Weitere Files findest du auf www.semestra.ch/files DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR. Winfrid Huber (1992): Probleme, Ängste, Depressionen: Beratung und Therapie bei psychischen Störungen. Bern: Huber. Zsf von [email protected] (Kap [email protected] (Kap 1,3 und 5) 2 und 4 und Anhang) und 1. Kapitel: Was sind psychische Störungen? l Wesen psychischer Störungen Nach JASPERS (1948) kann man die Vielfalt der Beschwerden und Beschreibungen zwischen „Einzelphänomenen des abnormen Seelenlebens“ und Störungen, die den „Gesamtzustand des Seelenlebens, in dem diese Störungen vorkommen“ unterscheiden. Tab. 1 gibt einen Überblick über die subj. Erscheinungen des kranken Seelenlebens. Hier sollen nur nicht-psychotische Störungen behandelt werden, bei denen das Wesen der psych. Störung subjektiv, im Erleben, als Mangel von etwas Wesentlichem, als grundlegendes Problem empfunden wird. Trotz bisheriger Versuche und Anstrengung scheint die Störung unlösbar und verursacht Leiden. Dazu kommt ein Gefühl der Hilflosigkeit und der Entfremdung, Freiheits- und Kontrollverlust. a) Sachverhalt und Kriterien Krankheit (als obj. Zustand im Gegensatz zu Kranksein = subj.): ein subj. Erleben des Missempfindens, des Unwohlseins und der Beeinträchtigung - eine Veränderung der Person und des Körpers in Bezug auf Wohlbefinden, Verhalten und Leistungsfähigkeit, oder - eine soziale Rolle mit Rechten und Pflichten Gesundheit: - den Zustand vollkommenen körperlichen seelischen und sozialen Wohlbefindens, also Gesundsein; - Abwesenheit von Krankheit, d.h. Fehlen biologischer Abweichungen in Körperstrukturen oder –prozessen, und - „den Zustand optimaler Leistungsfähigkeit eines Individuums für die wirksame Erfüllung der Rollen und Aufgaben, für die es sozialisiert worden ist“ (PARSONS, 1967). Tab. 2 zeigt Zustände der Gesundheit/Krankheit (BECKER, 1986). - Hier soll nicht genauer auf die Definitionen von Gesundheit und Krankheit eingegangen werden. Als krank wird angesehen, wer durch eine Diagnose als so bezeichnet wird. Aber auch ohne kann eine Behandlung erfolgen. b) Krankheitsmodelle Verschiedene Auffassungen psychischer Störungen: 1. Medizinisches Modell: Die Ursache der Krankheit ist in einem spezifischen Faktor zu suchen (bakteriol., toxisch, viral, metabolisch...). Der spezifische Krankheitsfaktor genügt, um den pathogenen Prozess zu erklären. Am Ende des vorletzten Jh. wurde dieses monokausale Infektionsmodell auch auf psychische Störungen angewendet. Die Folgen: - Abnormales Verhalten und psych. Störungen werden als Symptome einer tieferliegenden Krankheit angesehen; - Diese Krankheit ist im Individuum und muss als Krankheitseinheit mit spezifischer Ursache und Entwicklung beschrieben werden - Ursachen der Krankheit sind somatisch, es gibt aber nichtsomatische Auslösersituationen - Die genannten Merkmale haben zur Folge, dass sich die pathogenen Prozesse unabhängig vom Patienten und seiner Umgebung abspielen (nach Gesetzen der somatischen Faktoren, die dem Individuum innewohnen) 2. Psychosoziale Modell Dieses Modell ging aus der Kritik am med. Modell hervor. Es erklärt psych. Störungen durch psychologische und soziale Faktoren. Die VT versteht sich als Anwendung wiss. psychol. Erkenntnisse auf das Verstehen und Lösen klin. Probleme (YATES, 1970). Psych. Störungen sind Folge ungünstiger Umgebungsbedingungen und Lernprozesse (WOLPE, 1958), welche die Entstehung und Aufrechterhaltung erklären können. Vorteil: psych. Störungen werden im Feld der empirischen Sozialwissenschaften angesetzt, es werden mehr Störungen beachtet, als beim med. Modell. Nachteil: Keine Erklärungen für Störungen somatischen Ursprungs. Keine Interaktion. 3. Biopsychosoziales Modell Dialektische Synthese aus den beiden anderen Modellen. Hypothese der multifaktoriellen Krankheitsgenese. Es besteht kein Unterschied zwischen somatischen Krankheiten und psychischen Störungen. ll Arten und Formen psychischer Störungen Beschreibung und Klassifikation, Klassifikationssysteme. 