Stille und Klang, bei dem der erste Ton aus einer
langen Stille auftaucht und der letzte Ton der Aufführung nicht
endet, sondern bloß wieder in Stille verschwindet.
La Monte Young
»Dream Light« wurde speziell für Konzertaufführungen von La Monte Youngs »The Four Dreams of China« entwickelt und führt die Erforschung der Ideen fort, die in meinem
24
Do 22. Juni
Werk »Light« eingeführt wurden. Sofern möglich, geht jede
Installation von »Dream Light« auf die je spezifischen Eigenschaften der Natur- oder Theaterräume und der Platzierung
der Musiker darin ein. »Dream Light« ist mit »Light« insofern
verwandt, als beide die inhärenten Eigenschaften von farbigen
Lichtmischungen als Mittel für die Projektion farbiger Schatten
in großräumigen Umgebungen nutzen.
In Installationen von »Light« sind präzise positionierte
farbige Scheinwerferpaare auf symmetrisch angeordnete Paare
von mobilen Skulpturen aus weißem Aluminium gerichtet, um
farbige Schatten an die Decke oder die Wände eines Raumes
zu projizieren. In »Dream Light« nehmen die Musiker und die
ornamentalen architektonischen Besonderheiten der Aufführungsorte die Rolle der skulpturalen Formen ein, auf welche
die farbigen Lichtquellen gerichtet sind, um farbige Schatten
zu kreieren.
Fr 23. Juni
Freitag
18
Uhr
25
23. Juni 2017
MUSEUM SCHNÜTGEN / ST. CÄCILIEN
Klänge wie flutendes Licht
Gagaku-Zeremonialmusik aus dem japanischen
Kaiserhof
Hideaki Bunno, Shō-Mundorgel, Gesang, Leitung
Naoyuki Manabe, Shō-Mundorgel, Wagon-Zither,
Gesang
Nagao Ōkubo, Hichiriki-Oboe
Gorō Ikebe, Hichiriki-Oboe, Gesang, Tanz
Shōgo Anzai, Fue-Bambusquerflöte
Yutaka Ōta, Fue-Bambusquerflöte, Gesang
In Zusammenarbeit und dank Förderung durch Japanisches Kulturinstitut Köln,
Marian Zazeela
The Japan Foundation und Arts Council Tokyo
Kangen Konzertante Musik
»Banshikichō-no-Chōshi« – »Seigaiha«,
2 Shō, 2 Hichiriki, 2 Fue (Ryūteki)
Bugaku Musik zu Hoftänzen
»Konju« (Karyōbin-no-Netori, Konju-no-Ha,
Konju-no-Kyū), Linke Abteilung, 2 Shō,
2 Hichiriki, 2 Fue (Ryūteki)
»Hassen« (Konetori, Hassen-no-Kyū),
Rechte Abteilung, 2 Hichiriki, 2 Fue (Komabue)
Musik für Shō
»Ōshikichō-no-Chōshi«, Duo für 2 Shō
Kagura-uta Shintoistische Ritualmusik
»Asakura-no-Netori« – »Asakura« –
»Sonokoma-Sandobyōshi« – »Sonokoma-Agebyōshi«,
Gesang, Schlaghölzer, Wagon, Hichiriki,
Fue (Kagurabue), Ninjōmai (Tanz)
26
Fr 23. Juni
Der Romanik als markanter Epoche der abendländischen Kunstund Architekturgeschichte entspricht in Japan die späte HeianZeit (898–1185). Damals erreicht die höfisch-aristokratische
Kultur der Kaiserstadt Heian (Kyōto) ihre Hochblüte. Musikalisch ist dieser Zeitraum in Europa durch die Entwicklung des
Gregorianischen Chorals und die Anfänge der Mehrstimmigkeit
(Organum) geprägt. Im fernen Japan wurde das Musikleben
des Adels dagegen von Gagaku dominiert, einer vornehmen
Ensemblemusik mit und ohne Tanz, die man noch heute bei zeremoniellen und rituellen Anlässen am Kaiserhof sowie an shintoistischen Schreinen und buddhistischen Tempeln aufführt.
Gagaku-Musik zählt damit zu den ältesten Überlieferungen Japans. Ihre Geschichte lässt sich mehr als 1300 Jahre
bis in die Nara-Epoche (710–794) zurückverfolgen. Damals
orientierte sich der junge, noch im Aufbau befindliche Inselstaat an China und Korea und übernahm von dort auch zahlreiche Musikarten, Instrumente und Tanzformen. Diese waren
bereits ihrerseits Importe aus anderen asiatischen Kulturen,
unter anderem aus Indien, West- und Zentralasien, die dann
in Japan zu einer spezifisch japanischen Darbietungskunst assimiliert wurden.
Der Begriff Gagaku stammt aus den Lehren des altchinesischen Philosophen Konfuzius (551–479 v.Chr.) und meint
eine »würdevolle, korrekte« Musik, die nicht in erster Linie
ästhetisch gefallen, sondern ethisch bilden will. Als Klangsymbol kosmischer Ordnung trägt sie dazu bei, den Menschen als
ein »harmonisches« Wesen zu vollenden, das von extremen
Gefühlen frei einen »mittleren Weg« der Ausgeglichenheit und
heiteren Gelassenheit beschreitet.
Archaische Einfachheit und weitgehender Verzicht
auf unmittelbaren Gefühlsausdruck sind denn auch Merkmale
der Gagaku-Musik von heute. Ihr betont langsames Vortragstempo sucht das alltägliche Zeitempfinden aufzuheben
und auf die Zeitlosigkeit kosmischer Ordnung zu verweisen.
Für die abgehobene, feierliche Atmosphäre sorgen auch die
charakteristischen Instrumente. Die Kernmelodie einer Gagaku-Komposition wird von den Blasinstrumenten Hichiriki
(kleine Oboe) und Fue (Querflöte) heterophon vorgetragen und
Fr 23. Juni
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von der Shō (Mundorgel) mit Akkordklängen im hohen Register
umhüllt. Diese zarten, sphärischen Klänge lassen – wie die
Musiker es selbst ausdrücken – an »flutendes Licht« denken,
das die Melodietöne immer wieder anders beleuchtet.
In der Aufführungspraxis des japanischen Kaiserhofs
umfasst Gagaku Gesänge, Instrumentalmusik und Tänze
der höfischen Shintō-Zeremonien, instrumentalbegleitete
Lieder und vor allem Ensemblemusik, die entweder konzertant
(Kangen) oder zur Begleitung von Tänzen (Bugaku) aufgeführt
wird. Das Ensemble des heutigen Konzerts, das nach 2013 zum
zweiten Mal beim Romanischen Sommer gastiert und unter der
Leitung von Hideaki Bunno diesmal renommierte ehemalige
Meister der Musikabteilung des japanischen Kaiserhofs in
Tokyo versammelt, präsentiert in kleiner, kammermusikalischer
Besetzung eine Auswahl von Stücken aus den verschiedenen
Bereichen der traditionellen Gagaku-Musik.
Zu Beginn erklingt mit »Seigaiha« (Wellen des blauen
Meeres) eine bekannte rein instrumentale Kangen-Komposition. Der helle, strahlende Charakter der Musik rührt nicht
zuletzt vom zugrundeliegenden Modus »Banshikichō« her. Als
einer der sechs heptatonischen Modi der Gagaku-Musik entfaltet er sich mit charakteristischen Tonintervallen und Ornamentierungen über dem Grundton H. Dem Stück wird mit
»Banshikichō no-Chōshi« ein kurzes Präludium vorangestellt,
das den Modus vorbereitet. Entstehung und Urheberschaft von
»Seigaiha« sind lediglich durch Legenden überliefert. So soll das
Stück bereits in der altchinesischen Hofmusik gespielt worden
sein, und sein Titel nimmt Bezug auf den heiligen See Kukunor
(chin. Qinghai, jap. Seigai) im Nordosten des tibetischen Hochlandes. Im Gagaku-Repertoire von heute wird das Stück als
»Tōgaku« (Musik aus Tang-China) betrachtet. Entsprechend
ist die Instrumentation »chinesisch«: Neben der kleinen, aber
klangstarken Hichiriki-Oboe und der Shō-Mundorgel kommt
die ursprünglich chinesische Bambusquerflöte Ryūteki (Drachenflöte) zum Einsatz.
