Der UTILITARISMUS Die bedeutendste Strömung innerhalb der neueren empiristischen Ethik Der UTILITARISMUS Schon der ethische Ansatz Hume‘s hat das Nutzenkalkül eingeführt Sein Begründer ist Jeremy Bentham (1748-1832) Weitere Klassiker des Utilitarismus sind Stewart Mill (1806-1873) Henry Sidgwick (1838-1900) Auch eine vorherrschende Richtung der heutigen Bioethik ist vom Utilitarismus geprägt Der UTILITARISMUS Mit Utilitarismus bezeichnet man heute ein ziemlich breites Spektrum von Positionen der philosophischen Ethik, die sehr unterschiedlich sein können Typisch utilitaristisch ist eine Kombination von 4 Prinzipien: 1) Konsequenzenprinzip 2) Utilitätsprinzip 3) Hedonismus 4) Sozialprinzip Der UTILITARISMUS - Prinzipien Konsequenzenprinzip Die moralische Beurteilung von Handlungen erfolgt ausschließlich auf Grund der zu erwartenden Handlungsfolgen, der Konsequenzen oder Auswirkungen einer Handlung Man nennt dieses Prinzip auch Teleologie (telos=Zweck, Ziel, Folge) zum Unterschied von: Deontologie (deon = Pflicht) Der UTILITARISMUS - Prinzipien Utilitätsprinzip Die Handlungskonsequenzen werden beurteilt nach dem Kriterium des Nutzens, der Utilität. Der Nutzen aber ist nicht ein willkürliches Ziel, sondern er verweist schon auf etwas in sich Gutes, auf eine Theorie, die der Erkennung des in sich Guten dient. Der UTILITARISMUS - Prinzipien Hedonismus Als empiristische Position kann der Utilitarismus aber das in sich Gute nur hedonistisch bestimmen, d.h. es besteht in der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse und Interessen, also in der Lust, der Freude, dem Glück. Das in sich Gute ist das menschliche Glück. Worin es bestehen soll, bestimmt jede Person für sich selbst. Jede und jeder in ihrem/seinem Lebensplan bestimmt so die Präferenzen und damit das Profil ihres/seines hedonistischen Kalküls. Der UTILITARISMUS - Prinzipien Hedonismus Jeremy Bentham: rein quantitatives Hedonismuskalkül (Freude bzw. Leid wird nach Intensität, Dauer usw. homogen quantifiziert). Stuart Mill: qualitativer Hedonismus (Differenz von geistigen und sinnlichen, von höheren und niederen Freuden): „Besser ein unzufriedener Mensch als ein befriedigtes Schwein“. Die Frage ist nur, ob unter empiristischen Voraussetzungen eine moralisch relevante Differenzierung möglich ist. Der UTILITARISMUS - Prinzipien Sozialprinzip: Im moralischen Kalkül geht es nicht um das Glück des Handelnden selbst, sondern um das Glück aller von der Handlung Betroffenen, um das „größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl“ (Bentham). Dabei werden auch die Tiere in diese soziale Perspektive einbezogen. (Bentham ist der Begründer einer Tierethik). Einige Gesichtspunkte des neueren Utilitarismus: Nützlichkeitsprinzip Handlungs-Utilitarismus Regel-Utilitarismus Handlungsutilitarismus Einzelhandlungen werden anhand der guten und schlechten Konsequenzen beurteilt. Dies ist die klassische Position. Aber damit entsteht ein Problem: einzelne im allgemeinen Bewusstsein als unmoralisch angesehene Handlungen können dennoch vom utilitaristischen Konsequenzenkalkül her sinnvoll sein. Beispiel: Die Folterung von Verbrechern, um Geständnisse zum Nutzen der Allgemeinheit zu erpressen (vgl. USA-Irak), oder gar die Tötung von bestimmten Menschen, um viele zu retten. Regelutilitarismus Die Richtigkeit oder Falschheit einer Handlung muss anhand der guten oder schlechten Konsequenzen