Borretsch - NABU Dahmeland

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Borretsch
VON HANS SONNENBERG
Borretsch oder Gurkenkraut, so heißt
die Pflanze des diesjährigen JahrebuchTitelbildes. Wer einen Garten hat, sich
mit Kräutern beschäftigt oder sogar etwas von der Pflanzenheilkunde versteht,
der kennt bestimmt den Boretsch. Boretsch? Heißt es nicht Borretsch? Was
denn nun?
Beide Schreibweisen sind möglich und
finden sich in den Pflanzenbüchern
wieder. Die wissenschaftliche Bezeichnung ist eindeutig: Borago officinalis L.
aus der Familie der Rauhblattgewächse
(Boraginaceae). Aha, Borago gab also
einer ganzen Familie seinen Namen.
Verwandte sind Vergissmeinnicht, Gedenkemein, Beinwell, Natternkopf,
Hundszunge, Ochsenzunge und Lungenkraut.
Das «officinalis», vergeben vom
schwedischen Botaniker C. Linnaeus,
gibt Auskunft darüber, dass es sich um
eine «officinell» genutzte, also eine Heilpflanze handelt. Bekannt ist, dass Borretsch bereits im Mittelalter als abführende, blutreinigende und schweißtreibende Pflanze verwendet wurde. In der
Pflanzenheilkunde hat er bis heute seinen Platz, zum Beispiel beim Einsatz
gegen Fieber, Husten oder Ekzeme.
Diesen hat er auch in der Küche.
Das sagt ja schon der Name «Gurkenkraut». Die Blätter, leicht gerieben, riechen nicht nur nach Gurke, sie
schmecken auch so. In einigen Gegenden, wie in der Niederlausitz, finden sie
Verwendung beim Einlegen von Gurken oder auch zum Beimischen in
Kräutersalate. Und dann gibt es ja noch
die Blüten. Die sind beim Borretsch
schön blau und da essbar, eine bunte
wie beliebte Salatdekoration.
Soweit zu den Plätzen, welche der Borretsch in unserem Leben einnimmt. Zu
unserem Nutzen, natürlich! Und wo ist
sein eigener Platz? Der war ursprünglich im Garten. Und dies seit dem Mittelalter, da brachte man ihn aus dem
Mittelmeergebiet zu uns. Ob bei der
Reise in den Norden nun Heilpflanze
oder Gewürzkraut auf seiner Visitenkarte stand, lässt sich nicht mehr eindeutig sagen. Wahrscheinlich ist hier
von einem «sowohl als auch» auszugehen. In unseren heutigen Gärten ist der
Borretsch ab und zu zu finden. Da er
aber einjährig ist, muss man sich schon
etwas um ihn kümmern, um ihn an einem Platz zu halten. Wer das nicht
macht, sprich ihn jedes Jahr neu aussät,
hat es zumindest mit einem Gartenvagabunden zu tun. Seinen Samen lässt
der Borretsch im übrigen nicht vom
Wind verwehen, sondern von Ameisen
verbreiten. Auf ein kleines eiweißhaltiges Samenanhängsel, das sogenannte
Elaiosom, sind Ameisen ganz versessen
und schleppen die Leckerei mitsamt
dem Samen zu ihren Bauten und somit
in die Welt. Und so wächst er dann mal
hier, mal da. Irgendwann ist er vielleicht verschwunden, doch nach einigen Jahren taucht er wieder ganz von alleine auf. Dann hat sich noch irgendwo
Samen in der Erde gehalten. Dass ein
Gartenzaun für den Borretsch keine
Grenze ist, versteht sich wohl fast von
selbst. Und so ist er stetig unstetig und
taucht in der Landschaft immer wieder
irgendwo auf. Lieblingsplätze in seinem
Wanderleben sind eindeutig die sogenannten «Ruderalstellen». So nennt man
nährstoffreiche, offene Böden wie z. B.
Dungplätze, Erdlager oder auch neu
angelegte Freianlagen.
