2 Aussagenlogik (AL) - Universität Leipzig

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Aussagenlogik (AL)
Aussagenlogik (AL)
2.1 Wahrheitsfunktionale Konnektoren
[ Gamut 28-35, Partee 101-106 ]
Nur Aussagesätze, d.h. Deklarativ-, nicht aber Frage- oder Aufforderungssätze bringen das
Zutreffen einer Aussage (oder Proposition) zum Ausdruck. Im Weiteren werden deshalb
unter Sätzen immer Aussagesätze verstanden.
Aussagen (und damit indirekt auch Aussagesätze) können wahr oder falsch sein. Wahr und
falsch sind Wahrheitswerte von Aussagen.
Die Aussagenlogik befasst sich mit Aussagen, die aus anderen Aussagen mit Hilfe von
Konnektoren aufgebaut sind.
Bezeichnung
Natürlichsprachlicher Ausdruck
Symbol
1-stelliger Konnektor (aussagenbildender Funktor der Kategorie S / S ):
Negation
nicht
¬ (∼ )
2-stellige Konnektoren (aussagenbildende Funktoren der Kategorie S / SS bzw. (S / S )/ S ):
Konjunktion
Disjunktion (Alternative)
Materiale Implikation (Konditional)
Mteriale Äquivalenz (Bikonditional)
und
oder
wenn ..., dann
genau dann, wenn
∧ (& )
∨
→ (⊃ )
↔ (≡)
Die Konnektoren von AL sind wahrheitsfunktional definiert: Der Wahrheitswert von
Aussagen, die mit Hilfe von wahrheitsfunktionalen Konnektoren gebildet werden, ist nur
abhängig von den Wahrheitswerten ihrer Teilaussagen.
Die Aussagenlogik untersucht die Wahrheitsbedingungen von Aussagen mit
wahrheitsfunktionalen Konnektoren und damit die Eigenschaften von solchen Konnektoren.
Für die klassische Ausssagenlogik gilt das Bivalenzprinzip (oder Polaritätsprinzip):
Jede Aussage ist entweder wahr oder falsch, d.h.
• keine Aussage kann zugleich wahr und falsch sein (Prinzip vom ausgeschlossenen
Widerspruch) und
• keine Aussage kann etwas anderes als wahr oder falsch sein (Prinzip vom
ausgeschlossenen Dritten, lat. tertium non datur).
Die klassische Logik ist eine zweiwertige Logik.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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2.1
Wahrheitsfunktionale Konnektoren
Eigenschaften von wahrheitsfunktionalen Konnektoren
Konjunktion („und“)
Eine Konjunktion φ ∧ ψ ist wahr gdw die Konjunkte φ und ψ wahr sind.
Wahrheitstafel:
φ
1
1
0
0
ψ
1
0
1
0
φ∧ψ
1
0
0
0
Beispiele: Hans ist fleißig und Maria ist klug.
Hans ist fleißig und klug.
Hans und Maria sind klug.
Hans ist fleißig, aber Maria ist klug.
Hans ist fleißig, obwohl er klug ist.
?
Welche Differenzen gibt es zwischen der logischen Konjunktion und dem natürlichsprachlichen Ausdruck und ?
Disjunktion (einschließendes „oder“)
Eine Disjunktion φ ∨ ψ ist wahr gdw mindestens eines der beiden Disjunkte φ oder ψ wahr
ist.
Wahrheitstafel:
φ
1
1
0
0
ψ
1
0
1
0
φ∨ψ
1
1
1
0
Beispiele: Hans ist klug oder Maria ist klug.
Hans ist klug oder fleißig.
Kontravalenz (ausschließendes „oder“, d.h. „entweder-oder“)
Eine Kontravalenz φ : ψ ist wahr gdw φ oder ψ wahr ist, aber nicht beide.
Wahrheitstafel:
φ
1
1
0
0
ψ
1
0
1
0
φ:ψ
0
1
1
0
Beispiele: Hans ist klug oder Hans ist dumm.
Hans ist klug oder dumm.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Aussagenlogik (AL)
Materiale Implikation („wenn-dann“)
Eine materiale Implikation φ → ψ ist wahr gdw das Antezedens φ falsch oder das
Konsequens ψ wahr ist.
