Sanierungskonzept Wohnanlage Illstraße 28 und 30 in Nenzing VOGEWOSI Bernhard Albrecht St. Martin-Strasse 7, 6850 Dornbirn Tel: +43 (0)5572/3805–317 E – Mail: [email protected] 1. Ausgangssituation: Die Baubewilligung für die Mehrfamilienwohnhäuser Illstraße 28 und 30 wurde am 15.05.1975 erteilt. Der Erstbezug erfolgte am 01.01.1977. Insgesamt wurden 18 Wohneinheiten errichtet, wovon 6 Wohnungen als 2-Zimmerwohnungen mit 61,73 m², 6 Wohnungen als 3-Zimmerwohnungen mit 82,05 m², 4 Wohnungen als 3-Zimmerwohnungen mit 84,90 m² und 6 Wohnungen als 4-Zimmerwohnungen mit 100,07 m² Wohnnutzfläche gebaut wurden. Die gesamte Wohnnutzfläche des Objekts beläuft sich auf 1.463,10 m². Im Keller sind Allgemeinräume wie Waschküche, Trockenräume, Fahrrad – und Mopedraum, sowie die Kellerabteile der Mieter untergebracht. Die Sanierung der Wohnanlage erfolgte im bewohnten Zustand. Ein Umstand, der einerseits von den Mietern eine hohe Akzeptanz, andererseits von der Bauleitung eine sehr genaue Arbeitsvorbereitung und ständige Überwachung der Arbeiten und des Bauzeitplanes erforderte. Auch an Handwerker wurden sehr hohe Anforderungen im Bezug an Arbeitsausführung und Termingenauigkeit gestellt. Änderungen an den bewährten Grundrissen innerhalb der Wohnungen wurden nicht vorgenommen. Die angetroffene Gebäudesubstanz kann als gut bezeichnet werden. Die Vorgabe für die Sanierung der Gebäude war die Erreichung der Förderstufe 5 laut den Wohnbauförderungsrichtlinien 2009/2010 des Landes Vorarlberg. Das bedeutet, dass bei einer umfassenden Sanierung und einem AV-Verhältnis bis 0,5 ein HWB von 25,6 KWH/m² Wohnnutzfläche und min. 200 Ökopunkte erreicht werden müssen. Laut Energieausweis, berechnet nach OIB erreichen die Gebäude einen HWB von 11,2 kWh/m²a mit 218 Ökopunkten und entsprechen daher dem Passivhausstandard. Abbildung 1: Illstraße 28 und 30 vor der Sanierung Abbildung 2: Illstraße 28 und 30 Dämmung. Abbildung 3: Dämmung u. Masken für Balkone Abbildung 4: Illstraße 28 und 30 nach der Sanierung Im Jänner 2009 wurden mittels Thermografieaufnahmen die thermischen Schwachstellen der Gebäude sichtbar gemacht. Erwartungsgemäß lagen diese im Bereich der Fenster, der aufgesetzten Rollläden, thermisch nicht getrennten Balkonplatten, der Kellerwände aus Beton. Diese Aufnahmen werden im Winter 2009/10 unter den gleichen Bedingungen wiederholt und gegenüber gestellt. Auf der Basis von bereits durchgeführten Sanierungen auf Passivhausstandard waren die Schwachstellen der Gebäude im Bezug auf die Dichtheit bekannt. Eine Blower–Door–Messung vor der Sanierung wurde daher nicht durchgeführt. Die n50Werte für vergleichbare Bauweisen liegen bei ≤ 3,0. Der n50 nach der Sanierung sollte zumindest unter 0,6 liegen. Unter Einhaltung der aus dem Energieausweis resultierenden Berechnung für die Dämmstärken, Glasqualität, Einbau einer kontrollierten Be– und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung und Luftdichtheit ≤ 0,6 h-1, sowie der Montage einer Solaranlage zur Unterstützung der Warmwasseraufbereitung und der Heizung wird Passivhausstandard erreicht. 2. Konstruktion: Die Konstruktion des Gebäudebestandes entspricht einem guten Standard der siebziger Jahre. Die Außenwände sind als homogenes Mauerwerk, die Geschoßdecken und Kellerwände in Stahlbeton hergestellt. Das Gebäude ist voll unterkellert. Wärmebrücken, die aus architektonischen Gründen nicht überdämmt werden konnten (ausladende Decke), wurden abgeschnitten. Die Balkonloggien wurden mit wärmegedämmten Paneelen eingehaust. Die Front wurde auf die gesamte Höhe verglast. Im Bereich der Brüstungen ist die Verglasung als Fixverglasung ausgeführt. Die Fensterflügel sind klappbar, es kann die gesamte Front geöffnet werden. Die