Geschlechtsspezifische Auswirkungen und Bewältigungsstrategien

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Bernadette Kandlbauer
0733278
Geschlechtsspezifische Auswirkungen
und Bewältigungsstrategien von
Depressionen
Bachelorarbeit
Medizinische Universität Graz
Begutachterin: a.o.Univ.Prof.Dr.med. Eva Rásky
Universitätsstraße 6/I
8010 Graz
Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie
Lehrveranstaltung: Gesundheit und Gesellschaft
Datum der Einreichung: Mai 2010
2
Inhaltsverzeichnis
1.
EINLEITUNG................................................................................................................7
2.
BEGRIFFSDEFINITION ...............................................................................................9
3.
KLASSIFIKATIONSSYSTEME ..................................................................................10
4.
3.1
ICD-10 .................................................................................................................10
3.2
DSM-IV ................................................................................................................11
URSACHEN EINER DEPRESSION ...........................................................................11
4.1
GENETISCHE DISPOSITION ......................................................................................12
4.2
PSYCHOLOGISCHE FAKTOREN .................................................................................12
4.2.1
Tiefenpsychologisches Modell ................................................................................... 13
4.2.2
Theorie der erlernten Hilflosigkeit .............................................................................. 13
4.2.3
Kognitive Theorie....................................................................................................... 13
4.3
5.
BIOLOGISCHE FAKTOREN ........................................................................................14
VERSCHIEDENE DEPRESSIONSFORMEN .............................................................15
5.1
ENDOGENE DEPRESSION ........................................................................................15
5.2
PSYCHOGENE DEPRESSION ....................................................................................15
5.3
SOMATOGENE DEPRESSION ....................................................................................16
5.4
KOMORBIDITÄT BEI DEPRESSIVEN ERKRANKUNGEN ...................................................17
6.
GESCHLECHTSSPEZIFISCHE DETERMINANTEN FÜR DEPRESSIONEN ...........18
7.
DEPRESSIONEN BEI FRAUEN ................................................................................19
7.1
SYMPTOMATIK .......................................................................................................19
7.2
MÖGLICHE URSACHEN UND AUSLÖSER ....................................................................20
7.2.1
Hormoneller Einfluss.................................................................................................. 20
7.2.2
Einfluss der traditionellen Frauenrolle ........................................................................ 20
7.2.3
Entwicklung und Erziehung........................................................................................ 21
7.2.4
Pessimistische Lebenseinstellung ............................................................................. 22
7.3
8.
EPIDEMIOLOGIE .....................................................................................................23
DEPRESSIONEN BEIM MANN .................................................................................25
8.1
KLINISCHES BILD DER MÄNNERDEPRESSION.............................................................25
8.2
URSACHEN ............................................................................................................26
8.2.1
Konstrukt der traditionellen Maskulinität..................................................................... 27
8.2.2
Männliche Stressverarbeitung ................................................................................... 28
8.2.3
Hormonelle Veränderungen....................................................................................... 28
3
8.3
EPIDEMIOLOGIE .....................................................................................................29
8.4
URSACHEN DER UNTERDIAGNOSTIZIERUNG ..............................................................29
8.5
SUIZID UND DEPRESSION ........................................................................................30
9.
BEWÄLTIGUNGSSTRATEGIEN UND THERAPIEFORMEN....................................31
9.1
MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG ..............................................................................32
9.2
NICHTMEDIKAMENTÖSE THERAPIEFORMEN ...............................................................33
9.2.1
Psychotherapie.......................................................................................................... 33
9.2.2
Sport- und Bewegungstherapie.................................................................................. 34
10.
AUSWIRKUNGEN AUF DIE ANGEHÖRIGEN.......................................................35
11.
SCHLUSSFOLGERUNG ........................................................................................37
12.
LITERATURVERZEICHNIS....................................................................................39
4
Zusammenfassung
Ausgelöst durch die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit, durch den zunehmenden
Gesellschaftsdruck, sowie durch Sorgen und Stress im Berufs- und Privatleben kommt es
zu einem Gefühl der Überforderung. All diese Faktoren begünstigen die Entstehung von
Depressionen. Dass es sich dabei aber längst um keine typische „Frauenkrankheit“
handelt, habe ich im Zuge der vorliegenden Arbeit herausgefunden.
Männer sind vom Krankheitsbild „Depression“ nicht verschont geblieben, jedoch kommt es
durch das Auftreten „atypischer“ Symptome hier oftmals zu einer Unterdiagnostizierung.
Zudem sind die Diagnosekriterien auf einen weiblichen Prototyp zugeschnitten. Weiters
kompensieren Männer ihre depressiven Kernsymptome meist mit Aggressivität und
erhöhtem Suchtverhalten, wogegen Frauen die Probleme internalisieren und mit
Selbstvorwürfen reagieren.
Risikofaktoren,
welche
die
Krankheitsentstehung
begünstigen,
sind
bei
beiden
Geschlechtern sehr ähnlich. Primär hat dies mit den typischen soziokulturellen
Vorstellungen der geschlechterspezifischen Rollenbilder zu tun. Männern erleben
Veränderungen ihres sozialen Status, wie etwa das Alleinleben, den Verlust des
Arbeitsplatzes oder die Pensionierung, als Bedrohung. Bei Frauen können Gewalt, Armut
oder Arbeitslosigkeit eine psychische Störung auslösen.
Zur Bewältigung der Krankheit und zur Erhöhung der Lebensqualität empfiehlt sich für
Betroffene die Kombination von Psychotherapie und Antidepressiva. Besonders wichtig ist
auch die Unterstützung durch Mitmenschen und die Integration in ein soziales Netzwerk.
Durch die vorliegende Bachelorarbeit konnte die Hypothese, dass Depressionen ständig
zunehmen und Frauen häufiger davon betroffen sind als Männer, bestätigt werden. Zudem
soll auf die Notwendigkeit der Verbesserung der Depressionsdiagnostik hingewiesen
werden. Um Fehldiagnosen und Unterdiagnostizierungen bei Männern zu vermeiden,
müssen auch deren typische Symptome und Copingstrategien angeführt werden.
5
Abstract
In today’s fast-paced world, many people feel overwhelmed by an ever-increasing social
burden, adding to concerns and stress in both private and professional lives; these factors
provide a major contribution to the development of “depression”.
However, as I found during my research, this is by far not restricted – as often assumed to the female population. This notion, however, poses a diagnostic risk for men, who are
often subject to a superficial diagnosis due to the demonstration of “atypical” symptoms.
In addition, the diagnostic blueprint is mainly tailored to a female prototype, thus not taking
male characteristics into account.
More often than not, men try to compensate the core symptoms of depression by means of
aggressiveness and an increased addictive behaviour, whereas a majority of women
attempt to internalise their problems and react with self-recrimination.
The risk factors which promote pathogenesis are indeed very similar for both sexes.
Interestingly, this is predominantly due to the typical socio-cultural agenda of genderrelated role models. Whereas men often experience a change in social status (e.g. living
alone, job loss, retirement) as a threat, violence, poverty and unemployment might trigger
a mental disorder in women.
In order to manage the medical conditions of depression and to improve the quality of life
for those affected, both psychotherapy and anti-depressants should be applied. The
support coming from friends and relatives, as well as gaining integration into other social
networks are particularly important and crucial for a successful treatment.
The results of this thesis support the hypothesis that there is a constant increase in
depression, and that women are on average more often affected than men. In addition,
this thesis highlights the need for improvement in the diagnosis of depression. Men are
often subject to false and superficial diagnoses; to avoid this, typical male symptoms and
coping strategies need to be included in diagnostic methods and instruments.
6
1. Einleitung
In der vorliegenden Bachelorarbeit wird mittels einer Literaturstudie ein Überblick über die
„neue Volkskrankheit“ Depression gegeben.
Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Laut Berechnungen
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit rund 121 Millionen Menschen von
der Krankheit betroffen, wobei diese Zahl weiterhin stark im Anstieg ist.
Fast jeder zehnte Österreicher, insgesamt rund 640.000 Menschen, leidet an einer
depressiven Erkrankung.
Das Risiko, im Verlauf des Lebens eine Depression zu entwickeln, liegt zwischen 15 und
20 Prozent. Grundsätzlich kann die Erkrankung zu jeder Zeit auftreten. Zu einer
Erstmanifestation kommt es häufig schon zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr.
Außerdem steigt mit zunehmendem Alter das Risiko für eine Erkrankung, da ältere
Menschen häufiger unter Einsamkeit und Verlust von Angehörigen und Freunden leiden.
Die Weltgesundheitsorganisation geht sogar davon aus, dass Depressionen im Jahr 2020
nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit zu den zweithäufigsten Krankheiten
gehören. Drastisch ist auch der Befund, dass die Diagnose bei Frauen zwei- bis dreimal
so häufig gestellt wird als bei Männern. (vgl. World Health Organization 2010)
Ein Schwerpunkt meiner Arbeit ist das Aufzeigen von geschlechtsspezifischen
Unterschieden der Krankheit. Obwohl beide Geschlechter von Depressionen betroffen
sind, werden doch meist die Frauen mit dieser psychischen Erkrankung in Verbindung
gebracht. Ein besonderes Augenmerk werde ich auf die Risikofaktoren und die
Auswirkungen der Depression auf den Betroffenen selbst und deren Angehörigen legen.
Deutliche Unterschiede von Männern und Frauen gibt es hinsichtlich der Symptomatik und
der Häufigkeit der Erkrankung. Welche Ursachen dafür verantwortlich sind und welche
Bewältigungsstrategien angewandt werden, erläutere ich in dieser Arbeit.
