GARTENBAU Borretsch oder Gurkenkraut, anders betrachtet Ing. Helmut Pelzmann Der Borretsch (Borago officinalis L.) zählt zur Familie der Raublattgewächse (Boraginaceae) mit über 2.000 Arten. Die einjährige Pflanze aus dem Mittelmeerraum findet sich in jedem Haus- und Kräutergarten, einmal gesät, läuft sie immer wieder irgendwo auf, eigentlich praktisch, auch Ameisen wirken dabei mit. Aus der Blattrosette wächst ein saftiger, hohler Spross mit wechselständigen Laubblättern, so es ein bis zu 60 cm hoher Stängeltyp ist. Der Blatttyp wächst niedriger mit größeren Blättern, oberseitig grün bis dunkelgrün, unterseitig heller. Die darauf befindlichen Borsten- und Deckhaare können bei empfindlichen Menschen Hautreizungen hervorrufen. Hübsch sind die azurblauen, manchmal auch weißen oder rosafarbenen Sternblüten. Der rauhaarige Kelch ist fünfzipfelig, ebenso die Krone, die am Grund zu einer Röhre verwachsen ist. Die Kronröhre enthält reichlich Nektar, eine Fundgrube für Bienen. B orretsch zählt zu den Fremdbefruchtern, weil der Pollen am ersten Blütentag ausfällt, die Narbe aber sich erst am 2. Tag vergrößert. Selbstbefruchtung kann vorkommen, die Folge ist minderer Samenertrag. Wichtig zu wissen bei der Samengewinnung, wenn daraus Borretschöl produziert werden soll. Die Blütezeit reicht von Juni bis August. Die reifen Samen, botanisch Nüsschen, sitzen locker im Fruchtkelch und fallen leicht aus. Ein Nachteil für die Bestimmung des richtigen Erntezeitpunktes. Nur junge frische Borretschblätter finden als Gemüse und Gewürzkraut wegen des gurkenartigen Geschmackes Verwendung. Bekannt ist die Frankfurter Grüne Sauce, die besonders in Hessen zur Osterzeit auf den Tisch kommt. Sie besteht neben dem Borretsch aus Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch. Die Blüten können zur Verzierung von Speisen genutzt werden, im Eiswürfel gefroren motzen sie Saft, Bowle und Longdrinks ganz schön auf. In der gesamten Borretschpflanze sind Gerbstoffe, Schleimstoffe, Saponine, Flavone und wenig ätherisches Öl zu finden. Die mineralische Zusammensetzung weist keine ernährungsphysiologische Besonder- 16 heit auf, nur der höhere Kaliumgehalt macht den Verzehr der Rosettenblätter zu einer sinnvollen Nahrungsergänzung. Keine Konservierungsmethode funktioniert beim Borretsch richtig. Im großflächigen Kräuteranbau wird Borretsch hauptsächlich zur Gewinnung des fetten Öles im Samen durch Extraktion oder Pressung genutzt. Der Gesamtölgehalt kann bei 30 bis 40% liegen, darunter finden sich die Palmitinsäure, Ölsäure, Linolsäure und die interessante Gamma-Linolensäure. Borretschöl findet als Therapeutikum bei verschiedenen Diagnosen Verwendung. Aufgrund der hautpflegenden Wirkung ist das Öl auch für kosmetische Zwecke zu gebrauchen. Und jetzt kommt der eigentliche Grund meines Beitrages über den Borretsch. Genau wie der verwandte Beinwell (Symphytum officinale L.) enthält Borretsch geringe Mengen von Pyrrolizidin-Alkaloiden. Diese sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die von bestimmten Pflanzen gebildet werden, um Fraßfeinde abzuwehren. Zählt der Kräuterliebhaber auch dazu? Es gibt mehr als 500 verschiedene Pyrrolizidine mit unterschiedlicher Giftigkeit in ca. 6.000 Pflanzenarten. Zu den bekannten heimischen Pflanzen gehören neben dem oben er- wähnten Beinwell das JakobsGreiskraut (Senecio jacobaea L.), Gewöhnliches Greiskraut (Senecio vulgaris L.), Gewöhnlicher Natternkopf (vulgare L.), Huflattich (Tussilago farfara L.) und eben Borretsch. Für Arzneizubereitungen wird ausschließlich nur mehr pyrrolizidinfreier gezüchteter Beinwell verwendet. Wenn Heu mit dem JakobsGreiskraut verunreinigt ist, kann es bei Tieren schwere bis tödliche Leberfunktionsstörungen verursachen. Als frische Pflanze lassen sie es wegen des bitteren Geschmackes stehen. Verschiedene Quellen weisen darauf hin, dass Pyrrolizidin auch beim Menschen toxisch auf Leber, Lunge, Herz und Niere bzw. mutagen und karzinogen wirkt. Die wissenschaftlichen Meinungen gehen aufgrund der geringen möglichen Verzehrmengen von unbedenklich, akute Gefährdung sehr unwahrscheinlich bis zur Warnung, Risikogruppen OBST – WEIN – GARTEN · Ausgabe Nr. 5 / 2015 (Schwangere, Stillende, Kinder) sollen auf Borretsch verzichten. Die Untersuchungsmethoden werden zwar immer genauer, aber es gibt keine exakten Angaben zur aufzunehmenden Pyrrolizidin-Menge, die eine akute Vergiftung verursachen würde. Es existieren bisher keine Grenzwerte für PyrrolizidinGehalte in Lebens- oder Futtermitteln, also noch viel Forschungsbedarf. Dazu passt abschließend ein Satz von Paracelsus, dem großen Arzt aus dem 16. Jahrhundert: Dosis sola venenum facit – allein die Dosis macht das Gift! n Literatur: Hohenberger E., Gewürzkräuter und Heilpflanzen, Obst- und Gartenbauverlag, München, 2004 Hoppe B., Handbuch des Arznei- und Gewürzpflanzenanbaus, Band 4, Verein für Arznei- und Gewürzpflanzen Saluplanta e.V., Bernburg, 2012 Fischbach U., ÖKOmenischer Gärtnerrundbrief Nr.1/2015, S.12-15