Prof. Dr. Johannes Meyser Technische Universität Berlin

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1 Prof. Dr. Johannes Meyser
Technische Universität Berlin
19.11.2009
Vortrag zur Abschlussveranstaltung des Modellversuchs HaBiNa (Handwerkliche Aus- und
Weiterbildung für Nachhaltigkeit) – Elbcampus Handwerkskammer Hamburg
Möglichkeiten und Chancen beruflicher Bildung für eine nachhaltige Entwicklung im
Bauhandwerk
Vorbemerkung
Dem Argument, dass Investitionen für den Klimaschutz Arbeitsplätze gefährden, entgegnet
John Schellnhuber, Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und Berater
der Bundeskanzlerin mit folgendem Wortlaut: „Wenn jetzt nicht massiv in den nötigen Umbau der Wirtschaft investiert werde, dann brauchen wir uns um die Jobs auch keine Sorgen
mehr zu machen. Dann werde die globale Erwärmung eine Milliarde Menschen oder mehr zu
Klimaflüchtlingen machen und die Welt ins Chaos stürzen.“ (DER TAGESSPIEGEL 13.11.2009).
Wenn nach Aussage von Schellnhuber die Emission von Kohlendioxid so weiter geht wie
bisher, wäre schon in 25 Jahren das Ziel, die Erwärmung des Weltklimas auf einen Anstieg
von zwei Grad Celsius zu begrenzen, nicht mehr haltbar. 25 Jahre ist eine sehr kurze Zeit.
Deshalb müssen im Weltmaßstab bereits ab 2011 die Emissionen um drei Prozent jährlich
sinken, um halbwegs geordnet das Schutzziel zu erreichen. Beginnt man erst 2015, müssen es
schon 5 Prozent jährlich sein. Das ist dann pro Jahr so viel, wie das Kyoto-Protokoll den Industriestaaten bisher innerhalb von 12 Jahren abverlangt. Wird der Klimaschutz gar bis zum
Jahr 2020 vertagt, müssen die Emissionen anschließend um neun Prozent jährlich sinken, was
aber nur noch durch massivste staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen umsetzbar
wäre. Je länger gewartet wird, desto dramatischer müssen die Maßnahmen sein, um das
Schlimmste abzuwenden. Global sind die CO2-Emissionen bislang stetig gestiegen, hatten im
Jahr 2008 den bisher höchsten Stand erreicht und lagen damit um 41% höher als noch 1990,
dem Referenzjahr für das UN-Kyoto-Protokoll (DER TAGESSPIEGEL 18.11.2009).
Etwa 20% der Weltbevölkerung leben küstennah und ein Großteil der Weltwirtschaftsleistung
wird dort erbracht. Das gilt auch für Europa, für Deutschland ebenfalls. Auch hier würden
sich die Folgekosten immer stärker erhöhen. Küstenverläufe würden sich ändern, Hafenanlagen müssten erweitert oder an anderen Orten neu gebaut werden. Städte wie Hamburg, Bremen oder Lübeck wären bei einer Erwärmung, die über die zwei Grad Grenze hinausgeht,
schon in 100 Jahren nicht mehr zu halten.
Diesen düsteren Aussichten stellt Ottmar Edenhofer, Chefökonom des PIK, Professor an der
TU Berlin und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Vermeidungsstrategien des UN-Klimarates ein
2 wenig Optimismus entgegen. Es bestehe noch die Chance der Einsicht und Umkehr, der Verständigung der Staaten untereinander sowie der Verteilung der Lasten zwischen den reichen
Industriestaaten und den Schwellen- und Entwicklungsländern. Eigentlich müssen sich nur
wenige Staaten einigen: die EU-Europäer, USA, China, Japan, Indien, Indonesien, Brasilien,
und Russland (vgl. DER TAGESSPIEGEL: 13.11.2009).
