Die Systeme der reellen und komplexen Zahlen

Werbung
1
Die Systeme der reellen und komplexen Zahlen
Die zentralen Begriffe der Analysis wie Konvergenz, Stetigkeit, Integrierbarkeit, Differenzierbarkeit etc. basieren alle auf einem exakt definierten Zahlbegriff, dessen endgültige,
befriedigende Präzisierung nach einer fast viertausendjährigen Entwicklung erst gegen
Ende des 19. Jahrhunderts gelang.
Bei den folgenden Fragen gehen wir von einer axiomatischen Beschreibung der Menge
der reellen Zahlen aus, d. h. wir betrachten die reellen Zahlen als gegeben durch
(i) die Körperaxiome
(ii) die Anordnungsaxiome
(iii) ein Vollständigkeitsaxiom.
Als Vollständigkeitsaxiom wählen wir das Supremumsaxiom. Durch diese drei Serien
von Axiomen sind die reellen Zahlen bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt (vgl. etwa
[6]). Einen derartigen axiomatischen Zugang findet man in vielen Lehrbüchern der Analysis wieder (z.B. [4], [7] oder [23]).
Daneben gibt es die Möglichkeit, die reellen Zahlen ausgehend von den natürlichen
Zahlen, wie sie in den Peano-Axiomen fixiert sind, über die ganzen und rationalen Zahlen zu konstruieren. Dieser Weg ist etwas mühselig und zeitaufwendig, insbesondere die
Konstruktion der reellen Zahlen aus den rationalen Zahlen erfordert Schlussweisen und
Techniken, die für Studierende am Anfang ihres Studiums nur schwer verdaulich sind.
Eine klassische Darstellung für diesen Weg findet man in dem Klassiker von E. Landau
(vgl. [25]), eine moderne etwa bei J. Kramer und A.-M. Pippich (vgl. [24]).
Bei der axiomatischen Beschreibung der reellen Zahlen findet man die natürlichen, die
ganzen und die rationalen Zahlen als spezielle Teilmengen der reellen Zahlen wieder. Hat
man die reellen Zahlen zur Verfügung, dann ist das Standardmodell für die komplexen
Zahlen relativ einfach zu konstruieren. Auch wenn die komplexen Zahlen für den Aufbau
der reellen Analysis im Prinzip entbehrlich sind, erweisen sie sich doch als ausgesprochen
nützliche Hilfsmittel, etwa bei Behandlung der Schwingungsdifferenzialgleichung, und in
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015
R. Busam, T. Epp, Prüfungstrainer Analysis, DOI 10.1007/978-3-8274-2770-0_1
1
2
1 Die Systeme der reellen und komplexen Zahlen
diesem Zusammenhang der Einführung der trigonometrischen Funktionen, ferner bei der
Partialbruchzerlegung und Integration der rationalen Funktionen oder der Behandlung
von Fourier-Reihen. Ferner sei auch an den Fundamentalsatz der Algebra erinnert, der
besagt, dass jedes nicht konstante reelle oder komplexe Polynom vom Grad n ( 1) auch
n (im Allgemeinen komplexe) Nullstellen hat.
1.1 Axiomatische Einführung der reellen Zahlen
Frage 1
Was bedeutet die Aussage „Die Menge der reellen Zahlen bildet einen Körper“?
I Antwort Die Eigenschaft der reellen Zahlen, einen Körper zu bilden, bedeutet, dass
sich innerhalb von R (fast) ohne Einschränkung addieren, subtrahieren, multiplizieren und
dividieren lässt. Als Ergebnis dieser Operationen erhält man jedes Mal wieder eine reelle
Zahl. (Die einzige Ausnahme hiervon ist die Division durch Null.)
Genauer heißt das, dass die reellen Zahlen die folgende allgemeine Definition eines
Körpers erfüllen.