Für das Stück »Seigaiha« existiert auch eine Version
mit Tanz, bei der sich zwei in prachtvollen Kostümen gekleidete
Tänzer – dem zeremoniell-rituellen Charakter von Gagaku ent-
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Fr 23. Juni
sprechend – äußerst langsam und würdevoll bewegen. Diese
»Bugaku«-Tanzkunst bildet einen eigenen Bereich im GagakuRepertoire, wobei zwischen Werken der »Rechten Abteilung«,
die ihre Wurzeln in Korea haben sollen, und solchen der »Linken
Abteilung«, die sich auf chinesische Vorbilder zurückführen
lassen, unterschieden wird. Auch musikalisch bestehen Unterschiede, wie an den beiden Bugaku-Stücken zu erkennen ist,
die heute Abend rein konzertant vorgestellt werden.
Das erste Stück »Konju« (Weintrinker aus Zentralasien) steht für den »chinesischen Stil« der »Linken Abteilung«
und soll Mitte des 9. Jahrhundert nach chinesischen Vorbildern
in Japan entstanden sein. Es besteht aus drei Abschnitten, von
denen heute lediglich der mittlere (Ha) und der abschließende
schnellere Abschnitt (Kyū) zu hören sind. Vorangestellt wird ein
kurzes Präludium, das den Modus »Ichikotsuchō« mit Grundton
D des Hauptstücks vorbereiten soll (»Karyōbin-no-Netori«).
Dem »chinesischen Stil« entsprechend kommt im Trio der Blasinstrumente als Querflöte die mit viel Atemgeräusch gespielte
chinesische Ryūteki zum Einsatz.
Das zweite Bugaku-Werk »Hassen« (Die Acht Weisen)
ist ein Stück im »koreanischen Stil« der »Rechten Abteilung«.
Der alternative Titel »Koro-base« lässt deutlicher erkennen,
was gemeint ist: »Acht Kranich-Vögel vom Kunlun-Berg«, die
in der altchinesischen Mythologie als Symbol für Langlebigkeit
verehrt werden. Aus der mehrteiligen Komposition wird im
heutigen Konzert nur der Schlussteil (Kyū) gespielt, den ein
»Konetori«, eine Kurzversion des Präludiums, einleitet. Neben
der obligatorischen Hichiriki-Oboe wird als Querflöte die – im
Vergleich zur chinesischen Variante – klanglich feinere koreanische Komabue verwendet. Wie bei Musik der »Rechten Abteilung« allgemein üblich, entfällt die Mundorgel Shō.
Die Mundorgel ist zweifellos eines der interessantesten Instrumente der Gagaku-Musik. Die 17 Bambuspfeifen, die
aus einer kleinen tassenförmigen Windkammer ragen, sind mit
Durchschlagszungen ausgestattet, die es ermöglichen, die Töne
sowohl durch Aus- als auch durch Einatmen zu erzeugen, so
dass kontinuierliche Klänge gespielt werden können. Bis in die
Neuzeit wurde die Shō ausschließlich als Orchesterinstrument
Fr 23. Juni
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in der Hofmusik eingesetzt. Erst seit den 1980er Jahren entwickelte sich ein Solo-Repertoire, das auf den traditionellen
Chōshi-Präludien basiert. In »Ōshikichō-no-Chōshi« steht der
Modus »Ōshikichō« mit dem Grundton A im Mittelpunkt. Das
Stück wird im heutigen Konzert in einer Version für zwei Mundorgeln dargeboten, die ihr Spiel improvisatorisch in freier Mehrstimmigkeit entfalten.
Die ursprüngliche Religion der Japaner, die ihr Denken
und Fühlen bis heute prägt, ist der Shintoismus. Ihm liegt ein
animistisches Weltbild zugrunde, das den Kräften der Natur als
»Kami« (Gottheiten) Respekt entgegenbringt. In den shintoistischen Ritualen gilt es, die unzähligen Kami durch Opfergaben
und Unterhaltung mit Musik und Tanz zu erfreuen und wohlwollend zu stimmen. Man nennt diese Rituale »Kagura« (Freude
der Gottheiten).
Besondere Bedeutung kommt den Shintō-Ritualen
am Kaiserhof zu. Hier hat der Kaiser als Abkömmling der Götter
selbst für das Wohl der ganzen Nation zu sorgen. Aus dem Repertoire der nur selten zu hörenden höfischen Ritualmusik »MiKagura« (Erlauchtes Kagura) stammen die beiden schlichten
Lieder »Kagura-uta«. Sie werden mit Schlaghölzern rhythmisch
interpunktiert und von der sechssaitigen japanischen Zither
Wagon mit einfachen Spielpatterns begleitet. Hinzu treten die
Oboe Hichiriki und die Kagurabue, eine besondere Form der
Bambusquerflöte mit tiefem, rauem Klang. Am Beginn steht
auch hier ein instrumentales Präludium »Asakura-no-netori«.
Den anschließenden Gesängen liegen teils kryptische Texte aus
der japanischen Frühzeit zugrunde. Ihr Alter allein begründet
ihren »sakralen« Charakter. »Asakura« erinnert an die Kaiserin
Saimei (655–661), die während eines Kriegszuges in den Westen
des Landes an einem Ort namens Asakura einen provisorischen
Palast erbauen ließ.
Zu Asakura,
in dem Palast aus Baumstämmen,
wenn ich dort bin – / (wenn ich dort bin,
wer geht da vorbei und nennt
immerzu meinen Namen?)
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Fr 23. Juni
Der zweite Gesang »Sonokoma« (Dieses Pferdchen)
ist zweigeteilt. Nach einem ersten Abschnitt in »Sandobyōshi«
(Dreierrhythmus) folgt ein zweiter Abschnitt im Rhythmus
»Agebyōshi« (beschleunigter Viererrhythmus). Der in beiden
Abschnitten identische Text stammt aus einem »Pferde-Liedchen«. Dass er hier als Kagura-uta verwendet wird, erklärt sich
wohl aus der Verehrung, die Pferden als den Reittieren der
Gottheiten im japanischen Altertum entgegengebracht wurde.
Dieses Pferdchen, ei!
Mich, ja, mich bittet es um Gras.
Mit Gras will ich es füttern,
Auch Wasser ihm holen.
Mit Gras will ich es füttern, ei!
Während bei «Asakura« der Gesang weitgehend nur
mit der Wagon-Zither begleitet wird, spielen in «Sonokoma«
alle Instrumente zusammen. Dazu tanzt der leitende Zelebrant
den Priestertanz «Ninjōmai«, wobei er als Zeichen kultischer
Reinheit einen Zweig des heiligen, immergrünen Sakaki-Baums
in der Hand hält
Heinz-Dieter Reese
Romanische Nacht
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Vom Licht des Ewigen
Das Licht ist ein urreligiöses Symbol, verheißt es
doch eine Befreiung aus der Macht der Finsternis.
Menschen zu allen Zeiten der Weltgeschichte werden die
Schattenseiten durchlebt und durchlitten haben. Finsternis ist Symbol der Chaosmächte, des Bösen, des Todes.
Menschen finden sich in diese Dunkelheiten geworfen –
wehrlos, kleine, bemächtigte Wesen. Das Licht bekommt
umso mehr Sehnsuchtszugskraft, je größer das Erleben
der eigenen Begrenzung und der Hilflosigkeit ist. Viele
mussten das Kapitulieren lernen, dass sie nicht sich selbst
das rettende Licht in der Finsternis sein können. Auch das
eine schmerzliche Erfahrung, die hingenommen sein will.
Der Bibel ist das Thema Licht bedeutsam. Gott in
seiner Schöpfungslust ist es zu verdanken, dass aus dem
Chaos der Kosmos wurde, in dem auch eine klare Trennung von Finsternis und Licht angeordnet ist. Das Johannes-Evangelium bezeugt den irdischen Jesus als das Licht.
