MEISSNER ZEITUNG |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||| M O NTAG 19. MAI 2014 S TA D T U N D L A N D 13 ||||||||||||||||||||| SÄCHSISCHE ZEITUNG Rottet der Waschbär die Lachmöwen aus? Bei der Wintervogelzählung wurden keine Möwen mehr entdeckt. Ein schlimmer Verdacht liegt nahe. Von Bernd Katzer Gute Besserung: Am Tag, an dem Marina Findeisen nach einer Innenohrentzündung aus dem Riesaer Elblandklinikum entlassen wird, testet der HNO-Arzt Dr. Foto: Claudia Hübschmann André Ulmer ihr Gehör im Labor. Badeurlaub sollte sie in diesem Jahr noch nicht machen – es könnten neue Infektionen verursacht werden. Wenn plötzlich nur noch Stille ist Dr. André Ulmer ist Experte für das, was sich im Ohr abspielt. Kaum ein Organ ist so vielschichtig und komplex, findet er. A lles begann Ende April mit einer Erkältung. „Ich war sehr geschwächt und dachte, ich hätte eine Grippe“, erinnert sich Marina Findeisen. Die 55-jährige Berufsschullehrerin aus Glaubitz versuchte es mit Hausmitteln. Doch Salbei und Tee halfen nichts. Im Gegenteil, es wurde schlimmer – und ging auf die Ohren über. Der Hausarzt verschrieb Antibiotika. Eines Morgens, als sie ins Bad ging, hörte sie das Geräusch des Wasserhahnes nicht. Beim Frühstück fragte sie ihren |||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Die Gesundmacher |||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Eine Serie der Sächsischen Zeitung Mann: „Hast du Musik angemacht?“ Er bejahte. Sie hörte nichts. Da bekam sie es mit der Angst zu tun. Den ersten Mai verbrachte sie im Bett. Am Tag darauf suchte sie im Telefonbuch nach einem Spezialisten. Doch es war ein Brückentag – sie erreichte keinen Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Außer im Elblandklinikum Riesa. Nachdem der Oberarzt Dr. André Ulmer die Patientin untersucht hat, behält er sie gleich da. Als Erstes kommt Marina Findeisen in einen kleinen Raum mit schalldichten Wänden. Anhand von zwölf verschiedenen Messverfahren kann dort das Gehör getestet werden. 60 Dezibel kann sie zu dem Zeitpunkt wahrnehmen. Das ist in etwa die Lautstärke einer Nähmaschine oder eines Gruppengesprächs. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist für André Ulmer die Diagnose klar: Labyrinthitis, das ist der Fachbegriff für Innenohrentzündung. „Bei einer Mittelohrentzündung hört man auch schlechter, aber man ist nicht wie taub.“ Die Patientin sei zur richtigen Zeit gekommen, sagt der Arzt. Denn ambulant ist eine Innenohrentzündung schwer zu erkennen. Hervorgegangen war die Krankheit bei Marina Findeisen aus einer klassischen Mittelohrentzündung. Die hatte sie auf beiden Ohren; aber nur rechts waren Viren oder Bakterien ins Innenohr gelangt. Also dorthin, wo die Gehörschnecke den Schall in Nervenimpulse umwandelt und ans Gehirn weiterleitet. Deshalb ist die Innenohrentzündung so gefährlich: Es besteht das Risiko, dass das Ohr taub wird. „Meine Nerven lagen blank“, sagt Marina Findeisen im Rückblick. Sie hatte zuvor noch nie Probleme mit den Ohren gehabt. In ihrem Job als Lehrerin ist sie – neben ihrer Stimme – vor allem auf ihr Gehör angewiesen. Im Krankenhaus bekommt sie einen Trommelfellschnitt, der dafür sorgt, dass die Flüssigkeit aus dem Ohr austritt. Gleichzeitig muss sie Antibiotika und Cor- tison nehmen. Am 8. Mai wird sie aus dem Krankenhaus entlassen. Da hat sich ihr Gehör schon merklich gebessert, auch wenn sie in Gesprächen immer noch stark auf die Lippenbewegungen ihres Gegenübers achtet. Sie nimmt nun wieder 30 Dezibel wahr – die Lautstärke von Flüstern. Das Ticken einer Armbanduhr oder ein raschelndes Blatt kann sie noch immer nicht hören. Noch ist auch nicht abzusehen, ob ihr Gehör langfristig Schaden genommen hat. Möglich ist es. Dann, so sagt André Ulmer, müsste man über ein Hörgerät nachdenken. Um den Hörsinn nicht weiter verkümmern zu lassen, sondern zu trainieren. Der junge Arzt mit der ruhigen, überlegten Art plädiert für mehr Sensibilität, wenn es um das Gehör geht. „Viele nehmen solche Probleme nicht richtig ernst“, sagt er. Jeder vierte oder fünfte Deutsche habe eine langfristige Hörstörung. Oft hervorgerufen durch Hörstürze oder Besuche in zu lauten Diskotheken. Fatal seien auch Kopfhörer, die ins Ohr gesteckt werden, sogenannte In-Ear-Kopfhörer – weil der |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Von Anna Hoben Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Riesa p Konservative HNO-Heilkunde: allgemein akzeptierte Standard-Verfahren bei Störungen der