PPA Verletzungen mit HiV-kontaminiertem material

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Qualitätsmanagement
PPA
NOTFALLMANAGEMENT
Verletzungen mit HIV-kontaminiertem Material
von Bernd Hein, Fachjournalist Gesundheitswesen, München
| Jedes Jahr ereignen sich deutschlandweit in Gesundheitseinrichtungen
geschätzte 500.000 Arbeitsunfälle mit potenziell kontaminierten Instrumenten. Grundsätzlich ist höchste Konzentration im Umgang mit scharfen
und spitzen Gerätschaften ebenso geboten wie die lückenlose Einhaltung
der hygienischen Richtlinien und des Arbeitsschutzes. Wenn es trotzdem zu
einer Verletzung kommt, ist rasches und konsequentes Handeln gefragt
– vor allem bei möglichem Kontakt mit dem HI-Virus. |
Wahrscheinlichkeit der Virusübertragung
Die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung durch Verletzungen mit Medizinprodukten liegt nach Angaben der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG)
zwischen einer Infektion pro 100 Unfälle und einer Infektion pro 1.000 Unfälle.
Sie ist damit viel seltener als etwa bei Hepatitis B und doch sehr risikobehaftet: Der vom HI-Virus verursachte Krankheitskomplex AIDS ist nicht heilbar
und die einzig mögliche Therapie hat oft schwere unerwünschte Wirkungen.
Verletzungen durch Hohlnadeln sind grundsätzlich risikoreicher als durch
chirurgische Nadeln oder Messer. Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Nadelstichverletzung – kleiner Stich mit Folgen (PPA 05/2012, Seite 4). Infektionen
treten praktisch nur über den Kontakt von erregerhaltigem Material mit
Hautverletzungen oder der Schleimhaut ein. Gerät Blut auf intakte Haut, ist
eine Übertragung sehr unwahrscheinlich.
HIV-Kontamination
durch Verletzung
ist selten, aber
risikoreich
ARCHIV
Ausgabe 5 | 2012
Seite 4 – 7
Erstversorgung
Die Erstversorgung von Verletzungen mit HIV-Kontamination unterscheidet
sich nach der Art des Kontakts mit dem erregerhaltigen Material.
Handeln Sie
situationsangepasst
PDF erstellt für Gast am 19.08.2017
◼◼Sofortmaßnahmen bei Verletzung mit Kontamination
Stich oder
Schnitt­
verletzung
„„ Wunde weiter bluten lassen (das Blut schwemmt Keime aus
dem Körper hinaus).
„„ Wunde nicht manipulieren, zum Beispiel quetschen, weil der
Druck Erreger in tiefere Gewebeschichten eintragen kann.
„„ Sofort nach dem Ende der Blutung Wundränder spreizen und die
Wunde mit einem Antiseptikum (zum Beispiel Octenidin) oder
einem alkoholischen Hautdesinfektionsmittel spülen.
Verspritzung
auf Augenoder Mund­
schleimhaut
„„ Wenn die Mundhöhle betroffen ist: Kontaminiertes Material
sofort ausspucken.
„„ Schleimhaut mit reichlich Trinkwasser (oder steriler Ringer bzw.
Kochsalzlösung) spülen. Dazu vier- bis fünfmal eine Portion
Spülflüssigkeit in den Mund nehmen und jeweils 15 Sekunden
lang durch Bewegungen der Zunge und Gesichtsmuskulatur
intensiv in der Mundhöhle bewegen, danach ausspucken.
„„ Wenn das Auge betroffen ist: Kopf so halten, dass die Spülflüssigkeit nicht in das andere Auge läuft und über mindestens eine
Minute spülen.
08-2014PRAXISTEAM
PROFESSIONELL
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PPA
Qualitätsmanagement
Kontakt mit
verletzter
oder
erkrankter
Haut
Rasches Handeln ist
oberstes Gebot:
Laufende Tätigkeiten
sofort unterbrechen!
„„ Haut gründlich mit Seifenwasser waschen; das Wasser sollte
nicht mit weiteren Körperpartien in Kontakt kommen. Spritzen
ist zu vermeiden.
„„ Betroffene Hautfläche nach dem Trocknen (mit Einmaltüchern)
intensiv mit einem Antiseptikum oder Hautdesinfektionsmittel
abreiben. Dazu tropfnasse Tupfer verwenden und die umgebenden Hautbezirke einbeziehen.
Beachten Sie | Entscheidend für das Risiko einer Übertragung des
HI-Virus ist die Dauer der Exposition. Deshalb muss die Erstversorgung nach
einer Verletzung oder Verspritzung mit infektiösem Material unbedingt sofort
stattfinden. Unterbrechen Sie Ihre Arbeit unmittelbar nach dem Ereignis. In
diesem Fall ist keine Aufgabe wichtiger als die Verpflichtung zum Selbstschutz.
Weitere Maßnahmen
Wichtig:
D-Arzt konsultieren,
Ereignis praxis­intern
dokumentieren
Nach der möglichst optimalen Beseitigung der Erreger konsultieren betroffene MFA umgehend einen D-Arzt. Dies ist notwendig, weil es sich bei solchen Ereignissen stets um Arbeitsunfälle handelt und nur ein entsprechend
qualifizierter Mediziner ein Vorgehen sicherstellen kann, das mit den versicherungsrechtlichen Anforderungen konform geht.