1. Subj. und obj. Merkmale einzeln oder in Gruppen darstellen, 2. Ordnen (klassifizieren oder systematisieren), 3. Zuordnung der Phänomene oder Individuen zu Klassen eines Systems (=Diagnose). Zweck: ordnen, Infos über Entstehung, Aufrechterhaltung liefern, therapeut. Indikation, Verständigung untereinander. Formale Merkmale: Zuverlässigkeit (Reliabilität: Interrater- und Retestreliabilität), Gültigkeit (Validität: ätiologische Validität = wenn alle Kranken einer Klasse die gleichen Ursachen haben, Vorhersage-Validität), Ähnlichkeit (Homogenität = Grad der Ähnlichkeit der Patienten einer Klasse) und Unabhängigkeit der Klassifikation von den Anwendern (Objektivität). a) Die Internationale Klassifikation der WHO (ICD 9) Klassifikationssystem für alle Krankheiten. Psychische Krankheiten werden in drei Hauptkategorien, 30 Untergruppen und 75 Diagnosen eingeteilt. Psychosen (ICD-Nr.290-299): Veränderung/Abbau des Ichs oder des Selbst, begleitend ist eine Störung im Raum- Zeit- und Wirklichkeitserleben. Organische Psychosen haben eindeutige organischen Ursachen. Endogene Psychosen: es handelt sich nicht um eine psychogene Störung, sondern um eine angeborene, genetisch vererbbare oder andere organische Störung, nicht bekannte Ursache. Neurosen sind Störungen ohne organisch nachweisbare Ursache, der Patient verfügt über Einsicht und ungestörte Realitätswahrnehmung. Verhalten kann stark beeinträchtigt sein, Persönlichkeit bleibt erhalten (ausgeprägte Angst, hysterische Symptome, Phobien, Zwangssymptome, Depression). Persönlichkeitsstörungen Psychosomatische Störung (kommt im ICD9 nicht mehr vor): Zur Ätiologie und Pathogenese: Normalerweise klingen die mit Gefühlen und Emotionen einhergehenden physiologischen Erregungen nach einer Weile ab, nicht aber bei Fällen mit psychosom. Störungen: Die Erregungen bleiben bestehen und führen mit der Zeit zu organischen Schäden. Allerdings kennt man die sich bedingenden Wechselprozesse noch nicht. c) Das Diagnosic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM lll-R, 1989) Klassifikation psychischer Störungen, welche durch die American Psychiatric Association (APA) vorgelegt wurde. Multiaxiales Klassifikationssystem mit 5 Achsen: Achse l: klinische Syndrome Achse ll: Entwicklungs- und Persönlichkeitsstörungen Achse lll: körperliche Störungen und Zustände Achse lV: Schweregrad der psychosozialen Belastungsfaktoren Achse V: Gesamtbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus. Es wird nicht mehr von Krankheiten, sondern von Störungen geredet. Die Klassifikationseinheiten sind aufgrund Verhaltens-, Syndrom- oder Merkmalsmuster eingeteilt – also eher beschreibend, weniger ätiologisch. lll Entstehung psychischer Störungen Ätiologie: Ursachen einer Störung Pathogenese: Entwicklung einer Störung Oft ist das Wissen auf die Pathogenese beschränkt, mit Ausnahme der organischen Psychosen. Da das Wissen nicht eindeutig ist, bestehen mehrere Theorien zur Entstehung psychischer Störungen. a) Kausalmodelle Das monokausale-lineare Modell wurde zugunsten multikausaler Modelle aufgegeben. Ersteres wird höchstens in Ausnahmefällen angenommen. Man geht eher von einem komplexen Zusammenspiel versch. personeninterner und –externer Faktoren aus. Das Transaktionsmodell nimmt ebenfalls die Beteiligung mehrerer Faktoren am Hervorbringen der Wirkung an. Hinzu kommt, dass nicht nur die ursächliche Variable auf das Individuum, sondern auch das Individuum auf die ursächliche Variable einwirkt. Die ursächliche Variable wird dabei nicht als Konstante, sondern als durch einen dynamischen Prozess veränderlich aufgefasst. b) Bedingungsfaktoren Gruppierung der Ursachenfaktoren entlang der Zeitachse: - Prädisponierende Faktoren: Schon vor dem Beginn der Störung vorhanden, beschränken die Anpassungsmöglichkeiten des Individuums. Vererbliche Veranlagung, prä-, peri- und postnatale Bedingungen, ungünstige Einflüsse während des frühen und späteren Kindesalters. Neuerdings werden diese Bedingungen auch unter dem Begriff der Vulnerabilität (ZUBIN&SPRING,1977) behandelt. Es gibt aber auch protektive Faktoren. - Auslösende Faktoren: körperliche und psychische, innere und äussere Bedingungen und Ereignisse, welche die Anpassungsfähigkeit des Individuums übersteigen. - Aufrechterhaltende Faktoren: Verhindern das Abklingen der Störung, können zu einer Chronifizierung beitragen. