Das GSK Book-CP-Verfahren Verfahrenstechnik und Anlagenbeschreibung Vorwort Verfahrens- und Prozessbeschreibung Übersicht Prozessablauf Anlagensicherheit und Umwelt Liste der Einsatzstoffe und Handling Verfahrensergebnisse und Qualitätskontrolle Qualitätsstandards Übersicht Bearbeitungsablauf Anwendung und Nebenwirkungen Anhang Gutachterliche Stellungnahme zum Entsäuerungsverfahren und zur Entsäuerungsleistung der BoCo-1 Seite 1 von 14 1 Vorwort In vielen Archiven und Bibliotheken sind nahezu 90% sämtlicher Papierbestände davon bedroht, von Säure zerfressen zu werden. Zunächst vergilben und verbräunen die Papiere, um schlussendlich zu zerfallen. Die enthaltenen Informationen sind dann unwiederbringlich verloren. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die industrielle Papierherstellung begann wurde als Grundstoff zur Papierherstellung Zellulose aus Hölzern anstelle der vormals verwendeten Textilien eingesetzt. Zur Verbesserung der Beschreibfähigkeit dieser holzhaltigen Zellulosepapiere wurden diese mit einer Harz-Alaun-Mischung in der Bütte geleimt. Sowohl die Zellulose als auch die Leimung bilden Säuren, die im Laufe der Zeit die Zellulosefasern des Papiers aufbrechen und es spröde und brüchig werden lassen. Die Folge ist eine schnelle Papieralterung und schließlich ein Zerfall, der durch mechanische Beanspruchung und ungünstige Lagerbedingungen noch verstärkt wird. Dieser Zerstörungsprozess kann nur durch eine chemische Neutralisierung der Säure im Papier aufgehalten werden. Obwohl man mit der Einführung der Papierproduktion auf Zellulosebasis bereits von dem drohenden Papierzerfall wusste, wurden erst in den 1960ern international Verfahren und Anlagen zur Bekämpfung des Säurefraßes entwickelt und in geringen Stückzahlen realisiert. Die meisten Verfahren arbeiten mit organischen, zum Teil brennbaren Lösemitteln als Träger von Wirksubstanzen (Erdalkalien) auf metallorganischer Basis und haben nach dem Stand der Technik nur die Papierentsäuerung zum Ziel. Lediglich das so genannte „Bückeburger Verfahren“ (GSK-BCP-Verfahren) verwendet als Trägermedium Wasser und erzielt neben der Entsäuerung durch Eintragung von Methylcellulose eine zusätzliche Verfestigung der Papiersubstanz. Aufgrund der papierquellenden Wirkung ist das wässrige Verfahren jedoch nicht für gebundene Materialien geeignet. Die von der GSK entwickelte und gebaute neue Massenkonservierungsanlage für gebundenes Schriftgut BoCo-1 stellt nach Jahrzehnten die erste Weiterentwicklung in der Blockentsäuerung dar. Weltweit erstmalig realisiert das neue Book-CP-Verfahren neben der Entsäuerung eine optionale Verfestigung der säuregeschädigten Papiere mit einer organischen Lösung. Ebenfalls erstmalig ist eine schonende Entsäuerung von gebundenen Materialien ohne Alkohol- oder Alkoholat-Zuschlägen möglich, das heißt bislang bekannte Nebenwirkungen der bestehenden Lösemittel-Tränkverfahren wie Ausblutungen, Abklatschen oder Durchschlagen von Abbildungen und Ähnliches sind weitgehend ausgeschlossen. Des Weiteren ist eine starke reinigende und dekontaminierende Wirkung beim neuen Book-CP-Verfahren systemimmanent. Neben der Entsäuerung mit oder ohne Verfestigung wird ab Mitte 2011 ebenfalls erstmalig eine eigenständige maschinelle Reinigung und Dekontaminierung von Papieren unter Verwendung der BoCo-1 eingeführt. Seite 2 von 14 2 Verfahrens- und Prozessbeschreibung Ziel des Verfahrens ist es, saure Papiere (pH <7) zu entsäuern (pH >7,5) und eine ausreichende alkalische Reserve anzulegen sowie optional eine nachhaltige Verfestigung der Papiere zu bewirken. Die Verfahrensziele und Qualitätssicherungen unterliegen den Anforderungen der DIN-Empfehlungen von Hofmann und Wiesner. Prozesse und Wirkstoffe Entsäuerungswirkstoff Zur Entsäuerung haben sich Erdalkaliionen als wirkungsvoll erwiesen. Diese reagieren