Der Prolog dieses Evangeliums verbindet das Licht mit
dem Leben: �Das Leben war das Licht der Menschen.� (Joh
1,5). Die Tragik der Erfahrung des Evangelisten liegt darin,
dass der Mensch sich nach diesem Licht sehnt –
es aber nicht erkennt: �Und die Finsternis bekam es nicht
zu fassen.� Welche Tragik angesichts der Sehnsucht, ein
heil(er)es Leben führen zu dürfen. Die Lösung des Evangeliums ist die Aussage des johanneischen Jesus: �Ich bin
das Licht der Welt.� (Joh 8,12) Die Person des irdischen
Jesus bringt Orientierung in die Sehnsucht nach heileren
Lebensumständen.
Die Basilika St. Maria im Kapitol mag Zeugin sein
für diese Weltdeutung. Hier sind sich in der Geschichte
viel Finsternis und viel Licht begegnet. Dieser Kirche sind
viele Wunden der zerstörerischen Macht der Finsternis
geschlagen worden – nicht zuletzt in der Zerstörung des
Zweiten Weltkrieges. Aus Glauben an die größere Kraft des
32
Fr 23. Juni
Lichtes, an die beständigere Macht des von Jesus verkündeten Gottes haben die Menschen diesen prächtigen Bau
wieder aufgebaut. Heute besuchen diesen Raum Menschen aus unterschiedlichen Motiven. Ihm inne wohnt
die mystische Gegenwart des unsichtbaren Gottes. Das
Johannes-Evangelium stellt am Ende seines Prologes fest:
�Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist
und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.�
(Joh 1,18) Und dieser ist bezeugt als das �wahre Licht, das
jeden Menschen erleuchtet� .
Bis in unsere Tage ist viel Menschliches in der
Nachfolge dieses Lichtes in die Welt gekommen. In all dem
bleiben wir auch in der Tragik, die Johannes so benennt:
�Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden,
aber die Welt erkannte ihn nicht.� (Joh 1,0) Der Weg des
Erkennens des alles Übersteigenden und doch so paradox Gegenwärtigen erschließt sich nicht nur kognitiv. Die
Musik hat manches Herz, das in Zweifeln und Finsternissen gebunden war, mit göttlichem Licht gefüllt. So bleibt
sie eine wunderbare Künderin des Lichtes, ohne selbst das
Licht zu sein.
Matthias Schnegg
Pfarrer an St. Maria im Kapitol
Romanische Nacht
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ST. MARIA IM KAPITOL
ROMANISCHE NACHT (20–24 Uhr)
Ab 20.05 h Live-Übertragung WDR 3, Moderation Sabine Weber
20
Uhr
Klare Sonne gehe unter und ver treibe
das er trinkende Mondlicht
Teofilovići
Ratko Teofilović, Radiša Teofilović, Gesang
1. Popoj mi slugo careva
2. Ptice lastavice
3. Zaspala devojka
4. Melo melo Seburjanče
5. Snošti go vidov
6. Jano mori
7. Zelen bor
8. Izlego da se prošeta
9. Deli Magdalena
10. Smilj Smiljana
11. Džanum zađe Sunce
12. Goro le goro zelena
13. Vrbice vrbo
14. Đurđa devojka
15. Cveto mori Cveto
16. Marijo ćero Marijo
17. Navali se Šar planina
18. Marijo bela kumrijo
Der Balkan wird heute musikalisch vor allem durch
die berühmten populären Blaskapellen von Emir Kusturica oder
Goran Bregović international und medial wahrgenommen. Aber
gerade die Vokaltraditionen in Mazedonien, Griechenland,
Albanien, Montenegro, Bulgarien, Serbien und Kroatien sind
sehr eindrucksvoll und variantenreich. Sie nähren sich einerseits aus der multikulturellen Geschichte der Völker auf dem
Balkan, ihren uralten Mythologien, ihrer epischen Poesie und
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Fr 23. Juni
den vielfältigen traditionellen musikalischen Ausdrucksformen.
Andererseits ist der mehr als tausend Jahre alte orthodoxe
Kirchengesang eine weitere wichtige Quelle. Dabei steht der
östliche einstimmige Gesang in der Tradition der griechischbyzantinischen Musik, während der Chorgesang erst im 19.
Jahrhundert erblühte, als die russische Chor-Kirchenmusik an
Einfluss gewann und viele Komponisten ihre Werke im Geiste
der russischen Polyphonie schufen, die dann im ländlichen Kontext zur Blüte gelangten. Eine dritte Quelle ist die Hofmusik, die
während der Herrschaft der Habsburger auf dem Balkan die
Musiken mit westlichen Einflüssen bereicherte.
Seit über 25 Jahre beschäftigen sich die Brüder Ratko
und Radiša Teofilović intensiv mit verschiedenen zweistimmigen Gesangsstilen der gesamten Balkanregion. Eine Form des
polyphonen Gesangs ist die Diaphonie. Sie ist charakteristisch
für zahlreiche Regionen und wurde in Mazedonien von der
UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Bei diesem
typischerweise a cappella praktizierten Gesang führt die eine
Stimme und die andere unterstützt diese als Bordun gesummt
oder gesungen. Diaphonie gab es vor allem im männlichen
Repertoire, das traditionell bei Feiern, Versammlungen, Hochzeiten und anderen geselligen Zusammenkünften gesungen
wurde. Viele Texte gehen auf mythologische Epen zurück. Aber
es gibt auch profane Texte und Liebeslyrik, die oftmals im
Dienste eines sozialen Ereignisses stehen. Im Mittelpunkt steht
jedoch immer die Suche nach dem Sinn des Lebens in Schönheit
und Liebe; nach dem Gleichgewicht von Mensch und Natur.
Die Teofilović-Brüder suchen nach fast verschollenen
Liedern und Harmonien, heben Liederschätze, die nur noch in
verkitschter volksmusikalischer Form erhalten sind und erwecken ihre Fundstücke aus mehr als zwei Jahrhunderten auf ihre
unverkennbar eigene Weise wieder zu neuem Leben. Ihre Suche und Arbeit wird geleitet von der Überzeugung, dass die
menschliche Stimme das älteste und perfekteste Musikinstrument ist, mit dem sie eine ständige liturgische Bewegung des
Geistes durch die Zeit unternehmen.
Birgit Ellinghaus
Romanische Nacht
21
Uhr
35
Et Lux
WOLFGANG RIHM
*1952
»Et Lux« für Vokaloktett und Streichquartett
(2009)
Huelgas Ensemble
Axelle Bernage, Sabine Lutzenberger, Sopran
Achim Schulz, Terry Wey, Stefan Berghammer,
Matthew Vine, Tenor
Tim Scott Whiteley, Guillaume Olry, Bass
Minguet Quartett
Ulrich Isfort, Annette Reisinger, Violine
Aroa Sorin, Viola
Matthias Diener, Violoncello
Paul Van Nevel, Leitung
Wolfgang Rihms 2009 entstandenes »Et Lux« ist eine
Verbindung von Techniken und Funktionen der Vokalpolyphonie der Renaissance mit zeitgenössischer Musik. Der Komponist
schrieb das einstündige Werk für das auf Musik des Mittelalters
spezialisierte Hilliard Ensemble und das auf neue Musik konzentrierte Arditti Quartett. So lag eine Verbindung von Alt und
Neu schon in der konträren Ausrichtung der UraufführungsInterpreten begründet. Indem »Et Lux« aber charakteristische
Elemente aus verschiedenen Epochen in sich vereint, wirkt das
Stück zugleich wie aus der Zeit gefallen, wie zwischen allen Kategorien und Stilen, weder alt noch neu. Und gerade mit dieser
unbestimmten Zeitlichkeit gelingt der Zeitkunst Musik ein Vorschein auf das, was zentrales Thema speziell dieses Stücks ist,
nämlich Zeitlosigkeit, oder emphatischer Ewigkeit: »et lux perpetua luceat«, das ewige Licht leuchte.
Die acht Singstimmen verzweigen sich polyphon und
kommen zugleich immer wieder zu langen Liegetönen, Akkorden und perfekten Konsonanzen zusammen, bei denen sich der
36
Fr 23. Juni
Atem der Sängerinnen und Sänger gleichsam als Lebensatem
verströmt. Insbesondere reine Quarten und Quinten wirken –
ohne die in der Dur-Moll-Tonalität unerlässlichen Terzen –
eigenwillig leer, streng, kühl, altertümlich, archaisch, hieratisch.