Loggia wirkt als Pufferraum. Aufgrund von Erfahrungswerten aus vorangegangenen Sanierungen wurden aber die Balkonwände bei diesem Bauvorhaben ebenfalls gedämmt. Außenwand Oberste Decke Kellerdecke Kelleraußenwände Fenster Solaranlage Lüftungsanlage Standard für ÖKO II Ausf. Passivhausstandard Dämmung 12 cm Dämmung 19 cm Dämmung 10 cm Dämmung 0 cm UW = 1,3 W/m²K Unterstützung Warmwasser nein Dämmung 26 cm Dämmung 40 cm Dämmung 16 cm Dämmung 26 cm UW = 0,8 W/m²K Unterstützung Heizung und WW ja Abbildung 5: Zusatzdämmungen 2.1. Außenwände: Das homogene Mauerwerk des Bestandes ist in 29 cm Stärke ausgeführt und mit Innen– und Außenputz versehen. Der U-Wert der Außenwand betrug vor der Sanierung 1,03 W/m²K. Zur Verbesserung des U-Werts wurde ein Wärmedämmverbundsystem aufgebracht. 26 cm EPS WLZ 0,033 geklebt und zusätzlich mit entkoppelten Dämmschrauben (6 Stk./m²) mechanisch befestigt. Anschließend wurde die gesamte Fläche mit einer 5 mm starken Gewebespachtelung überzogen und ein 2 mm Deckputz als Vollabrieb ausgeführt. Bei gegenständlichem Bauvorhaben wurde das System Capatect – Dalmatiner-Basic–Line. Der U-Wert der Außenwand beträgt nach der Sanierung 0,11 W/m²K. Die Wände in den Balkonloggien sind ebenfalls mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen. Die Dämmstärke beträgt hier 12 cm, der Deckputz ist in einer Körnung von 1,5 mm als Vollabrieb ausgeführt. Der U-Wert beträgt 0,217 W/m²K. Wärmebrücken sind am gesamten Gebäude minimiert. 2.2. Oberste Decke – Dach: Die oberste Geschoßdecke erreicht im Bestand einen U-Wert von 0,73 W/m²K. Aufbau Bestand: 1,5 cm Innenputz, 20 cm Stahlbeton, Dampfsperre 5 cm Dämmung, 5 cm Estrich. Als zusätzliche Dämmung wurde 2 x EPS 0,040 180 mm aufgebracht, als Gehbelag wurde eine Holzwerkstoffplatte verlegt. Wärmebrücken, (Holzschwellen usw.) wurden überdämmt. Die Kamine wurden zum Teil abgetragen und zum Teil gedämmt. Der U-Wert dieses Bauteils beträgt nach der Sanierung 0,091 W/m²K. 2.3. Kellerdecke: Die Kellerdecke ist wie alle Geschoßdecken in Stahlbeton in einer Stärke von 18 cm ausgeführt. Eine Dämmung im Bestand ist hier lediglich im Fahrrad- und Mopedraum vorhanden. Hier wurden 3,50 cm zementgebundene Holzwollplatten in die Schalung eingelegt. Der U-Wert beträgt 0,71 W/m²K. Zur Optimierung wurden diese Decken mit 16 cm EPS WLZ 0,04 gedämmt, gespachtelt und verputzt. Der U-Wert beträgt jetzt 0,175W/m²K. Zudem wurden alle Anschlusswände mit einer Dämmschürze versehen. Auf eine Höhe von 50 cm ab UK–Decke wurden 8 cm EPS–Platten auf die Wände aufgeklebt, gedübelt und verputzt. Die Geschoßhöhe hat vor der Sanierung 245 cm betragen, sodass diese Maßnahme keinen Einfluss auf die Qualität der Kellerräume hat. 2.4. Fenster: Die im Bestand versetzten Fenster waren mit Isolierglas der 1. Generation verglast, UG ca. 2,7W/m²K. Stock– und Flügelrahmen waren in 62 mm Massivholz ausgeführt. Als Beschattung waren Rollläden aus Kunststoff aufgebaut. Der Aufbau bzw. Kasten für diese Rollläden stellte ursprünglich eine der größten Wärmebrücken dar. Nach dem Versetzen der neuen Fenster wurde der gesamte Hohlkasten mit Mineralwolle ausgestopft und verkleidet. Um den Lichteinfall nicht zu reduzieren wurden die Maueranschläge seitlich entfernt, der Sturz wurde belassen. Die neuen Fenster wurden direkt an der Vorderkante des Altputzes, also in die Dämmebene gesetzt. Alle Wohnungs- und Stiegenhausfenster wurden mit Dreischeiben–Wärmeschutzverglasung (UG = 0,5W/m²K) verglast. Stock– und Flügelrahmen wurden in 92 mm Massivholz ausgeführt. Laut Berechnung PHPP wird bei dieser Ausführung ein U W von 0,8W/m²K erreicht. Die Verglasung der Balkone ist als Fixverglasung im Brüstungsbereich und als Dreh–Klappverglasung ab der Brüstung