nach dem Behandlungsvorgang mit der Gleichgewichtsfeuchte in den Papieren (Rekonditionierung) und bewirken hierdurch die Neutralisierung der in den Zellulosefasern enthaltenen Säuren. Für eine nachhaltige Entsäuerung werden die Papiere mit einem zusätzlichen „Überhang“ an Erdalkaliionen beaufschlagt. Diese bilden die alkalische Reserve. Bei den Erdalkaliionen haben sich Magnesiumverbindungen (Magnesiumoxid, Magnesiumcarbonat, Magnesiumhydrogencarbonat) als besonders langzeitstabil erwiesen. Daher wird beim Book-CPVerfahren Magnesium eingesetzt. Dieses liegt zunächst als Magnesiumoxid pulverförmig vor und wird mittels einer Trägersubstanz dreidimensional an jede Stelle des Papiers transportiert. Während des Behandlungsprozesses fördert eine zusätzliche CO2-Begasung eine chemische Umsetzung des Magnesiumoxids in Magnesiumcarbonat, welches besonders für die Einstellung einer alkalischen Reserve geeignet ist. Die Begasung bewirkt ferner eine zusätzliche Aktivierung des Entsäuerungsvorganges. Trägersubstanz Nach dem bisherigen Stand der Technik werden die Erdalkaliionenverbindungen so modifiziert, dass sie in einem Alkohol gelöst und mit dem Lösemittel verdünnt verwendet werden. Grund hierfür ist, dass Erdalkaliionen zwar in Wasser sehr gut löslich sind (wie beim wässrigen BCP-Verfahren) jedoch in sonstigen unpolaren Lösemitteln wie sie in der Blockentsäuerung verwendet werden nur schwer löslich sind. Beim Book-CP-Verfahren hingegen wird das als feines Pulver vorliegende Magnesiumoxid als Partikel mit einer Trägersubstanz ohne weitere Zusatzstoffe, das heißt ohne Alkohole oder Alkoholate vermischt und liegt in dieser homogen dispers verteilt als Wirkstofflösung vor. Als Trägersubstanz wird das organische Lösemittel Decafluorpentan verwendet. Es handelt sich um einen flourierten Kohlenwasserstoff. Dieses niedrig viskose Lösemittel ist farblos, nicht flammbar, sehr gut austragbar und papierverträglich. Das Decaflourpentan ist stark Wasser austreibend und sorgt außerdem für eine Reinigung der Materialien. Durch seine extrem niedrige Viskosität ist eine tiefe Durchdringung der Blattpakete möglich und ein Transport des Magnesiums dreidimensional in die Papierstruktur gewährleistet. Die Trägersubstanz wird nach der Einwirkzeit vollständig aus den Papieren mittels geringer Wärmezufuhr entfernt. Da ansonsten keine weiteren Chemikalien eingesetzt werden, verbleiben in den Papieren anschließend lediglich die ausgefallenen Magnesiumpartikel zur Neutralisation und zur Bildung der alkalischen Reserve. Seite 3 von 14 Nach dem Behandlungsvorgang muss dem Papier wieder Feuchtigkeit bis zum Erreichen der Gleichgewichtsfeuchte zugeführt werden um den chemischen Prozess der Entsäuerung zu bewirken (Rekonditionierung). Eine technische Rekonditionierung (Beaufschlagung der Papiere mit einer erhöhten Luftfeuchtigkeit) ist nicht notwendig, da sich die Gleichgewichtsfeuchte in den Papieren nach kurzer Zeit von selbst einstellt. Verfestigungsmittel Neben der Möglichkeit gebundene Materialien auch ohne den Zusatz von Alkoholen oder Alkoholaten zu entsäuern, ist die Verfestigung mittels Nachleimung ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des BookCP-Verfahrens. Es handelt sich hierbei nicht um eine „verfestigende Wirkung“. Diese kann zum Beispiel nach einer technischen Rekonditionierung kurzzeitig aufgrund der Beaufschlagung von Feuchtigkeit über der natürlichen Gleichgewichtsfeuchte der Papiere auftreten. Bei der optionalen Verfestigung im Book-CPVerfahren handelt es sich demgegenüber um eine tatsächliche Nachleimung. Hierfür wird Ethylcellulose in Ethanol gelöst und der Wirkstofflösung aus Magnesiumoxid und Decaflourpentan beigegeben. Die Ethylcellulose dringt in die Papierstruktur ein und legt sich außerdem wie ein stabilisierender Film um die Papierfasern. Es sorgt somit