Seit Anfang dieser Woche treffen sich in Kopenhagen die Umweltminister von 42 Ländern
zur Vorbereitung des UN-Klimagipfels im Dezember. Das Treffen gilt als letzte Chance, den
Gipfel noch zu retten. Doch nach dem APEC-Gipfel in Singapur am letzten Wochenende erscheint ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll in Kopenhagen im Moment als unsicher. Wir müssen damit rechnen, dass keine konkreten Schritte zur CO2-Reduktion vereinbart werden. Wenn es jedoch gelingt, eine kraftvolle Erklärung abzuschließen, können noch
im Jahr 2010 Detailverhandlungen beginnen. Dann wird es voraussichtlich auch einen gemeinsamen Klimaschutz geben, der über die im Jahr 2012 endende erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls hinausgeht.
Es wird Vereinbarungen der Hauptverursacherländer geben müssen. Der Klimawandel zwingt
dazu, global zu denken. Zudem verschärfen sich die Interessenkonflikte um immer knapper
werdende Ressourcen für eine nach wie vor wachsende Weltbevölkerung. Der Klimawandel
hat schon jetzt Verteilungskämpfe in und zwischen den Ländern ausgelöst: Um Wasser, um
Land, um die Bewältigung von Flüchtlingsströmen. Experten warnen vor weltweit zunehmenden Konflikten. Es besteht wohl keine andere Chance, als all diese Aufgaben anzugehen.
Dazu sind sicherlich internationale Abkommen notwendig, aber es kommt auch auf das konkrete Handeln an, immer im hier und jetzt.
Die derzeitige Perspektive ist meist noch zu kurzfristig, auf Interessen einzelner Länder oder
Gruppen angelegt und dabei stark von ökonomischen und individuellen Interessen geleitet.
Ein Ausblenden der ökologischen und sozialen Folgen eines Klimawandels wirkt sich aber
letztlich auch wirtschaftlich aus. Ein Ansteigen der durchschnittlichen Temperatur über die
zwei Grad Grenze hinaus wird sehr viel mehr kosten, als aufgebracht werden muss, um dies
zu verhindern. Wir können uns einfach die Haltung nicht leisten, „nach uns die Sintflut“.
Wirtschaftlichen Wohlstand kann es langfristig nur mit Klimaschutz geben. Global kann
Deutschland vor allem dadurch zum Klimaschutz beitragen, entsprechende Lösungen, Technologien und Strategien zu entwickeln, die dann auch die sich entwickelnden Länder einsetzen können, ohne alle Fehler der Vergangenheit wiederholen zu müssen.
Nachhaltigkeit und Bauwirtschaft Die Bauwirtschaft ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bezüglich des Klimaschutzes eine
Schlüsselbranche (alle folgenden statistischen Daten sind entnommen: KUHLMEIER und CIRU-
3 2009). Das jährliche Bauvolumen beträgt etwa 220 Mrd. Euro. Das macht immerhin 12%
des deutschen Bruttoinlandsproduktes aus und etwa 8% aller Beschäftigten in Deutschland
haben in diesem Sektor ihren Arbeitsplatz. Zählt man noch die Beschäftigten der vorgelagerten Zulieferer und Bauplanung hinzu, so kann man von etwa 3,6 Millionen Beschäftigten ausgehen.
LIES
Bauen und Wohnen wirken sich zudem direkt und massiv auf die Umwelt aus. Natur wird
erschlossen, Verkehrs- und Leitungsnetzte, Wohn- und Arbeitsstätten errichtet, Infrastruktur
aufgebaut und für die persönliche und gesellschaftliche Nutzung zugänglich gemacht. Die
Gewinnung und Herstellung von Baumaterialien, der Transport und Einbau der Baustoffe, die
Nutzung der Bauobjekte, deren Sanierung und Veränderung und schließlich auch deren Abriss, das Recyceln oder die Entsorgung der Bauabfälle, all dies verbraucht Rohstoffe, Flächen,
Energie, Luft und Wasser.
Nachhaltig ist dieses Handeln dann, wenn global die heutigen Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden. Nachhaltigkeit bedeutet dabei eine langfristige Sicherung der Lebensgrundlagen und erstreckt sich auf
drei Dimensionen. Nur wenn soziale Gerechtigkeit, ökologische Verträglichkeit und ökonomische Leistungsfähigkeit als gleichwertige Ziele betrachtet werden und deren Verwirklichung auch späteren Generationen noch möglich sein wird, kann das Leben und das friedliche
Zusammenleben der Menschen gesichert werden. Wir haben also unser Handeln darauf auszurichten, dass wir hier nicht zu Lasten von anderswo und heute nicht auf Kosten von morgen
agieren (vgl. HAHNE 2005).