Es sei K eine Menge mit zwei inneren Verknüpfungen, d. h. Abbildungen
C W K K ! K;
.a; b/ 7! a C b
(Addition);
W K K ! K;
.a; b/ 7! a b
(Multiplikation):
Dann heißt K (genauer: das Tripel .K; C; / ein Körper, wenn folgende Axiome erfüllt
sind.
(K1)
(K2)
(K3)
(K4)
(K5)
(K6)
(K7)
(K8)
(K9)
Für alle a; b 2 K gilt a C b D b C a
Für alle a; b; c 2 K gilt .a C b/ C c D a C .b C c/
Es gibt eine Zahl 0 2 K, sodass a C 0 D a für alle
a 2 K gilt.
Zu jedem a 2 K gibt es eine Zahl .a/ 2 K mit
a C .a/ D 0
Für alle a; b 2 K gilt a b D b a
Für alle a; b; c 2 K gilt .a b/ c D a .b c/
Es gibt eine Zahl 1 2 K (1 6D 0), sodass a 1 D a
für alle a 2 K gilt.
Zu jedem a 2 K n f0g gibt es eine Zahl a1 2 K
mit a a1 D 1
Für alle a; b; c 2 K gilt a .b C c/ D .a b/ C .a c)
Kommutativgesetz bezüglich „C“
Assoziativgesetz bezüglich „C“
Existenz eines neutralen Elements
bezüglich „C“
Existenz eines inversen Elements
bezüglich „C“
Kommutativgesetz bezüglich „“
Assoziativgesetz bezüglich „“
Existenz eines neutralen Elements
bezüglich „“
Existenz eines inversen Elements
bezüglich „“
Distributivgesetz
Die neutralen Elemente 0 und 1 sind dabei eindeutig bestimmt, ebenso wie die inversen
Elemente a und a1 (für a 6D 0).
1.1
Axiomatische Einführung der reellen Zahlen
3
Wir benutzen außerdem die „Vorfahrtsregel“ („Punktrechnung geht vor Strichrechnung“) sowie die Abkürzung ab für a b. Damit schreibt sich das Distributivgesetz einfach
in der Form a.b C c/ D ab C ac.
Frage 2
Wie lässt sich der Körperbegriff in der Sprache der Gruppentheorie ausdrücken?
I Antwort Ein Körper K ist bezüglich der Verknüpfung „Addition“ eine additive
Abel’sche Gruppe mit dem neutralen Element 0, die von 0 verschiedenen Elemente
aus K bilden eine Abel’sche Gruppe bezüglich der Multiplikation mit neutralem Element
1 6D 0, und Addition und Multiplikation sind über das Distributivgesetz miteinander
verbunden.
Frage 3
Kennen Sie außer dem Körper der reellen Zahlen noch andere Körper?
I Antwort Weitere Körper sind beispielsweise die rationalen Zahlen Q und die komplexen Zahlen C. Beispiele für Körper mit endlich vielen Elementen sind für jede Primzahl
p die Restklassenkörper Z=pZ. Zwischen
Q und R
p bzw. C liegen unendlich viele Zwip
schenkörper, z. B. die Körper Q. 2/ WD fa C b 2I a; b 2 Qg oder Q.i/ WD fa C
biI a; b 2 Qg.
Die natürlichen oder ganzen Zahlen sind dagegen keine Körper, weil sie beide (K8)
nicht erfüllen (die natürlichen Zahlen erfüllen zudem auch (K4) nicht).
Die Elemente eines Körpers müssen nicht unbedingt Zahlen sein. So ist etwa die Menge
der (gebrochen) rationalen Funktionen ebenfalls ein Körper. Die Elemente dieser Menge
sind alle Funktionen des Typs p.x/=q.x/, wobei p und q Polynome in einem Grundkörper
K sind und q nicht konstant null ist.
Frage 4
Warum gelten in einem beliebigen Körper K die folgenden Rechenregeln? Dabei seien
a; b beliebige Elemente aus K.