einer Regel bestimmt werden. Geht nach 2 Stufen vor: Einzelhandlungen müssen mit Handlungsregeln übereinstimmen. Handlungsregeln sind im Sinne des utilitaristischen Kalküls zu beurteilen (1. Stufe) Man könnte aber durchaus auch die Regeln in die Beurteilung der Konsequenzen von Einzelhandlungen einbeziehen (2. Stufe). Handlungs- und Regelutilitarismus Die Frage ist, ob die Unterscheidung zwischen Handlungs- und Regelutilitarismus tatsächlich einen Fortschritt bedeutet: denn wenn ich streng die Konsequenzen einer Einzelhandlung beurteilen will, muss ich die Regeln mit einbeziehen, und will ich die Konsequenzen einer Regel beurteilen, muss ich die Auswirkungen auf Einzelhandlungen berücksichtigen. Einige Gesichtspunkte des neueren Utilitarismus: Konsequenzenprinzip Teleologische Prognose: Man sollte die Konsequenzen für das eigene Handeln voraussehen und auch die Alternativen für So oder Anders-Handeln, für Handeln und Nicht-Handeln miteinander vergleichen. Die eigene Verantwortung ufert dann ins Unermessliche aus (vgl. Hans Jonas – Verantwortung auch für die kommenden Generationen durch das, was ich nicht verhindert habe, z.B. Klimaproblematik). Dann aber löst sich die konkrete Verantwortung auf. Einige Gesichtspunkte des neueren Utilitarismus: Hedonismus Das rein quantitative hedonistische Kalkül nach Bentham ist sicher unpraktikabel – es gibt einfach Unterschiede im Erleben von Lust. Beispiel: Elektrodenmensch (Smart) Wie aber soll ein qualitativ differenziertes Kalkül erfolgen? Dies geht wohl nicht, wenn wir nicht auch die Ursachen der Zufriedenheit untersuchen. Ist es überhaupt das hedonistisch bestimmte Glück, das wir im glückenden Leben erstreben? Ergibt sich die Integrität glückenden Menschseins nicht eher im Verwirklichen von Lebensplänen, im Verfolgen von Sinnzielen, im Eingehen und Bewähren von Bindungen? Einige Gesichtspunkte des neueren Utilitarismus: Gerechtigkeit: Das Sozialprinzip des Utilitarismus fasst den sozialen Nutzen additiv-quantitativ als Nutzensumme oder Durchschnittsnutzen. Prinzip des Kajaphas: Es ist besser, dass ein Mensch für das Volk stirbt, als dass das ganze Volk zugrunde geht (Joh 11,50). Damit aber wird man der Würde und den Rechten der Einzelpersonen nicht gerecht (einige werden dem Durchschnittsnutzen geopfert). Variante: Präferenz-Utilitarismus des Peter Singer Singer führt in die Nutzenkalkulation des Utilitarismus das „Prinzip der gleichen Erwägung von Interessen“ ein: Wir sollen unseren Interessen gleiches Gewicht geben wie den Interessen all derer, die von unseren Handlungen betroffen sind. Anstelle des Kriteriums von Lust/Unlust wird eingeführt, ob eine Handlung den Interessen/Präferenzen entspricht. Jedes Interesse ist gleichwertig, auch das von Tieren. Das hat zur Folge, dass zum Beispiel Menschen, die noch keine oder nicht mehr Interessen äußern können, in der Abwägung des Nutzens den höher entwickelten Tieren unterlegen sind, die durchaus Interessen äußern, wenn auch nicht sprachlich. Beispiel des sitzenden Sokrates im Dialog „Phaidon“ von Platon Im Grunde reduzieren alle diese empirischen Erklärungsversuche die Praxis auf einen physisch-empirischen Wirkungszusammenhang. Dabei mögen derartige Erklärungs- und Begründungsversuche durchaus in der Lage sein, notwendige Bedingungen der Praxis aufzuweisen, aber die eigentliche Pointe, warum z.B. Sokrates im Gefängnis sitzen bleibt, erklären sie nicht.