Das Bauhandwerk steht hier in besonderer Verantwortung. Im Jahr 2006 waren ca. 2,2 Millionen Erwerbstätige im Baugewerbe tätig, davon 1,4 Millionen im Ausbaugewerbe. Betrachtet man die Betriebsgrößen, so ist festzustellen, dass im Bauhauptgewerbe 2/3 aller Betriebe
und 73% der Beschäftigten dem Bauhandwerk zuzurechnen sind. Auch im Ausbaugewerbe ist
der Großteil der Arbeitskräfte hauptsächlich in Handwerksbetrieben beschäftigt. Insgesamt ist
der größte Teil aller Unternehmen als Kleinbetrieb zu kennzeichnen. Im Jahr 2007 hatten im
Bauhauptgewerbe mehr als 90% der Betriebe weniger als 10 und insgesamt 97% aller Betriebe weniger als 20 Beschäftigte. Warum interessieren nun diese statistischen Daten? Nun, weil
es vor allem die kleinen Handwerksbetriebe sind, die den Großteil des gesamten Wohnungsneubaus, und in noch höherem Maße, die Sanierung und das Bauen im Bestand abdecken.
Zudem sind sie sehr dicht am Kunden orientiert, für die der Energieverbrauch eines Gebäudes
ein wichtiger ökonomischer Faktor ist. Während wir zum Einen den Lebenszyklus eines Gebäudes unter Nachhaltigkeitsaspekten analysieren, so ist zum Anderen auch die Nutzung eines
Gebäudes als energetisches System zu betrachten. Hier bilden die Wärmeerzeugung, Wärmenutzung und Wärmeerhaltung ein Ganzes. Kuhlmeier und Steinert haben dazu fünf Ansatz-
4 punkte identifiziert, die den Energieverbrauch beeinflussen (vgl. STEINERT und KUHLMEIER
2007):
-
Heizungsanlagen- und Steuerungstechnik
-
Wärmedämmung der Außenflächen (bis zu 40% der eingesetzten Energie entweichen
über die Gebäudehülle)
-
Beseitigung bzw. Vermeidung von Wärmebrücken
-
Dichtung aller Fugen
-
Nutzerverhalten
Dem Bauhandwerk kommt also bezüglich einer Verwendung ökologisch verträglicher Baustoffe bzw. wieder verwendbarer Baumaterialien, der Energieeffizienz und dem Passivhausstandard im Neubau, der energetischen Gebäudesanierung, dem Baustoffrecycling und der
Bauschuttentsorgung sowie der Beratung der Kunden eine entscheidende Schlüsselrolle zu.
Marktchancen für das Bauhandwerk
Zum Thema Nachhaltigkeit werden bislang in der Öffentlichkeit eher die Aktivitäten von
Großunternehmen wahrgenommen. Was das Handwerk dazu leistet, wird nicht in gleicher
Weise registriert. Dabei ist im Handwerk die Bereitschaft entsprechend zu handeln, oft größer
als in Industrieunternehmen. Dies ist nicht zuletzt durch den engen Kontakt zum Kunden beeinflusst, da die Produkte und Dienstleistungen im direkten Kundenauftrag erstellt werden.
Besonders beim Bauen im Bestand ist die individuelle Beratung der Kunden, das Anbieten
spezieller und angepasster Lösungen ein Marktvorteil des Handwerks. Es lassen sich folgende
Kennzeichen der handwerklichen Bauarbeit herausstellen:
-
Jedes Bauwerk ist mehr oder weniger ein Unikat. Es wird nicht in Serie gefertigt und
jedes Objekt verlangt spezielle Lösungen.
-
Bauarbeit ist Baustellentätigkeit mit permanent wechselnden Bedingungen.
-
Die Organisation der Bauprozesse verlangt ein ganzheitliches Denken aller am Bau
Beteiligten über das eigene Gewerk hinaus.