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Reaktionen der Umgebung und den Sekundärgewinn der Krankheit – positive Verstärkung der Störung oder um Bestrafung, die der Patient erfährt, wenn er nicht der erwarteten Krankenrolle entspricht. Je nach „Schule“ werden die einzelnen Bedingungen unterschiedlich stark gewichtet und gedeutet. Nachteil: Der Begriff der Veranlagung ist ungenau. Psychische Veranlagungen können nicht direkt festgestellt werden – sie müssen erschlossen werden, was eine best. Unsicherheit mit sich bringt. Die neuere Forschung führte zu einer anderen Auffassung der normalen und gestörten psychischen Entwicklung. Schlechte Ausgangsbedingungen führen nicht notwendigerweise zu Störungen im Erwachsenenalter. Spätere Bedingungen (Familie, Stress, kritischen Lebensereignisse) können die Veranlagungen erheblich modifizieren. lV Häufigkeit und Schweregrad psychischer Störungen a) Häufigkeit Häufigkeit einer Störung hängt von der Definition der Störung ab, wie sie erfasst werden (Methode) und wo (Krankenhaus, Bevölkerung...). 1973 wurde geschätzt, dass zwischen 10 und 12% der Gesamtbevölkerung wegen psychischer Erkrankung einer fachlichen Betreuung bedürfen. Epidemiologie: Lehre von der räumlichen und zeitlichen Verteilung von einer Krankheit). Warum sind nicht alle, die eine Diagnose bekommen, ein „Fall“? b) Falldefinition und Schweregrad Ein Fall definiert sich in Abhängigkeit zum Schweregrad und zur Behandlungsbedürftigkeit nach SCHEPANK (1987): 1. Im Sinne der Punktprävalenz, 2. Eine der ICD-Diagnosen aus dem Bereich 300-307, 3. Die Ausprägung/Schweregrad der diagnostizierten Störung hat eine Beeinträchtigung zur Folge, die nach Experteneinschätzung einen Punktwert von ≥ 5 Punkten im BSS (Beeinträchtigungsschwerescore, SCHEPANK, 1980/81 und/oder ≥ 20 Punkten im GS-Score (Goldberg-Cooper-Score, GOLDBERG et al., 1970) entspricht. Fälle unterscheiden sich von nicht-Fällen durch häufigere Artzkonsultationen, dass mehrere versch. Ärzte aufgesucht werden, öfters wegen psychogener Symptomatik ein Arzt aufgesucht wird, mehr Medikamente genommen werden und sie häufiger krankgeschrieben werden. c) Behandlungsbedürftigkeit Ein Fall psychogener Krankheit zieht nicht unbedingt Behandlungsbedürftigkeit nach sich, denn diese hängt auch von der Selbstwahrnehmung und dem Krankheitsverhalten der Person ab. Nach der Bedarfsschätzung für Psychotherapie kommt SCHEPANK (1987) zu folgendem Schluss: - 50% der Bevölkerung ist weitgehend gesund und stabil. - 50% hat deutliche psychogene Symptome, davon ist die Hälfte leicht gestört. Von diesen fällt wiederum die Hälfte unter eine Risikopopulation. - Die verbleibenden 25% werden als Fälle bezeichnet, davon benötigt die Hälfte psychotherapeutische ambulante Therapie. Für 4% ist eine stationäre Fachpsychotherapie hilfreich. 8% muss wegen Nichtmotivierbarkeit, Chronifizierung, Lebensarrangement etc. als nicht mehr psychotherapierbar betrachtet werden. 2. Mittel psychologischer Behandlung Der Vielfalt psychischer Störungen entsprechend gibt es verschiedene Behandlungsmittel. Hier sollen nun Kriterien, Zweck, Ebenen und Anwendungsgebiete, Ziele und Formen von professioneller psychologischer Hilfe erläutert werden. Es folgt der Hinweis auf Schamanen, Philosophen und Lebensweisheiten und die Frage, ob auf Erfahrungen beruhende Lebensweisheiten - klug angewendet - schon Psychotherapie sind. I Lebensweisheit, psychologische Hilfe und Psychotherapie Zur Antwort zwei Punkte: a) Psychotherapie ist systematisch, mit Bezug auf empirische, wissenschaftlich fundierte Theorien zur Entstehung und Behandlung psychischer Störungen, aufgebaut. b) Betrifft gesellschaftliche und berufliche Rahmenbedingungen: Psychotherapie findet unter Bedingungen statt, die vom ethischen Berufscode beschreiben werden. Es ist ein Dienstverhältnis, keine freundschaftliche Beziehung, schliesst auch sexuelle Beziehungen aus. Psychotherapeut schuldet Patient die beste zur Zeit verfügbare Hilfe, die dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entspricht. Definition von psychologischer Intervention: Ein professionelles, wissenschaftlich fundiertes und empirisch überprüftes Handeln, das mit psychologischen Mitteln und Methoden im Erleben und Verhalten ansetzt, zum Zweck der Entfaltung oder Rehabilitation einer Person oder zum Zweck der Vorbeugung und Behandlung von Störungen. Wesentliches Merkmal von klinisch-psychologischer Interventionen (oder: KPI)sind die zur Veränderung angewendeten Mittel, die auch zur Veränderung somatischer Zustände angewendet werden können. II Zweck, Ebenen und Anwendungsgebiete Der Zweck einer klinisch-psychologischen Interventionsmethode kann mit Bezug auf Caplan (1964) in Anlehnung an den Zeitpunkt ihres Einsetzens beschreiben werden: 1) Entfaltung und Förderung von körperlicher und seelischer Gesundheit (v.a. in Gesundheitspsychologie) 2) Vorbeugung und Prävention: Senkung des Neuauftretens von Störungen (der Inzidenzrate) 3) Behandlung und Therapie von schon aufgetretenen Störungen, soll Senkung Prävalenzrate (Auftretenshäufigkeit) bewirken. Hier kommt nicht nur Psychotherapie, sondern klinisch-psychologische Interventionen im Allgemeinen zur Anwendung. 