Ethische Modelle im Überblick

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Hedonismus
Definition
Im Zentrum dieses Modells stehen Freude und Lust (griech. hedoné) als die Erfüllung
eines Strebens. Nach dem psychologischen Hedonismus strebt der Mensch nur nach
Freude und Lust (vgl. Freud). Allerdings hält Freud das Programm des Lustprinzips für
unerfüllbar, da der Mensch als Kulturwesen auch dem Realitätsprinzip unterliegt. Nach
dem ethischen Hedonismus ist allein Freude um ihrer selbst willen erstrebenswert. Eine
naive Form des ethischen Hedonismus ist die Freude des Augenblicks, während ein
aufgeklärter Hedonismus das langfristige Glück sucht (Epikur). Ein vom Christentum
beeinflusster Hedonismus sucht das Glück für möglichst viele.
kritische Anfragen
Ist ein gelungenes sittliches Leben ohne Freude und Lust überhaupt denkbar? Heißt
Christsein nicht auch Freude haben (das Evangelium als Frohe Botschaft!)? Darf aber
Freude alleiniges Ziel des Lebens sein, oder nur die notwendige Begleiterscheinung,
wenn das Streben nach Werten wie Freundschaft oder Gerechtigkeit Erfüllung findet?
(vgl. die Thesen V. Frankls: Das Streben nur nach Spaß fördert noogene Neurosen.)
Utilitarismus
Definition
Kriterium ist das Prinzip der Nützlichkeit (lat. utilis: nützlich; frz. utile), nach
dem jene Handlungen sittlich geboten sind, deren Folgen für das Glück aller
Betroffenen optimal sind. Als in sich gut und höchster Wert gilt die Erfüllung der
menschlichen Bedürfnisse und Interessen. Ausschlaggebend ist in der Regel nicht
das Glück bestimmter Individuen oder Gruppen, sondern das aller von der
Handlung Betroffenen. Der Utilitarismus verpflichtet sich auf das allgemeine
Wohlergehen.
kritische Anfragen
Ist ethisches Handeln ohne Beachtung der Folgen einer Handlung und deren
Bedeutung für das Wohlergehen der Betroffenen überhaupt denkbar? Lässt sich
im konkreten Einzelfall (z. B. Ehescheidung) das Prinzip Nützlichkeit für alle
Betroffenen (z. B. Kinder) überzeugend begründen? Ist der Begriff allgemeines
Wohlergehen klar zu definieren? Hat der Mensch auch Pflichten wahrzunehmen,
unabhängig von der Nützlichkeit der jeweiligen Situation (z.B. Ehrlichkeit,
Treue, Nächstenliebe)?
Atheistische ethische Modelle
z. B. Nationalsozialismus
Definition
Im Zentrum nationalsozialistischer Ethik und als heiligstes Menschenrecht bezeichnet steht die
sog. Rassenlehre, derzufolge es eine hochstehende nordische Rasse und andere unterschiedlich
minderwertige menschliche Rassen gibt. Hitler behauptete, Träger der Rasseneigenschaft sei
das Blut, weshalb er die Reinerhaltung des deutschen Blutes zur heiligsten Verpflichtung
erhob. Eine weitere Konsequenz der Rassenlehre ist das Recht der stärkeren Rasse zur
Herrschaft über die Schwächeren. Den größten Gegensatz zum Arier stellte nach Hitler der
Jude dar. Der Jude ist für Hitler noch unter dem Tier anzusiedeln; er bezeichnet Juden als
Personifikation des Teufels, Parasiten der Menschheit, Untermenschen.
Diese „Ethik“ des Hasses und der Angst vor Überfremdung prägt bewusst oder unbewusst
auch die (jugendlichen) Anhänger rechtsradikaler Ideen unserer Zeit. Sie zeigt sich in
Antisemitismus (z.B. Zerstörung jüdischer Friedhöfe) und Gewaltakten gegen Ausländer.
kritische Anfragen
Wird am Beispiel Nationalsozialismus (an seinem Menschenbild, seinen höchsten Werten und
seinen konkreten Gesetzen, z.B. Nürnberger Rassengesetze von 1935) nicht sehr deutlich, wie
problematisch, beliebig und menschenverachtend eine Ethik ist bzw. werden kann, die sich
nicht auf einen Grundkonsens wie Menschenrechte und/oder die Gottesidee stützt? Zeigen sich
nicht gerade hier die Gefahren eines Rechtspositivismus, der Recht und Gerechtigkeit nur
durch die positive Gesetzgebung eines Staates begründet?
Existentialismus
Definition
Allen Strömungen des Existentialismus gemeinsam ist der Ansatz, dass unbedingte ethische
Forderungen, sofern es sie überhaupt geben kann, von der jeweils geschichtlichen Existenz des
Handelnden selbst abhängen. Eine radikale Position des Existentialismus nimmt der
französische Philosoph Sartre ein, indem er jegliche Werte und ein den Menschen bindendes
moralisches Wesen absolut ablehnt. Da der Mensch sich seine Welt selbst schaffen muss und
zur Freiheit verdammt ist, muss er in dieser Verlassenheit auch seine eigenen Werte setzen.
Diese Werte muss der Mensch jedoch in Übereinstimmung mit der Freiheit der anderen
verwirklichen. Existentieller Humanismus bedeutet für Sartre, dass der Mensch sich bewusst
werden muss, dass es außer ihm keinen Gesetzgeber gibt und dass er in seiner Verlassenheit
über sich selber entscheidet.
kritische Anfragen
Ist der Mensch nicht überfordert, wenn er z. B. als Philosoph oder Ethiker ohne jeglichen
metaphysischen Bezug in einer Welt, wo das Verhalten der Menschen untereinander von
Feindseligkeit geprägt ist, seine Werte finden muss? Ahnt dies Sartre nicht selbst, wenn es in
seinem Theaterstück "Huis clos" am Ende heißt: "L'enfer, c'est les autres" - Die Hölle, das sind
die anderen? Ist weiterhin der einzelne im Alltag nicht andauernd überfordert, wenn er auf die
Sicherheiten und Entlastungen objektiver Normen verzichten muss?
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