für die gewünschte Nachleimung analog zum wässrigen „Bückeburger Verfahren“. Prozessbedingt ist daher ein geringer Anteil an Alkohol notwendig um die Ethylcellulose in Lösung zu halten. Das Ethanol wird nach dem Entsäuerungs- und Verfestigungsprozess dem Papiermaterial vollständig entzogen und verbleibt nicht in der Blattstruktur, wie es bei der Verwendung von Alkoholaten möglich ist. Eine technische Rekonditionierung ist somit auch bei der Entsäuerung mit Verfestigung nicht notwendig, da keine starken Ausdünstungen auftreten, die die anschließende Nutzung beeinträchtigen könnten. Anlagen- und Verfahrenstechnik Die Anlagen- und Verfahrenstechnik des Book-CP-Verfahrens gewährleistet einerseits einen homogenen Stoffeintrag bis tief in die Papierstruktur sowie bis tief in den Falz der Papierblöcke und andererseits die Austragung sämtlicher nicht für den Entsäuerungs- und Verfestigungsvorgang notwendigen Stoffe. Stoffeintrag Alleinstellungsmerkmal des neuen Verfahrens ist eine Aufstellung und Auffächerung der Materialien um ca. zehn Grad auf einem kreisrunden Warenträger. Nachdem die Behandlungskammer vollständig mit der Wirkstofflösung geflutet ist, wird diese zusätzlich mit Hilfe von speziellen Fächerdüsen und der Drehbewegung des Warenträgers gleichmäßig verteilt. Hierdurch ist gewährleistet, dass das Behandlungsgut nicht nur in der Wirkstofflösung getaucht wird um von dieser durchtränkt zu werden, sondern zusätzlich derart angeströmt wird, dass die einzelnen Seiten sich optimal auffächern und die Wirkstoffe tatsächlich bis an den Buchrücken und bis tief in den Falz transportiert werden. Es kommt hierbei zu keiner Todzonenbildung. Neben dem Wirkstoffeintrag mittels Tränkung und Anströmung werden die Materialien zusätzlich mit Kohlendioxid (CO2) zur Gewährleistung einer homogenen Verteilung der Wirkstoffe in der Lösung sowie zu deren zusätzlicher Aktivierung begast. Hierbei wird das Magnesiumoxyd während der Behandlung zu einem Teil in Magnesiumcarbonat gewandelt, welches eine höhere alkalische Reserve bildet. Seite 4 von 14 Die gesamte Einwirkzeit der Wirkstofflösung beträgt 15 Minuten, unabhängig davon, ob es sich um die reine Entsäuerung oder um eine Entsäuerung mit Verfestigung handelt. Reinigung und Dekontaminierung Die Um- und Durchspülung der einzelnen Papierseiten des Behandlungsguts mit der Wirkstofflösung findet in einem geschlossenen Kreislauf statt. Die zwischengeschaltete komplexe Filtertechnik spült sowohl Oberflächenschmutz als auch mikrobiellen Befall wirksam bis zu einer Kleinstgröße von einem Mikrometer aus. Eine Querkontamination während der Behandlung ist ausgeschlossen. Die optionale Reinigung und Dekontaminierung von befallenem Behandlungsgut ohne Entsäuerung geschieht ohne Entsäuerungswirkstoffe und wird Mitte 2011 eingeführt. Stoffaustrag Für ein optimales Behandlungsergebnis ist es neben dem Stoffeintrag notwendig sämtliche sonstigen Prozesschemikalien rückstandsfrei wieder aus den Papieren zu entfernen um unkalkulierbare Langzeitrisiken zu vermeiden. Nach dem erfolgreichen Eintrag der Entsäuerungswirkstoffe Magnesiumoxid und Magnesiumcarbonat muss daher gewährleistet sein, dass die flüssige Trägersubstanz Decafluorpentan vollständig ausgetragen wird. Bei der Behandlung mit Verfestigung muss ebenfalls das hierfür notwendige Ethanol entfernt werden. Sonstige Prozesschemikalien finden keine Anwendung beim Book-CPVerfahren. Eine vollständige Rückgewinnung des Lösemittels Decafluorpentan sowie des Ethanols ist sicher gestellt. Hierzu wird die Behandlungslösung zunächst nach der Einwirk- und Anströmzeit abgepumpt. Anschließend verdunsten die Restchemikalien während der Trocknung vollständig unter Zufuhr geringer Wärme im reinen Umluftbetrieb. Das Papier wird hierbei mit max. 55° Celsius beaufschlagt. Ein hierfür entwickeltes Messgerät