4) Rehabilitation: Folgen einer schon aufgetretenen und behandelten, evtl. Auch unheilbaren, Krankheit mindern KPI setzen zur Verfolgung dieses Zweckes an verschiedenen „psychischen Komplexitätsebenen“ (nach Perrez & Baumann, 1991) an, die in interpersonelle und intrapersonelle Systeme unterteilt werden können. Das interpersonale System enthält eine Ebene der Psychischen Funktionen, Interventionen auf dieser Ebene enthalten je nach Zweck Funktionstraining oder Behandlung einer Funktionsstörung. Dann gibt es eine Ebene der Funktionsmuster, auf der die Persönlichkeit als System von Funktionsmerkmalen gesehen wird. Interventionen auf dieser Ebene können inter- oder intrapersonal sein. Im interpersonellen System sind auch verschiedene Komplexitätsgrade zu unterscheiden, von Dyade über Familie bis Gemeinde. Die Tabelle zeigt die Zweck-Intervetionsebenen-Matrix mit Beispielen (nach Perrez & Baumann, 1991) Zweck Entfaltung Prävention Behandlung Rehabilitation Interventionsebenen Psychische Funktionen Problemlösetraini ng Gedächtnistrainin g für gesunde ältere Personen Behandlung von Schlafstörungen Gedächtnistrainin g nach Hirnverletzung Funktionsmuster Interpersonelles System Selbsterfahrung Kommunikationstraini ng im Betrieb Training zur Elterntraining für Stressverarbeitun junge Paare g Kognitive VT bei Familientherapie bei Depressionen Anorexie Behandlungsprog Familientherapie zur ramm bei Rückfallprophylaxe chronischem bei Schizophrenen Alkoholismus Jede Element in dieser Zweck-Intervetionsebenen-Matrix kann unter Bezugnahme auf den psychischen und/oder den organisch/somatischen Kontext betrachten. Um die Anwendungsgebiete der KPI zu illustrieren folgt eine Liste, die von Beratung für Altersprobleme und Gestaltung des Ruhestandes über Familienplanung, Ehen mit Ausländern, verschiedene Selbsthilfegruppen bis hin zur Vereinigung für Stotternde und Angehörige reicht. Entsprechende Dienstleistungsstellen finden sich anscheinend z.B. in Telephonbüchern unter Beratung für... III Ziele, Mittel, Methoden und Formen a) Ziele Bei KPI kann man verschiedene Zieltypen und –inhalte unterscheiden: Zieltypen: Kurz-, mittel- und langfristige und spezifische und globale Ziele. Nach Orlinsky & Howards (1986) auch Unterscheidung in Prozess-, Mikro- und Makroergebnis. Zielinhalte: ...sind Sachverhalte, die als Verwirklichung des Ziels angestrebt werden. Sie reichen von „Selbstverwirklichung“ bis „Angst reduzieren“. Klassifikationsversuche sind schwierig und werden bei Huber nicht versucht. Es wird jedoch bemerkt das es für die Wahl der richtigen Therapie im Einzelfall wichtig sein kann die Dimension „Zentralität versus Peripherie“ (d.h. Veränderung zentraler Persönlichkeitsstrukturen versus Veränderung peripherer Gewohnheiten) zu betrachten. Zielinhalte können in Beobachtungs-, Dispositions- und theoretischen Begriffen formuliert werden und das ist nicht nur für die Formulierung klinisch erreichbarer Ziele sondern auch für die Nachprüfung des Erreichens wichtig. Beobachtungsbegriffe: konkret, gut nachprüfbar und messbar, da sie beobachtbares Verhalten beschreiben (Bsp.: weniger Vermeidung bei Phobien) Dispositionsbegriffe: beschreiben Bereitschaft zu beobachtbarem Verhalten, die – da selbst nicht beobachtbar (z.B. Aggression) – aus dem Verhalten erschlossen werden muss. Bei Therapiezielbeschreibung in solchen Begriffen sollte daher auch angegeben werden woran man sie erkennt Theoretische Begriffe:...werden durch zugrundeliegende Theorie definiert (Bsp. Verdrängung, Ichstärke). In Theorie gibt es Angaben, wie sie mit Wirklichkeit verbunden sind. Sind diese Angaben zu ungenau, verliert die Zielangabe den konkreten Sachgehalt (schlecht) b) Mittel, Methoden