mit Zweischeibenverglasung UG = 1,1W/m²K ausgeführt. Die Flügel ab der Brüstung können im Sommer komplett geöffnet werden und es entsteht wieder eine Balkonsituation. Die Stiegenhausfenster (Fixteile und Drehflügel) sind analog der Wohnungsfenster hergestellt. Gemauerte Brüstungen und betonierte Stürze wurden entfernt und das gesamte Element in die Dämmebene versetzt. Das Stiegenhaus befindet sich in der warmen Gebäudehülle. Die Beschattung der Wohnungsfenster erfolgt mittels Rollläden aus geschäumten Aluminiumprofilen, die Beschattung der Balkone mittels Verbundraffstoren. Alle Rollläden und Raffstoren sind mit Motorantrieb ausgestattet. 2.5. Luftdichtheit: Alle Fenster sind innenseitig mit diffusionsgeschlossenen Bändern und außenseitig mit diffusionsoffenen Bändern abgeklebt. Die Wohnungseingangstüren wurden erneuert und mit einer zusätzlichen Dichtungsebene versehen. Elektroverteiler und Leerverrohrungen, die von der Wohnung ins Stiegenhaus oder an die Fassade (Zuleitungen für Motoren Beschattung) führten, wurden abgedichtet. Die anschließend durchgeführte Dichtheitsprüfung hat bei beiden Häusern einen Wert von 0,2 1/h für Unter- und Überdruck ergeben. 2.6. Lüftungsanlage: Projektiert und ausgeführt wurde eine zentrale Zu– und Abluftanlage mit 88 % Wärmerückgewinnung. Die Positionierung der Anlage erfolgte im ehemaligen Tankraum. Frisch– und Fortluft werden über Erdkollektoren mit einer Länge von ca. 12 m und einen frei stehenden Luftturm angesogen und ausgeblasen. Das Lüftungsgerät, Fabrikat GEA, ist ausgelegt auf ein Lüftungsvolumen bis zu 1.500 m³/h. In den Wohnungen selbst ist eine Luftwechselrate von 0,2 bis 0,5 h-1 angesetzt. Die Mieter können den Luftwechsel in ihren Wohnungen über ein Tableau, welches den Volumenstromregler steuert, in einer Bandbreite von 25 bis 100 % beeinflussen. Dieses Band ist allerdings von der Zentralsteuerung vorgegeben. Die Anlage kann nicht ganz außer Betrieb genommen werden. Die Verteilung der Zu– und Abluftleitungen erfolgte im Stiegenhaus und an den Decken der Flure. Die Leitungen sind mit Vorsatzschalen und mit abgehängten Decken in Trockenbau verkleidet. Die Raumhöhe im Stiegenhaus und in den Fluren hat sich aufgrund dieser Maßnahme um bis zu 23 cm verringert. In der Anfangsphase wurde dies von den Mietern als störend empfunden. Nach Fertigstellung der Malerarbeiten sind allerdings diesbezüglich keine Klagen mehr aufgetreten. Zum Schallschutz wurden bei allen Zu– und Ableitungen im Stiegenhaus und im Bereich der Wohnungsverteilung Schalldämpfer eingebaut. Als Brandschutz sind bei allen Aus- und Eingängen zu den Wohnungen wartungsfreie Brandschutzstutzen eingebaut. Die Aus- und Eingänge aus der Energiezentrale sind mit vernetzten Kaltrauchklappen versehen. Abbildung 6: Wohnungsverteilung 2.7. Abbildung 7: Abgehängte Decke fertig Heizung – Solaranlage: Die Beheizung des Gebäudes erfolgt über eine Erdgas–Brennwerttherme und über die Solaranlage. Die Therme ist auf eine Maximalleistung von 49 kW ausgelegt. Für die Bereitstellung der Heizenergie wäre laut Berechnung eine Therme mit einer Leistung von ca. 9 kW ausreichend. Für Tage, an denen die solaren Gewinne zur Warmwasseraufbereitung nicht ausreichen, musste die Therme höher dimensioniert werden. Am Dach der Häuser sind jeweils Solaranlagen mit 40 m² Bruttofläche montiert worden. Mit den solaren Gewinnen sollten 18 % des Heizenergiebedarfs und 65 % des Energiebedarfs für die Warmwasseraufbereitung abgedeckt werden. Das bestehende Heizsystem innerhalb der Wohnungen und das Verteilsystem wurden nicht saniert. Zur Optimierung der Leistung werden Heizung, Solaranlage und Lüftung über eine gemeinsame Steuerung geregelt. Für die Warmwasserbereitstellung ist ein