beobachtet permanent die Gasphase während der Trocknung im Behandlungsbehälter und beendet erst nach der Verdunstung der Restchemikalien bis zum Schwellenwert das Trocknungsprogramm. Aufgrund der Verwendung von reinem Ethanol zur Lösung der Ethylcellulose fällt auch nach der maschinellen Behandlung kein Alkohol mehr aus, wie dies bei einer Verwendung von Alkoholaten der Fall sein könnte. Seite 5 von 14 3 Übersicht Prozessablauf der Behandlungsschritte in der Entsäuerungsanlage BoCo-1 Das Behandlungsgut muss im Vorfeld nicht gereinigt werden. Die Reinigung der Papiere ist systemimmanent. Lediglich die Schnitte werden bei starker Oberflächenverschmutzung vor dem Behandlungsprozess abgesaugt. Die Um- und Durchspülung des Behandlungsgutes mit der Wirkstofflösung in einem geschlossenen Kreislauf und zwischengeschalteter komplexer Filtertechnik spült sowohl Oberflächenschmutz als auch mikrobiellen Befall wirksam aus. Die Behandlungsgüter (Bücher und sonstige gebundene Materialien) werden zur Entsäuerung um ca. 10 Grad aufgefächert auf einem kreisrunden Warenträger aufgestellt und gesichert. Der Warenträger wird in die Behandlungskammer eingebracht und diese gasdicht verriegelt. Das Schriftgut wird zunächst im kombinierten Umluft-Außenluftbetrieb mit Heißluft bei max. 55°C getrocknet. Im Anschluss an den Trocknungsprozess wird die Anlage unter Unterdruck gesetzt und auf Dichtigkeit überprüft. Dann wird die Wirkstofflösung dem Arbeitsbehälter zugeführt. Die Wirkstofflösung wird zusätzlich mittels definierter Durchspülung und Besprühung sowie unter Begasung mit CO2 homogen bis tief in den Falz in das Behandlungsgut geführt. Während des Prozesses ist eine kontinuierliche Umströmung des Schriftgutes gewährleistet. Es kommt dabei nicht zu Todzonenbildungen. Der Wirkprozess ist auf eine Dauer von 15 Minuten ausgelegt. Die Wirkstofflösung wird abgepumpt und die anschließende Trocknung des Behandlungsgutes mit Heißluft erfolgt im reinen Umluftbetrieb. Das Papier wird hierbei mit max. 55°C beaufschlagt. Der Trocknungsvorgang ist beendet sobald sämtliche Träger-Prozesschemikalien verdunstet und aus dem Behandlungsgut entfernt sind (Lösemittel und optional Ethanol). Der Warenträger wird aus der Behandlungskammer entfernt und die Materialien einer Rekonditionierung zugeführt. Im Anschluss kann das Behandlungsgut optional in speziellen Lagerräumen technisch rekonditioniert werden. Wir empfehlen jedoch die schonende natürliche Rekonditionierung. Eine technische Rekonditionierung ist beim Book-CP-Verfahren nicht zwingend erforderlich da nach dem Behandlungsprozess kein Alkohol mehr ausfällt. In dieser Phase nimmt das Papier seine Grundfeuchte aus der Umgebung wieder auf und die Reaktion der natürlichen Papierfeuchte mit dem Magnesium bewirkt die Entsäuerung. Seite 6 von 14 4 Anlagensicherheit und Umwelt Die physikalischen und chemischen Grundlagen des Book-CP-Verfahrens und die daraus abgeleiteten Grundlagen der Anlagenkonstruktion entsprechen anerkannten technischen Normen und Standards. Die durch internationale Normen gegebenen Auflagen werden in allen Teilen der Infrastruktur berücksichtigt. Es sind Sicherheitsvorkehrungen in den Prozess integriert, die bei einer Fehlbedienung der Anlage keine Schäden am zu behandelnden Gut entstehen lassen und keine unkontrollierten Reaktionen zulassen. Während des gesamten Ablaufes (Transport, Behandlung, Rücktransport) werden alle relevanten Vorschriften für den Umgang mit Archivgut gemäß den DIN-Empfehlungen eingehalten. Die Massenentsäuerungsanlage BoCo-1 befindet sich umwelttechnisch auf höchstem Niveau. Alle relevanten Bedingungen des produktionsintegrierten Umweltschutzes werden berücksichtigt. 