Was gibt es zum Borretsch noch zu sagen? Unübersehbar ist die feine Behaarung der Pflanze. Ganz eindeutig handelt es hierbei um einen Fraßschutz vor
hungrigen Insekten. Oder vor uns. Da
wir das aber wissen, ernten wir für die
Küche auch nur die jungen, noch ganz
weichhaarigen Blätter. Was ganz unten
ist, die Wurzel, beachten wir nicht. Für
die Pflanze aber ist sie wichtig. Borretsch hat nämlich eine starke Pfahlwurzel. Diese hilft ihm ausgezeichnet,
sommerliche Trockenperioden zu überstehen.
Gut sichtbar ist der Blütenaufbau.
Dessen Erklärung führt aber schon in
die vertiefende Botanik. Borretsch besitzt sogenannte Glockenblumen mit
Streukegel. Was das ist? – die Erklärung
folgt weiter unten!
Für die Bestäubung sind Insekten
zuständig. Aber nicht alle. Borretsch
hat Prinzipien und lässt nur Hummeln
und Bienen an sich heran. Die Kronzipfel der Blüten haben weiße Schlundschuppen, die den Zugang Unbefugten
verwehren. Die Blüten sind darüber hinaus «vormännlich», das heißt, zuerst
wird der (männliche) Pollen gebildet
und erst die älteren Blüten kommen in
ein weibliches Stadium. So schließt die
Pflanze aus, dass sie sich mit dem eigenen Pollen, sprich sich selbst, befruchtet.
Nun zum Befruchtungsprozedere. Dieses geschieht in zeitlich versetzten
Etappen. Zuerst geht es einmal darum,
den männlichen Pollen loszuwerden.
Eine Biene oder Hummel fliegt die Blüte von unten an und zieht hierbei unausweichlich einen zahnartigen Fortsatz am Staubfaden herab. Jetzt kommt
der oben erwähnte Streukegel zum Einsatz: Dieser öffnet sich, der Pollen rieselt auf den Hinterleib des Insekts.
Fliegt die Biene ab, geht der Pollen auf
die Reise.
Es folgt Akt Nummer zwei, die eigentliche Befruchtung: Die Blüte ist
nun älter und im weiblichen Stadium.
Der für die Befruchtung notwendige
Griffel ist zu diesem Zeitpunkt aus dem
Staubblattkegel herausgewachsen. Eine
Biene oder Hummel auf Nektarsuche
fliegt die Blüte an, und hat sie Borretsch-Pollen an Bord, drückt sie diese
auf die Narbe des Griffels. Das war es
dann. Befruchtung geglückt.
Jetzt ist zum Borretsch eigentlich alles
gesagt.Wäre da nicht noch etwas zu zeigen, was wir an für sich gar nicht sehen
können. Borretschblüten sind für uns
einfarbig blau, ältere Blüten bekommen
als Nuance eine leichte Rotfärbung. Im
UV-Lichtspektrum sieht das aber ganz
anders aus. Da haben die Blütenblätter
sogenannte Strichsaftmerkmale und im
Zentrum der Blüte einen deutlichen
Farbring. Wir können das nicht sehen,
aber die Bienen und Hummeln können
es. Meinen wir zumindest, denn wer
von uns kann sehen, was eine Biene
sieht?
Borretsch oder Gurkenkraut. Im Volksmund gibt es weitere, heute leider fast
vergessene Namen. Oder wer kennt
noch «Herzfreude», «Wohlgemutsblume» oder «Liebäuglein»? Vielleicht müssen wir ja erst wieder sehen lernen, was
unsere Vorfahren schon sahen.
Literatur
Düll , R. & Kutzelnigg, H. (1992): Botanisch-ökologisches Exkursionstaschenbuch. 4. Aufl., Quelle & Meyer,
Heidelberg,Wiesbaden
Krausch, H.-D. (1992): Alte Nutz- und
Zierpflanzen in der Niederlausitz.
Verh. Bot.Ver. Berlin Brandenburg,
Beiheft 2
wwp (06.09.2006):
wikipedia.org/wiki/Borretsch
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