mozart matinée

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STREICHQUINTETT G-MOLL KV 516
I. ALLEGRO
II. MENUETTO. ALLEGRETTO-TRIO
III. ADAGIO MA NON TROPPO
IV. ADAGIO-ALLEGRO
Im Mittelpunkt von Mozarts Schaffen für Streichquintett stehen fünf
originäre Beiträge zu dieser Gattung. Ihre Entstehung verteilt sich
auf drei Zeitabschnitte. Den Anfang macht 1773 das Quintett KV 174,
vierzehn Jahre später erst folgen KV 515 und KV 516 und es vergehen
weitere drei Jahre, bis 1790/91 die Quintette KV 593 und KV 614 den
Beschluss bilden. Der amerikanische Musikwissenschaftler Charles
Rosen hat aufschlussreich darauf hingewiesen, dass die Hinwendung
zum Quintett immer dann erfolgte, wenn Mozart »eine Serie von
Quartetten geschrieben hatte, so als spornten ihn die soeben mit
vier Instrumenten gemachten Kompositionserfahrungen dazu an,
das reichere Medium aufzugreifen.«
Dieses reichere Medium kannte zwei Ausprägungen: die Erweiterung
des Streichquartetts um ein zweites Violoncello und die von Mozart
bevorzugte Verdopplung der Bratsche. Mozarts Entscheidung für
eine zweite Bratsche mag bestimmt gewesen sein von seinem be­
sonderen Verhältnis zu diesem Instrument, nicht minder aber durch
die damit gegebenen reicheren Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich
der Mittelstimmen eines Werkes. Das jedenfalls weisen seine Quin­
tette aus. Die erweiterten Möglichkeiten wirken hinein bis in die
formalen, strukturellen und klanglich-harmonischen Bereiche des
jeweiligen Satzganzen.
Das »Streichquintett g-moll KV 516« entstand im Frühjahr 1787 in
unmittelbarer zeitlicher Nachbarschaft zum Schwesterwerk in C-dur.
Beide Kompositionen bilden im Quintettschaffen Mozarts einen
Höhepunkt persönlichster Ausdrucksgestaltung, die über jeden
diver­timentohaften Ansatz weit hinausgeht. Ist dem C-dur-Opus
dabei ein eher versöhnlicher Grundton eigen, so zählt das in g-Moll
zu den bedrängendsten, tiefsinnigsten, von intensivsten Spannungen
durchzogenen Werken Mozarts überhaupt. Man denke hier auch
an seine »Sinfonie g-Moll KV 550«. Bemerkenswert übrigens, dass
bereits der jugendlich-unbelastete Siebzehnjährige in seiner frühen
»Sinfonie g-moll KV 183« über zumindest vergleichbare Ausdrucksund Gestaltungsmöglichkeiten verfügte.
So hat denn auch der Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer aus
seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Phänomen Mozart den
Schluss gezogen, dem Komponisten sei »eine latent vorhandene
Erlebnistiefe menschlicher Empfindungen eigen gewesen«, von der
man aber nicht wisse, »aus welchen Quellen auch immer sie sich
letztlich gespeist hat«. Natürlich weiß man, dass das »Quintett
g-moll« in einer Zeit entstand, als Mozart in großer Sorge um den
todkranken Vater war, als er sich zunehmend in einer bedrängenden
wirtschaftlichen Lage befand, als Zuspruch und Anerkennung seines
Schaffens in der Wiener Gesellschaft auszubleiben begannen. Wie
Mozart indes zur Musik dieses Werkes gefunden hat, wissen wir
nicht, und jeder Versuch, ihrem Gehalt mit sprachlichen Mitteln auf
die Spur zu kommen, ist unangemessen und letztlich zum Scheitern
verurteilt. Was wäre zudem mit dem so gänzlich anderen Ausdruck
des Schwesterwerkes in C-dur? Was bleibt, ist bis auf den heutigen
Tag die zutiefst bewegende Begegnung mit einem der großen Meis­
terwerke Mozarts.