5 Liste der Einsatzstoffe und Handling Bevor ein Stoff in die Anlage geleitet wird, wird die gesamte Anlage mit Stickstoff gespült und intertisiert. Die der Entsäuerungsanlage zuzuführenden Stoffe werden in geschlossenen Gebinden angeliefert. Die Anmischungen der Wirksubstanzen werden in einen geschlossenen Anmischbehälter eingefüllt und vermischt. Von dort wird die Suspension in den Kreislauf der Anlage eingeschleust. In die Anlage eingeführte Substanzen sind: Decafluorpentan Magnesiumoxid Ethylcellulose (optional bei Verfestigung) Ethanol (optional bei Verfestigung) Während der Produktion fallen Abfälle in Form von destilliertem Wasser, welches in einen Arbeitsbehälter geschleust wird und Papierstäube sowie bei der Verfestigung Ethanolreste aus dem Verdampfungsprozess an. Alle drei Stoffe werden aus dem Verdampfungsraum als pastose Masse ausgeräumt und einem Entsorgungsbetrieb zugeführt. Seite 7 von 14 6 Verfahrensergebnisse und Qualitätskontrolle Verfahrensergebnisse In umfangreichen Versuchen, bei denen bisher insgesamt mehr als drei Tonnen unterschiedlich gebundener Materialien entsäuert wurden, ist das Verfahren auf seine Wirksamkeit überprüft worden. Die Versuche inklusive der anlaufenden Produktion wurden von der Hochschule Hannover/ University of Applied Sciences and Arts (Forschungsbereich Massenerhaltungssysteme für schriftliche Kulturgüter) begleitet und in den dem Forschungsbereich angeschlossenen Laboren gemäß den DINEmpfehlungen untersucht. Die gemessenen pH-Werte und die eingebrachte alkalische Reserve dieser Materialien liegen in dem von Hofmann und Wiesner geforderten Bereich. Siehe hierzu die Stellungnahme zur Entsäuerungsleistung der BoCo-1 der Hochschule Hannover, Abteilung Verfahrens-, Energie- und Umwelttechnik im Anhang. Qualitätskontrolle Die Qualitätskontrolle ist aufgeteilt in die physikalisch-chemische und die optische Kontrolle. Die physikalisch-chemischen Routinekontrollen werden im hauseigenen Labor gemäß den Standards aus der DIN-Empfehlung „Bestandserhaltung in Bibliotheken und Archiven“ von Hofmann und Wiesner kontinuierlich durchgeführt. Die Messungen werden von einer Diplom-Restauratorin ausgeführt und protokolliert. Diese beinhalten die Messung des pH-Wertes, der alkalischen Reserve und der Bruchkraft nach Falzung an entsäuerten standardisierten Testbüchern mit Testpapieren Typ I und Typ II. Die optische Kontrolle (Nachkontrolle) erfolgt nach der Entsäuerung. Hierbei werden die entsäuerten Materialien auf eventuelle Nebenwirkungen (z.B. Ausbluten von Farbmitteln, weiße Ablagerungen) hin überprüft. Seite 8 von 14 7 Qualitätsstandards Die Erfüllung folgender Qualitätskriterien ist durch die Prozessführung und kontinuierliche Prozesskontrolle des Book-CP-Verfahrens in der Entsäuerungsanlage BoCo-1 gewährleistet und kann im Rahmen der Qualitätssicherung verifiziert werden: Aufgebrachte Alkalimenge Um eine Aufsäuerung des Behandlungsgutes zu unterbinden wird in das Behandlungsgut eine alkalische Reserve zwischen 1,0 und 2,0 Gew.-% eingebracht. pH-Wert Der pH-Wert wird innerhalb des Behandlungsprozesses zwischen 7,0 und 9,5 eingestellt. Farbveränderungen Standardmäßig ist mit keiner Farbveränderung zu rechnen. Bei Material, welches durch die Behandlung Farbveränderungen (Entsäuerung mit Verfestigung) aufweisen könnte, wird vor der Behandlung mit dem Auftraggeber Kontakt aufgenommen und die weitere Vorgehensweise abgestimmt. Abnahme der mechanischen Festigkeit Eine Abnahme der mechanischen Festigkeit findet nicht statt. Bei der Entsäuerung mit optionaler Verfestigung wird durch den Prozess eine Verfestigung und Biegestabilisierung erreicht. Ablagerungen Ablagerungen in den behandelten Materialien werden auf das prozessbedingte Minimum reduziert. Eventuelle Ablagerungen aufgrund des Entsäuerungsprozesses ohne optionale Verfestigung sind weder gesundheitsgefährdend noch toxisch wirkend, fördern jedoch die Stabilität der alkalischen Reserve. Veränderungen an Tinten oder