und Formen Mittel=Tätigkeit oder Ding, wodurch Ziel erreicht wird. Bei KPI zusammenfassend: Beziehung und Lernen, wobei die therapeutische Beziehung der Boden ist auf dem sich therapeutisches Lernen vollzieht. Die therapeutische Beziehung hat in manchen Therapien eine zentrale Bedeutung (PA) andernorts weniger (VT). Lernen fasst verschiedene psychische Prozesse zusammen, die beim therapeutischen Lernen gezielt zur Veränderung von Prozessen+Strukturen der Persönlichkeit eingesetzt werden (Beispiele sind Rückmeldung geben, Deutung, Modelle liefern, Übungen...). Alle Therapieformen verwenden diese Mittel in unterschiedlichen Mischungen. Methoden= Handlungsregeln und Systeme solcher Regeln (Regelsysteme), sie geben quasi an, wie die Mittel gebraucht werden. Bsp.: VT als Behandlungsform ist die Gesamtheit der Handlungsregeln, die von VT vorgebracht, in Fachliteratur beschrieben und vom Praktiker angewendet werden. Wichtig: Methoden-(=Regel-)Ebene ist nicht gleich Handlungsebene! Zwei Praktiker können sich auf die gleiche Regel berufen und doch unterschiedliches tun. Formen: Es gibt keine einheitliche Einteilung der Therapieformen, sie sind nicht nur Resultat einer innerwissenschaftlichen Entwicklung, sondern auch beeinflusst durch persönliche, berufspolitische, soziale Faktoren, Menschenbilder, kulturelle Ideale. Einteilung möglich nach verschiedenen Ordnungsgesichtspunkten: - formale Kriterien (z.B. Zeitfaktor; Zahl der Interaktionspartner) - Therapieziele (z.B. Einsichts-, Konflikt- oder Verhaltensorientiert) - theoretischer Ansatz/Schule (z.B. PA, VT, GT) Die Tabelle soll einen ersten Eindruck in mögliche Beschreibung und Einteilung der Psychotherapieformen vermitteln. Ansatz Ätiologiekonzept Tiefenpsychologie (Freud) Intrapsychisch. Verdrängte frühkindl. Triebkonflikte Gesundheitskonzept Therapeutische Mittel Auflösung der Konflikte durch Bewusstmachung Deuten, freie Assoziationen, Übertragung, Träume Zeitl. Brennpunkt Therapiedauer Therapeutenrolle Gegenwart aus Vergangenheit verstehen v.a. Langzeittherapie Spiegeln, Deuten, wohlwollende Neutralität, , nicht direktiv Verhaltenstherapie (Lazarus, Beck) Dysfunktionale Lerngeschichte. durch person-Umwelt-Interaktion bedingt. Erlebens und Verhaltenskompetenzen wiederherstellen Kog. Umstrukturierung, Modelllernen, Übung, Habituation, Verstärkungslernen Gegenwartszentriert und Einbezug der Lerngeschichte. v.a. Kurzzeit, aber auch bis 1Jahr Erfahrender Mitarbeiter beim Proablemlösen, beratend, unterstützend Experientiell/Humanistisch Rogers, Greenberg) Inkongruenz zwischen Erfahrung und Selbstkonzept Kommuniktionsorientiert (Watzlawick, Minuchin) Durch unangepasste Kommunikationsstrukturen bedingt Fördern der Selbstaktualisierung Aufbau konstruktiver Kommunikationsstrukturen Begegnung, Empathie, Akzeptanz, Dialog, Focusin, „Experimente“, Rollenspiele. Evozieren, Deuten, Instruktionen Gegenwart durch Gewahrwerden der jetzigen Erfahrungen verstehen. Kurz bis mittelfristig Gegenwartszentriert Akzeptierender Dialogpartner, Spiegeln, gegenseitig permissiv Beobachten, Dysfunktionale Strukturen evozieren, Rat + beistand geben Kurzzeitig Vorteil einer schulischen Einteilung: ungefähre Orientierung. Nachteil: fürs Thema Therapiewahl ungenügend, da unklar bleibt, was genau gemacht wird und für welche Probleme die Therapie nützt. Ausserdem ist Praxis weitaus eklektischer. Deswegen geht Huber auf Fragen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten näher ein. Als Orientierungshilfe für Therapiewahl werden jedoch nicht theoretische Selbstdarstellungen sondern Therapiemanuale verwendet (kommt gleich). Was kann man nun machen, wenn die Schulenzugehörigkeit keine gute Auskunft darüber gibt, was der Therapeut macht? Sundland legte Therapeuten Fragebogen zu ihren theoretischen Annahmen und Behandlungspräferenzen vor. Die Dimensionen, die Auskunft über das tatsächliche Therapeutenverhalten geben sind das Ausmass, in dem der Therapeut 1) nicht-verbale Interventionen einsetzt, 2) Kindheitserlebnisse erkundet, 3) Strategien zur Förderung des zwischenmenschlichen Einfühlungsvermögens und des Kontaktes zum Einsatz bringt. Noch besser wäre natürlich, wenn man Therapiestunden aufnehmen und das Therapeutenverhalten analysieren könnte (in allen Beschreibungssystemen des Therapeutenverhaltens kommen u.a. diese