-
Die Arbeiten werden nicht tayloristisch zerlegt, sondern werden umfassend vom jeweiligen Handwerker ausgeführt, der die Arbeit plant, durchführt und die Qualität
kontrolliert. Immer wieder muss er vor Ort selbst Entscheidungen treffen.
Das Bauhandwerk hat damit einen großen Einfluss darauf, welche Produkte und Materialien
eingesetzt und welche Dienstleistungen dem Kunden angeboten werden. Zudem kann ein
5 Handwerksbetrieb hinsichtlich des Aspektes der Nachhaltigkeit auch seine innerbetrieblichen
Arbeits- und Geschäftsprozesse so gestalten, dass Ressourcen geschont werden.
Das wohl entscheidende Argument für den Handwerksbetrieb nachhaltig zu handeln, ist sicherlich die ökonomische Dimension, die wohl auch für den Kunden die größte Bedeutung
hat. Der Betrieb will möglichst sparsam Energie und Ressourcen einsetzen und seine Arbeit
so organisieren, dass ein konkurrenzfähiges Angebot offeriert werden kann. Der Kunde hat
ebenfalls ökonomische Interessen und möchte für sein Geld eine möglichst optimale Leistung
erhalten. Er berechnet sehr wohl, nach welcher Zeit sich eine Maßnahme zur Steigerung der
Energieeffizienz an seinem Gebäude lohnt. Dabei ist er durchaus bereit, langfristig zu kalkulieren.
Hier ist für die Bauwirtschaft ein weiterer strategischer Vorteil hinsichtlich der Ausführung
nachhaltiger Lösungen auszumachen, denn beim Bauen geht es eben um sehr langlebige Produkte. Jedem Hausbesitzer leuchtet es schnell ein, dass sich heutige Investitionen langfristig
lohnen können. Anders als so oft, sind Gebäude eben keine Wegwerfprodukte. Der Kunde
erwartet deshalb vom Handwerker, entsprechend beraten zu werden. Er möchte kompetent
über einzuhaltende Vorschriften und Fördermöglichkeiten informiert und über mögliche Ausführungsvarianten und erreichbaren Standards aufgeklärt werden.
Wie KUHLMEIER darlegt, spielt hinsichtlich des nachhaltigen Bauens die energetische Sanierung von Bestandsbauten die zentrale Rolle. Von den derzeit etwa 38 Millionen Wohneinheiten in Deutschland, verteilt auf 17,5 Millionen Wohngebäude, wurden etwa 75% vor 1979
errichtet, also vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung. Diese Gebäude weisen
gar keine, oder nur eine unzureichende Wärmedämmung auf. In den nächsten 30 Jahren stehen deshalb ca. 800.000 Wohneinheiten jährlich zur Sanierung an. Die Neubaurate macht
demgegenüber nur etwa 1% der Wohngebäude aus, so dass sich das Handwerk vor allem auf
die energetische Sanierung bestehender Gebäude konzentrieren wird (vgl. KUHLMEIER 2008).
Das Bauen im Bestand ist die zentrale Aufgabe und die ökonomische Chance für das Bauhandwerk. Sie ist die wichtigste Zielstellung im Zusammenhang eines nachhaltigen Bauens.
Sie braucht hochqualifizierte Arbeitskräfte und geeignete Unternehmen, die diese Aufgabe
bewältigen können.
Obwohl das wirtschaftliche Potenzial nachhaltigen Bauens erkannt wird, spielt dies in der
Geschäftspolitik vieler Handwerksunternehmen jedoch noch nicht die entsprechende Rolle.
Es kann also für die Aus- und Weiterbildung von einem erheblichen Nachholbedarf ausgegangen werden, der sich auf Materialien und Verfahren, auf gesetzliche Vorschriften und
Fördermaßnahmen, auf eine exakte Kosten-Nutzen-Analyse des innerbetrieblichen Wirtschaftens wie auch der energetischen Bausanierung beziehen muss.