Boiler mit 500 Liter Volumen pro Gebäude installiert. Die solaren Gewinne werden in jeweils 2 Pufferspeichern mit 1.000 Liter Volumen gespeichert. Das Medium in den Pufferspeichern ist Heizungswasser. Dadurch können Temperaturen bis 95° gelagert werden. Der Betrieb b zw. der Ertrag aus der Solaranlage wird somit optimiert. Die Boiler und der Speicher sind zusätzlich gedämmt, sodass der Wärmeverlust unter 122 Watt/1.000 Liter Speicher liegt. Dieser Wert ist auch im Maßnahmenpaket für ökologischen Wohnbau des Landes Vorarlberg gefordert. Abbildung 8: Solaranlage 40 m² Brutto Abbildung 9: Solarstation im Heizraum 2.8. Eingangsüberdachung: Die Eingangsüberdachung aus Beton wurde komplett entfernt. Als Überdachung und Windfang ist eine Konstruktion aus gedämmten Paneelen montiert worden. Im Windfang sind die Briefkastenanlage und die Gegensprechanlage untergebracht. Abbildung 10: Eingang vor der Sanierung 2.9. Abbildung 11: Eingang nach der Sanierung Baukosten und Finanzierung: Die Kosten für die energetische Verbesserung des Gebäudes und aller Nebenarbeiten und Honorare belaufen sich auf netto € 1.360.000 oder € 930,--/m² Wohnnutzfläche. Die Finanzierung dieser Kosten erfolgte unter Ausnutzung der bestmöglichen Förderung des Landes Vorarlberg (100 % Darlehen des Landes auf alle förderungswürdigen Maßnahmen auf 20 Jahre zinsfrei), Anhebung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrages von € 1,20/m² Wohnnutzfläche auf € 1,57/m² Wohnnutzfläche, Einsatz des auslaufenden Kapitaldienstes und aus vorhandenen Mitteln aus dem EVB und Umbuchung der Einsparungen im Bereich der Kosten für Heizung und Warmwasser. 3. Zusammenfassung – Rückblick: Um den Erfolg einer derart umfangreichen und hoffentlich nachhaltigen Sanierung zu gewährleisten, sind meiner Meinung nach einige wichtige Punkte zu beachten. • • • • • • • • Einbindung der Bewohner, egal ob Mieter oder Eigentümer, in sämtliche Entscheidungsprozesse und Mitsprache bei der Neugestaltung. Die Bewohner müssen sich mit der Sanierung ihres Hauses identifizieren können. Präsentation eines Konzeptes mit kalkulierten Kosten. Erklären wie hoch die monatliche Belastung für den Einzelnen liegt. Koordinierung des Architekten mit den Fachplanern. Die Einhaltung des Kostenrahmens kann in der Planungsphase noch gesteuert werden. Erstellung möglichst genauer Ausschreibungen. Übermittlung eines Bauzeitplanes an die Bewohner. Arbeiten bei deren Durchführung die Bewohner in ihrem täglichen Ablauf gehindert sind, wie zum Beispiel bei Installation der Lüftungsanlage innerhalb der Wohnung, müssen im Ablauf optimiert werden. Besonders diese Maßnahme stellt eine enorme Belastung für die Bewohner dar. (Lärm, Staub, keine Privatsphäre). Schulungen für die am Bau beschäftigten Professionisten. Das angesteuerte Ziel kann nur erreicht werden, wenn alle darauf hin arbeiten. Nahezu tägliche Präsenz des Bauleiters. Die Bewohner brauchen eine Ansprechperson die sich ihrer Probleme annimmt. Ständige Durchführung von Qualitätskontrollen (kein PVC, Verwendung von schadstoffarmen Bauprodukten, Einhaltung von Verarbeitungsrichtlinien). Wartung der technischen Einrichtungen. Bei optimaler Ausführung der Arbeiten und Funktion der technischen Einrichtungen können von einer solchen Sanierung alle Beteiligten nur gewinnen. • • • • • • • • Wertschöpfung für die heimische Wirtschaft. (Qualifizierung und Arbeitsbeschaffung) Versicherung gegen steigende Energiekosten Ressourcenschutz für die Zukunft Behaglichkeit Dauerhaft gute Vermietbarkeit Gute Raumluftqualität Städtebauliche Aufwertung der Gebäude Klimaschutz Ein detaillierter Bericht über die Erreichung der gesetzten Ziele kann erst nach ein bis zwei Abrechnungsperioden abgegeben werden.