VORSCHAU
Das nächste Kammerkonzert findet am Sonntag,
den 25. Juni 2017 im Funkhaus Wallrafplatz statt
und beginnt um 11.00 Uhr.
KONTRABASS
Bernhard Alt
Suite für vier Kontrabässe
Erwin Schulhoff
Concertino für Flöte, Viola und Kontrabass
Giovanni Bottesini
Grand Duo concertant für Klarinette,
Kontrabass und Klavier
Colin Brumby
Suite für vier Kontrabässe
Karl Kemper
Angel Pena
Kontrabasstrio
Astor Piazzolla
»Tango Basso« für vier Kontrabässe
Stanislau Anishanka Kontrabass
Stefan Rauh Kontrabass
Michael Geismann Kontrabass
Raimund Adamsky Kontrabass
Leonie Brockmann Flöte
Mircea Mocanita Viola
Nicola Jürgensen Klarinette
Zeynep Artun-Kircher Klavier
BILDNACHWEIS
HERAUSGEBER
Titel: Oboe © shutterstock/Alenavlad;
Holz © Getty Images/malerapaso
Innenteil: Portraits © WDR/­Overmann
Westdeutscher Rundfunk Köln
Marketing
Appellhofplatz 1
50667 Köln
Verantwortliche Redaktion
Patricia Just
Redaktion und Produktion
des Konzerts
Siegwald Bütow
Mai 2017
Änderungen vorbehalten
MOZART
MATINÉE
KAMMERKONZERT
SO 21. Mai 2017
11.00 Uhr
Funkhaus Wallrafplatz, Köln
KAMMERKONZERT
mit Mitgliedern des WDR Sinfonieorchesters
WOLFGANG AMADEUS MOZART
Divertimento Es-dur für Streichtrio KV 563
Pause
Oboenquartett F-dur KV 370
Streichquintett g-moll KV 516
Svetlin Doytchinov Oboe
Ye Wu Violine
Johanne Stadelmann Violine
Junichiro Murakami Viola
Tomasz Neugebauer Viola
Johannes Wohlmacher Violoncello
WOLFGANG AMADEUS
MOZART
(1756 – 1791)
DIVERTIMENTO ES-DUR
FÜR STREICHTRIO KV 563
I. ALLEGRO
II. ADAGIO
III. MENUETTO. ALLEGRETTO – TRIO
IV. ANDANTE
V. MENUETTO. ALLEGRETTO – TRIO I/II
VI. ALLEGRO
Das klassische Streichtrio hat seine wesentliche Wurzel in der ba­
rocken Triosonate mit zwei Violinen und der Generalbasskombina­
tion von Violoncello und Cembalo, aus der das Tasteninstrument
schließlich eliminiert wurde. Der Verbund von Violine, Viola und
Violoncello geht mit großer Wahrscheinlichkeit auf Joseph Haydn
zurück und begründete eine Gattung, die hinsichtlich der klanglichen
Balance eine besondere kompositorische Herausforderung darstellt.
Mozart hat sich dieser Herausforderung mit seinem »Divertimento
Es-Dur für Streichtrio« als einzigem Beitrag gestellt und zugleich ein
Meister­werk geschaffen, das gleichermaßen als ein Höhepunkt der
Gattung wie auch der Kammermusik überhaupt gelten darf. Dabei
gibt sich der Titel »Divertimento« eher bescheiden, reichen doch
Inhalt und Gestaltung deutlich über den Anspruch einer unterhalten­
den Gesellschaftskunst hinaus.