Kategorien vor: Fragen, Auskunft erteilen, Ratgeben, Reflektieren/Spiegeln, Interpretieren, Selbstmitteilung). c) Therapieformen und Therapiemanuale Für Therapiewahl wichtig: Therapieform anhand der Manuale darstellen (Vorteil: umfassende Therapieanleitungen, kontrolliert und durch Erfolgsstudien empirisch abgesichert). Huber macht das in der Folge bei 6 Beispielen: Verhaltenstherapie für Agoraphobie (Barlow & Waddel, 1985) Einzeln (mit/ohne Partner) oder in Gruppen möglich, bei Patienten ohne organische, psychotische oder bipolare Störung Ziel: Phobisches Verhalten mit kognitiver, affektiver, motorischer Komponente abbauen; Kontrollfertigkeiten für schwierige Situationen + Rückfälle erarbeiten. Ablauf(Gruppentherapie mit Partnern): Erst acht wöchentliche 90-min. Sitzungen (Inhalt u.a.: Aufklärung über Krankheit, Rolle der Kognitionen, Behandlungsplan und Notwendigkeit von Hausaufgaben erläutern) Dann 8 Sitzungen (zwei mal wöchentlich), wo therapeutische Arbeit, die Patient (mit Hilfe des Partners) zu Hause leistet, vertieft und begleitet wird (Planung des Einsatzes der Techniken, auch erklären: Ziel ist nicht Angstfreiheit, sondern Überwindung der Angst). therapeutische Techniken: Selbstbeobachtung, klinisches Tagebuch, selbstinitiierte, progressive Exposition. Auch kognitives Umstrukturieren, Panik-Management, Bewältigungsstrategien für soziale Stresssituationen, Rollenspiel. Arbeit des Patienten: Beobachten+Verstehen des eigenen Verhaltens, Erwerb + Übung von Bewältigungsfertigkeiten, Konfrontation. Therapeut+Partner helfen durch Anleitung+Ermutigung Therapeut: Klärt auf, entwirft, erklärt und startet Behandlungsplan, passt ihn individuell an. Kognitive VT für Depressionen (Beck, 1979) Für Erwachsenen mit unipolarere Depression. Nicht bei endogenen Depressionen oder Borderline-Störung Ziel: Änderung des depressiven Verhaltens, der negativen Gedanken+traurigen Gefühle. Schwächen der „negativen kognitiven Schemata“, manifestiert durch „negative kognitive Triade“ (neg. Einstellg. zu sich, Umwelt und Zukunft) Ablauf: 15-20 Sitzungen, relativ stark strukturiert, auf Zielsymptome ausgerichtet therapeutische Techniken:kognitiv (Gedankenprotokoll, Aufzeigen automatischer Gedanken, Denk-+Urteilsfehler, Attributionstendenzen)+ verhaltenszentriert (Rollenspiel, Aktivitätsplanung, Selbstbehauptungstraining) Arbeit des Patienten: Mitarbeit bei Problem-+Zielanalyse, beim Aufspüren dysfunktionaler Kognitionen, Hausaufgaben Therapeut: warm, einfühlend, echt, unterstützend, aktiv (Behandlungsvorschläge, Hausaufgaben,...) Interpersonelle Psychotherapie für Depressionen (Klerman et al., 1984) Oft getestet an Patienten mit leicht bis mittelschwerer (nicht-bipolarer) Depression. Ziel: Symptomreduktion+Aufbau angemessener zwischenmenschlicher Beziehungen, dank derer auch Rückfällen vorgebeugt werden soll. Geht davon aus, dass Depression zusammenhängt mit: a) Verlust+Trauer, b) Rollenkonflikt, c) Rollenveränderung oder d)interpersonelle Defizite Ablauf: 12-20 Sitzungen, Festlegung,Vertiefung+Verarbeitung der individuellen Problembereiche(s.o.), Thema: Erhaltung der erreichten Resultate therapeutische Techniken: Aufklärung, selten Hausaufgaben, v.a.: Klärung, Konfrontation, Realitätsprüfung, Übertragungsanalyse. Schwerpunkt auf gegenwärtiger Problematik Arbeit des Patienten: mit Depression verbundene Probleme erkennen, durch bessere Auseinandersetzung Lösen Therapeut: konfontiert+interpretiert, ist aber direktiver+unterstützender als in klassischer PA Psychodynamische Psychotherapie (Luborsky, 1984) allgemeiner Leitfaden zur psychoanalytischen Therapie, kurz oder lang. Bei versch. Störungen, wenn Patient sich eignet (Luborsky gibt Auswahlkriterien an, sind aber nicht in Huber) Ziel: Auflösung des Kernkonflikts(Kk), der zu Beginn herausgearbeitet wird Ablauf (Kurztherapie):6-25 Sitzungen, einmal pro Woche therapeutische Techniken: nicht-direktiv, evozieren, auf Kk gerichtet, Deutungen von Konfliktmomenten, die in Beziehung eingehen, Widerstand+Deutung. Therapeut: deutet, unterstützt Paar + Familientherapie (Minuchin & Fishman, 1981) M. & F.: Beispiel struktureller Familientherapie, systemische Sichtweise. VT-Manuale sind zwar detaillierter, besser überprüft, aber systemische Sichtweise auch wichtig, deshalb hier vorgestellt. Patient ist nicht Individuum