(i) 0 a D 0;
(ii)
.1/.1/ D 1;
(iii)
ab D 0 ” .a D 0 oder b D 0/ ‹
I Antwort (i) Mit den Bezeichnungen für die Körperaxiome aus Frage 1 gilt
K9
K4
K4
0 a D .0 C 0/ a D 0 a C 0 a H) 0 a 0 a D 0 a H) 0 D 0 a:
Hieraus folgt auch der fundamentale Zusammenhang .1/a D a.
4
1 Die Systeme der reellen und komplexen Zahlen
(ii) Zunächst gilt mit (i)
(i)
K4
K9
K7
0 D 1 0 D 1.1 1/ D 1 1 C .1/ .1/ D 1 C .1/.1/:
Die Addition von 1 auf beiden Seiten der Gleichung liefert dann
K1; K4
K3
0 C 1 D 1 C .1/.1/ C 1 H) 0 C 1 D 0 C .1/.1/ H) 1 D .1/.1/:
(iii) Die Richtung „(H“ folgt aus (i). Für den Beweis der anderen Richtung nehmen wir
oBdA a 6D 0 an. Dann gibt es ein Element a1 2 K mit a1 a D 1. Zusammen mit (ii)
folgt dann
ab D 0 H) a1 ab D a1 0 H) 1 b D 0 H) b D 0:
Frage 5
Gilt die Eigenschaft (iii) („Nullteilerfreiheit“) aus Frage 4 auch für reelle 2 2Matrizen?
I Antwort Die Eigenschaft ist nicht erfüllt. Als Gegenbeispiel betrachte man etwa
0 0
0 1
0 0
0 1
;
D
0 0
0 0
wobei folgende Definition der Matrizenmultiplikation verwendet wurde:
a11
a21
a12
a22
b11
b21
b12
b22
D
a11 b11 C a12 b21
a21 b12 C a22 b22
:
Die reellen 2 2-Matrizen bilden somit keinen Körper. Das Beispiel zeigt die Anwendung
eines sehr nützlichen Prinzips: Eine Menge, die nicht nullteilerfrei ist, kann kein Körper
sein.
Frage 6
Was wissen Sie über die Elementanzahl eines endlichen Körpers?
I Antwort Die Anzahl der Elemente eines endlichen Körpers ist eine Primzahl p oder
allgemeiner eine Primzahlpotenz q D p n für eine natürliche Zahl n 2 N; n 2.
Im ersten Fall ist der Körper isomorph zum Restklassenkörper Fp WD Z=pZ. Die Körper mit p n Elementen sind dann allesamt Erweiterungskörper vom Grad n über Fp . Das
1.1
Axiomatische Einführung der reellen Zahlen
5
bedeutet, dass man sie aus Fp durch die „Adjunktion“ der Nullstelle ˛ eines irreduziblen
Polynoms f .X/ 2 Fp ŒX vom Grad n erhält. Die Elemente des so erhaltenen Körpers
besitzen dann alle eine eindeutige Darstellung
an1 ˛ n1 C an2 ˛ n2 C : : : C a1 ˛ C a0 ;
aj 2 Fp ;
wobei die algebraischen Beziehungen zwischen diesen durch die Gleichung f .˛/ D 0
genau bestimmt sind. Man beachte, dass für n 2 ein Körper mit p n Elementen grundverschieden ist vom Restklassenring Z=p n Z. Letzterer ist überhaupt kein Körper, da er
nicht nullteilerfrei ist.
Frage 7
Gibt es Körper mit 4, 9, 1 024, 65 537 bzw. 999 997 Elementen?
I Antwort Die Zahlen 4 D 22 , 9 D 32 und 1 024 D 210 sind Primzahlpotenzen, die
Zahl 65 537 ist sogar selbst eine Primzahl (nebenbei gesagt: Es ist die größte bekannte
4
Fermat’sche Primzahl F4 WD 22 C 1). Also existiert nach Frage 5 für diese Zahlen jeweils
ein Körper mit der entsprechenden Anzahl an Elementen. Wegen 999 997 D 757 1 321
gibt es aber keinen Körper mit 999 997 Elementen.