Hinzu kommen querständige Klauseln, die an die eigenwillig
chromatische Musik eines Carlo Gesualdo erinnern und zugleich in Stimmführung und Harmonik darüber hinausgehen.
Durch das Streichquartett erfährt der weiche und zumal in der
Überakustik einer Kirche fast körperlos schwebende Klang des
Vokaloktetts sowohl Fortsetzung, Umfärbung als auch Kontrast. Die Streicher beginnen mit einem Unisono der leeren
tiefsten Violinsaite G, von wo aus sie sich verästeln und wohin
sie im weiteren Verlauf immer wieder als Ruhe- und Ausgangspunkt für weitere Verästelungen zurückkehren. Das Quartett
spielt meist Pianissimo und mit Dämpfer, so dass die übliche
Abstrahlcharakteristik unterdrückt wird und der Instrumentalklang silbern und wie entrückt erscheint. Stellenweise agieren
die Streicher auch geräuschhaft und perkussiv mit erweiterten
Spieltechniken. Schließlich stehen die vier Stimmen auch
symbolisch für die Welt und deren Vergänglichkeit (vier antike
Elemente, vier Himmelsrichtungen, Jahres- und Tageszeiten,
Lebensalter).
Der badische Katholik Wolfgang Rihm – 1952 in Karlsruhe geboren und dort immer noch lebend und seit 1985 an der
dortigen Musikhochschule als Nachfolger seines Lehrers Eugen
Werner Velte Komposition lehrend – komponierte »Et Lux« ausdrücklich nicht in direkter Folge der Jahrhunderte alten Gattungstradition des Requiems. Dennoch handelt es sich in modifiziertem Sinne um ein Requiem. Text und Gattung erscheinen
wie in Erinnerung als etwas längst Vergangenes und zugleich
durch die Kraft der Erinnerung neu vergegenwärtigt. In seinem
Werkkommentar schrieb Rihm selbst: »In dieser Komposition
erklingen Textfragmente der römischen Requiem-Liturgie.
Sie erscheinen jedoch nicht ›intakt‹ und in liturgisch korrekter
Folge. Eher tauchen sie auf als erinnerte Bestandteile eines –
wie in einer Anamnese – schrittweise vergegenwärtigten
Zusammenhanges. Es sind einzelne Wortverbindungen, die –
immer wiederkehrend – zentrale Bedeutung ausstrahlen.
Romanische Nacht
37
Ganz im Zentrum: ›... et lux perpetua luceat...‹. In kreisendem
Reflektieren werden die sowohl tröstlichen als auch tief beunruhigenden Schichten dieser Worte vielleicht spürbar.«
»Et Lux« ist ein modernes Requiem. Mit Hilfe der neu
angeordneten Textteile der lateinischen Totenmesse wird
danach gefragt, ob und was nach dem Tode folgt. Statt als
Gebet an Gott, richtet sich die Musik hier und jetzt an ihr Publikum. Rihm schuf keine düstere Totenfeier oder gar furiose
Beschwörung des Jüngsten Gerichts. Sein Werk verzichtet auf
eine spektakuläre Vertonung der mittelalterlichen Sequenz
»dies irae«, wie sie Mozart, Berlioz, Verdi, Dvořák und viele
andere effektvoll ausgestalteten, bis die Sequenz durch das
Zweite Vatikanische Konzil 1965 aus der »missa pro defunctis«
ausgeschlossen wurde. Das ruhevolle Gleiten von Rihms Musik
wird durch den apokalyptischen Schrecken jedenfalls nur wie
von entferntem Widerhall aus längst vergangener Zeit kurz
getrübt. Akzentuiert wird nicht der Anfang der Liturgie »requiem aeterna«, sondern dessen ebenso bittende wie hoffnungsvolle Fortsetzung »et lux perpetuat luceat [eis]«, das ewige
Licht leuchte ihnen, den Verstorbenen. Und stellenweise
erstrahlt das göttliche Licht in hellem C-Dur wie einst schon
in Joseph Haydns Oratorium »Die Schöpfung« zu den Worten:
»Und Gott sprach, es werde Licht – Und es ward Licht!«
Rihms »Et Lux« kennt den Tod nicht als drohendes
Fatum oder grässlich daher reitenden Knochenmann und
Schnitter, dessen willkürlich geschwungene Sense unterschiedslos alles Leben niedermäht. Vielmehr erscheint der Tod
als ein unabänderliches Faktum, das heißt letztlich akzeptiert
und seines Schreckens beraubt. Wie in einer barocken Allegorie
verkehrt sich für den Komponisten sowie für die Interpreten
und die Zuhörer das Wissen um die eigene Sterblichkeit
»memento mori« zugleich in ein heiter-gelassenes Bekenntnis
zum Leben: »carpe diem«! Vielleicht lässt sich gerade in einer
solchen Kreisbewegung so etwas wie Seelenfrieden gewinnen?
Für eine Besprechung von »Et Lux« in der CD-Einspielung durch
die Interpreten des heutigen Abends fand Dorothea Bossert
2015 folgende tastende Worte: »Eine Stunde Musik, betörend
und verstörend, schroff und jubelnd, wissend und wissen
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Fr 23. Juni
Romanische Nacht
wollend, fragend ins Offene, immer intensiv, auch im Leisen,
kaum Hörbaren. Immer rein, nie berechnend auf Effekt bedacht.
Schönheit, der Schönheit nichts bedeutet. Konsonanzen und
Dissonanzen werden zu Energiezuständen. Stimmen werden
zu Instrumenten und Instrumente zu Stimmen. Text zu Musik,
Musik zur nonverbalen Klangrede, nicht bildhaft, nicht emotional, aber berührend – berührend nüchtern.«
Rainer Nonnenmann
22
Uhr
Brazilian Motions: Mariä Verkündigung
MATTHIAS SCHRIEFL
*1981
und Band
Patricia Cruz, Gesang, Perkussion
João Luis Nogueira Pinto, akustische Gitarre
André de Cayres, Kontrabass, E-Bass
Rodrigo Villalon, Schlagzeug, Perkussion
Matthias Schriefl, Flügelhorn, Trompete,
Bass-Flügelhorn, Arrangements
Brazilian Motions ist ein Projekt des Allgäuer Jazztrompeters Matthias Schriefl. Hierbei realisiert er ausschließlich
Eigenkompositionen in vielen brasilianischen Stilen, wie zum
Beispiel Bossa oder Samba, leicht zugänglich und klar, ohne
banal zu sein. Für das Konzert in der Kirche St. Maria im Kapitol
werden einige neue Kompositionen von Schriefl aufgeführt, die
sich mit dem Thema Maria auseinandersetzen. Dazu hat Patricia
Cruz brasilianische Texte verfasst, die sich mit Maria auseinandersetzen. Maria wird dabei als eine weibliche Gottheit
behandelt, die nicht nur im Christentum, sondern auch in anderen Religionen vorhanden ist und für das göttliche Weibliche
stand und steht. St. Maria im Kapitol ist die Lieblingskirche von
Matthias Schriefl in Köln. Vielleicht auch, weil er aus einem
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Marienwallfahrtsort im Allgäu stammt, auf dem christlichen
Internat Marianum« eine ambivalente Zeit verbrachte und dann
jahrelang in der Kölner Marienstraße wohnte.
Die Melodien sind teilweise so schlicht, dass sie zum
Mitsingen einladen. Bei einigen Titeln wiederum herrscht eine
derart ernste, intime Atmosphäre, dass man nur konzentriert,
mit geschlossenen Augen zuhören möchte. Die sensible Stimmung der Lieder wird durch persönliche Widmungen geprägt
sowie durch die deutliche musikalische Formulierung von
bekannten Gefühlen: Liebe, Einsamkeit, Glück, Trauer und die
einfache Freude am Leben. Einige der Lieder werden von der
Sängerin Patricia Cruz aus Rio de Janeiro mit geschmackvollen
Lyrics versehen. Die lateinamerikanische Rhythmusgruppe um
André De Cayres aus São Paolo, dem kolumbianischen, mittlerweile weltbekannten Trommler Rodrigo Villalon und João Luis
Nogueira Pinto aus Zentralbrasilien, versteht immer, für jedes
Stück den richtigen Groove zu finden und bei feurigen Soli und
Themen mit viel Spielfreude zu interagieren. In der Band treffen
sich drei Nationalitäten (brasilianisch, kolumbianisch, allgäurisch), eine Menge jugendlicher Charme, technische Brillanz
und ehrliche Lust an Musik.