Der Arzt wird klären, ob ein Impfschutz (zum Beispiel Tetanus, HBV) besteht
oder Impfungen erforderlich sind. Außerdem nimmt er ggf. Blut ab, um negative serologische Werte (Immunstatus) für zum Beispiel HIV oder Hepatitis zu
erheben. Vor allem aber entscheidet der Arzt darüber, ob der Unfall eine
Postexpositions­prophylaxe erforderlich macht. Weitere Kontrollen sind meist
nach drei und sechs Monaten erforderlich, um festzustellen, ob sich eine
Infektion ereignet hat.
PRAXISHINWEIS | Unabhängig vom Arztbesuch muss das Ereignis zwingend in
einer einrichtungsüblichen Dokumentation detailliert schriftlich fixiert werden.
Diese Dokumentation bildet die Grundlage für Entschädigungsforderungen gegenüber der Berufsgenossenschaft.
Postexpositionsprophylaxe
PDF erstellt für Gast am 19.08.2017
PEP ist nicht immer
sinnvoll und sollte
sorgfältig erwogen
werden
Nach einem Kontakt mit HIV besteht die Möglichkeit einer Postexpositionsprophylaxe (PEP). Darunter ist die standardisierte Verabreichung von virustatischen Arzneimitteln zu verstehen. Studien haben gezeigt, dass sie die Häufigkeit einer Infektion senkt. Allerdings ist diese Behandlung mit unerwünschten Wirkungen verbunden, die in vielen Fällen dazu führt, dass Betroffene nach berufsbedingter Exposition die PEP vorzeitig abbrechen.
Für die Anwendung einer PEP hat die DAIG Leitlinien zusammengestellt, die
sich nach Art und Intensität des Kontakts mit den Erregern richten. Diese
Leitlinien empfehlen eine Postexpositionsprophylaxe lediglich bei massiveren Formen des Kontakts zu Körpersekreten, die das HI-Virus enthalten.
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PRAXISTEAM08-2014
PROFESSIONELL
Qualitätsmanagement
PPA
◼◼Indikation für die PEP (Empfehlungen der DAIG vom Juni 2013)
Umstände des Unfalls
Viruslast beim
Patienten > 50
Viruskopien/ml Blut
Viruslast beim
Patienten < 50
Viruskopien/ml Blut
„„ Kontakt von > 1 ml Blut (oder
anderen Sekreten) mit der
Augenschleimhaut (Viruslast ist
eventuell hoch)
Empfohlen
Empfohlen
„„ Tiefe, blutende Stichverletzung
der Haut mit einer Hohlnadel
oder einem Skalpell
Empfohlen
Optional möglich
„„ Oberflächliche Verletzung der
Haut mit einer chirurgischen
Nadel ohne Blutfluss (Viruslast
ist eventuell hoch)
„„ Kontakt von Körperflüssigkeiten
mit der Schleimhaut oder
verletzter Haut (Viruslast ist
eventuell hoch)
Optional möglich
NICHT empfohlen
„„ Kontakt von unverletzter Haut mit NICHT empfohlen
Urin oder Speichel
„„ Kontakt von unverletzter Haut mit
Blut (auch bei hoher Viruskon­
zentration)
„„ Kontakt von Schleimhaut mit Urin
oder Speichel
NICHT empfohlen
Am besten wirkt die PEP, wenn sie innerhalb von zwei Stunden (bis 24 Stun­
den) nach dem Unfall beginnt. Liegen mehr als 72 Stunden dazwischen, ist
sie (abgesehen von Ausnahmen, zum Beispiel Transfusion von erreger­
belasteten Blutprodukten) nicht mehr sinnvoll.
72 Stunden nach
Exposition ist PEP
meist nicht mehr
sinnvoll
Gebräuchliche Wirkstoffkombinationen
PDF erstellt für Gast am 19.08.2017
Als PEP-Standard hat sich eine Kombination der Wirkstoffe Raltegravir (eine
Tablette Isentress®; 400 mg; morgens und abends einzunehmen) und Tenofo­
vir-DF/Emtricitabin (eine Tablette Truvada®; 245/200 mg; morgens einzuneh­
men) etabliert. Bestehen gegen diese Arzneimittel Kontraindikationen oder
nimmt der Patient, von dem die erregerbelastete Körperflüssigkeit stammt,
diese Medikamente ein, ohne eine signifikante Senkung der Viruslast zu ver­
zeichnen, wird der Arzt eine alternative Kombination verordnen.
PRAXISHINWEIS | Wenn bei einer Frau, die sich an HIV-kontaminierten Instru­
menten verletzt hat, eine Schwangerschaft (möglicherweise) besteht, ist unverzüg­
lich ein Schwangerschaftstest zu machen. Bei positivem Ergebnis ist die Indikation
für eine PEP besonders eng zu stellen, weil bislang nur unzureichende Informatio­
nen über eine fruchtschädigende Wirkung der verwendeten Arzneimittel vorliegen.
↘↘ WEITERFÜHRENDER HINWEIS
•Robert Koch-Institut (RKI) zu allen Themen rund um HIV und AIDS:
http://tinyurl.com/q7ty4jc
08-2014PRAXISTEAM
PROFESSIONELL
Standard:
Isenstress®,
Truvada®
Bei (möglicher)
Schwangerschaft:
Schwangerschaftstest vornehmen
INFORMATION
Informationen des
Robert-Koch-Instituts
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