Das Werk entstand in unmittelbarer Nachbarschaft zu den großen
Sinfonien des Jahres 1788 und teilt mit ihnen die Spannweite tief­
sinnigen wie gelösten Ausdrucks in einer Satzkunst, die von sensibler
Homophonie bis zu komplexer Kontrapunktik reicht. Die kaum zu
überbietende Nutzung der Ausdrucksmöglichkeiten jeden Instru­
ments und ihre Zusammenführung zu einem überreichen Klangspek­
trum machen die Charakterisierung des Werkes als »konzertierendes
Trio« durchaus verständlich. An ein ursprüngliches Divertimento mit
einer meist ungebundenen Satzfolge erinnert die sechsteilige, nun
deutlich geplante Anlage des Werkes. Das klassische Grundmuster:
Sonatensatz – langsamer Liedsatz – Menuett – Rondofinale wird
erweitert, indem der Menuett-Komplex sich zu einer Dreiteiligkeit
auswächst: Menuett I mit einem Trio findet seine gesteigerte Ent­
sprechung in Menuett II mit zwei Trios, in ihrer Mitte das Andante
als Variationen-Satz.
Komponiert wurde das anspruchsvolle Opus für Aufführungen im
Hause des Logenbruders und Freundes Michael Puchberg, der
Mozart in den späten 1780-er Jahren bei großer finanzieller Bedräng­
nis gelegentlich auch als Geldgeber beisprang. Überhaupt war es
vornehmlich ein privater oder begrenzter höfischer Rahmen, in
dem eine Kammermusik von solchem Rang und Anspruch auf eine
entsprechend vorgebildete Hörerschaft treffen konnte. An Auffüh­
rungen seines »Divertimentos« war Mozart selbst nachweislich
mehrfach als Bratschist beteiligt. So schreibt er von einer Reise nach
Dresden ganz bescheiden an seine Frau, dass das Trio, das er für
Puchberg geschrieben habe, hier auf überraschende Einladung des
Kurfürsten mit einem ortsansässigen Geiger, einem zufällig zu Gast
weilenden Cellisten und ihm an der Bratsche »so ganz hörbar exe­
cutiert« worden sei.
OBOENQUARTETT F-DUR KV 370
I. ALLEGRO
II. ADAGIO
III. RONDEAU. ALLEGRO
Mozarts Oboenquartett verdankt seine Entstehung der Begegnung
und Freundschaft des Komponisten mit Friedrich Ramm, dem her­
ausragenden Oboisten. Er hatte ihn 1777/78 dort während eines
mehrmonatigen Aufenthaltes kennengelernt und war von seinem
Spiel so angetan, dass er ihm spontan die Abschrift seines »Konzer­
tes für Oboe und Orchester« zum Geschenk machte, obwohl es
eigentlich schon einem italie­nischen Künstler zugedacht war. In kur­
zer Folge erlebte das Werk gleich fünf Aufführungen, und Mozart be­
richtet an seinen Vater, dass es »hier einen großen Lärm macht« und
»izt des H:Ramm sein Cheval Bataille« sei. Eine Wiederbegegnung
mit Ramm, der inzwischen mit dem Höfischen Orchester nach Mün­
chen übergesiedelt war, gab es 1780 anläßlich der Einstudierung und
Uraufführung von Mozarts Oper »Idomeneo« im dortigen Residenz­
theater. Der umfängliche und anspruchsvolle Oboenpart dieser Oper
dürfte ohne Zweifel mitinspiriert worden sein von Mozarts Wissen
um Ramms hohe Bläser-Qualitäten. Man darf somit durchaus vermu­
ten, dass Mozarts einziges Oboenquartett, das unmittelbar nach der
Uraufführung der Oper im Januar 1781 entstand, auch als ein Dank an
diesen hervor­ragenden Interpreten zu verstehen ist. Das dreisätzige
Werk führt Oboe, Violine, Viola und Violoncello zu einem eben
15-minütigen musikalischen Geschehen zusammen, das von feinstem
Divertimento­geist getragen ist. Dabei schlagen die bewegten Eck­
sätze den Ton eines eher heiteren sogenannten »singenden Allegros«
an, der immer wieder aber auch in eine hochvirtuose, übermütige
Spielfreude mündet. Das nur 37 Takte umfassende »Adagio« in der
Werkmitte setzt dazu eindrucksstark einen wesentlichen Akzent
melancholischer Nachdenklichkeit. Dass sich bei all der Spielweise
der Klang der Oboe in großer Homogenität mit dem Streichersatz
verbindet, steht außer Frage.
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