Matthias Schriefl
23
Uhr
Fragmentum – Auf der Suche nach
dem verlorenen Klang
Ordo Virtutum – Ensemble für Musik des
Mittelalters
Hubert Mayer, Johannes Mayer, Simon McHale,
Jörg Rieger, Csongor Szántó, Gesang
Stefan Johannes Morent, Gesang und Leitung
Zisterzienserkloster Maulbronn, Graduale, 15. Jh.
[Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 102/49, Bd. 195]
»De martyribus«
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Fr 23. Juni
Romanische Nacht
Alleluia V. »Beatus vir«
Offertorium »Iustus ut palma«
Communio »Magna est gloria«
»De confessoribus«
Introitus »Statuit ei dominus«
»De S. Michaele«
Offertorium »Stetit angelus«
Antiphon »Diffusa est gratia« + Psalmus 44
Responsorium »Hodie nobis celorum rex«
Benediktinerkloster Alpirsbach, Graduale, 15. Jh.
[Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 102/2, Bd. 214]
»Commune Dedicationis Ecclesiae«
Lectio Evangelii
Offertorium »Domine deus«
Communio »Domus mea«
Benediktinerkloster Hirsau, Antiphonale,
2. Hälfte 12. Jh.
[Württembergische Landesbibliothek Stuttgart,
Cod. fragm. 56]
»Commune Confessoris Pontificis in ii nocturno«
Antiphona »Vitam petiit a te« + Psalmus 20
Responsorium »Inveni David«
Responsorium »Posui adiutorium«
Zisterzienserkloster Bebenhausen, Antiphonale,
15. Jh.
[Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 303, Bd. 1330]
»Dominica de Passione in iii nocturno«
Responsorium »Tota die«
Zisterzienserkloster Salem, Graduale, 15. Jh.
[Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Sal. XII,31r]
»In nativitate S. Ioannis Baptistae«
Introitus »De ventre matris mee«
Zisterzienserkloster Salem Graduale, 15. Jh.
[Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Sal. XII,8]
»In nativitate domini nostri Jesu Christi in i nocturno«
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Zisterzienserkloster Salem Graduale, 15. Jh.
[Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Sal. XII,31r]
»Ad vesperas feriae iv/v infra octavam Paschae«
Alleluia »Christus resurge«
(Alle Übertragungen aus den Handschriften und Übersetzungen von
Stefan Johannes Morent)
Fragmentum – Auf der Suche nach dem verlorenen Klang
Musikalisch-liturgische Fragmente aus württembergischen
Klöstern
Als 1537 durch Herzog Ulrich endgültig die Reforma-tion in Württemberg eingeführt war und in Folge dessen
viele Klöster aufgehoben wurden, waren auch ihre Choralhandschriften dem Untergang geweiht. Die über Jahrhunderte
mit höchstem künstlerischen Aufwand hergestellten Codices
galten nun als Zeugen einer veralteten Liturgie. Die »papistischen Bücher«, wie man sie jetzt nannte, hatten nur noch
materiellen Wert. Das wertvolle Pergament, auf dem die Gesänge notiert waren, konnte als stabiles Einbandmaterial für
Akten recycelt werden. Aber auch dadurch, dass ältere Handschriften durch neuere, repräsentativere ersetzt oder durch
Ordensreformen neue liturgische Bücher notwendig wurden,
gerieten sie in den Makulaturprozess. So wurden tausende
von Choralhandschriften zerschnitten und dienten fortan als
eine Art Notenkleid für Buchdeckel und zur Verstärkung von
Buchrücken. Jahrhunderte lagerten sie so als Fragmente in den
Archiven, die meisten davon im Hauptstaatsarchiv Stuttgart
und im Staatsarchiv Ludwigsburg.
In Verbindung mit dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart,
Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und dem Südwestrundfunk hat es sich das Ensemble Ordo Virtutum zur Aufgabe
gemacht, diese schlafenden Schätze wieder wach zu küssen,
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Fr 23. Juni
sie vom Dunkel der Archive ans Licht zu holen. Jede Seite, jeder
zerschnittene Streifen erzählt dabei seine eigene spannende
Geschichte, die zurückführt in jene Zeit, als von ihnen gemäß
ihrer Bestimmung die Liturgie in einem Kloster gesungen wurde. Dabei verweisen die Fragmente trotz ihrer Unvollständigkeit und auf den ersten Blick Begrenztheit meist auf einen größeren Kontext. Oft fungieren sie als eine Art Schlüsselloch, das
einen Blick in liturgische Kulturen erlaubt, die ansonsten gänzlich verloren wären. So waren etwa aus vielen württembergischen Klöstern (z.B. Bebenhausen) bisher keine oder nur sehr
wenige musikalisch-liturgische Zeugnisse bekannt, deren Zahl
durch die Fragmente entscheidend und teilweise zum ersten
Mal vermehrt werden kann. Dabei ist durchaus nicht immer
sicher, dass die Fragmente in den Klöstern, aus denen die Träger-Archivalien stammen, auch geschrieben wurden. Teilweise
gelangten sie aus anderen Gemeinschaften durch Büchertausch
oder -kauf dorthin. Auch dieser Befund und die Frage nach den
möglichen Wegen solcher fremden Fragmente lassen interessante Rückschlüsse auf die Austauschbeziehungen zwischen
verschiedenen Klöstern und Liturgiekreisen zu.
Das Programm Fragmentum ist also auch ein Beitrag
zum Reformationsjahr 2017. Es nimmt den Hörer mit auf eine
spannende Zeitreise und haucht den über Jahrhunderte verstummten Zeugen nach aufwändiger Rekonstruktion zum ersten Mal wieder ihren verlorenen Klang ein. Dabei wurden die
Fragmente nach den Klöstern ausgesucht, deren Klosterkirchen
heute noch zum größten Teil in ihrem mittelalterlichen Bestand
erhalten sind: Die ehemalige Zisterzienserabteikirche Bebenhausen, die Marienkapelle des ehemaligen Benediktinerklosters
Hirsau, die ehemalige Zisterzienserabteikirche Maulbronn, die
ehemalige Zisterzienserabteikirche Salem und die ehemalige
Benediktinerklosterkirche Alpirsbach. Die Grundidee ist hierbei,
dass die liturgischen Räume, in denen einst die auf den Fragmenten festgehaltene Liturgie gesungen wurde, wesentlich zur
klanglichen Rekonstruktion dazu gehören. Denn der durch
Raum und Architektur bedingte Klangunterschied etwa zwischen der Zisterzienserkirche Maulbronn und der Benediktinerkirche Alpirsbach ist gewaltig. Auch wenn diese Klangunter-
Romanische Nacht
43
schiede nur auf SACD-Aufnahmen zu hören sind, kann dennoch
der Hörer im Konzert in einer einzelnen Kirche einen Eindruck
von den verschiedenen jahrhundertealten klösterlichen Traditionen erhalten, die mit Einführung der Reformation plötzlich
verstummten. Die in unserem Programm zu hörenden Ausschnitte aus der Liturgie entsprechen dem zufälligen Überlieferungsbefund der Fragmente. Dem Programm liegt also diesmal
im Gegensatz zu den sonstigen Gepflogenheiten des Ensembles
keine geschlossene liturgische Konzeption zugrunde.
Stefan Morent
Mitwirkende
in der Reihenfolge ihres Auftritts
NORBERT RODENKIRCHEN studierte Flöte bei Hans-Martin
Müller und Günther Höller in Köln. Ebenso war er Kompositionsschüler der deutsch-chilenischen Komponistin Leni Alexander und gehörte als Interpret zum kreativen Umfeld der Klasse
von Johannes Fritsch, der für ihn u.a. das Werk »Fistula mortale«
schrieb. Seit 25 Jahren widmet sich Norbert Rodenkirchen dem
künstlerischen Dialog zwischen Mittelalter und Gegenwart.
