DEUTSCHE MEDICINlSCH WOCIIENSCHRIFT. No. 35 Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 792 VI. Referate und Kritiken. J'. y. Kries. Studien zur Puislehre. Freiburg i. Mohr, 1892. Ref. P. Grützner (Tübingen). B., J. O. B. Der Verfasser bespricht in diesen ausgezeichneten und wichtigen Studien eine längere Reihe von Untersuchungen, die er durch geraume Zeit über besagtes Thema angestellt hat. Ohne hier in Einzelheiten einzugehen, dürfte Folgendes den Leser am meisten interessiren. An die Theorie der Sclilauchwellen, welche im ersten Kapitel und in einem besonderen Anhange theoretisch (mathematisch) und praktisch behandelt wird, schliesst sich die Besprechung der Grundform des Arterienpulses und der dikrotischen Er- hebung. Namentlich wird die Entstehung der letzteren auf das Ueber sie herrschen im allgemeinen zwei Anschauungen, indem der eine Theil der Forscher sie wesentlich als eine durch Reflexion an der Peripherie erzeugte Welle auffasst Genaueste besprochen. (wie V. Kries selbst und y. Frey), während andere (wie Fick, 1. September. DEUÏSChll lEDlCÏÑlÙlTl WÖciilÑsÖitluFT. Bernstein, Blirthie) ihr eine centrale, cl. h. im Herzen selbst gelegene Ursache zuschreiben. Zunüchst istsoviel sicher, dass die dikro- tische Welle oder der Nebenschlag, wie y. I(ries die Erscheinung 793 finden und nun kräftig anspannen, wodurch der zweite Herzton erzeugt wird. zu nennen vorsch1ägt vom Centrum (dem Heizen) nach der Peripherie verläuft. Diese Welle entsteht aber iiicht primär im Herzen, sondern erst durch secunthire Reflexion. Die Hauptwelle des Puises brandet nämlich an den kleinen Gefässen, wird von da nach dem Centrum zurückgeworfen und von hier, d. h. von den schon geschlossenen Semilunarkiappen wieder centrifugal nach der Peripherie geschleudert. Wären die K1appn iiicht geschlossen oder sind sie in hohem Maasse insufficient, so kommt es nicht zu dieser zweiten Reflexion, die dikrotische Erhebung ist nicht vorhanden, wie Geig1 kürzlich zeigte. Dass thatsich1ich jene Reflexion an der Peripherie des gesarumten Arteriensysterns (d. h. den Capillaren) erfolgt, schliesst V. Kries aus einer Reihe hier nicht näher zu beschreibender Ver suche, welche alle daraul hinauslaufen, dass die Geschwindigkeit des Blutstroms in grösseren Arterien unmittelbar nach ihrem Ilhepunkt bedeutend herabsinkt, während der Druck dies nicht thut. Diesen Reflexionen an der Peripherie wird nun auch die Eutstehung der sogenannten Elasticitätselevationen von Laudois zugeschrieben, d. h. der kleineren zwischen Hauptgipfel und dikrotischer Erhebung zu hemerkenden Gipfel (von y. Kries Zwischenschläge genannt), sowie der anderen kleinen Gipfel. die entweder dem Hauptschlag vorausgehen und iii den aufsteigenden Schenkel der Puls- oder etwa der dikrotischeii Erhebung noch nachfolgen (Nachs c h Ia g e). Auch die überaus verschiedene Gestalt des Pulses in der Carotis und Cruralis, auf die verschiedene Forscher aufmerksam gemacht haben, findet ihre einfachste Erklärung in jenen Reflexionen, desgleichen der erscIiiedeiie Puls in ein und derselben Arterie bei verschiedener Haltung des Gliedes, Erwùrinuug oder Abkühlung d sselben, Wirkung von Anyluitrit und dergleichen mehr. Die genauere Untersuchung ergiebt beispielsweise, dass bei gesenktem Arm eine verhältuissmïssig geringe, bei gehobenem Arm eine viel stärkere Reflexion der Welle stattfindet. Im ersten Fall ist der Puls der Radjahs stark doppelschlägig, im zweiten hat er einen Vorschlag, ist anakrot. Die gegen diese Darstellung gemachten Einwände, dass der Puls in einer Arterie sich nicht oder kaum ändert, wenn man sie selbst oder andere Arterien abbindet oder comprimirt, werden da iiiit erledigt, dass als Reflexgebiet immer das gesammte arterielle Gefässsystein, beziehungsweise sein Uebergang in die Capillaren angesehen werden muss, und nicht nothwendig die Ausschaltung eines verh ältnissmässig kleinen Bezirkes eine deutlich nachweisbare Aenderung der Pulscurve dieser oder gar einer entfernten Arterie bewirken muss. Selbstverständlich wird die reflectirte Welle, weil von sehr verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten refiectirt, hochgradig deformirt und in die Länge gezogen, ähnlich wie nach des Referenten Auseinandersetzungen an anderer Stelle ein einziger Schuss, von vielen Felswänden reflectirt, zum Donner wird. Statt aller dieser vielfachen Reflexionsatellen kann man übrigens, da die meisten von ihnen eine gewisse mittlere Entfernung vom Herzen haben, diese eben als ausschlaggebend annehmen. Durch diese Auseinandersetzungen ist zugleich die andere Annahme über die Entstehung der dikrotischen Erhebung widerlegt, die nur in centralen Ursachen und wesentlich darin gefunden wurde, dass beim Nachlassen der Systole des Herzens eine gewisse Menge Blut in das Herz zurückströmt, die Semilunarklappen sich schliessen und dadurch die rückgängige Blutbewegung aufgehalten und in eine entgegengesetzte verwandelt wird. Hierdurch sollte die sogenannte Rlappenschlusswelle, welche der dikrotischen gleich gesetzt wurde, entstehen. Wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass ein derartiger Rückstrom eine negative und darauf folgende positive, vom Herzen ausgehende Welle erzeugen kann, so wäre eine derartige Welle viel zu geringfügig, und könnte das verhältnissmässig bedeutende Absinken cIes Pu!ses von seinem Maximum, namentlich bei stark ausgesprochener Dikrotie unter keinen Umständen erklären. Ja es ist bei der Vollkommenheit und Zweckmässigkeit eines Apparates, wie des menschlichen Herzens von vornherein anzunehmen, dass überhaupt gar kein Blut aus den Arterien in den Ventrikel :zurückströmt, und dass sich die Verhältnisse folgendermaassen gestalten. Wenn am Ende der Systole die letzten Reste von Blut ans dein Ventrikel in die Gefässe getrieben werden, muss eine wenn auch noch so kurze Zeit, ehe der Druck in den Arterien über den- :jenigen in dem Ventrikel sich erhebt, ein Moment eintreten, in welchem beide Drücke einander gleich sind. Während dieser kurzen Zeit, die man als Verh arrungszeit ansehen kann, sind die arteriellen Klappen so zu sagen in ,,labilem Gleichgewicht"; der geringste Ueberdruck auf der arteriellen Seite, etwa bedingt durch einen geringen Wirbel oder den kleinsten Rückstrom an der Wand der grossen Gefässe, muss die Klappen schliessen, die jetzt erfolende Erschlaffung des Ventrikels sie also schon geschlossen vor- Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. curve fallen (anakrot nach Landois, Vorschläge nach y. Kries)