Um Missverständnisse zu vermeiden, werde ich zu Beginn den Begriff „Depression“
definieren und weiters auf die verschiedenen Ursachen und Formen der psychischen
Erkrankung eingehen. Danach komme ich zum Schwerpunkt meiner Arbeit, dem
Aufzeigen der Unterschiede von depressiven Frauen und Männern.
7
Meine persönliche Motivation dieses Thema zu behandeln ist die Tatsache, dass ich
selbst einige Personen aus meinem Umkreis kenne, die an Depressionen leiden.
Weiters habe ich durch meine Recherchen herausgefunden, dass die Erkrankungsrate
sehr stark im Steigen ist und auch immer jüngere Männer und Frauen betroffen sind. Da
Depressionen zudem als die „neue Volkskrankheit“ bezeichnet werden, will ich mich
genauer über das Krankheitsbild, die Risikofaktoren, die Bewältigungsstrategien und
Auswirkungen informieren. Der Schwerpunkt bleibt dabei aber die geschlechtsspezifische
Betrachtung.
Aus der Thematik ergibt sich für mich folgende Hypothese:
„Depressionen nehmen ständig zu und Frauen sind häufiger betroffen als Männer“
Diese möchte ich im Zuge meiner Arbeit behandeln und bestätigen.
Ziel meiner Arbeit ist die intensive Auseinandersetzung mit den geschlechtsspezifischen
Unterschieden der psychischen Erkrankung „Depression“. Weiters möchte ich aufzeigen,
dass auch Männer immer häufiger betroffen sind. Aufgrund der Stigmatisierung durch die
Gesellschaft und den vorherrschenden Rollenstereotypen gestehen sich Männer ihre
Erkrankung meist nicht ein und nehmen in Folge dessen auch keine professionelle Hilfe in
Anspruch. Man(n) will ja nicht als Schwächling dastehen.
Eine Depression ist eine schwere psychische Erkrankung, die heutzutage aber kein
unabänderliches Schicksal sein muss. Das rasche Aufsuchen einer medizinisch psychiatrischen Behandlung kann zu einem beschwerdefreieren Leben führen und die
Lebensqualität wieder steigern. Depressionen sind in der heutigen Zeit eine weit
verbreitete Erkrankung, die bei jedem Menschen auftreten kann und für die man sich nicht
zu schämen braucht. Diese spezielle Form der psychischen Störung ist längst kein
Tabuthema mehr.
8
2. Begriffsdefinition
Stimmungsschwankungen,
Niedergeschlagenheit,
Traurigkeit,
Antriebslosigkeit
und
Interessensverlust – wer von uns kennt diese Gefühle nicht? Im alltäglichen
Sprachgebrauch werden auf diese Symptome häufig Wörter wie „deprimiert“ oder
„depressiv sein“ verwendet. Spricht man bei diesen vorübergehenden Stimmungstiefs
aber wirklich schon von der Erkrankung Depression?
Die Weltgesundheitsorganisation definiert die Erkrankung Depression folgendermaßen:
Depressionen sind eine häufige psychische Störung, welche durch Traurigkeit, Verlust von
Interessen
und
Freude,
Schlafstörungen,
Appetitlosigkeit,
einem
niedrigen
Selbstwertgefühl und einer Energie- und Konzentrationsschwäche charakterisiert werden.
Dies kann zu chronischen oder wiederkehrenden Problemen führen, wodurch es zu einer
Beeinträchtigung des Alltages der Person kommt. (vgl. World Health Organization 2010)
Der Begriff Depression leitet sich vom lateinischen „deprimere“ ab, was so viel wie
„herunterdrücken“
bedeutet.
Somit
wird
ein
Zustand
der
psychischen
Niedergeschlagenheit bezeichnet. Depressionen sind die häufigsten psychiatrischen
Erkrankungen und werden den affektiven Störungen (d.h. häufige Schwankungen der
Stimmung, der Gefühle und des Antriebes) zugeordnet. Darunter ist zu verstehen, dass
sich die Krankheit entweder durch eine gereizt - gedrückte (dysphorische) Stimmung oder
einem
Desinteresse
an
üblichen
Aktivitäten
kennzeichnen
lässt.
Diese
Stimmungsbeeinträchtigungen sind sehr deutlich ausgeprägt und über einen längeren
Zeitraum von mindestens zwei Wochen wirksam. (vgl. Wailand/Waitz 2009)
Depressionen sind eine schwere Krankheit. Sie bedrohen den erkrankten Menschen in
seinem körperlichen Befinden, seinem Denken, seiner Gestimmtheit, seinen Gefühlen
sowie in den Bezügen zur eigenen Person, der Umwelt und seiner Zukunft. (vgl.
Wolfersdorf 2002, S. 5)
9
3. Klassifikationssysteme
Um die affektiven Störungen klassifizieren zu können, gibt es in der Psychiatrie zwei
Diagnosesysteme.
Internationale
Das
ICD-10
Klassifikation
(International
psychischer
Classification
und
anderer
of
Diseases
bzw.
Krankheiten)
der
Weltgesundheitsorganisation und das DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of
Mental
Disorders
bzw.
Diagnostisches
und
statistisches
Handbuch
psychischer
Störungen). Beiden Klassifikationssystemen gemeinsam ist die weitgehende Verpflichtung
zur möglichst hoher Zuverlässigkeit verbindlicher Diagnostik. Außerdem bewerten beide
Systeme Depressionen nach Formen, Schweregrad, Symptomen und Rückfallrisiko.
(vgl. Hautzinger/Bronisch 2000, S. 2)
3.1 ICD-10
In der ICD-10 werden affektive Störungen (F30-F39) in Hauptgruppen unterteilt, welche
dann symptom- und schweregradorientiert in weitere Erscheinungsbilder unterschieden
werden. Es gibt manische Episoden, bipolare affektive Störungen, depressive Episoden,
rezidivierende
depressive
Störungen,
anhaltende
affektive
Störungen
und
die
Restkategorien wie sonstige affektive Störungen und nicht näher bezeichnete affektive
Störungen. (vgl. http://apps.who.int/classifications/apps/icd/icd10online/; überprüft am
06.02.2010)
Zu unterscheiden ist dabei zwischen bipolaren (das Auftreten von depressiven Episoden
mit manischen Verhaltenstendenzen) und unipolaren (rein depressive Episoden)
Störungsbildern. (vgl. Nuber 2001, S. 61)
Laut dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 müssen zumindest zwei der drei
Hauptsymptome vorhanden sein, um die Diagnose Depression stellen zu können.
1. anhaltende depressive Stimmung
2. Interessensverlust, Freudlosigkeit
3. gesteigerte Ermüdbarkeit, verminderter Antrieb
10
Je
nach
Intensität
dieser
und
der
Zusatzsymptome
wie
etwa
vermindertes
Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, gestörtes Denk- und Konzentrationsvermögen,
Appetitverlust,
Gefühle
von
Schuld
und
Wertlosigkeit,
Schlafstörungen
oder
Suizidgedanken, spricht man von einer leichten, mittelgradigen oder schweren
depressiven Episode. (vgl. Rothenhäusler 2005, S. 6f)
3.2 DSM-IV
Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders ist ein Klassifikationssystem der
American Psychiatric Association (APA). Es beinhaltet speziellere und genauere
diagnostische Kriterien, wodurch es Fachspezifisch sehr interessant ist. Im Gegensatz zur
ICD-10
werden
bei
diesem
System
auch
geschlechtsspezifische
Unterschiede
berücksichtigt. Die Definition einer depressiven Episode ist jener der ICD-10 gleich. Nur
spricht man in diesem Klassifikationssystem von einer Major Depression. (vgl.
Rothenhäusler 2005, S. 6)
In meiner Arbeit verwende ich die Klassifizierung nach ICD-10. Dies ist ein weltweit
anerkanntes Diagnosesystem der Medizin und findet auch bei uns sehr häufig
Anwendung. Das DSM-IV System befasst sich primär mit der Beschreibung von
psychischen Störungen, ist in Österreich und Deutschland jedoch nicht offiziell anerkannt.
4. Ursachen einer Depression
Eine Depression lässt sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen. Es wird von
einem
multifaktoriellen
Geschehen
ausgegangen.
Dies
meint
die
zahlreichen
Bedingungen, die an der Entstehung, Auslösung sowie Aufrechterhaltung einer
depressiven Erkrankung beteiligt sind. Mit Ursache meint man jene Faktoren beim
Menschen, die Grundvoraussetzung für die Krankheitsentstehung sind. Bei der
Depression gibt es körperliche, seelische und soziale Bedingungen die zu einer
sogenannten „psychobiologischen Disposition“ führen. Beim Auftreten auslösender
Ereignisse entwickelt sich die Erkrankung.
11
Wolfersdorf zitiert die amerikanischen Autoren Akisal und McKinney. Diese definieren die
Depression als das Ergebnis des Zusammentreffens verschiedener Prozesse und
Faktoren. Auf biologisch-physiologischer Ebene als auch auf lebensgeschichtlichbiographischer und aktuell psychosozialer Ebene. (vgl. Wolfersdorf 2002, S. 37f)
Der Anstieg der Erkrankung wird häufig mit den veränderten Lebensverhältnissen in
Verbindung gebracht. Dies wären die Auflösung der Großfamilien, die Beschleunigung von
Informationsprozessen sowie die bessere Diagnostik und Sensitivität in der Ärzteschaft
und der Bevölkerung. (vgl. König 2008, S. 23)
4.1 Genetische Disposition
Eine genetische Disposition zur depressiven Erkrankung konnte vielfach nachgewiesen
werden. Eltern geben körperliche und vielleicht auch psychische Charakteristika an ihre
Kinder weiter. Somit wird eine gewisse Anfälligkeit für die Erkrankung vererbt, welche sich
auch in den familiären Häufungen depressiver Störungen nachweisen lässt. Die
durchschnittliche Konkordanzrate affektiv erkrankter Zwillingspaare beträgt für eineiige
Zwillinge rund 70 Prozent, für zweieiige etwa 19 Prozent. Etwa die Hälfte der PatientInnen,
die an einer affektiven Psychose leiden, haben einen Elternteil, mit eben dieser
Erkrankung. Über eine einheitliche genetische Grundlage besteht derzeit noch Uneinigkeit.