Einerseits hat er sich als Solist auf historischen Traversflöten im
Bereich der alten Musik international einen Namen gemacht,
u.a. als Mitglied von Sequentia und Dialogos. Andererseits ist
er als Improvisator und Komponist einer experimentell archaischen Musik aktiv und komponiert er auch für Theater und Filme. Zudem gibt er Workshops in mittelalterlicher Improvisation u.a. an der Schola Cantorum Basel und am Mozarteum
Salzburg.
JOHANNES S. SISTERMANNS studierte Klavier bei Klaus Runze,
Rhythmik bei Holmrike Leiser sowie Neues Musiktheater bei
Mauricio Kagel. Er realisiert Kompositionen in Media/Elektroakustik, Radiokunst, Musiktheater, KlangPlastik, Performance
sowie Urban Environment. Einladungen zu Konzerten, Performances, Ausstellungen bei internationalen Festivals wie Donaueschinger Musiktage, EXPO Weltausstellung Hannover sowie in Hong Kong, Melbourne, Sydney, Perth, New York und von
verschiedenen Sendeanstalten. Vorlesungen und längere Stipendienaufenthalte führten ihn nach Australien, Indien, Japan,
USA und China. Vielfach national/international ausgezeichnet
erhielt er u.a. 1997 den Karl-Sczuka-Förderpreis SWR, den
Deutschen Klangkunst-Preis 2008 WDR/Skulturenmuseum
Marl/Initiative Hören, 2015 den PRIX PRESQUES RIEN sowie
2016 den 1. Preis »Leibniz Harmonien« im internationalen Kompositionspreis der Stadt Hannover.
Das Vokalensemble PROFETI DELLA QUINTA hat sich der Renaissancemusik des 16. und 17. Jahrhunderts verschrieben. Aus-
46
Mitwirkende
gangspunkt ist das fundierte Musizieren nach der Aufführungspraxis der jeweiligen Zeit, gepaart mit dem Bewusstsein für das
heutige Publikum und dessen Hörgewohnheiten. Das Ensemble
wurde in Galiläa/Israel von Elam Rotem gegründet. Mittlerweile ist es in der Schweiz ansässig, wo alle seine Mitglieder
weiterführende Studien an der Schola Cantorum Basiliensis
absolvieren. Wie der Name schon sagt, besteht das Ensemble
im Kern aus fünf Sängern, die nach Bedarf mit befreundeten
InstrumentalistInnen und SängerInnen zusammenarbeiten. Die
CD-Einspielung von Emilio de Cavalieris »Lamentationen«
(1600) sowie Salomone Rossis »Hashirim asher li'Shlomo« (1623)
samt eines Dokumentarfilms an Originalorten in Mantua
machten das schweizerisch-israelische Ensemble 2011 international bekannt. Seitdem gastiert es bei internationalen Festivals
und Konzertreihen. 2014 tourten die Musiker durch die USA
und Japan.
Der Cembalist, Komponist und Sänger ELAM ROTEM ist Gründer und Leiter des Ensembles Profeti della Quinta. Nach dem
Bachelor-Abschluss in Cembalo an der Jerusalem Academy
for Music and Dance übersiedelte er nach Europa, um sich
noch mehr auf Alte Musik zu spezialisieren. An der Schola Cantorum Basiliensis spezialisierte er sich auf historische Aufführungspraxis und machte er seinen Master in Continuo-Spiel,
Impro-visation und Komposition. 2014 entwickelte er die
inzwischen ausgezeichnete Website »Early Music Sources«.
2016 legte er seine Doktorabeit »Early Basso Continuo Practice:
Implicit Evidence in the Music of Emilio de’ Cavalieri« vor, die
im Rahmen eines neuen Kooperationsprogramms zwischen der
Schola Cantorum Basiliensis und der Universität Würzburg
entstanden ist.
Wo immer die Flötistin CAMILLA HOITENGA auftritt, begeistert
sie durch ihr charismatisches Spiel. Neben Konzerten mit
klassischem Repertoire hat sie zahlreiche Werke uraufgeführt,
die speziell für sie komponiert wurden, etwa von Kaija
Saariaho, Ken Ichiro Kobayashi und Pèter Koeszeghy, dirigiert
von Jukka-Pekka Saraste, Susanna Mälkki, Vladimir Jurowski,
Mitwirkende
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Alan Gilbert und Christoph Eschenbach. Da sie auch von asiatischer Musik inspiriert ist, wird sie häufig zu Gastspielen nach
China und Japan eingeladen und hat mehrere Stücke japanischer Komponisten zur Uraufführung gebracht. Ihr Repertoire
reicht von Bach und Schubert über Jean-Baptiste Barrières
hoch-moderne Stücke für Live-Video und Elektronik bis zu
Improvisationen und Auftritten mit dem Pianisten und Klangkünstler Taavi Kerikmäe.
EIJA KANKAANRANTA ist eine der führenden finnischen
Kantele-Spielerinnen und speziell an zeitgenössischer Musik
und Improvisation interessiert. Sie hat Werke von Asta
Hyvärinen, Michael Finnissy, Jukka Tiensuu, Lotta Wennäkoski,
Juhani Nuorvala and Kaija Saariaho uraufgeführt und als
erste klassische Kantele-Spielerin 2009 an der Sibelius Academy promoviert. Ihre Solo-CD »Griffyr – Contemporary Music
for Kantele« erschien 2007. Als Solistin war sie zu Gast
beim Avanti! Chamber Orchestra, Pori Sinfonietta, Joensuu
City Orchestra und dem Nederlands Blazers Ensemble,
NBE. Außerdem spielte sie die Kantele in diversen Orchestern: Uusinta Chamber Ensemble, Tapiola Sinfonietta, Finnish
Baroque Orchestra, Moscow Contemporary Music Ensemble
und Athelas Sinfonietta Copenhagen. 2017 ist sie Stipendiatin
beim Arts Promotion Centre Finnland.
AGNÈS CLÉMENT ist 1. Preisträgerin beim Internationalen
Musikwettbewerb der ARD München 2016 sowie Gewinnerin
des Publikums- und Sonderpreises für die beste Interpretation
der Auftragskomposition. Schon zuvor gewann die französische
Harfenistin zahlreiche internationale Preise. Sie wurde 1990
geboren und studierte Harfe und Fagott an den Konservatorien
von Clermont-Ferrand und Boulogne-Billancourt, ehe sie ihre
Studien bei Fabrice Pierre am Conservatoire National Supérieur
de Musique de Lyon fortsetzte und mit der höchsten Auszeichnung abschloss. Seit Solo-Debüts in Paris und Chicago ist sie
regelmäßig auf internationalen Podien zu Gast, auch mit Orchestern mit Glières Harfenkonzert. Seit 2013 ist sie Solo-harfenistin des Orchestre Symphonique de la Monnaie Brüssel.
48
Mitwirkende
Das Vokalensemble TRYS KETURIOSE wurde 1984 gegründet
und widmet sich dem fast vergessenen Repertoire des mehrstimmigen litauischen Gesangs, den Sutartinės, die seit 2010
auf der UNESCO-Liste des Immateriellen Weltkulturerbes stehen. Sutartinės (abgeleitet von dem litauischen Wort sutarti –
im Einklang sein) ist eine einzigartige Vokaltradition, die im
Nordosten Litauens von Frauen praktiziert wird. Das auch als
»Königinnen der Sutartinės« bekannte Ensemble erweckt vergessen geglaubte archivierte Melodien wieder zum Leben. Trys
Keturiose heißt so viel wie »Drei von Vier«. Der Name ist einem
Lied-Refrain entlehnt, der auf die Zusammensetzung der Gruppe anspielt, die sich je nach Lied verändern kann: es singen
jeweils zwei, drei oder vier Sängerinnen. Daiva Vyčinienė ist
Gründerin von Trys Keturiose und die wichtigste Forscherin
dieser Musik.