Wahrheitstafel:
φ
1
1
0
0
ψ
1
0
1
0
φ→ψ
1
0
1
1
Beispiel: Wenn Hans Maria küsst, dann ist Susi eifersüchtig.
?
Welche Differenzen gibt es zwischen der materialen Implikation und dem natürlichsprachlichen Ausdruck wenn ..., dann?
Eine zulässige materiale Implikation ist z.B. 2 + 2 = 5 → Der Mond ist ein Käse. Diese Aussage
ist sogar wahr.
Dagegen ist Wenn 2 + 2 = 5 , dann ist der Mond ein Käse kein wahrer natürlichsprachlicher Satz.
Im Gegensatz zur materialen Implikation drückt wenn ..., dann einen inhaltlichen
Zusammenhang aus.
Es gilt: Wenn der natürlichsprachliche Satz Wenn φ , dann ψ wahr ist, dann ist auch die
materiale Implikation φ → ψ wahr, aber nicht umgekehrt.
Andere Entsprechungen zu φ → ψ sind
• ψ dann, wenn φ
• ψ , falls φ
• ψ vorausgesetzt, dass φ
• φ nur dann, wenn ψ
• ψ ist eine notwendige Bedingung für φ
• φ ist eine hinreichende Bedingung für ψ
Beispiele: Wenn Hans die Prüfungen besteht, dann war er fleißig.
Hans war dann fleißig, wenn er die Prüfungen besteht.
Hans war fleißig, falls er die Prüfungen besteht.
Hans besteht die Prüfungen nur dann, wenn er fleißig war.
‚Dass Hans fleißig war, ist eine notwendige Bedingung dafür, dass Hans die
Prüfungen besteht.’
‚Dass Hans die Prüfungen besteht, ist eine hinreichende Bedingung dafür, dass Hans
fleißig war.’
‚Es ist ausgeschlossen, dass Hans die Prüfungen besteht, ohne dass er fleißig war.’
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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2.1
Wahrheitsfunktionale Konnektoren
Materiale Äquivalenz („genau dann, wenn“)
Eine materiale Äquivalenz φ ↔ ψ ist wahr gdw φ und ψ denselben Wahrheitswert haben.
Wahrheitstafel:
φ
1
1
0
0
ψ
1
0
1
0
φ↔ψ
1
0
0
1
Beispiele: Hans besteht die Prüfungen genau dann, wenn er fleißig war.
Hans besteht die Prüfungen dann und nur dann, wenn er fleißig war.
?
Warum hat (φ → ψ) ∧ (ψ → φ) immer denselben Wahrheitswert wie φ ↔ ψ ?
Negation („nicht“, „es ist nicht der Fall, dass“)
Eine Negation ¬φ ist wahr gdw φ falsch ist.
Wahrheitstafel:
φ
1
0
¬φ
0
1
Beispiele: Hans liebt Maria nicht.
Es ist nicht der Fall, dass Hans Maria liebt.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Aussagenlogik (AL)
2.2 Syntax von AL
[ Gamut 35-41, Partee 99-100 ]
Vokabular von AL
Aussagenvariablen (AV):
Konnektoren:
Technische Hilfszeichen:
p, q, r , p1,... (Leerstellen für einfache Aussagen)
¬, ∧, ∨, →, ↔
(,)
AV sind nicht-logische, Konnektoren sind logische Grundausdrücke von AL. Beliebige
endliche Folgen von Grundausdrücken (z.B. p, q ∧ r , p¬ ↔ rq ) sind Ausdrücke von AL.
Wohlgeformte Ausdrücke von AL sind Formeln von AL.
Syntaktische Regeln von AL
D2.1 Formeln von AL
(1) AV sind Formeln.
(2) Wenn φ eine Formel ist, dann ist ¬φ eine Formel.
(3) Wenn φ und ψ Formeln sind, dann sind (φ ∧ ψ),(φ ∨ ψ),(φ → ψ) und (φ ↔ ψ)
Formeln.
Formeln nach (1) sind atomare Formeln, Formeln nach (2) und (3) sind komplexe Formeln
von AL.
Beispiele: q , (p1 ↔ r ) , (p ∨ ¬p) , ¬((p → q ) ∨ (q → p))
?
Sind die folgenden Ausdrücke Formeln von AL?
((p ∧ ¬p) → q ) , (p ¬ ∨ q ) , ¬¬p , p → q
?