(vgl. Wolfersdorf 2002, S. 39)
4.2 Psychologische Faktoren
Für die Entstehung einer Depression haben psychosoziale Belastungsfaktoren eine
maßgebliche Bedeutung. Dies ist der Verlust einer geliebten Person, das Erleiden einer
Funktionsunfähigkeit
im
körperlichen
Bereich,
Partner-
und
Familienprobleme,
Arbeitslosigkeit, Schulden und andauernder psychischer Druck. (vgl. König 2008, S. 26)
Nachfolgend werden einige Modelle und Theorien zur Depressionsentstehung erläutert.
12
4.2.1 Tiefenpsychologisches Modell
Dieses besagt, dass der Grundstein für die Depression schon in der frühen kindlichen
Entwicklung liegt. Eine besondere Rolle spielt dabei die Beziehung zur Mutter bzw. der
frühen Bezugsperson. Frühkindliche Mangelerfahrungen entstehen zum Beispiel durch
schwere Versagens- oder auch massive Verwöhnerlebnisse, welche zur Hemmung der
Entwicklung führen können. Weiters durch eine unzureichende emotionale Förderung und
Anerkennung in der Interaktion zwischen Bezugsperson und Kind. Die gestörte Beziehung
äußerst sich dadurch, dass das Kind glaubt, es werde nicht geliebt, es sei nichts wert und
es werde nicht ausreichend versorgt.
Andererseits kann auch eine ausgeprägte emotionale Überbedürftigkeit entstehen, welche
sich in einem starken Bedürfnis nach Zuwendung, Anerkennung und Nähe ausdrückt. Um
die geringe Selbstachtung und das Selbstwertgefühl durch Fremdwertschätzung zu
kompensieren, gehen depressive Menschen sehr enge Liebesbeziehungen ein und führen
ein Leben nach überhöhten Leistungsnormen. (vgl. Wolfersdorf 2002, S. 39ff)
4.2.2 Theorie der erlernten Hilflosigkeit
Diese Theorie geht auf den Psychologen Martin E. P. Seligman zurück. Depressionen
entstehen als Folge mangelnder Kontrolle über Ereignisse. Der Betroffene ist davon
überzeugt, dass alles was schief geht, seine eigene Schuld ist und er dies weder
kontrollieren, noch verändern oder beeinflussen könne. Von der Zukunft wird auch nur
selbstverschuldetes Negatives erwartet, eine Vorstellung über „bessere Zeiten“ gibt es
nicht. Durch das Gefühl der Nichtkontrolle und Hilflosigkeit haben viele depressive
Menschen die Einstellung, am besten gar nichts zu tun, da es ja doch keinen Sinn hat.
(vgl. Nuber 2001, S. 78)
4.2.3 Kognitive Theorie
Es wird davon ausgegangen, dass in der Kindheit und Jugend ein negatives Selbstbild
erworben wurde und zum Denkschema wird. Der Depressive neigt ebenso dazu, sich
selbst, die Umwelt und seine Zukunft negativ zu beurteilen.
13
Die primitiven Denkmuster der Kindheit lösen sich normalerweise durch reifere Schemata
ab. Diese werden jedoch nie vergessen und durch belastende Lebenserfahrungen wieder
aktiviert. So kann ein Mensch auf die Trennung vom Partner mit Depressionen reagieren,
weil er/sie als Kind von Vater oder Mutter verlassen wurde. (vgl. Nuber 2001, S. 78)
4.3 Biologische Faktoren
Im neurobiochemische Modell haben Neurotransmitter (Botenstoffe, für die Weiterleitung
von Signalen) eine besondere Bedeutung. Die Rolle von Serotonin und Noradrenalin ist
dabei am besten erforscht, da sie der Informationsübertragung dienen. Zahlreiche
Untersuchungen
zeigen,
dass
bei
Depressionskranken
ein
Noradrenalin-
und
Serotoninmangel besteht. Dadurch kommt es zu Kommunikationsproblemen zwischen den
Nervenzellen. Positive Gefühle kommen nicht mehr an, alles schlägt in Grübeleien und
gedrückte Stimmung um. Die medikamentöse Depressionstherapie zielt darauf ab, diesen
Mangel zu beheben und den Neurotransmitterspiegel im Gehirn wieder zu erhöhen. (vgl.
Wolfersdorf 2002, S. 45)
Neben den biologischen Ursachen gibt es auch biologische Auslöser für Depressionen.
Dies können z.B. Veränderungen im Hormonsystem, körperliche Erkrankungen oder eine
chronische Überbelastung sein. Vor allem auf Veränderungen im Leben, Störungen des
gewohnten Ordnungssystems, Neuorientierungen und Entwicklungsprozesse reagieren
Menschen die zur Depressivität neigen stärker als nicht depressive. (vgl. Wolfersdorf
2002, S. 47)
Daraus lässt sich ableiten, dass all diese Theorien über Ursachen und Auslöser sinnvoll
sind, sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern häufig nebeneinander vorliegen. Es ist
immer
die
Summe
der
Faktoren,
die
eine
Depression
verursachen.
Ob
die
unterschiedlichen Belastungen in den aktuellen Lebenssituationen zu einer affektiven
Störung führen, hängt wesentlich von den Bewältigungsstrategien der Person ab.
Zudem ist die Psyche eines Menschen durch das Geschlecht unterschiedlich geprägt und
muss in einer umfassenden Depressionsbehandlung immer berücksichtigt werden. (vgl.
König 2008, S. 31)
14
5. Verschiedene Depressionsformen
Nach der Verursachung, dem Schweregrad und den Symptomen werden verschiedene
Formen der psychischen Erkrankung unterschieden. Durch die Ätiologie kommt es zu
einer Dreiteilung depressiver Symptome in endogene (genetische), psychogene und
somatogene (biologische) Depressionen. Dieses triadische System findet im klinischen
Bereich
nur
noch
teilweise
Anwendung.
Denn
mit
der
Einführung
der
Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV wurde das bestehende ätiopathogenetisch
orientierte Einteilungssystem aufgehoben. (vgl. Kubny-Lüke 2003, S. 167)
5.1 Endogene Depression
Zum Charakteristikum der endogenen Depression zählt ein Verlauf mit wiederkehrenden
unipolaren oder polaren Zuständen. Mit dem Endogenitätsbegriff verbindet sich die
Sichtweise auf einer „im Inneren“ angesiedelten oder anlagebedingten Krankheitsursache.
Sie tritt ohne ersichtliche körperliche oder psychische Auslöser aus. Für eine schwere
endogene Depression wird sehr häufig auch der Begriff Melancholie verwendet. (vgl.
Rothenhäusler 2005, S. 3) Hier liegt ein Vollbild des depressiven Syndroms vor, mit
durchgehender
affektiver
Herabgestimmheit,
Freudlosigkeit,
Schuldgefühlen
und
Selbstwertproblemen, welche bis zum depressiven Wahn gesteigert werden können. (vgl.
Wolfersdorf 2002, S. 50)
5.2 Psychogene Depression
Diese Art der Depression geht auf seelische Ursachen zurück. Unterschieden werden die
reaktive Depression, die Erschöpfungsdepression und die neurotische Depression. (vgl.
Rothenhäusler 2005, S. 3)
15
Die reaktive Depression kommt in der Bevölkerung am häufigsten vor und es kann ganz
eindeutig ein Auslöser identifiziert werden. Das sind leidvolle Erfahrungen wie der Tod
eines nahe stehenden Menschen, Trennung vom Partner, Auszug der Kinder aus dem
Elternhaus und Arbeitsplatzverlust. Die Auslöser können nicht nur personenbezogen sein,
sondern auch mit dem Verlust des eigenen Lebenskonzeptes zusammenhängen. So muss
zum Beispiel nach dem Verlust einer Extremität der bisherige Lebensplan aufgegeben
werden. (vgl. Nuber 2001, S. 63)
Erschöpfungsdepressionen entstehen durch den Druck chronischer, beruflicher oder
privater Überforderungen. Der belastende Faktor ist dabei nicht der körperliche Stress,
sondern die emotionale Dauerbelastung. (vgl. Wolfersdorf 2002, S. 52f)
Die neurotische Depression (Dysthmia) ist im Gegensatz zur Major Depression eine
leichter Form der affektiven Störung. Hauptmerkmal ist eine chronische Verstimmung,
welche seit mindestens zwei Jahren besteht. Verdrängte frühkindliche Traumatisierungen
können durch ein aktuelles schmerzliches Ereignis reaktiviert werden und Gefühle des
Ungeliebtseins, des Vernachlässigt werdens hervorrufen. (vgl. Nuber 2001, S. 63)
5.3 Somatogene Depression
Als somatogene Depression werden organisch bedingte oder körperlich begründbare
Depressionen bezeichnet. Meist besteht ein direkter Zusammenhang mit einer
körperlichen Erkrankung. Von einer organischen Depression spricht man dann, wenn es
sich um eine Erkrankung des Gehirns bzw. Nervensystems handelt. Symptomatische
Depressionen sind hingegen auf allgemeine körperliche Krankheiten zurückzuführen.