THE THEATRE OF ETERNAL MUSIC BRASS ENSEMBLE wurde
2014 von Ben Neil, Stephen Burns und Marco Blaauw gegründet,
um La Monte Youngs »The Second Dream of The High-Tension
Line Stepdown Transformer« in der Version für acht Trompeten
in der Licht-Installation »Dream Light« von Marian Zazeela aufzuführen. In den frühen 1990er Jahren hatten Ben Neil und Stephen Burns dieses Werk in enger Zusammenarbeit mit dem
Komponisten auf die Bühne gebracht und aufgenommen. Für
die Wiederaufführung der Komposition in mehreren europäischen Städten konnte Marco Blaauw weitere auf die Interpretation zeitgenössischer Musik spezialisierte Trompeter gewinnen. Im Januar 2015 fand die erste Arbeitsphase mit La Monte
Young und Marian Zazeela in deren New Yorker »Dream House«
statt. Im Juli 2015 spielte das Ensemble die ersten Aufführungen
im Chelsea Dream House in New York. Im Herbst 2015 produzierte Marco Blaauw in Zusammenarbeit mit Festivals in Warschau, Paris und Huddersfield die europäische Wiederaufnahme. Nach der Aufführung beim Ultima Festival in Oslo 2016
geht die Reise für das Ensemble 2017 unter anderem nach
Krems, Amsterdam, s’Hertogenbosch, Köln und zum einzigartigen Europäischen Dream House in Polling, Bayern. Auf für das
Kölner Konzert ausgegebenen Handzetteln mit Informationen
Mitwirkende
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zu Komponist, Lichtkünstlerin und Werk finden sich auch die
Kurzbiographien der Interpreten von LA MONTE YOUNGs »The
Melodic Version« (1984) of »The Second Dream of The HighTension Line Stepdown Transformer« from »The Four Dreams
of China« (1962) in der Installation »Dream Light« von MARIAN
ZAZEELA.
SHŌGO ANZAI wurde 1969 Mitglied im Gagaku-Ensemble des
japanischen Kaiserhofs und konzentrierte sich auf das Spiel der
Bambusflöten (Ryūteki, Komabue, Kagurabue). 2009–2013 war
er Leiter des Hoforchesters. 1977 trat er zusätzlich dem Ensemble Jūnion-kai bei. Als Hofmusiker hat er an mehreren Gastspielreisen des kaiserlichen Gagaku-Ensembles nach Europa,
Amerika, Ägypten, Korea u.a. teilgenommen. 2012 hatte er als
Leiter des Hoforchesters beim »Edinburgh International Festival« großen Erfolg. Nach seiner Pensionierung ist er weiterhin
im Gagaku-Ensemble Kitanodai, aber auch als musikalischer
Berater verschiedener Amateur-Ensembles aktiv.
HIDEAKI BUNNO, 1944 geboren, stammt aus einer Musikerfamilie, die seit den Anfängen der Gagaku-Hofmusik im 8. Jahrhundert diese in einem »Amt für Musik und Tanz« pflegt und
weitergibt. Als Nachfolger seines Vaters trat er 1959 in die
Dienste des japanischen Kaiserhofs, wo er fünfzig Jahre vor
allem das Spiel der Shō (Mundorgel), der Sō (Zither) und den
Gesang (Kagura-uta) praktizierte. Zuletzt wirkte er auch als
Leiter des Hoforchesters. 1977 war er Mitbegründer des Ensembles Jūnion-kai, das die Verbindung von Tradition und Moderne
in der Gagaku-Musik erprobt. 2009, dem Jahr seiner Pensionierung, wurde Hideaki Bunno mit dem Preis der Japanischen
Akademie der Künste ausgezeichnet. Bis heute ist er als angesehener Gagaku-Musiker und Lehrer aktiv. Beim Romanischen
Sommer war er bereits 2013 zu Gast.
GORŌ IKEBE spielte seit 1972 im Gagaku-Orchester des japanischen Kaiserhofs vor allem die Oboe Hichiriki sowie während
der letzten Jahren vor seiner Pensionierung in leitender Funktion. 1977 wirkte er an der Gründung des innovativen Gagaku-
50
Mitwirkende
Ensembles Jūnion-kai mit. 2013 übernahm er die Choreografie
für ein neues Bugaku-Tanzstück anlässlich der Feierlichkeiten
zur Verlegung des Groß-Schreins von Ise. Er war Teilnehmer an
den Gastspielreisen des Kaiserlichen Hoforchesters nach Europa, Amerika, Ägypten, Korea u.a. Bis heute engagiert er sich
bei der Ausbildung jüngerer Gagaku-Musiker am Kaiserhof wie
auch in verschiedenen Amateur-Ensembles.
NAOYUKI MANABE, 1971 geboren, studierte Komposition sowie Gagaku-Hofmusik u.a. bei Hideaki Bunno. Er arbeitet heute
gleichermaßen als Komponist wie als Spieler der Gagaku-Instrumente Shō (Mundorgel) und Sō (Zither) und tritt auch beim
Hoftanz auf. Als Komponist wurde er mit zahlreichen Preisen
ausgezeichnet. 2011/12 hielt er sich mit einem Stipendium des
japanischen Staates in Deutschland auf, um in Konzerten und
Workshops die Mundorgel Shō vorzustellen und mit Musikern
und Komponisten neue Kooperationen zu erproben. Er ist
Mitglied in verschiedenen Gagaku-Ensembles und Dozent für
Gagaku-Musik an mehreren japanischen Hochschulen. Beim
Romanischen Sommer gastiert er zum zweiten Mal.
NAGAO ŌKUBO trat 1970 in das Gagaku-Ensemble des japanischen Kaiserhofs ein und konzentrierte sich auf das Spiel der
kleinen Oboe Hichiriki. 2013/14 war er Leiter des Hoforchesters.
Seit 1977 ist er zusätzlich Mitglied des Ensembles Jūnion-kai. Er
nahm an mehreren Gastspielreisen des kaiserlichen Hoforchesters nach Europa, Amerika, Ägypten, Korea u.a. teil und bildete
zahlreiche jüngere Gagaku-Musiker aus. Nach seiner Pensionierung ist er weiterhin als Berater des Hoforchesters, aber
auch verschiedener Amateur-Ensembles aktiv. Darüber hinaus
ist er als Choreograf für den Bugaku-Hoftanz tätig, am AsamaSchrein, Koyasu-Schrein und Nationaltheater in Tokyo.
YUTAKA ŌTA absolvierte ein Musikstudium an der Tokyo National University of Fine Arts and Music. Er nahm Unterricht in
Gagaku-Musik bei dem Hofmusiker Shōgo Anzai und spezialisierte sich auf das Spiel der Bambusquerflöten und der Laute
Biwa sowie den Bugaku-Tanz. Darüber hinaus komponiert er
Mitwirkende
51
Musik für Theater und Tanz und tritt mit Künstlern aus unterschiedlichsten Genres auf. Er ist Schöpfer einer Erkennungsmelodie der Nordlinie des japanischen Shinkansen-Expresszuges
und aktiv in vielen Musikprojekten, die Japanisches und Westliches miteinander verbinden.
Die serbischen Brüder Ratko und Radiša TEOFILOVIĆ gelten als
außergewöhnliche Interpreten einer längst vergessenen Gesangstradition. Das Vokalduo hat sich intensiv mit alten zweistimmigen Gesängen aus der gesamten Balkanregion beschäftigt. Bei ihrer Suche nach teils verschollenen Liedern und
Harmonien stießen sie auf Fundstücke aus mehr als zwei Jahrhunderten. Auch die oft nur noch in verkitschter Form erhaltene Volksmusik haben sie zu neuem Leben erweckt. Seit 1994
produzierten sie zahlreiche CDs, gastierten in fast allen europäischen Ländern, in Japan, den USA und traten auf großen Festivals auf, etwa dem World Performing Arts Festival (Osaka),
Sziget Festival (Budapest), Estivoce Festival (Korsika), Canti di
tradizioni (Sardinien). Wenn Ratko und Radiša Teofilović singen,
klingt das einerseits orientalisch, andererseits mittelalterlich.
Sie haben ihren ganz eigenen Sound entwickelt, minimalistisch
und zugleich sehr voll.