Übersetze folgende Sätze in Formeln von AL.
(1) Es regnet.
(2) Wenn es regnet, dann schneit es nicht.
(3) Hans und Maria sind glücklich.
Bei der Benutzung von formalen Sprachen wird eine strikte Unterscheidung von Objekt- und
Metasprache vorgenommen.
Die Sprache, mit der man über die Sprache redet, heißt Metasprache; die Sprache, über die
man redet, heißt Objektsprache.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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2.2
Syntax von AL
Objektsprache
Metasprache
Verwendung:
Paris
p, q, r ,...
((p ∧ q ) → r ),...
Erwähnung:
„Paris“
„ p “, „ q “, „ r ”,...
„ ((p ∧ q ) → r ) “,...
Metavariablen für Formeln: φ, ψ, χ,...
Beispiel: Instanzen von ((φ ∧ ψ) → φ) sind ((p ∧ q ) → p) ,
((p ∧ (p → q )) → p) und(((p ∧ r ) ∧ (p → q )) → (p ∧ r )) .
Um Formeln zu vereinfachen, werden die folgenden Konventionen zur Klammereinsparung
angewandt:
(1) Außenklammern können weggelassen werden.
(2) Die Bindungsstärke der Konnektoren nimmt in folgender Reihenfolge ab:
¬, ∧, ∨, →, ↔ .
?
Welche Klammern können in folgenden Formeln eingespart werden?
¬ (p ∧ q ) , ((p ∧ q ) ∨ r ) , (p ∧ (q ∨ r )) , (((p ∧ ¬p) → q ) ∨ r )
?
Welche Klammern können in folgenden Formeln gesetzt werden?
¬ p ∧ q , p → q ∨ p , p ∧ q ↔ p ∨ q , ¬p1 ∧ q ∨ p2 → r ↔ p1
Eine Alternative zur Standardnotation von Formeln ist die klammerfreie Polnische Notation
(Jan Ł ukasiewicz, 1878-1956).
?
Standardnotation
Polnische Notation
¬p
p ∧q
p ∨q
p →q
p ↔q
Np
Kpq
Apq
Cpq
Epq
Übertrage ¬ (q → (p ∧ q )) in Polnische Notation.
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Übungen
Übungen
Ü2.1 Sind folgende Ausdrücke Formeln von AL?
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(6 P.)
p
¬q
p ∧q
¬(p → ¬p)
(((r ↔ p) ∨ p)¬r )
(((r ∨ ¬r ) ∧ q ) ↔ ((p ∨ ¬p) ∧ q ))
Zusatz:
(7) (p ∨ q ∨ r )
(8) ((¬p) → q )
(9) ((p ∨ q ) ∧ (r → (q ∨ p))))
(10) ((p ∧ (q ∨ r )) ↔ (((¬p ∨ q ) ∧ r )) → p)
(11) (¬p ∨ (p ∧ q )) → (p ∨ ¬q )
Ü2.2 Beseitige so viele Klammern wie nach den Konventionen zur Klammereinsparung
zulässig ist.
(3 P.)
(1)
(2)
(3)
(¬(p ∧ q ) ∨ (q ∧ p))
(p ∨ ((q → p) ∧ r ))
(p → ((¬q ∧ r ) ∨ s ))
Zusatz:
(4) ((p ∧ ¬(q ∨ r )) ↔ ((p ∨ q ) ∨ r ))
(5) ¬((p ∨ q ) → (p ∧ r ))
(6) ((p → (q ∨ r )) → (p ∧ (q ∨ ¬r )))
(7) (p → (¬p → q ))
Ü2.3 Mache in den folgenden Formeln die Klammereinsparungen rückgängig. (3 P.)
(1)
(2)
(3)
p ∨q ∧r
¬p ∧ q → q ∨ r
p ↔ q ∨ ¬r ∧ s → p
Zusatz:
(4) p → q ∨ r ↔ p ∧ q ∨ ¬r
(5) p ∧ q ∨ ¬p ∧ ¬q
(6) p ∨ q ∧ r → r ∨ q ∧ p
(7) ¬p ∧ ¬¬p → q
Johannes Dölling: Formale Methoden. Institut für Linguistik, Universität Leipzig.