Viele körperliche Erkrankungen, wie etwa Infektionskrankheiten, endokrine Krankheiten,
neurologische Erkrankungen, sowie kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen,
können mit einer depressiven Symptomatik einhergehen.
Jedoch können auch bestimmte Medikamente, zum Beispiel jene gegen Bluthochdruck,
depressionsauslösend wirken. (vgl. Wolfersdorf 2002, S. 54)
16
5.4 Komorbidität bei depressiven Erkrankungen
Unter dem Begriff der Komorbidität ist ein zusätzlich zur Grunderkrankung vorliegendes
Krankheitsbild gemeint. In der Literatur wird häufig über ein gleichzeitiges Vorkommen von
Depressionen
mit
Angststörungen,
Zwängen,
Essstörungen,
posttraumatischen
Belastungsstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Substanzmissbrauch und schizophrenen
Störungen berichtet. (vgl. Hautzinger/Bronisch 2000, S. 12)
Weiters ist zu beachten, dass es bei den „Zweiterkrankungen“ geschlechtsspezifische
Unterschiede gibt. Männer leiden häufiger an zusätzlichen Suchterkrankungen und
Persönlichkeitsstörungen. Ein Suchtverhalten lässt sich jedoch auch schon oft vor einer
Depression beobachten. Angst und neurotische Störungen treten eher bei Frauen auf.
(vgl. König 2008, S. 25)
Daraus lässt sich ableiten, dass Männer und Frauen mit derselben Diagnose
„Depression“, geschlechtsbedingt einer unterschiedlichen Therapie bedürfen. Zudem
treten typische Vorerkrankungen bzw. Zusatzerkrankungen auf. Auch diese sind wiederum
sehr unterschiedlich und typisch für Männern oder Frauen.
17
6. Geschlechtsspezifische Determinanten für Depressionen
Das biologische Geschlecht (Sex) und Gender als die soziale Geschlechtsrolle bestimmen
wesentlich die Gesundheit und Krankheit von Frauen und Männern. Diese Rollen sind mit
geschlechtsspezifischen Einstellungen und Gesundheitskonzepten verbunden. Aufgrund
der Eindimensionalität der Geschlechtsstereotypen entstehen Risiken für die körperliche
und psychische Gesundheit. (vgl. Möller-Leimkühler 2009, S. 412)
Es ist bekannt, dass Frauen ungefähr doppelt so häufig von der Krankheit Depression
betroffen sind als Männer. Daraus lässt sich eine Überrepräsentativität erkennen. Dies
geht damit einher, dass es zwischen Männern und Frauen im Umgang mit Gefühlen einen
erheblichen Unterschied gibt. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass auch immer
häufiger Männer an der „neuen Volkskrankheit“ erkranken. Diese weisen jedoch andere
Symptome auf, wodurch psychische Störungen unerkannt bleiben und nicht frühzeitig
behandelt werden können. Geschlechtsunterschiede gibt es hinsichtlich der Häufigkeit, der
Symptomatik und dem Verlauf von psychischen Erkrankungen. (vgl. König 2008, S. 33)
Durch das raschere Aufsuchen von Hilfe, wird bei Frauen eine Depression schneller
erkannt als bei Männern. Die Diagnosesysteme beinhalten meist nur Symptome die auf
eine typisch weibliche Form der Krankheit zutreffen. Bei Männer kann es deshalb sehr
leicht zu einer Unter- oder Fehldiagnostizierung kommen. Die Berücksichtigung der
Geschlechtsunterschiede in der Behandlung und Diagnosestellung sind somit unerlässlich.
Diese Erkenntnisse über die geschlechtsspezifischen Unterscheidungen gewinnen auch
zunehmend in der Medizin an Bedeutung. Neben den biologischen Aspekten werden auch
die sozialpsychologischen Aspekte des Geschlechts (Gender) in Forschung, Diagnostik,
Therapie
und
Rehabilitation
berücksichtigt.
Dies
ist
Voraussetzung
um
eine
bedarfsgerechte Versorgung zu fördern. Ebenso sollen systematische Verzerrungen bei
Diagnose oder Therapie infolge stereotyper Vorstellungen von „männlich“ und „weiblich“
vermieden werden. (vgl. Möller-Leimkühler 2009, S. 412f)
18
7. Depressionen bei Frauen
Wie bereits gehört, leiden Frauen häufiger an Depressionen als Männer. Das Verhältnis
wird in den meisten Studien mit 2:1 definiert. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet
die Krankheit als „leading disease burden“ für Frauen, das heißt Depressionen sind die
Hauptursache wenn Frauen erkranken oder sterben. In den entwickelten Ländern sind
mehr als 20 Prozent der weiblichen Bevölkerung von der psychischen Störung betroffen.
(vgl. Nuber 2001, S. 41)
Es gibt zahlreiche Gründe für die höhere Erkrankungsrate. Eine Aspekt ist, dass Frauen
eher ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, über ihre Probleme und Gefühle sprechen und
Depressionen somit häufiger und schneller diagnostiziert werden können. Andererseits
stellt man sich die Frage, ob Frauen aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft und ihrer
schlechteren sozioökonomischen Bedingungen eher dazu neigen, depressiv zu werden.
Jedoch gibt es für keine „Theorie“ eine eindeutige Bestätigung. (vgl. Baur 2008)
7.1 Symptomatik
Grundsätzlich sind die Kernsymptome einer Depression bei Frauen und Männern die
gleichen.
Die
Beschwerden
können
vielfältig
sein,
dennoch
gibt
es
typische
Hauptsymptome. Hierbei handelt es sich um depressive Verstimmungen, Freud- und
Gefühllosigkeit, Suizidgedanken, Selbstvorwürfen, Lust- und Antriebslosigkeit und
Schlafstörungen. Der/die PatientIn fühlt sich bedrückt und niedergeschlagen und ist nicht
in der Lage sich selbst aus diesem Zustand zu befreien. Mit der Depression gehen häufig
auch körperliche Symptome wie Herzklopfen, Schweißausbrüche, Atemnot und Zittern
einher. Frauen weisen zusätzlich oft Angststörungen und neurotische Störungen auf, als
auch Phänomene wie Mutlosigkeit und Grübeln. (vgl. Wolfersdorf 2002, S. 15)
Da Frauen über ihre Ängste und Stimmungsschwankungen sprechen, werden sie
schneller als depressiv eingestuft und gelten als das „schwache“ Geschlecht. Es ist jedoch
fraglich, ob die Depression bei Männern tatsächlich seltener vorkommt. Wahrscheinlicher
ist, dass sie schwerer zu diagnostizieren ist, da sie nicht bereit sind über sich selbst und
ihre Gefühle zu sprechen. (vgl. König 2008, S. 37f)
19
7.2 Mögliche Ursachen und Auslöser
Die Geschlechtsunterschiede sind biologisch, psychosozial und kulturell bedingt.
Weibliche Sexualhormone und frauenspezifische Einflüsse wie Menstruation, Geburt und
Menopause
können
ebenso
eine
Rolle
spielen
wie
geschlechtsspezifisches
Rollenverhalten und Rollenkonflikte, Gewalt, Missbrauch und sozialer Status. Es ist von
einem multifaktoriellen Geschehen auszugehen. (vgl. Riecher - Rössler 2008, S. 31)
7.2.1 Hormoneller Einfluss
Die
meisten
Erklärungsversuche
für
die
extremen
Geschlechtsunterschiede
bei
Depressionen beziehen sich auf die biologischen Zusammenhänge. Psychische
Störungen bei Frauen korrelieren meist mit dem weiblichen Lebenszyklus und treten vor
allem dann auf, wenn es zu einer Veränderung der Lebensepisode kommt. (vgl. König
2008, S. 39)
In jüngster Zeit mehren sich die Vermutungen, dass Frauen auf jahreszeitabhängige
Veränderungen und Umwelteinflüsse anders reagieren als Männer. Aufgrund ihrer
sozialen und psychosozialen Situation weisen sie häufiger depressive Symptome auf als
das männliche Geschlecht. (vgl. Nuber 2001, S. 46)
7.2.2 Einfluss der traditionellen Frauenrolle
Depressionsstudien der letzten 20 Jahre belegen, dass die hohe Depressionsrate am
ehesten durch die psychosozialen Faktoren erklärt werden können. Diese hängen sehr
stark mit der Lebenslage und mit den typisch weiblichen Rollenbelastungen zusammen.
Eine wichtige Rolle bei den Geschlechtsunterschieden spielt aber auch der soziale Status,
die Unterschiede im sozialen Stress und in der sozialen Unterstützung die sie bekommen.
(vgl. Möller-Leimkühler 2009, S. 413)
Depression ist eine Stresskrankheit – je mehr Stress es im Leben einer Frau gibt, desto
höher ist die Gefahr depressiv zu werden.
20
Frauen leiden meist unter der Mehrfachbelastung von Haushalt, Familie, Beruf und
Kindererziehung oder Angehörigenbetreuung. Untersuchungen verweisen auf einen
eindeutigen Zusammenhang zwischen Depressionen und Familienstand. Demnach sind
ledige Frauen weniger depressiv als vermählte Geschlechtsgenossinnen. Umgekehrt
leiden aber alleinstehende Männer häufiger an psychischen Problemen als verheiratete,
weshalb man annehmen kann, dass die Ehe für Männer einen Schutz vor depressiven
Störungen bietet.