Frage 8
Der „kleinste“ Körper hat zwei Elemente, nennen wir sie 0 und 1. Wie addiert und
multipliziert man in diesem Körper?
I Antwort Da die Körperaxiome 1 C 0 D 1 festschreiben, bleibt als additiv inverses
Element der 1 nur 1 selbst übrig, es muss also 1 C 1 D 0 gelten.
Die Wirkung der Multiplikation mit 0 und diejenige der Multiplikation mit 1 ist durch
die Körperaxiome a priori festgelegt. Damit sind die Ergebnisse aller möglichen Operationen bestimmt. Diese führen auf die in Abbildung 1.1 stehenden Verknüpfungstafeln.
Abb. 1.1 Verknüpfungstafeln
für den Körper mit zwei Elementen
+
0
1
·
0
1
0
0
1
0
0
0
1
1
0
1
0
1
Dieser Körper wird in der Literatur mehrheitlich mit Z=2Z oder F2 bezeichnet.
6
1 Die Systeme der reellen und komplexen Zahlen
Frage 9
Wie lassen sich in einem beliebigen Körper K die folgenden Regeln der Bruchrechnung möglichst einfach beweisen? (a; b; c; d 2 K; b 6D 0; d 6D 0)
a
c
ad ˙ bc
˙ D
b
d
bd
a
ad
(iv) bc D
.falls auch c 6D 0/
bc
d
c
a
D ” ad D bc
b
d
a c
ac
(iii)
D
b d
bd
(ii)
(i)
I Antwort (i) „H)“: Multiplikation der ersten Gleichung mit bd 6D 0 ergibt
a
c
D H) .ab 1 /bd D .cd 1 /bd H) a.b 1 b/d D bc.dd 1 / H) ad D bc:
b
d
„(H“: Multiplikation der zweiten Gleichung mit .bd /1 (bd 6D 0) liefert
ad D bc H) ad.bd /1 D bc.bd /1 H) a.dd 1 /b 1 D .bb 1 /cd 1 H)
a
c
D :
b
d
Folgerung: Mit c D ax und d D bx (x 6D 0) folgt hieraus die „Kürzungsregel“:
a
b
D
ax
.
bx
(ii) Aus der Kürzungsregel und dem Distributivgesetz folgt
a
c
ad
cb
ad
cb
ad C cb
˙ D
˙
D
˙
D
:
b
d
bd
db
bd
bd
bd
(iii)
(iv)
ac
a c
D d 1 b 1 .ac/ D .bd /1 ac D
.
b d
bd
ad
a=b
D .d 1 c/1 b 1 a D c 1 db 1 a D .bc/1 ad D
c=d
bc
mit c 6D 0.
Frage 10
Wie kann man für zwei Elemente a; b eines Körpers K mithilfe der Axiome die Binomische Formel
.a C b/2 D a2 C 2ab C b 2
beweisen? Dabei sei 2 WD 1 C 1 und x 2 WD x x für jedes x 2 K.
I Antwort Die Formel ergibt sich im Wesentlichen durch zweimaliges Anwenden des
Distributivgesetzes und einer Anwendung des Kommutativgesetzes:
.a C b/ .a C b/ D a.a C b/ C b.a C b/ D .aa C ab/ C .ba C bb/
(1.1)
D aa C .ab C ab/ C bb D a C ..1 C 1/ab/ C b D a C 2ab C b 2 :
2
2
2
1.1
Axiomatische Einführung der reellen Zahlen
7
Frage 11
Was bedeutet die Aussage „Der Körper R der reellen Zahlen ist ein angeordneter
Körper“?
Was versteht man allgemein unter einem angeordneten Körper?