Druckmaterialien/ Strukturveränderungen Im Rahmen der Festlegung der Behandlungskriterien mit dem Auftraggeber werden bei Materialien, die eine Veränderung durch die Behandlung erfahren könnten, die Behandlungsweise und die Folgen abgestimmt. Magazinierbarkeit des Behandlungsgutes Das behandelte Material kann ohne spezielle Vorkehrungen magaziniert werden. Es erfolgen keine langzeitresistenten Abmaßveränderungen. Toxikologische Unbedenklichkeit Das behandelte Material wie auch die eingesetzten Chemikalien sind toxikologisch unbedenklich. Während des Behandlungsprozesses werden keine toxisch bedenklichen Stoffe eingesetzt. Nach dem Behandlungsprozess verbleiben in dem Behandlungsgut nur die Erdalkaliverbindungen und wahlweise das Verfestigungsmittel. Seite 9 von 14 Dokumentation der Behandlung Alle Behandlungsschritte und die zugehörigen prozessrelevanten Parameter werden von der Prozesssteuerung gespeichert und archiviert. Mit Rücklieferung des Behandlungsgutes wird eine Behandlungsdokumentation übergeben. 8 Übersicht Bearbeitungsablauf Je nach Ausschreibung, Vergabebedingungen sowie nach Eigenschaften von bestimmten Beständen kann das hier vorgestellte Standartverfahren des Bearbeitungsablaufes variieren. Vorarbeiten zum Konservierungsvorhaben Sichtung Nach der Sichtung der Bestände vor Ort werden in Absprache mit dem Kunden Behandlungskriterien erstellt. In diesen wird die Bearbeitung der Bestände detailliert festgehalten. Hierzu zählt: Gewünschtes Entsäuerungsverfahren Gewünschte Digitalisierung Form der Datenerhebung/ Identifikation Behandlung von nicht zur Entsäuerung geeigneter Ledereinbände) Behandlung von Vorschäden Sicherungsmaßnahmen von systemimmanenten Risiken Behandlung von entstandenen Produktionsschäden Rekonditionierungsmaßnahmen Liefer- und Bearbeitungskonditionen Materialien (Pergament oder Entnahme der Bestände vor Ort Bei der Entnahme der Bestände vor Ort werden die einzelnen Materialien per EDV erfasst und erhalten eine eigene Identifikationsnummer zur internen Produktionsbegleitung. Folgende Daten werden erfasst: Laufnummer GSK Signatur/ Standort Autor Titel Erscheinungsjahr ISBN Besonderheiten/ Vorschäden Ggf. Barcode Die Materialien werden entsprechend der Standortfolge Verpackungseinheit erhält eine Identifikationsnummer. zu Einheiten verpackt. Jede Vorbereitung Seite 10 von 14 In der Vorbereitung werden die Behandlungsgüter für den Produktionsprozess identifiziert, gesichtet, ggf. gereinigt und zu Produktionschargen sortiert. Die in den Behandlungskriterien vereinbarten optionalen weiteren Vorarbeiten oder Sicherungen werden durchgeführt. Es wird ein Behandlungsprotokoll erstellt welches jede Charge im Produktionsprozess begleitet. Maschinelle Behandlung Die maschinelle Behandlung entspricht der Beschreibung der Prozessabläufe der BoCo-1 (siehe S.6). Hierbei werden die Produktionsdaten auf dem Behandlungsprotokoll dokumentiert. Nachbereitung In der Nachbereitung werden die Materialien entsprechend den Qualitätssicherungsstandards optisch und haptisch einzeln überprüft. Sicherungsmaßnahmen werden entfernt und etwaig entstandene Schäden/ Nebenwirkungen gemäß den Behandlungskriterien behandelt und dokumentiert. Anschließend werden die Materialien in die optionale Rekonditionierung überführt. Qualitätssicherung Nach dem Vorliegen der Ergebnisse aus den Routinekontrollen gemäß den DIN-Empfehlungen zu den den jeweiligen Chargen zugeordneten standardisierten Testbücher werden diese zur Verpackung übergeben. Verpackung In der Verpackung werden die Materialien wieder zu den ursprünglichen Einheiten zusammengestellt und einer abschließenden Qualitätskontrolle unterzogen. Geprüfte Einheiten werden gestempelt und die gesamte Behandlungsdokumentation wird den jeweiligen Einheiten zugeführt. Reponierung Auf Wunsch reponieren wir Ihre Bestände vor Ort. 9 