Frauen werden dadurch verletzlicher, da eheliche Spannungen, Unzufriedenheit mit der
Beziehung und Unverständnis für sie einen größeren Stress darstellen. Auch die
Versorgung kleiner Kinder ist ein wesentlicher Faktor zur Entstehung der Depression. Das
Problem der Frauen ist, dass sie sich für das Klima in Partnerschaft und Familie
verantwortlich fühlen. Deshalb haben viele mit gesellschaftlichen Isolationen und
zwischenmenschlichen Problemen zu kämpfen, welche wiederum Risikofaktoren für die
Krankheitsentstehung darstellen. (vgl. Nuber 2001, S. 48)
Einen positiven Einfluss auf die psychische Stabilität der Frauen hat die Berufstätigkeit. Es
kommt zur Förderung von Unabhängigkeit, Zufriedenheit, sozialen Kontakten und
strukturierten
Arbeitsbedingungen.
Die
Berufstätigkeit
senkt
sowohl
bei
Männern als auch bei Frauen die Depressionsrate. (vgl. Baur 2008)
7.2.3 Entwicklung und Erziehung
Eine weitere Ursache in der höheren Depressionsrate der Frauen dürften die frühen
Unterschiede
in
der
Erziehung
sein,
die
das
spätere
geschlechtsspezifische
Rollenverhalten stark prägen. Mädchen werden nach der traditionellen Frauenrolle
erzogen, wonach sie ordnungsliebend, sanft, bescheiden, häuslich, fürsorglich und
geduldig sein sollen. (vgl. Nuber 2001, S.50)
Die weibliche Sozialisation führt zu einer erlernten Hilflosigkeit, einem geringen
Selbstvertrauen, Passivität und Abhängigkeit. Dies sind alles Faktoren welche die
Entstehung von psychischen Erkrankungen begünstigen.
21
Frauen entwickeln zudem die Tendenz, Konflikte zu verinnerlichen und mit Schuldgefühlen
und Depressionen zu reagieren. Außerdem erfahren viele Gewalt, physischen oder
sexuellen Missbrauch.
Traumatische Kindheitserfahrungen führen bei zwei Drittel der Betroffenen zu kognitiven
und emotionalen Schädigungen. Nach einer Gewalterfahrung werden sehr häufig
depressive Symptome angegeben. Der Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch
und Depression konnte durch zahlreiche Untersuchungen bestätigt werden. Psychische
Störungen treten bei Personen mit Missbrauchserfahrung häufiger auf als bei jenen, die
diese Erfahrungen nicht machen mussten.(vgl. Riecher - Rössler 2008, S. 32)
Zudem lässt sich bereits in der Pubertät feststellen, dass Mädchen mit sich, ihrem
Aussehen
und
ihrem
Leben
unzufrieden
sind.
Viele
leiden
unter
Kopf-
und
Magenschmerzen, fühlen sich niedergeschlagen und schlafen schlecht. Noch heute
stellen sich junge Mädchen stark in Frage, haben ein geringes Selbstwertgefühl und
wissen nicht welcher Platz in der Gesellschaft ihrer ist. (vgl. Nuber 2001, S. 52)
7.2.4 Pessimistische Lebenseinstellung
Hierbei handelt es sich um psychische Ursachen, welche die Entstehung einer Depression
fördern. Der Umgang mit depressiven Stimmungen ist im Vergleich zu den Männern ganz
anders. Männer versuchen sich abzulenken, während Frauen über ihre Stimmung
nachdenken und versuchen sie zu analysieren.
Sie machen sich häufiger selbst Vorwürfe und Grübeln, was bereits ein wesentliches
Symptom depressiven Verhaltens ist. Psychologen fanden heraus, dass Frauen einen
selbstschädigenden Denkstil haben und die Bewältigungsversuche nicht geeignet sind, um
Unheil von ihnen abzuwenden. Außerdem kommt es zu einer verstärkten Reaktion, was
anderen passiert. Wenn Menschen in einer belastenden Situation keinen günstigen
kognitiven Verarbeitungsstil anwenden, steigt die Gefahr für depressive Erkrankungen.
(vgl. Nuber 2001, S. 54f)
22
7.3 Epidemiologie
Die höheren weiblichen Depressionsraten entstehen im frühen Erwachsenenalter,
erreichen einen Gipfel im mittleren Lebensalter und sinken in der postmenopausalen
Phase wieder ab. Am häufigsten erkranken Frauen im Alter zwischen 25 und 45 an einer
Depression. Das Auftreten von Symptomen kann bereits in der Lebensphase der Pubertät
beginnen. Frauen haben nahezu ihr ganzes Leben mit Hormonschwankungen zu tun.
Depressionen treten dann häufiger auf, wenn die Konzentration der Hormone im Blut
niedrig ist. (vgl. Nuber 2001, S. 44)
Das „Prämenstruelle Syndrom“ (PMS) lässt mehr als zwei Drittel der Frauen Monat für
Monat in Depressionen verfallen. Dies hat nicht nur körperliche sondern auch psychische
Auswirkungen.
Gekennzeichnet
wird
diese
Phase
des
Zyklus
von
Stimmungsschwankungen, die sich in Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit oder Wertlosigkeit
äußern. Von einer prämenstruellen Depression (PDS) spricht man dann, wenn Frauen
ihren Alltag nicht mehr erledigen können. Typische Symptome sind Heißhunger,
Interessensverlust,
Anspannung,
Reizbarkeit,
Völlegefühl,
Kopfschmerzen,
Brustschmerzen usw. Rund 80 Prozent der Frauen leiden Monat für Monat an diesen
Symptomen, 20 Prozent benötigen Hilfe und nehmen diese auch in Anspruch. Der Anteil
der Frauen, die so beeinträchtigt sind, dass das Privat- und Berufsleben darunter leidet,
liegt bei fünf bis zehn Prozent. Da die Beschwerden nach wenigen Tagen wieder
verschwinden, wird sehr oft keine Notiz davon genommen. (vgl. Wiegmann o.J.)
Viele Frauen fallen nach der Geburt in ein schwarzes Loch und erkranken an der
sogenannten Wochenbettdepression. Schätzungen zu Folge treten diese bei 50 bis 80
Prozent der Mütter direkt nach der Geburt auf. Die harmlosere Form, der „Babyblues“, ist
meist nur von kurzer Dauer und hat mit der körperlichen und hormonellen Umstellung
nach der Entbindung zu tun.
23
Bei einer Wochenbettdepression treten wiederum typisch depressive Symptome auf. Es
kommt zu Weinkrämpfen, Erschöpfungszuständen, Reizbarkeit, zur Überbelastung und
Angst vor neuen sowie auch unbekannten Aufgaben. Weiters empfinden die Mütter
Schuldgefühle, da sie nicht über das Neugeborene glücklich sein können und sie mit
deren Pflege überfordert sind. (vgl. Nuber 2001, S. 42)
Frauen die an einer Wochenbettdepression leiden benötigen professionelle Hilfe, eine
stabile Partnerbeziehung, sowie den Rückhalt von der Familie. Nicht nur weil eine hohe
Selbstmordgefahr besteht, sondern auch da sich in der Zeit der Depression der Kontakt
zwischen Mutter und Baby nicht richtig entwickeln kann. (vgl. Wiegmann, Depressionen
bei Frauen)
Auch die Zeit der Menopause birgt die Gefahr zur Entstehung einer Depression. Einerseits
wird das Ende der Fortpflanzungsfähigkeit markiert, andererseits muss man sich mit dem
biologischen Älterwerden auseinandersetzen. Aus diesem Grund leiden circa 15 Prozent
der Frauen im Klimakterium an starken und echten Depressionen. (vgl. Wiegmann,
Depressionen bei Frauen)
Schätzungen besagen, dass fünf bis zehn Prozent der Allgemeinbevölkerung unter einer
Winterdepression leiden, welche in jedem Lebensalter auftreten kann. Auch diese Form
wird bei Frauen etwa dreimal so häufige diagnostiziert als bei Männern. Als Ursache
nehmen Forscher an, dass es geschlechtsspezifische physiologische Reaktionen auf die
Veränderung von Lichtverhältnissen gibt. Ein weiterer Grund könnte die verringerte
Serotoninsynthese bei Frauen sein, wodurch das Depressionsrisiko erhöht wird. (vgl.
Nuber 2001, S. 45f)
Über die Häufigkeitsverteilung der Depressionen, welche nach ICD-10 klassifiziert werden,
konnte ich in der Literatur nichts finden. Die oben genannten Formen der psychischen
Erkrankung beziehen sich lediglich auf die biologischen Ursachen und Faktoren die bei
Frauen häufig zu einer Depression führen. Sie haben immer mit den hormonellen
Schwankungen zu tun.
24
8. Depressionen beim Mann
Depressionen werden von sehr vielen als „Schwächlingskrankheit“ bezeichnet, was
man(n) nicht zugibt. Viele Männer sind somit Meister im Ignorieren der Symptome und
gestehen sich keine psychische Schwäche oder Erkrankung ein.
Auch in der heutigen Zeit herrscht die Meinung vor, dass Männer nicht verletzlich und
schwach sein dürfen. Sie sind das starke Geschlecht und müssen Schmerzen selbst
überwinden. Die Angst, sich eine Frauenkrankheit einzugestehen, treibt viele Männer
dazu, ihr Leiden zu verdrängen.
Inzwischen wurde jedoch herausgefunden, dass Depressionen in der männlichen
Bevölkerung immer häufiger auftreten als vermutet. Besonders erschreckend ist, dass die
Zahl der depressiven jungen Männer immer mehr zunimmt. Etwa sieben bis 12 Prozent
sind von der neuen Volkskrankheit betroffen. (vgl. Kogler/ Kaiser-Kaplaner 2003)
8.1 Klinisches Bild der Männerdepression
Viele Männer wollen es nicht zugeben, dass Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Einsamkeit
oder die Trennung von einem/einer PartnerIn eine Belastung darstellen, ebenso wie dies
bei Frauen der Fall ist. Dennoch äußern sich diese psychischen Störungen beim Mann oft
untypisch und weisen nicht immer nur die klassischen Depressionssymptome auf. (vgl.