6 Berufsbildung im Bauhandwerk für eine nachhaltige Entwicklung
Die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft ist kaum mit der einer anderen Branche zu vergleichen. Auch hier liegen für das Anliegen, eine nachhaltige Entwicklung voranzubringen,
wiederum erhebliche Chancen. Das Bauhaupt- und Ausbaugewerbe ist seit jeher einer der
größten Anbieter von Ausbildungsplätzen. Dieser Wirtschaftsbereich bietet gesamtwirtschaftlich immer noch die drittmeisten Ausbildungsplätze an, während man 1999 noch führend war.
Verzeichnete man damals etwa 221 Tausend Auszubildende und damit 12,6% aller Ausbildungsplätze in Deutschland, sind es nun immerhin noch 145 Tausend bzw. 8,5%. Ebenso ist
die Beteiligung der Betriebe der Bauwirtschaft an der Ausbildung sehr viel höher als dies für
andere Branchen der Fall ist. Selbst nach den langen Jahren des wirtschaftlichen Abschwungs
liegt die Ausbildungsbetriebsquote mit etwa 33 % wie auch die Ausbildungsquote mit etwa 10
% noch weit über dem Bundesdurchschnitt aller Branchen von 24,1% bzw. 6,5% (vgl. BMBF
2007, S.151 und 154). Auch bezüglich der Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung
hat die Bauwirtschaft damit eine Schlüsselfunktion.
Hinsichtlich des nachhaltigen Bauens kann sicherlich noch von einem Qualifizierungsbedarf
gesprochen werden, vielleicht sogar von einem Qualifizierungsdruck, damit das Angebot des
Bauhandwerks für den wachsenden Markt im Bereich der energetischen Gebäudesanierung
konkurrenzfähig ist.
Die Aufgaben und Chancen für das Bauhandwerk können so zusammengefasst werden (vgl.
KLEMISCH und RAUHUT 2009):
-
Hinsichtlich des Aspektes der Nachhaltigkeit wird durch zunehmende gesetzliche
Vorschriften ein erhöhter Weiterbildungsbedarf erforderlich.
-
Die Qualifizierung des eigenen Nachwuchses wird immer dringlicher, zumal ein
Fachkräftemangel in Zukunft zu erwarten ist.
-
Kundenansprüche steigen und müssen befriedigt werden können.
-
Ressourcen werden knapper und teurer (Energie) und müssen immer präziser kalkuliert werden.
-
Handwerksbetriebe können nicht länger allein regional agieren und stehen immer
deutlicher in Konkurrenz mit Bewerbern aus dem In- und Ausland.
-
Die Konkurrenz durch Baumärkte und Heimwerker wird weiterhin anhalten.
Aus- und Weiterbildung als Innovationsfaktor sind deshalb nicht hoch genug einzuschätzen.
Die Vermittlung des Nachhaltigkeitsgedankens kann kaum effektiver umgesetzt werden, als
7 dies durch berufliche Bildungsmaßnahmen möglich ist. Hier können die technischen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Zusammenhänge dargestellt werden, vor allem werden damit aber die Akteure des betrieblichen Handelns erreicht. Hier können dem Auszubildenden, Gesellen und Meister in Aus- und Weiterbildung die ökonomischen, ökologischen
und sozialen Wechselbeziehungen deutlich gemacht, Auswirkungen ihres Arbeitshandelns
einsichtig und ihre Einflussmöglichkeiten auf Hersteller, Lieferanten und Kunden transparent
werden, um dann im Berufsalltag ressourceneffizient und im Sinne der Nachhaltigkeit zu
handeln. Dabei kommt dem Handwerk eine besondere Aufgabe zu. Hier wird ein Großteil
aller Auszubildenden qualifiziert, die Ausbildung erfolgt am Markt und meist in engem Kontakt zum Kunden. Wie die Arbeit, so wird auch die Ausbildung immer an komplexen, zusammenhängenden und ganzheitlichen Arbeitsaufträgen durchgeführt. Und diese Arbeit am
Gesamtprodukt bietet auch Chancen für das Leitbild der Nachhaltigkeit. Die Wirkzusammenhänge sind meist sichtbar, können nachvollzogen und reflektiert werden, sind vom Handwerksbetrieb und den Beschäftigten zu verantworten und müssen gegenüber dem Kunden
plausibel dargelegt werden. Dabei werden auch alle Prozesse der Arbeit, von der Planung, der
Materialauswahl und -beschaffung, der Durchführung und Kontrolle der Arbeit, der Entsorgung von rückgebauten Materialien oder Baustoffresten bis hin zur Übergabe an den Kunden
vollzogen. Die berufliche Handlung einschließlich der Beratung des Kunden ist im Sinne der
Nachhaltigkeit im Handwerk sehr komplex und wirkungsvoll. Umso wichtiger ist deshalb
eine entsprechende Berufliche Bildung.