Das HUELGAS ENSEMBLE wurde 1971 vom flämischen Dirigenten Paul Van Nevel gegründet. Es gilt als eines der international
angesehensten Ensembles für die Polyphonie des Mittelalters
und der Renaissance. So bezieht sich auch der Name auf den
»Codex Las Huelgas«, ein Manuskript überwiegend polyphoner
Musik aus dem 13./14. Jahrhundert. Unverkennbar ist die Freude
am Entdecken von unbekanntem Repertoire. Das vielfach ausgezeichnete Ensemble tritt weltweit auf bei Festivals für Alte
Musik und in den großen Konzerthäusern, etwa in London, New
York, Paris, Berlin oder Lissabon. Die Discografie der Formation
umfasst über 60 Aufnahmen von Vokal- und Instrumentalmusik des 13. bis zum 16. Jahrhundert sowie zeitgenössische Musik.
Das in Köln beheimate MINGUET QUARTETT konzentriert sich
seit 1988 gleichermaßen auf die klassisch-romantische Literatur
52
Mitwirkende
wie auf die Musik der Moderne und Uraufführungen von Kompositionen des 21. Jahrhunderts. Begegnungen mit bedeutenden Komponisten unserer Zeit inspirieren die vier Musiker zu
immer neuen Programmideen. Zu den bedeutendsten Projekten zählen die erstmalige Gesamtaufnahme der Streichquartette von Wolfgang Rihm, Peter Ruzicka und Jörg Widmann sowie
von Karlheinz Stockhausens »Helikopter-Streichquartett«. Das
Minguet Quartett wurde 2010 mit dem ECHO Klassik sowie
2015 mit dem renommierten französischen »Diapason d'Or«
ausgezeichnet und zählt heute zu den international gefragtesten Streichquartetten. Es gastiert in allen großen Konzertsälen
der Welt. In den kommenden Jahren wird das Ensemble die
vollständige Kammermusik von Emil Nikolaus von Reznicek,
Heinrich Kaminski und Walter Braunfels sowie das einzigartige
Streichquartett von Glenn Gould auf CD vorlegen.
Mitwirkende
53
zeichnungen folgten: WDR-Jazzpreis für Improvisation (2006),
Förderpreis des Landes NRW für Komposition, Dirigat, Instrumentalmusik (2008), Preis der Deutschen Schallplattenkritik für
»Six, Alps and Jazz« (2012), TFF – RUTH Sonderpreis Weltmusik
(2016). Internationale Aufmerksamkeit erregte Matthias
Schriefls Band »Shreefpunk« mit Tourneen durch Europa, Mexiko, Australien und Westafrika. Schriefl arbeitet mit internationalen Jazzgrößen und Big Bands: u.a. Django Bates, Peter
Brötzmann, Daniel Humair, Peter Herbolzheimers, Lee Konitz,
Joachim Kühn, Nils Landgren. Als Komponist und Solist arbeitete er mit den Duisburger Philharmonikern. Mit seinen zahlreichen eigenen Bandprojekten sorgt er immer wieder für stilistische Überraschungen.
PAUL VAN NEVEL ist der künstlerische Leiter des Huelgas
Ensembles, das er vor über 45 Jahren als Erweiterung seiner
Aktivitäten an der Schola Basiliensis gründete. Als Pionier und
Gallionsfigur der Erforschung und Aufführung europäischer
Polyphonie steht er für eine interdisziplinäre Heransgehensweise an die originalen Quellen unter Berücksichtigung
des kulturellen Umfelds (Literatur, historische Aussprache,
Stimmung, Tempo, Rhetorik etc.). Van Nevel war Gastdozent
an vielen Konservatorien und ist seit 30 Jahren Gastdirigent des
Nederlands Kamerkoor. Er erhielt zahllose Auszeichnungen,
darunter den »Prix in Honorem« der Académie Charles Cros,
mehrmals den »Diapason d’Or«, den Preis der deutschen Schallplattenkritik und den Deutschen Musikpreis ECHO Klassik. Seine Einspielung von Wolfgang Rihms »Et Lux« mit dem Huelgas
Ensemble und Minguet Quartett erhielt den »Diapason d'Or de
l’année 2015”.
Das Tübinger Ensemble ORDO VIRTUTUM hat sich auf die
Musik des Mittelalters spezialisiert. Mit seinem Gründer Stefan
Johannes Morent eröffnet es in der Verbindung von Interpretation und musikwissenschaftlicher Forschung einen Zugang zur
musikalischen Welt des mittelalterlichen Europa. Das Programm reicht von kleineren kammermusikalischen Besetzungen bis zum szenischen Musiktheater (»Spiel von den klugen
und törichten Jungfrauen«, »Carmina Burana«, »Wolfenbütteler
Marienklage« und »Ordo Virtutum« von Hildegard von Bingen).
Das Ensemble arbeitet mit renommierten Interpreten mittelalterlicher Aufführungspraxis (Andrea von Ramm, Sterling Jones,
Benjamin Bagby, Anne Azéma) zusammen und betreibt für
jedes Projekt umfangreiche Forschungsarbeit. Fernseh- und
Rundfunkproduktionen entstanden u.a. mit dem SWR »Notker
der Dichter«, »Hermann der Lahme« und »Insula felix« mit
Musik aus dem Inselkloster Reichenau. Regelmäßig gastiert das
Ensemble bei internationalen Festivals in Europa, USA und Australien.
MATTHIAS SCHRIEFL, 1981 im Allgäu geboren, ist ein Frühstarter: als Trompeter, Komponist und Bandleader wurde er mit 11
Jahren Bundessieger bei »Jugend Musiziert«, danach Leiter einer
Schulbigband, jüngstes Mitglied im Bundes-Jazz-Orchester und
als 17-jähriger Bundessieger bei »Jugend Jazzt«. Weitere Aus-
STEFAN JOHANNES MORENT ist Musikwissenschafler und
Spezialist für die Aufführungspraxis des Mittelalters. Er lehrt als
Professor am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität
Tübingen. Zudem ist er ein gefragter Gastdozent an Akademien,
bei Kongressen und internationalen Festivals. Zusammen mit
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Mitwirkende
Benjamin Bagby und dem Ensemble Sequentia leitete er die
Akademie für Musik des Mittelalters innerhalb der Landesakademie Ochsenhausen und pflegt eine rege Konzerttätigkeit mit
dem von ihm gegründeten Ensemble Ordo Virtutum für Musik
des Mittelalters. Morent veröffentlichte zahlreiche Arbeiten
zur Aufführungspraxis des Mittelalters. Zuletzt erschien sein
Buch »Der Klang des Himmels – Hildegard von Bingen als
Komponistin «.
Foto: St. Maria im Kapitol, © S.Grebe
Veranstalter
musik+konzept e.V. gemeinsam mit
dem Westdeutschen Rundfunk Köln / Kulturradio WDR 3
Mit freundlicher Unterstützung von:
Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport
des Landes Nordrhein-Westfalen
Stadt Köln / Kulturamt
Kunststiftung NRW
Sparkasse KölnBonn aus Mitteln des PS Zweckertrag
Japanisches Kulturinstitut Köln, The Japan Foundation und Arts Council Tokyo
ON – Neue Musik Köln
Förderverein Romanische Kirchen Köln
Förderverein
Romanische Kirchen
Köln e.V.
Programm:
Maria Spering und Rainer Nonnenmann, musik+konzept e.V.
Werner Wittersheim, WDR 3
Gesamtleitung: Maria Spering
Redaktion: Rainer Nonnenmann, Vera Firmbach
Öffentlichkeitsarbeit: Vera Firmbach, Steffi Bütow
Assistenz: Helene Heuser
Organisation: Maria Spering, Karin Rabsch
Gestaltung: Bastian Ruppik
Druck: Köller+Nowak GmbH
Texte: Originalbeiträge von Rainer Nonnenmann, Norbert Rodenkirchen/
Johannes S. Sistermanns, Elam Rotem/Dan Dunkelblum,
Camilla Hoitenga, Agnès Clément, La Monte Young, Marian Zazeela,
Heinz-Dieter Reese, Matthias Schnegg, Birgit Ellinghaus,
Matthias Schriefl, Stefan Morent © bei den Autoren
Informationen und Tickets
www.romanischer-sommer.de; [email protected]
Telefon +49 (0)2232 215 40 00
www.romanischer-sommer.de
In Kooperation mit dem Kulturradio WDR 3
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