Kogler/ Kaiser-Kaplaner 2003)
Es gibt typisch männliche Symptome wie Gereiztheit, erhöhte Feindseligkeit, eine hohe
Risikobereitschaft,
Neigung
zu
niedrige
Vorwürfen
Stresstoleranz,
und
Agitiertheit.
Zornattacken,
Besonders
geringe
stark
Impulskontrolle,
ausgeprägt
ist
der
Zusammenhang zwischen Depression und Aggressivität. Die Patienten tendieren oft
grundlos zur Überreaktion, können wegen Kleinigkeiten ausrasten und bereuen ihren
Ausbruch hinterher sofort.
25
Während dieser Zornattacken können zusätzlich vegetative Symptome wie Herzklopfen,
Kurzatmigkeit, Hitzewallungen, Schwindelgefühl, vermehrtes Schwitzen und Zittern
auftreten. Im Gegensatz zu Frauen besteht bei Männern ein erhöhtes Selbstmordrisiko.
(vgl. Kogler/ Kaiser-Kaplaner 2003)
Durch einen verstärkten Konsum von Suchtmitteln wie Alkohol, Drogen oder Nikotin
versuchen viele Männer ihre verborgene Depression zu kompensieren. Andere wiederum
betäuben ihre Unzufriedenheit mit sportlicher Überaktivität, einem planlosen Aktionismus
in der Arbeit oder wahllosen sexuellen Abenteuern. Männer wollen ein Problem nicht
psychisch sehen und gestehen sich nur körperliche Beschwerden ein.
Da diese Auffälligkeiten in den gängigen diagnostischen Verzeichnissen nicht vorkommen,
kommt es häufig zu einer Unterdiagnostizierung bzw. einer Fehldiagnose von depressiven
Symptomen bei Männern. Die ersten Anzeichen einer Depression werden oft als
Persönlichkeitsstörung oder Neurose fehlinterpretiert. (vgl. Kogler/ Kaiser-Kaplaner 2003)
Auch Fehldiagnosen in Richtung Alkoholabhängigkeit und Erschöpfungszustand, welche
dann im Zentrum der therapeutischen Intervention stehen, werden gestellt. Folglich bleibt
die Depression oft unerkannt und kann auf Grund dessen nicht entsprechend und
frühzeitig behandelt werden. (vgl. Möller-Leimkühler 2009, S. 417)
8.2 Ursachen
Auch für Männer gibt es spezifische Risikofaktoren und Stressoren, welche die Entstehung
einer Depression fördern. Diese beziehen sich vorwiegend auf die Sozialisation und ihr
Selbstvertrauen, dass sehr stark im Zusammenhang mit dem sozialen Status, Erfolg, Geld
und der Arbeit steht.
26
8.2.1 Konstrukt der traditionellen Maskulinität
Im Gegensatz zu Frauen, die aufgrund der interpersonellen Orientierung anfällig für
Beziehungsstress und Depressionen sind, orientieren sich Männer evolutionsbiologisch
am sozialen Status. Bei Bedrohung dessen, weisen sie starke psychobiologische
Stressreaktionen auf. Traditionelle Geschlechtsstereotypen wie Macht, Dominanz,
Kontrolle,
Mut,
Leistungs-
und
Wettbewerbsorientierung,
Unabhängigkeit,
Unverletzlichkeit, als auch Aktivität sind Wertvorstellungen und Handlungsleitlinien für die
Männer. Um diese Idealnormen zu erreichen, müssen
weibliche Gefühle wie Angst,
Unsicherheit, Schwäche und Traurigkeit unterdrückt werden.
Diese emotionale Kontrolle kann auf Dauer gesundheitsschädigend und ein Auslöser von
Depressionen sein. (vgl. Möller-Leimkühler 2009, S. 414)
Das Selbstvertrauen der Männer ist leistungsorientiert und hat auch mit Konkurrenzkampf
zu tun. Wenn sie das Gefühl bekommen, dass sie niemals ihre gesetzten Ziele erreichen
und die Bedürfnisse in ihrer Beziehung nicht erfüllt werden, geraten sie in Gefahr eine
Depression zu entwickeln. Somit beschreiben sie eine depressive Erkrankung auch
anders als die Frauen. Größtenteils wird von arbeitsbezogenem Stress, wirtschaftlichen
Misserfolgen, Konkurrenzkampf oder geringem Status berichtet. „Ich habe es nie
geschafft, den Erfolg meines Vaters zu erreichen“, oder „Ich werde von jüngeren Kerlen
ersetzt“, reflektieren Gefühle der Überlastung, der Angst vor Verantwortung, vor Versagen
und vor dem Druck der Außenwelt. (vgl. Papp 1996, S. 60)
Über ihre Enttäuschungen und Frustrationen sprechen sie auch nicht mit der Ehefrau.
Man(n) muss alleine mit Problemen fertig werden, wodurch sich viele Frauen aus dem
Innenleben ihres Ehemannes ausgeschlossen fühlen. Somit erhalten die Männer nicht die
Unterstützung einer Beziehung, welche aber notwendig wäre. (vgl. Papp 1996, S. 60)
27
8.2.2 Männliche Stressverarbeitung
Ein weiterer Stressfaktor für die Männer ist die Emanzipation der Frauen. Dies betrifft nicht
nur die Erwerbstätigkeit sondern auch ihre Trennungsbereitschaft und Selbstständigkeit.
Im Unterschied zu den Frauen, die ein Beziehungsende erleben, steigt das Depressionsund Suizidrisiko bei Männern um ein vielfaches. Somit kann angenommen werden, dass
dies alles Risikofaktoren sind, welche den sozialen Status bedrohen. (vgl. MöllerLeimkühler 2009, S. 415)
8.2.3 Hormonelle Veränderungen
Der männliche Körper produziert mit zunehmendem Alter, ebenso wie Frauen in den
Wechseljahren, weniger Hormone. So nimmt die Testosteronbildung ab einem Lebensalter
von 50 Jahren ständig ab und geht bis zum 75. Lebensjahr um etwa 40 Prozent zurück.
Das Testosteron dient der Regulation von sexuellen Funktionen wie Erektion und
Ejakulation. Durch die verminderte Hormonausschüttung können Folgen wie Ermüdung,
Verwirrtheit, Erektionsschwächen und der Verlust des sexuellen Interesses, auftreten.
Diese Symptome sind denen einer Depression sehr ähnlich. Außerdem ist erwiesen, dass
durch das Nachlassen des sexuellen Interesses und der Libido schwere seelische
Störungen ausgelöst werden können. Da die Sexualität für Männer eine besondere Rolle
spielt, ist es besonders schlimm, wenn „es“ nicht mehr richtig funktioniert. (vgl. Wiegmann,
Depressionen bei Männern)
28
8.3 Epidemiologie
Nicht nur bei Frauen ist das Phänomen der Wochenbettdepression zu betrachten. Laut
einer Studie aus England weisen rund neun Prozent der jungen Väter nach der Geburt
eines Kindes Gefühle wie Traurigkeit, Angst, Schlafstörungen und kein Interesse an Sex
auf. Dieser Zustand dauert bei fünf Prozent der Männer bis zu einem halben Jahr an. Als
Hintergrund wird angenommen, dass die Geburt ein tiefer Einschnitt in ihr Leben bedeutet
und manche dadurch psychisch aus dem Gleichgewicht geraten. (vgl. Wiegmann,
Depressionen bei Frauen)
Von den erkrankten Männern sind die meisten von der Depressionsform „Dysthemia“ oder
„reaktive Depression“ betroffen. Der Anteil an den Gesamterkrankungen wird auf 70
Prozent geschätzt. Ausgelöst werde kann diese Form der Depression durch ein
einmaliges belastendes Ereignis, wie der Tod eines nahe stehenden Menschen,
Trennung,
Arbeitsplatzverlust
oder
Ähnliches.
Weiters
durch
eine
permanente
Stresssituation, wie etwa das Zusammenleben mit einem/einer alkoholkranken/r
PartnerIn oder durch bestimmte Erfahrungen, die in der Kindheit gemacht wurden. (vgl.
Nuber 2001, S. 73)
Natürlich sind auch andere Formen der Depression bei Männern vertreten, kommen
jedoch nicht so häufig vor wie bei Frauen und äußern sich in der Symptomatik anders.
8.4 Ursachen der Unterdiagnostizierung
In der Literatur werden als Gründe für die Unterdiagnostizierung und Unterbehandlung
depressiver Männer das mangelnde Hilfe suchen, sowie der Genderbias in der
Depressionsdiagnostik angeführt.
Es besteht die Vermutung, dass Männer den Gang zum Arzt scheuen und wenig über ihre
psychischen Probleme sprechen. Im Männlichkeitsstereotyp ist das Hilfesuchen nicht
vorgesehen, da es die männliche Identität aufrecht zu erhalten gilt. Sie kommen nur zum
Arzt um körperliche Krankheitssymptome behandeln zu lassen. (vgl. König 2008, S. 35f)
29
Psychische oder emotionale Probleme sind für Männer kein Konsultationsgrund
und
werden auch bei einem Arztbesuch nicht angesprochen. Zudem geht die Krankheit
Depression oft mit der sozialen Stigmatisierung „Schwäche“ einher. Deshalb versuchen
Männer ihre Gefühle und Symptome zu kompensieren und vor der Außenwelt „geheim zu
halten“. (vgl. Möller-Leimkühler 2009, S. 414)
Jedoch kann die Unterdiagnostizierung dieser Volkskrankheit beim Mann nicht nur auf die
mangelnde Hilfesuche zurückgeführt werden, sondern auch auf den Genderbias in der
Diagnostik.