Bei allen Bildungsmaßnahmen geht es zunächst um die Sensibilisierung der Akteure für ein
nachhaltiges Handeln. Berufliche Bildung kann aber ebenso durch die Gestaltung der Lernorte entsprechende Lernprozesse unterstützen. Sie kann über didaktische Konzeptionen, neue
Lernmaterialien und Medien sowie best-practice-Beispiele Einfluss nehmen. Nicht zuletzt ist
auch an die Qualifizierung von Ausbildern und Lehrkräften zu denken, um den Nachhaltigkeitsgedanken gezielt durch Berufsbildungsmaßnahmen voranzubringen.
Das Modellvorhaben „HaBiNa - Handwerkliche Aus- und Weiterbildung für Nachhaltigkeit
am Beispiel der Gebäudeenergieeffizienz“ hat sich zur Aufgabe gemacht, Ausbildungsmaterialien und Handreichungen zu entwickeln, die eine Implementierung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung unterstützen. Im Mittelpunkt steht damit die Erweiterung der beruflichen Handlungskompetenz der im Handwerk Beschäftigten, um entsprechende Arbeitsaufträge ausführen und Kunden beraten zu können.
Schlussbemerkung
Mit dem Modellvorhaben HaBiNa wurde ein Beitrag geleistet, Technologien, Verfahren, Materialien und Wissen zu generieren, die zur Lösung der Zukunftsaufgaben beitragen können.
8 Dabei war immer klar, dass Technik allein nicht genügt. Es wird deutlich, dass zugleich eine
Kultur entwickelt werden muss, also ein Wissen, Denken und Handeln im Sinne des Klimaschutzes. Eine Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung ist von besonderer Bedeutung, dies
zu befördern. Und hier soll zum Schluss meines Beitrages noch einmal die globale Dimension
angeschnitten werden. Neben der Ausbildung zu Verarbeitungsverfahren und der Schulung in
der Anwendung neuer Werkstoffe kann auch das Wissen selbst z.B. über energieeffizientes
Bauen und eine entsprechende Berufsbildung einen Wettbewerbsvorteil darstellen und ein
wichtiger Exportartikel sein. Es gilt, die globalen Aufgaben hier zu meistern und die wirtschaftlichen Chancen, die darin liegen, zu nutzen.
Literatur:
BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (2007): Berufsbildungsbericht 2007.
Bonn und Berlin.
DER TAGESSPIEGEL vom 13.11.2009: Harald Schumann: Klimaforscher warnt vor „Kriegswirtschaft“ ab 2020.
DER TAGESSPIEGEL vom 18.11.2009: CO2-Werte steigen auf Rekordniveau.
HAHNE, Klaus (2005): Braucht nachhaltige Entwicklung neue Ausbildungsberufe? (Online
Dokument / BIBB: http://www.bibb.de/de/20399.htm).
KLEMISCH, Herbert und RAUHUT, Ingo (2009): Wissenslandkarte – Berufsbildung für nachhaltiges Wirtschaften im Handwerk. München.
KUHLMEIER, Werner (2008): Energieeffizientes und ressourcenschonendes Bauen – Anmerkungen aus der Perspektive der beruflichen Didaktik. In: Zukunft berufliche Bildung. Potenziale mobilisieren, Veränderungen gestalten. Dokumentation des 5. BIBB-Fachkongresses
2007.
STEINERT, Rik und KUHLMEIER, Werner (2007): Didaktische Aspekte eines energieeffizienten
Bauens. In: Spöttl, Georg/Kaqune, Peter/Rützel, Josef (Hrsg.): Berufliche Bildung – Innovation – Soziale Integration. Dokumentation der 14. Hochschultage Berufliche Bildung 2006.
Bielefeld.
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