Anwendung und Nebenwirkungen Bei dem Book-CP-Entsäuerungsverfahren für gebundene Materialien handelt es sich um ein Massenkonservierungsverfahren, das zur gewünschten Steigerung des pH-Wertes führt und eine ausreichende alkalische Reserve einbringt, die das Papier vor der zukünftigen Bildung von Säuren und damit vor dessen Verfall schützt. Des Weiteren ist dem Verfahren mit und ohne Verfestigung eine starke reinigende und dekontaminierende Wirkung systemimmanent. Wie bei allen Massenkonservierungsverfahren für gebundene Materialien können die allgemein anerkannten Nebenwirkungen auftreten. Im Unterschied zum bisherigen Stand der Technik ist es bei dem neuen GSK Book-CP-Verfahren möglich, Nebenwirkungen durch die Auswahl der Anwendung (mit oder ohne Verfestigung) von vorne herein auszuschließen. Hierdurch ist es erstmalig möglich ganze Bestände ohne das Risiko von informationsbeeinträchtigenden Nebenwirkungen zu konservieren. Seite 11 von 14 Grundsätzlich empfehlen wir die Book-CP-Entsäuerung mit Verfestigung, da die Gebrauchsfähigkeit der Materialien hierbei nachhaltig verbessert wird. Risikobehaftete Materialien wie zum Beispiel Materialien mit Abbildungen können entweder einzeln mittels Trennblättern vor dem Abklatschen gesichert werden oder mit der Book-CP-Entsäuerung ohne Verfestigung behandelt werden. Allgemein sind die Nebenwirkungen bezüglich potenzieller Ausblutungen sehr gering, da die verwendete Trägersubstanz ein inertes, das heißt ein extrem reaktionsträges Lösungsmittel ist. Grundsätzlich können bei beiden Verfahren mehr oder weniger ausgeprägte Ablagerungen von Magnesiumoxid auf der Papieroberfläche auftreten. Diese sind nicht gesundheitsschädlich und stellen lediglich eine optische und haptische Beeinträchtigung dar. Des Weiteren kann es in wenigen Fällen zu einer leichten zum größten Teil reversiblen Verformung des Blockrückens durch Ablagerung von Magnesium in diesem Bereich kommen. Nebenwirkungen beim Book-CP-Verfahren mit Verfestigung Bei der Anwendung des Book-CP-Verfahrens mit Verfestigung handelt es sich um das erste Massenkonservierungsverfahren für gebundene Materialien mit einer wirksamen Nachverleimung zur nachhaltigen Steigerung der Festigkeit der Papiere. Aufgrund der Verwendung von geringen Ethanolanteilen zur Lösung der für die Verfestigung einzubringenden Ethylcellulose kann es vereinzelt zu den allgemein bekannten Nebenwirkungen wie Ausblutungen von Farben, Abklatschen von Abbildungen oder Durchschlagen von Inhalten kommen. Diese Nebenwirkungen bewegen sich innerhalb des bekannten Standes der Technik und können in der Regel durch die Sicherung risikobehafteter Seiten mittels einzulegender Trennblätter vermieden werden. Aufgrund der Nachleimung ist kaum mit Ablagerungen von Magnesiumoxid auf der Papieroberfläche zu rechnen, da die Verleimung diese wirksam an die Blattstruktur bindet. Nebenwirkungen beim Book-CP-Verfahren ohne Verfestigung Bei der Anwendung des Book-CP-Verfahrens ohne Verfestigung ist aufgrund des Verzichtes von Alkohol oder Alkoholatzuschlägen und aufgrund des inerten Lösungsmittels das allgemeine Nebenwirkungsspektrum wie das Ausbluten von Farben, Abklatschen von Abbildungen oder Durchschlagen von Informationen ausgeschlossen. Eine Sicherung von risikobehafteten Materialien ist nicht notwendig. Aufgrund der verwendeten Wirkstofflösung als Suspension kann es jedoch vermehrt zu Ablagerungen von Magnesiumoxid auf der Papieroberfläche und insbesondere auf Gewebeeinbänden kommen. Die Einbringung des Wirkstoffes tief in die Papierstruktur ist verfahrenstechnisch dennoch gewährleistet. Geeignetheit von Materialien Grundsätzlich können sämtliche gebundene Materialien wie Bücher, Zeitschriften, Heftungen und gebundene Archivalien nach dem Book-CP-Verfahren konserviert und verfestigt werden. Einband und Block sollten eine