Wie
bereits
erwähnt,
weisen
Männer
oft
untypische,
in
der
Depressionsdiagnostik nicht angeführte Symptome auf. Das Beurteilungsverfahren geht
also vom Prototyp der weiblichen Depression aus, enthalten deren Symptome und
Copingstrategien. Männliche depressionsabwehrende Strategien werden nicht erfasst,
wodurch Fehldiagnosen in Richtung Alkoholabhängigkeit und Persönlichkeitsstörungen
begünstigt werden. Gefordert wird deshalb eine Verbesserung der Depressionsdiagnostik,
welche auch typische männliche Stresssymptome und Copingstrategien enthält. (vgl.
Möller-Leimkühler 2009, S. 417f)
8.5 Suizid und Depression
Die Depression ist heutzutage eine gut behandelbare Erkrankung, andererseits ist sie aber
auch lebensgefährlich. So zählt sie neben sozialer Isolation, gescheiterten Ehen und
Beziehungen, Arbeitslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und lebensbedrohlichen Krankheiten als
Hauptursache für Suizide. (vgl. Hautzinger/Bronisch 2000, S. 12)
Aus der Gruppe der Schwer- und Schwerstdepressiven, die in psychiatrischen
Einrichtungen behandelt werden müssen, begehen 56 Prozent einen Suizidversuch, rund
15 Prozent sterben durch Selbstmord. (vgl. Wolfersdorf 2002, S. 137)
Die Selbsttötung wird von vielen Menschen als letzter Ausweg aus einer unerträglichen
Situation gesehen. Meist wird die Hoffnung auf ein Leben ohne Depressionen aufgegeben
und sie sehnen sich nach dem Tod, der als einzige Lösung erscheint. Rahel Beglinger
beschreibt die Depression deshalb als so furchtbar, weil man keine äußeren Zeichen,
keine Wunde, keine Narbe, kein Geschwür vorweisen kann und weil man so lange
innerlich ausbrennt, bis man tot ist.
30
Menschen die an Selbstmord denken, senden Hilferufe aus die von den Angehörigen ernst
genommen werden sollen. Häufig zu hören sind Aussagen wie „Mich mag sowieso keiner,
ich bin ja keinem etwas wert, ich bin nichts wert. Das Beste ist, ich bringe mich um.“ oder „
Es wäre das Beste für meine Familie, wenn es mich nicht mehr gäbe.“ (vgl. Nuber 2001,
S. 165f)
Im Geschlechtervergleich ist es so, dass die Suizidrate von Männern drei- bis zehnmal
höher ist. Generell kann gesagt werden, dass Frauen häufiger Selbstmordversuche
unternehmen, diese meist aber als Hilfsappell gesetzt werden. Männer versterben deshalb
öfters
an
Suizidversuchen,
da
sie
auf
Grund
ihrer
höheren
biologischen
Grundaggressivität und Impulsivität härtere Methoden wählen, welche mit größerer
Sicherheit zum Tod führen. Zudem lässt sich bei ihnen mit fortschreitendem Alter ein
signifikanter Anstieg der Selbstmordrate beobachten. (vgl. König 2008, S. 22f)
9. Bewältigungsstrategien und Therapieformen
Viele Menschen sind der Ansicht, dass die Depression von selbst wieder weg geht und
dass die Inanspruchnahme von Hilfe ein Zeichen der Schwäche darstellt. Weitere
Hemmschwellen für das Aufsuchen kompetenter Hilfe sind neben der Antriebslosigkeit,
Angst vor sozialer Ausgrenzung sowie der Glaube, dass ihnen nicht geholfen werden kann
und sie selbst Verantwortung für ihren Zustand tragen.
Wenn sich der/die Betroffene jedoch frühzeitig in Behandlung gibt, bestehen gute
Chancen auf ein beschwerdefreieres Leben und einer Symptombesserung. So ist die
Depressionstherapie heute komplizierter, aber auch langfristiger, umfassender und
dadurch individueller, erfolg- und hilfreicher geworden. (vgl. Wolfersdorf 2002, S. 63)
Grundsätzlich gibt es die medikamentösen und psychotherapeutischen Therapieformen,
welche jedoch sehr häufig auch kombiniert werden, da dies am wirksamsten und
sinnvollsten erscheint. Abhängig ist das aber immer von der Depressionsform. Je nach Art
der Erkrankung, der Schwere, den Symptomen und dem Wunsch des Patienten werden
verschiedene Schwerpunkte in der Therapie gesetzt. (vgl. Nuber 2001, S. 92)
31
Damit Depressive ein erfülltes Leben führen können, müssen sie zunächst akzeptieren,
dass sie die Erfahrung der Erkrankung nie wieder aus dem Leben tilgen können und dass
sie rechnen müssen, immer wieder depressive Phasen bewältigen zu müssen. Wie für
jede andere Krankheit gilt auch hier die Formulierung von Sigmund Freud, dass das Ziel
einer jeden Therapie nicht die vollständige Heilung ist, sondern ein Mensch dann als
gesund gilt, wenn er liebes- und arbeitsfähig ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Mensch
relativ beschwerdefrei leben kann, er die Lebenssituationen mit den oft unveränderbaren
Belastungen bewältigt und er eine positive Haltung sich selbst gegenüber und der
Depression entwickeln kann. (vgl. Nuber 2001, S. 90f)
9.1 Medikamentöse Behandlung
Wenn man von einer medikamentösen Therapie spricht, meint man immer das
Verabreichen von Psychopharmaka wie Antidepressiva, Tranquilizer oder Hypnotika.
Darunter versteht man Medikamente, die auf die Psyche einwirken, indem sie die
Erregungsbildung und Informationsübertragung im zentralen Nervensystem beeinflussen.
(vgl. Wolfersdorf 2002, S. 75)
Antidepressiva wirken stimmungsaufhellend, sie sollen die Stimmung stabilisieren,
Getriebenheit und Unruhe dämpfen oder Hemmungen und Antriebslosigkeit normalisieren.
Weiters sollen die Medikamente Angst lösen, Schlaf-, Appetit- und Libidostörungen
verbessern sowie die Einengung des Denkens lockern. Kurz gesagt ist das Ziel der
Therapie mit Antidepressiva eine Linderung der akuten Depressionssymptome. (vgl.
Wolfersdorf 2002, S. 81)
Medikamentengruppen die häufig gegen Depressionen verschrieben werden, sind die
trizyklischen
Antidepressiva,
Serotoninwiederaufnahmehemmer
(SSRI)
und
die
Psychopharmaka wie etwa Johanniskraut, Baldrianwurzel oder Hopfen. (vgl. Nuber 2001,
S. 96)
Grundregeln der psychopharmakologischen Depressionsbehandlung sind die ausführliche
Aufklärung über Wirkung und Nebenwirkung, eine ausreichende und individuelle
Dosierung, sowie eine Akutbehandlung oder die Erwägung der Langzeitbehandlung. (vgl.
Stuppäck 2005, S. 12)
32
9.2 Nichtmedikamentöse Therapieformen
Neben der Behandlung mit Medikamenten gibt es zahlreiche andere Therapieformen der
Depression.
Hierbei
handelt
es
sich
meist
um
verschiedene
Strategien
der
Lebensbewältigung, welche eine individuelle Selbsthilfe zur Erfüllung von Bedürfnissen
darstellen. Jeder Mensch entwickelt im Laufe des Lebens Methoden zur Problemlösung
oder Konfliktbewältigung, welche nicht immer zum gewünschten Erfolg führen. Genau
diese Bewältigungskonzepte sind ausschlaggebend, wie das Leben und der Alltag von
Menschen mit einer Depression gestaltet werden, wie sich die Betroffenen mit ihrer
Erkrankung, den Ursachen und den damit verbundenen Krisen auseinandersetzen. (vgl.
König 2008, S. 49)
9.2.1 Psychotherapie
Im Gegensatz zur medikamentösen Therapie, welche dem/der Betroffenen Erleichterung
schaffen sowie dessen Symptome lindern kann, versucht die Psychotherapie Probleme zu
lösen und eine Beziehung zum/zur PatientenIn aufzubauen. Hauptaufgabe ist es, dem/der
Depressiven den Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu ermöglichen. Untersuchungen
haben ergeben, dass es etwa 80 Prozent der psychotherapeutisch Behandelten nach der
Therapie besser geht. Für den Erfolg ist dabei weniger die Therapiemethode, als vielmehr
die Persönlichkeit des Therapeuten ausschlaggebend. (vgl. Nuber 2001, S. 103)
Der/die PatientIn darf depressiv sein, es darf ihm/ihr schlecht gehen, er/sie darf weinen,
verzweifeln und hoffnungslos sein. Ziel ist, dass der/die Betroffene für sein/ihr
innerseelisches
Erleben
Verständnis
bekommt.
Das
Gespräch
mit
dem/der
Therapeuten/Therapeutin soll beruhigen, Hoffnung vermitteln und aufzeigen, dass es
Therapiemethoden gibt die aus einer Depression heraushelfen können. (vgl. Wolfersdorf
2002, S. 102)
Eine zusätzliche, positive und begleitende Unterstützung zur fachärztlichen Therapie
bieten Selbsthilfegruppen. Die Betroffenen haben das Gefühl unter Gleichgesinnten zu
sein und verstanden zu werden. In den Gruppensitzungen gibt es keine Ratschläge, keine
Gegenfragen oder Antworten. (vgl. Nuber 2001, S. 142f)
33
9.2.2 Sport- und Bewegungstherapie
Sport und Bewegung helfen vielen Menschen aus ihrem täglichen Stimmungstief heraus.