I Antwort Das bedeutet, dass in R gewisse Zahlen als positiv ausgezeichnet sind. Genauer: Auf R ist eine Relation „>“ gegeben, die die folgenden beiden Eigenschaften
besitzt
(A1) Für jede reelle Zahl a gilt entweder a > 0, a > 0 oder a D 0.
(A2) Aus a > 0 und b > 0 folgt a C b > 0 und ab > 0.
Diese Eigenschaft von R ist die Grundlage dafür, dass Größenverhältnisse durch die Angabe einer reellen Zahl angegeben werden können.
Allgemein heißt ein Körper K angeordnet, wenn eine Menge P K (ein Positivitätsbereich) mit den folgenden Eigenschaften ausgezeichnet ist:
(1) Für jedes x 2 K gilt genau eine der Beziehungen x 2 P , x D 0 oder x 2 P
(Trichotomie)
(2) x; y 2 P H) x C y 2 P (Abgeschlossenheit gegenüber Addition)
(3) x; y 2 P H) x y 2 P (Abgeschlossenheit gegenüber Multiplikation)
Im Fall K D R ist P D fx 2 RI x > 0g.
Frage 12
Gibt es außer dem Körper der reellen Zahlen noch andere angeordnete Körper? Zählen
Sie einige auf.
I Antwort Beispielsweise ist Q als Teilkörper der reellen Zahlen mit der Ordnungsstruktur von R automatisch ebenfalls ein angeordneter Körper.
Der Körper der rationalen reellen Funktionen lässt sich ebenfalls anordnen. Dazu
schreibe man p.x/=q.x/ in der (eindeutig bestimmten) Form
r.x/
p.x/
D g.x/ C
;
q.x/
q.x/
deg r < deg q:
Eine Anordnung auf dem Körper der rationalen Funktionen erhält man damit folgendermaßen: Die Funktion von p.x/
q.x/ ist positiv genau dann, wenn gilt
8
1 Die Systeme der reellen und komplexen Zahlen
(i) g.x/ 6D 0 und der Koeffizient der höchsten Potenz von g.x/ ist > 0 oder
(ii) g.x/ D 0 und der Koeffizient der höchsten Potenz von r.x/ ist > 0.
Man zeigt leicht, dass die Definition die beiden Axiome (A1) und (A2) erfüllt und damit
tatsächlich eine Ordung auf dem Körper der rationalen Funktionen gegeben ist.
Diejenigen Körper, für die keine Anordnung existiert, sind weit häufiger. Zum Beispiel
lässt sich C wegen i2 D 1 nicht anordnen, ebenso wenig die endlichen Körper.
Frage 13
Warum lässt sich ein endlicher Körper nicht anordnen?
I Antwort In einem angeordneten Körper ist stets 1 > 0. Damit gilt aufgrund von (A2)
auch für alle endlichen Summen 1 C 1 C C 1 > 0. In einem endlichen Körper mit
1C1C
1 D 0:
q D p n , n 2 N Elementen ist aber stets „
ƒ‚ C …
p-mal
Frage 14
Wie ist der (Absolut-) Betrag einer reellen Zahl definiert und welche Haupteigenschaften hat er?
I Antwort Der Betrag jaj einer reellen Zahl ist definiert durch
jaj WD
a
a
für a 0;
für a < 0:
Frage 15
Welche Haupteigenschaften besitzt der Betrag?
I Antwort Die wesentlichen Eigenschaften sind
(1) jaj 0 und jaj D 0 , a D 0
(3) jabj D jaj jbj
(5) ja C bj jaj C jbj
(2)
(4)
(6)
jaj a jaj
ˇaˇ
ˇ ˇ D jaj für b 6D 0
jbj ˇ
ˇb
ˇjaj jbjˇ ja bj:
Die Eigenschaften (1) und (2) folgen unmittelbar aus der Definition des Absolutbetrages, (3) ergibt sich mithilfe einer Fallunterscheidung, (4) und (5) werden in den nächsten
beiden Fragen beantwortet.