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Übungen
Ü2.4 Übersetze mithilfe wahrheitsfunktionaler Konnektoren.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(6 P.)
p , oder q und p .
Nicht p , sondern q .
Weder p noch q .
q , falls p .
q nur, falls p .
p ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für q .
Zusatz:
(7) q nur dann, wenn nicht p .
(8) Nicht r , vorausgesetzt, dass falls p , so q .
(9) p , statt dass q , falls r , ohne dass s .
Ü2.5 Symbolisiere folgende Sätze in AL.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(5 P.)
20 Jahre lang hat Fred Fords gefahren, aber jetzt fährt er einen Mercedes.
Man kann Klara gebildet nennen, falls sie tschuwaschich lesen kann.
Entweder ist die Linguistik eine Wissenschaft oder eine Ansammlung von
empirischen Daten.
Maria geht nur dann mit Hans aus, wenn er seinen Bart abrasiert und aufhört zu
trinken.
Die Aktien steigen dann und nur dann, wenn das allgemeine Vertrauen in die
Wirtschaft wächst.
Zusatz:
(6) Wenn ich glücklich bin, bin ich nicht unglücklich.
(7) Wenn es regnet, während die Sonne scheint, wird es einen Regenbogen geben.
(8) Wenn Hans seinen Hund sieht, ruft er ihn und gibt ihm, falls er kommt, einen
Knochen.
(9) Vorausgesetzt, dass ich das Spiel verloren habe, wenn ich keinen Zug mehr
machen kann, dann habe ich das Spiel verloren.
Zusatzübungen:
Ü2.6 (a)
Übertrage in Polnische Notation.
(i)
(ii)
(b)
¬p ∧ (¬p → q ) → q
((p ∨ q ) ∧ (q ∨ r )) ∧ (p ∨ q1 )
Übertrage in Standardnotation.
(i)
(ii)
ApCKNpNqKpEqr
AEAKKKpqrp1pqr
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Übungen
Ü2.7 Welche der folgenden Formeln sagt das gleiche aus wie r ∨ ¬p ∧ ¬p → q ?
(r ∨ (¬p ∧ ¬p)) → q
(r ∨ ¬(p ∧ ¬p)) → q
r ∨ (¬((p ∧ ¬p) → q ))
(r ∨ ¬p) ∧ ¬(p → q )
(1)
(2)
(3)
(4)
Ü2.8 Welche der folgenden Formeln sind atomare Formeln, Negationen, Disjunktionen,
Konjunktionen, materiale Implikationen, materiale Äquivalenzen?
¬p ∨ q
p
¬¬p ↔ p
p ∧ q ∨ p ∧ ¬q
p → q ∨ ¬q
( p → q ) ∨ ¬q
¬¬p
p ∧ (q ∧ p ∨ r )
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
Ü2.9 Was sind jeweils adäquate Negationen der folgenden Sätze?
(1)
Dozenten sind zu Studenten freundlich.
(a)
(b)
(c)
(d)
(2)
Nicht Dozenten sind zu Studenten freundlich.
Dozenten sind zu Studenten nicht freundlich.
Dozenten sind nicht zu Studenten freundlich.
Dozenten sind zu Studenten unfreundlich.
Peter ist im Kino oder in der Kneipe.
(a) Peter ist nicht im Kino oder nicht in der Kneipe.
(b) Peter ist weder im Kino noch in der Kneipe.
(c) Peter ist nicht sowohl im Kino als auch in der Kneipe.
Ü2.10 Übersetze mit p für Peter kommt und q für Quintus kommt.
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
(9)
(10)
Peter und Quintus kommen.
Peter kommt nicht, aber Quintus kommt.
Wenn Peter kommt, dann kommt auch Quintus.
Peter kommt oder er kommt nicht.
Peter kommt ohne Quintus.
Peter kommt, obwohl Quintus kommt.
Peter und Quintus kommen beide nicht.
Peter und Quintus kommen nicht beide.
Peter kommt mit Quintus oder beide kommen nicht.
Peter kommt nur, wenn Quintus nicht kommt.
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Übungen
Ü2.11 Ist der Satz Wenn Hans ein Auto fährt und es ein Sportwagen ist, dann ist es ein Jaguar identisch
mit (a) oder (b)?
(a)
(b)
(h → s ) → j
h → (s → j )
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