Ebenso hat der Sport eine positive Wirkung auf depressiv Erkrankte und verbessert
zudem unterschiedliche psychische und körperliche Funktionen. (vgl. König 2008, S. 61)
Viele Depressive erleben ihren Körper als lebendig tot und fühlen sich von ihm entfremdet.
Das Ziel der Sporttherapie ist es den eigenen Körper wieder wahrzunehmen und den
Selbstausdruck zu erweitern. (vgl. Lehofer/Lehofer 2005, S. 43f)
Zudem kann Sport in Gruppen durchgeführt werden, wodurch ein soziales Netzwerk
entsteht. Betroffene haben die Möglichkeit, in Belastungssituationen aber auch im
alltäglichen Leben, von Mitmenschen Unterstützung zu bekommen. Dies erfolgt etwa als
Zugneigung, Trost, Wertschätzung, Ermutigung oder Orientierungshilfe bei der Suche
einer Problemlösung. Dadurch steigt wiederum das psychische Wohlbefinden. (vgl. Schöbl
2000, S. 75)
Grundsätzlich gibt es verschiedene therapeutische Zugänge um eine Depression zu
behandeln. Neben den bereits genannten Möglichkeiten finden auch die Lichttherapie, die
Mal- oder Musiktherapie ihren Einsatz.
Trotz meiner Recherchen konnte ich aus der Literatur nicht herauslesen, welche
Methoden bevorzugt bei Männern oder Frauen eingesetzt werden. Auch über die
Erfolgsquoten einzelner Bewältigungsstrategien und Therapieformen gibt es keine
genauen Angaben.
In diesem Bereich ist meiner Meinung nach eine Forschung dringend nötig. Die
bevorzugten
Bewältigungsstrategien
bzw.
deren
Erfolgsquoten
müssen
geschlechtsspezifisch aufgezeigt werden. Außerdem sollte der/die Betroffene für sich
individuell entscheiden können, welche Therapieform angewandt wird. Nur durch
Eigenmotivation und Freude kann der gewünschte Erfolg eintreten und eine Besserung
der Lebensqualität hervorgerufen werden.
34
10. Auswirkungen auf die Angehörigen
Die Welt ändert sich bei Depressionen nicht nur für den Erkrankten selbst, sondern auch
für seine Umgebung. Besonders stark betroffen sind Angehörige und Freunde, welche
häufig in Höhen und Tiefen mitgerissen werden. Dennoch versuchen sie das
Gesamtgleichgewicht zu halten, was nur mit übermäßiger Anstrengung möglich ist.
Die Angehörigen dürfen in dieser Situation nie vergessen, sich selbst ernst zu nehmen
und nicht aufzugeben. Es hilft keinem etwas, wenn sich die Familienmitglieder selbstlos
um den Erkrankten kümmern und letztendlich selbst in einer depressiven Leere landen.
(vgl. Bock/Koesler 2005, S. 114f)
Manfred Wolfersdorf, Leiter einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bayreuth, rät
den Angehörigen und Freunden von Depressiven folgender Umgang:
Falsch ist
•
den Depressiven übermäßig zu umsorgen und einzuengen
•
den Depressiven misstrauisch und ängstlich zu überwachen
•
auf die Schulter zu klopfen und zu sagen „Es wird schon wieder“
•
aggressiv und ablehnend zu reagieren
•
sich selbst zu überfordern und zu überschätzen
•
Sich vom depressiven Denken und den Stimmungen des Kranken anstecken und
herabziehen zu lassen.
Richtig ist
•
dem Depressiven Zuwendung zu geben, sich einfühlend und verständnisvoll zu
verhalten
•
Nähe herzustellen, aber auch genug Distanz zu halten
•
Geduld mit sich selbst und dem Kranken haben
•
eigene Aggressionen und Enttäuschungen erkennen, zulassen aber nicht ausleben
•
den Depressiven zu Aktivitäten auffordern, aber nicht unter- oder überfordern
35
Natürlich sind diese Ratschläge in der Realität nicht immer so einfach erfüllbar. Wenn ein
Familienangehöriger an Depressionen erkrankt, bedeutet dies immer eine grundlegende
Veränderung für die gesamte Familie. (vgl. Nuber 2001, S. 146ff)
Eine Beziehung wird stark belastet, wenn ein Partner an einer Depression erkrankt. Dabei
übernimmt der/die jeweils Gesunde eine bestimmte Rolle. Diese ist davon abhängig, ob
der Mann der depressiv Erkrankte ist oder die Frau.
Leidet der Mann an einer Depression, übernimmt die Frau sehr häufig die aktive und
dominante Rolle. Die Schwäche des Partners ermöglicht es ihr, die Macht in der
Beziehung zu übernehmen.
Ist jedoch die Frau depressiv, stellt sich der Mann oft als gesund und unbelastet dar. Für
seine Partnerin zeigt er wenig Verständnis und Einfühlung, da klar ist, dass sie krank ist
und er nichts damit zu tun hat. Doch Frauen wünschen sich in solchen Situationen die
Kommunikation mit dem Ehegatten und dessen Unterstützung. (vgl. Nuber 2001, S. 162)
Aus den Ratschlägen für einen richtigen Umgang mit Depressiven von Manfred
Wolfersdorf geht nicht hervor, ob sowohl Männer als auch Frauen danach zu behandeln
sind.
Durch die unterschiedlichen Symptome, Zusatzerkrankungen und Bewältigungsstrategien
würde es meiner Meinung nach mehr Sinn machen, die Geschlechter spezifisch
aufzuzeigen und mehr zu berücksichtigen. Durch die Unterschiede in den Empfindungen
sollten getrennte Leitlinien herausgegeben werden.
Besonders empfehlenswert ist, die Angehörigen aufgrund der wichtigen Rolle die sie
spielen, in die längerfristige Therapieplanung mit einzubeziehen.
Ebenso dürfen Kinder von depressiv erkrankten Eltern nicht vernachlässigt werden. Sie
benötigen ebenso Beachtung und professionelle Hilfe.
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11. Schlussfolgerung
Traurigkeit ist eine Emotion, die zu den menschlichen Empfindungen zählt, in allen Zeiten
und Gesellschaften anerkannt wurde. Doch gerade in letzter Zeit wird dieses Gefühl immer
häufiger als Depression diagnostiziert.
Depressionen scheinen eine Krankheit der Neuzeit zu sein, deren Entstehung durch die
ständig höher werdende Belastung in unserer modernen Gesellschaft, der Sorge von
Arbeitslosigkeit, Stress im Beruf und einem veränderten Familienleben begünstig werden.
Mit Daten und Fakten die ich in der Literatur finden konnte, habe ich die Hypothese
„Depressionen nehmen ständig zu und Frauen sind häufiger betroffen als Männer“
bestätigt.
Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Depression längst keine typische
Frauenkrankheit mehr ist, sondern auch immer mehr Männer davon betroffen sind. Die
signifikantesten Unterschiede, wodurch sich die erhöhte Depressionsrate bei Frauen
erklären lässt, sind die Unterdiagnostizierung der Krankheit beim Mann und das Äußern
verschiedener Symptome.
Zudem kommt es durch die soziokulturellen Vorstellungen der Gesellschaft oft zur
Stigmatisierung. Frauen dürfen Schwäche zeigen und Hilfe in Anspruch nehmen, bei
Männern wird dies als unmännlich und schwach angesehen.
Ein weiteres Problem liegt in den diagnostischen Leitlinien. Die atypischen Symptome der
psychischen Störung bei Männern sind in diesem Diagnoseschemata nicht aufgenommen,
wodurch die Erkrankung oft unerkannt bleibt. Es ist deshalb unbedingt erforderlich,
differenzierte Instrumente zur Erfassung männlicher Depression für epidemiologische
Zwecke zu entwickeln.
Die Hauptschwierigkeit dieser Arbeit bestand darin, geschlechtsspezifische Daten zu
finden. In der Literatur lässt sich sehr wenig zu den signifikantesten Unterschieden der
Erkrankung bei Frau bzw. Mann finden. Eine genauere Erforschung in diesem Bereich ist
meiner Meinung nach unerlässlich, da sich die Depression in unserer Gesellschaft zu
einer Volkskrankheit entwickelt.
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Zudem ist es sehr schwierig, nur einen speziellen Zugang zum Thema zu finden. Alles ist
sehr komplex miteinander verbunden und diese Arbeit bietet nur einen kleinen Einblick in
ein sehr umfangreiches Themengebiet.
Depressionen erfordern aufgrund der Vielschichtigkeit und Größenordnung in Zukunft eine
verstärkte epidemiologische Zuwendung. Durch das Schreiben dieser Arbeit habe ich
herausgefunden, dass die Datenlage unvollständig ist. Es gibt keine gesicherten
Aussagen über Morbiditätsveränderungen oder deren Determinanten. Diese Daten sind
aber erforderlich, um eine adäquate Versorgung garantieren zu können. Auch der
geschlechtsspezifische Zugang ist viel zu wenig erforscht.
Abschließend lässt sich sagen, dass Depression nicht gleich Depression ist. Dies
verdeutlichen die angeführten Tatsachen. Eine depressive Erkrankung kann sehr
unterschiedliche Ausprägungen und Verläufe haben. Sie kann zum Lebensbegleiter
werden oder eine einmalige Erfahrung bleiben. Es ist somit sehr schwierig eine eindeutige
Antwort auf die Frage „Was ist eine Depression und wodurch wird sie verursacht?“ zu
geben. Das Rätsel der psychischen Krankheit ist noch lange nicht gelöst.
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12. Literaturverzeichnis
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