1.1
Axiomatische Einführung der reellen Zahlen
9
Frage 16
Was besagt die Dreiecksungleichung für reelle Zahlen?
I Antwort Die Dreiecksungleichung lautet: Für zwei reelle Zahlen a; b gilt stets
ja C bj jaj C jbj:
Die Dreiecksungleichung folgt mit Eigenschaft (2) des Absolutbetrages aus den beiden
a C b jaj C jbj;
.a C b/ jaj C jbj:
Wendet man darauf die Definition des Absolutbetrages an, so erhält man die Dreiecksungleichung.
Frage 17
Wie lautet die Dreiecksungleichung für Abschätzungen nach unten?
I Antwort Das ist die Ungleichung (5) aus Antwort 15:
ˇ
ˇ
ˇjaj jbjˇ ja bj:
Man erhält sie aus der Dreiecksungleichung. Mit dieser gilt zunächst
jaj D ja b C bj ja bj C jbj
und
jbj D jb a C aj ja bj C jaj:
Daraus folgt .jajjbj/ jabj und .jajjbj/ jabj und die Dreiecksungleichung für
Abschätzungen nach unten. Den Beweistrick einer Addition mit 0 sollte man sich übrigens
merken. Er ermöglicht es einem, die Dreiecksungleichung anzuwenden und damit die
Struktur metrischer Räume in Beweisen auch wirklich auszunutzen.
Frage 18
Wieso hat die Zuordnung (Abbildung)
d W R R ! R;
.x; y/ 7! d.x; y/ D jx yj
für x; y; z 2 R die folgenden Eigenschaften:
10
1 Die Systeme der reellen und komplexen Zahlen
(M1) d.x; y/ D 0 , x D y,
(M2) d.x; y/ D d.y; x/,
(M3) d.x; z/ d.x; y/ C d.y; z/.
d.x; y/ WD jx yj heißt der Abstand von x und y.
I Antwort Eigenschaft (M1) folgt aus jx yj D 0 ” x y D 0, (M2) ergibt sich
wegen .x y/ D .y x/ aus der Definition des Absolutbetrages, (M3) erhält man mit
der Dreiecksungleichung: jx zj D jx y C y zj jx yj C jy zj.
Die Eigenschaften (M1), (M2) und (M3) besagen zusammen, dass durch d eine Metrik
auf R gegeben ist.
Frage 19
Was versteht man unter einem metrischen Raum?
I Antwort Ein metrischer Raum ist eine nichtleere Menge X zusammen mit einer Abbildung d W X X ! R (einer Metrik), die die Eigenschaften (M1), (M2) und (M3) aus
Frage 18 erfüllt.
Anschaulich ist ein metrischer Raum eine Menge, für die ein Begriff des Abstands je
zweier Elemente existiert. Die Axiome (M1), (M2) und (M3) fordern, dass dieser Abstandsbegriff geometrisch sinnvoll ist.
Frage 20
Warum folgt aus (M1), (M2) und (M3) stets d.x; y/ 0 für alle x; y 2 R?
I Antwort Für alle x; y 2 R gilt 0 D d.x; x/ d.x; y/ C d.y; x/ D 2d.x; y/, also
d.x; y/ 0.
Frage 21
Kennen Sie außer R weitere metrische Räume?
I Antwort Die metrischen Räume sind breit gefächert und tauchen speziell in der Analysis in den verschiedensten Formen auf. N, Z und Q, versehen mit durch den Absolutbetrag induzierten Metrik, sind Beispiele metrischer Räume. Die komplexen Zahlen C mit
n
d.z; w/ WD jz pwj sowie die endlichdimensionalen euklidischen Vektorräume R sind
mit d.x; y/ WD .x1 y1 /2 C : : : C .xn yn /2 ebenfalls metrische Räume.
http://www.springer.com/978-3-8274-2769-4
Herunterladen