sondern Familie. Ziel: Familienbeziehungen, die mit Symptom verbunden sind, ändern. Ablauf/therapeutische Arbeit: Untersuchung der Störung auf ihre Bedeutung+Funktion innerhalb der familiären Beziehungen, Beschreibung+Behandlung der problematischen Verhaltensweisen+Familienbeziehungen Therapeut: Identifiziert problematisches Verhalten, lässt es voll in Erscheinung treten, behält es dann im Fokus der Behandlung, ist eher evozieren, evtl. aber auch beratend d) Praktische Einteilung und Definition der Psychotherapie Eine praktisch wichtige Einteilung gliedert die KPI in drei Gruppen: 1) Prävention, Rehabilitation und Beratung KPI im Rahmen von Prävention+Rehabilitation: begrenzte Massnahmen, die auf der Kenntnis von Faktoren gründen, die das entsprechende Problem oder die Krankheit bedingen. Auch Beratung kann verhältnismässig begrenzt sein, kann aber auch, wenn das Problem dann doch komplexer ist in längere Begleitung in Form von counseling oder guidance münden. Die Interventionen dieser Gruppe können alle manchmal auch in eine Psychotherapie münden oder von ihr begleitet sein 2) Krisenintervention und Betreuung Krisenintervention bezweckt Lösung dringender Probleme, soll negative Folgen verhüten, ist auch begrenzt, greift aber tiefer in Persönlichkeit ein. Wahl der Methoden ist eklektisch+pragmatisch, mit Einbezug des Milieus. Betreuung nach organischer Krankheit (z.B. Selbstbildfindung nach Amputation) ähnelt Rehabilitation, ist jedoch näher an der individuellen Persönlichkeit und hat stärkere psychotherapeutische Komponente. 3) Psychotherapie im engeren Sinne breiteres+komplexeres Ziel: Restrukturierung der Gesamtheit der Verhaltensweisen. Psychotherapie-Definition nach Strotzka (1978): „Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symtomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens. In der Regel ist dazu eine tragfähige emotionale Bindung notwendig.“ Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit man von Psychotherapie redet: Auf wissenschaftlicher Theorie der Persönlichkeit und ihrer Störungen begründet. Auf wissenschaftlicher Theorie der Veränderung psychischer Störungen und auf erprobte Veränderungstechnologie gestützt Empirische Beurteilung von positiven wie negativen Wirkungen vorhanden Bei Personen mit behandlungsbedürftigen psychischen Störungen oder Leiden eingesetzt Von ausgebildeten und kompetenten Personen ausgeübt IV Psychologische Hilfe: Angewandte Wissenschaft, Technologie oder Kunst? Hier werden nur die Punkte diskutiert, die im Zusammenhang mit der Therapiewahl am wichtigsten sind. Was ist unter wissenschaftlich fundiertem Wissen zu verstehen? Hier gibt es verschiedene Auffassungen. Das anerkannteste Kriterium ist wohl die Prüfbarkeit der Hypothesen: Wissen (oder Hypothesen) müssen mit den gängigen Methoden auf ihr Zutreffen überprüftwerden können. Wissenschaftlich fundiert ist Wissen, das sich bei solchen Überprüfungen bewährt hat. Wenn Wissen diese Kriterien nicht erfüllt, handelt es sich um Alltagswissen oder –wenn von Autoritäten vertreten- Lehrmeinungen. Was meint man mit wissenschaftlichen Inhalten? Inhalte des oben beschriebenen Wissens nach Westmeyer (1976): Faktenwissen: Bezieht sich auf Tatsachen: Was liegt vor, was ist der Fall? Entsprechende wissenschaftliche Tätigkeiten sind hier Registrierung und Beschreibung. Gesetzeswissen: Bezieht sich auf gesetzmässige Zusammenhänge zwischen Variablen: Warum ist etwas der Fall? Wissenschaftliche Tätigkeiten sind hier Erklärung, Begründung und Vorhersage. Technologisches Wissen: Kennzeichnet sich durch den Handlungsbezug. Bezieht sich auf Mittel, mit denen gewisse Ziele erreicht werden: Was muss man tun, um ein Ereignis herbeizuführen (oder zu verhindern)? Wissenschaftliche Tätigkeiten: Herstellen, Kontrolle und technologische Voraussage. Alltagswissen, Meinungen und Lehrmeinungen beziehen sich auch auf Gesetzeswissen und technologisches Wissen, sind aber nicht überprüfbar. Die Verbindung von psychologischer Intervention und solchem Wissen: Ist nun psychologische Intervention Technologie? Jetzt kommt ein sehr mühsamer Absatz! Klingt nicht schön, aber: Die Definition von Psychotherapie als bewusster, geplanter Interaktionsprozess zur Erreichung eines im Konsensus für wertvoll gehaltenen Ziels, mittels aus einer Theorie abgeleiteten