hinreichend stabile Verbindung aufweisen, kleine Schäden am Einband oder Blockrücken sind unproblematisch und werden durch das Verfahren nicht weiter geschädigt. Lose oder sehr stark beschädigte Buchrücken oder Einbände müssen jedoch vor einer Behandlung gesichert werden. Beschädigte selbstklebende Buchschutzfolien können zu Einlagerungen zwischen dem Bucheinband und der Schutzfolie führen. Dies ist lediglich eine optische Beeinträchtigung. Auf Wunsch können wir Seite 12 von 14 beschädigte Buchschutzfolien entfernen und nach der Behandlung die Bücher mit Buchschutzfolie einbinden. Nicht selbstklebende Buchschutzfolien sollten vor der Behandlung entfernt werden. Einzelne eingelegte Seiten müssen nicht gesondert gesichert werden. Die Arretierungen und Sicherungsmaßnahmen der Materialien auf dem Warenträger gewährleisten einen sicheren Verband der Materialien. Bücher mit Leder- oder Halbledereinband können zwar entsäuert werden, jedoch übernehmen wir keine Gewährleistung bezüglich der Langzeitwirkung der Entsäuerung auf dem Leder- oder Halbledereinband. Leder könnte durch eine Entsäuerung verspröden und brüchig werden. Optional können Leder- oder Halbledereinbände vom Buchblock gelöst und der Buchblock separat konserviert und verfestigt werden. Eine anschließende Neubindung ist optional möglich. Pergamenteinbände sind grundsätzlich aufgrund ihrer Beschaffenheit für eine Entsäuerungsmaßnahme nicht geeignet. Hier könnte analog zum Ledereinband eine Entbindung und separate Behandlung des Buchblocks erfolgen. Fotographien sind grundsätzlich aufgrund ihrer chemischen Beschaffenheit ebenfalls nicht für eine Entsäuerungsmaßnahme geeignet. Farbige Abbildungen und Drucke können vereinzelt bei einer Entsäuerung mit Verfestigung aufgrund des Ethanol-Zuschlages die allgemein bekannten und anerkannten Nebenwirkungen einer Entsäuerungsbehandlung wie zum Beispiel Farbveränderungen und/ oder Abklatschen aufweisen. Bei einer Entsäuerung ohne Verfestigung ist mit keiner Veränderung oder Beeinträchtigung zu rechnen. Bestandsauswahl für eine Entsäuerung Bei der Auswahl der Materialien für eine Entsäuerung ist zunächst einmal die Beschaffenheit der Papiere auf ihren Säuregehalt hin zu bewerten. Ein wesentlicher Bewertungsfaktor ist der Druck- oder Veröffentlichungszeitraum der Materialien. Grundsätzlich vom Säurefraß bedroht sind sämtliche Zellulosepapiere, das heißt industriell hergestellte Papiere ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis ca. 1980. Nach 1980 wurden häufig säurefreie Papiere für Bücher verwendet. Bei Archivalien werden säurehaltige Papiere in der Regel bis heute verwendet. Ohne Hilfsmittel können Vergilbungen und Verbräunungen der Papiere bereits einen Hinweis auf einen eintretenden Säureschaden geben. Bereits fortgeschrittene Säureschaden können festgestellt werden durch Betrachtung der Papiere im Gegenlicht. Oftmals sind deutliche Fehlstellen auf der gesamten Seite erkennbar. Starke Säureschäden zeigen sich meist deutlich an versprödeten und fragmentierten Papierbereichen die durch ihre Nutzung besonders beansprucht werden. Als einfaches Hilfsmittel kann ein pH-Wert-Stift Auskunft über den Oberflächensäuregehalt geben. Eine Entsäuerung bewirkt eine Konservierung des Papierzerfalls und kann bereits geschädigte Zellulosefasern im Nachhinein nicht Instand setzten. Die Neutralisierung und die Einbringung einer alkalischen Reserve verlängert nach dem Stand des Wissens verschiedener unabhängiger Institute und Untersuchungen die natürliche „Lebenserwartung“ der Papiere um den Faktor 3-4. Seite 13 von 14 Es wird daher grundsätzlich empfohlen Papiere bereits frühzeitig zu entsäuern um die Nachhaltigkeit und den konservatorischen Erfolg maßgeblich zu verlängern. Dipl.-Ing. Oliver Zinn Gesellschaft zur Sicherung von schriftlichem Kulturgut mbH Seite 14 von 14