Techniken entspricht genau dem, was Bunge (1976) als technologische Tätigkeit definiert. Man muss hier aber zwei Ebenen unterscheiden: 1) die technologischen Regeln und Metaregeln (= Regeln zur Aufstellung von Regeln), wie in Literatur beschrieben und 2) die tatsächliche psychotherapeutische Praxis, in der diese Regeln angewendet werden. Handlungsregeln=Beschreibungen von Handlungen, die unter bestimmten Bedingungen zu bestimmten Zielen führen. In der klinischen Psychologie gibt es aber viele „offene Probleme“, d.h. Situationen, die noch nicht so genau bestimmt sind und zu deren Lösung es keine Regeln gibt. Deshalb müssen einfache technologische Regeln hier durch technologische Metaregeln (z.B. Strategien zum Finden von Lösungen), die auch auf ihre Wirksamkeit hin überprüft sein sollten, ergänzt werden. Beispiele einfacher technologischer Regeln sind die Anwendungsregeln zum autogenen Training von Schulz (1932) oder die unter III. C genannten Therapiemanuale. Solche technologischen Regeln sind, wie auch Metaregeln, nicht wahr oder falsch, sondern mehr oder weniger wirksam. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Erklärung ihrer Wirksamkeit und nach der Begründung ihrer Anwendung. Die Begründung der Anwendung einer Regel bezieht sich auf eine zweifache Wahl: welches Ziel soll erreicht werden und welche Massnahme ist dazu erforderlich. Die Wahl und Begründung des Therapieziels liegt ausserhalb der empirischen Forschung, weil diese Fragen Werturteile beinhalten. Wann die Wahl der Massnahme als rational begründet gelten kann wird in Kapitel 5 erklärt. Ist die Auffassung von Psychotherapie als Technologie nicht zu kurz und naiv? Diese Auffassung wird von Huber zwar als die zur zeit fruchtbarste angesehen, bringt aber auch Probleme mit sich: Auf der technischen Ebene liegen diese in der Standardisierung, der Spezifizierung und der Messung der Interventionen. Im Bezug auf ethische Gesichtspunkte kann die Frage nach der relativen Wichtigkeit der technischen und zwischenmenschlichen Faktoren gestellt werden. Die Gefahr eines technologischen Modells liegt darin, dass zwischenmenschliche Faktoren durch technische ersetzt werden und dass persönliche Werte vernachlässigt werden. Lösung? Kombination: Der Respekt vor den Beziehungswerten soll die wissenschaftliche Erforschung technisch verfeinerter Psychotherapie vor Gefahren schützen, die einer auf „harte und klare Technologie“ begründeten Forschung innewohnen, und so ihre Integrität bewahren. Diese Gefahren bestehen beim Forscher in unzulässiger Vereinfachung, beim Therapeuten darin, die Wirksamkeit, Meisterung und Anpassung so zu privilegieren, dass der Patient sich selbst entfremdet wird (dies kann alles aber auch bei technologischer Unkenntnis passieren). Hübscher Satz: Reines Herz und guter Wille sind wohl von Nöten, reichen aber nicht aus – es braucht auch Wissen, dass zeigt, wie man zum Ziel kommt.. Noch einer (von Ladriere, Wissenschaftsphilosoph,1977): Die Gefahr der Entfremdung ist in der Tat vorhanden, aber der Zuwachs an schöpferischen Möglichkeiten ist ebenso bedeutungsvoll. Die künstlerische Komponente der psychotherapeutischen Praxis: Psychotherapie als Kunst des Problemlösens? Im Rahmen der technologischen Auffassung von Psychotherapie besteht die Kunst im Spüren, Wissen und Können, und ist zur Anwendung der technologischen Regeln auf die Probleme im konkreten Einzelfall absolut notwendig (=mehr als der simple Gebrauch einer Handlungsregel). V Die Krise der Systeme und der Niedergang des Schulendenkens Ende der 60er Jahre beherrschten 3 Schulen das Gebiet der Psychotherapie: Psychoanalyse, Gesprächs- und Verhaltenstherapie. Heute scheinen sich die Sichtweisen weg vom schulenzentrierten und hin zum problemzentrierten Denken zu wandeln. Gründe: Entwicklungen in der allg. Psychologie („kognitive Wende“), Kritik an den Schulsystemen von innen und aussen, Therapiewirkungsforschung und mehr Effektivitätsansprüche. Psychoanalyse: Auch Psychoanalytiker selber (z.B. Loch und Spence) entwickelten eine kritischen Sicht auf Konzepte (Wahrheit der Interpretation, „freischwebende Aufmerksamkeit“ des Therapeuten,...) und wissenschaftstheoretischen Status. Ausserdem stellte klinisch-empirische Forschung einiger Psychoanalytiker die Auffassungen über Wirkung und Wirkmechanismen in Frage.