Innenohrfunktion (z. B. Hörsturz), des Gleichgewichtsorgans und bei Gesichtsnervenlähmungen p Funktionsabteilung für Otoneurologie und Vestibularisdiagnostik: Diagnostik verschiedener Krankheitsbilder des Hör- und Gleichgewichtsorgans als auch zur Abgrenzung hirn- und wirbelsäulenbedingter Störungen p Kooperation mit Nachbardisziplinen: z.B. Unfallchirurgie, Neurochirurgie und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie; Versorgung ausgedehnter Mittelgesichtsfrakturen, Schädelbasistraumatologie p Operative Verfahren: mikrochirurgische, minimalinvasive Techniken der Ohrchirurgie, Neuromonitoring (permanente intra- operative Überwachung) von Nerven, vor allem in der Hals- und Speicheldrüsenchirurgie, Chirurgie der Nasennebenhöhlen und der Schädelbasis durch die Nase ohne kosmetisch entstellende Eröffnung von außen, Tumorchirurgie im Hals-, Kopf- und Gesichtsbereich, ästhetische Operationstechniken in der kosmetischen Gesichtschirurgie (Lasertechnik) Quelle: Elblandkliniken Schall dabei direkt und ohne Dämpfung über den Knochen ins Ohr geht. In seiner Freizeit spielt er E-Piano, da trägt er auch Kopfhörer, aber keine In-Ears. Während seiner Schulzeit in Hoyerswerda war André Ulmer von Naturwissenschaften begeistert. Lieblingsfächer: Biologie, Chemie, Physik. Ein Praktikum in einer HNO-Praxis festigte den Wunsch, Arzt zu werden. Während des Studiums in Dresden fächerten sich die Interessen in alle Richtungen auf; doch am Ende landete er wieder in der HNO-Abteilung. 2008 kam er ans Elblandklinikum in Riesa. „Ich wollte im Dresdner Umland bleiben.“ Mit seiner Frau und zwei Kindern wohnt er heute in Dresden. „Wir mussten uns entscheiden, ob meine Frau pendelt oder ich.“ Wer nichts hört, ist ausgeschlossen Der 32-Jährige ist fasziniert von der Bandbreite an Patienten und Fällen, mit denen er in seinem Beruf zu tun hat. Von dem Neugeborenen, das er auf Auffälligkeiten untersucht, bis hin zur vierstündigen Tumoroperation. Oder dem 90-Jährigen, der mit einer Gehörgangsentzündung kam, die furchtbar schmerzte. André Ulmer entdeckte, dass durch eine Diabeteserkrankung die Immunabwehr so geschwächt war, dass die Entzündung begonnen hatte, den Knochen aufzufressen. Der Mann musste vier Mal operiert werden. Marina Findeisen ist froh und dankbar, dass es ihr schon viel besser geht. Was sie durchgemacht hat, möchte sie nicht noch einmal erleben. „Wer nichts hört, ist ausgeschlossen von der Welt.“ Ihre Achtung vor Menschen, die Probleme mit dem Gehör haben, ist gewachsen. Sie versteht es nicht, wenn jemand seinen Hörsinn leichtsinnig aufs Spiel setzt. So wie die zwei Schüler von ihr, die kürzlich nach einem Heavy-MetalKonzert zwei Tage krank waren. Landkreis. Die Wintervogelzählung vor wenigen Wochen hat einige Besonderheiten gezeigt. Darüber berichteten jetzt Vogelkundler und -freunde im Kreis. So musste die Lachmöwen-Zählung in Zschorna am Stausee hinter Radeburg ausfallen, weil offenbar keine Lachmöwen mehr da waren. In den vergangenen Jahren hatten Beobachter auf den Inseln in Zschorna bis zu 3 000 Brutpaare Lachmöwen und bis zu acht Brutpaare Schwarzkopfmöwen gezählt. Bis 2012 war Zschorna die größte Lachmöwenkolonie in Sachsen. Seit 32 Jahren hat es dieses Jahr erstmalig keine Zählung gegeben. Die Vogelfreunde fragen sich nach den Ursachen. 2013 ließen die Waschbären nur etwa 100 junge Lachmöwen übrig. Das heißt, dass fast alle jungen Lachmöwen von den Waschbären gefressen wurden, sogar Altvögel beider Arten. Eine andere Erklärung des Fehlens der Möwen, sehen Ornithologen kaum. Ebenso ist der Waschbär nach ihren Angaben für das Verschwinden der Graureiherkolonie auf der Gauernitzer Insel verantwortlich. Die Kormorane betrifft dies nicht, da sie dort nicht brüten. Die Kormorane nutzen die Gauernitzer Insel nur als Schlafplatz im Winterhalbjahr . Die Vogelkundler rufen vor diesem Hintergrund auf, mehr zur Bekämpfung des Allesfressers zu tun. Den Jägern müsse für ihre Mühe bei der Bekämpfung des Waschbären ein Lob ausgesprochen werden. Insgesamt beteiligten sich an der Wintervogelzählung im Landkreis Meißen 123 Vogelfreunde. Sie zählten in 86 Gärten zusammen über 3 200 Vögel. Und das trotz des eiskalten Wetters zum Zeitpunkt der Zählung. POLIZEIBERICHT |||||||||||||||||||||||||||||||||||||| Sattelzugmaschine entwendet Klipphausen. Eine gesichert abgestellte Sattelzugmaschine, Daimler-Benz, mit einem leeren Sattelauflieger entwendeten Unbekannte in der Nacht zum Sonnabend aus dem Gewerbegebiet Klipphausen Es entstand ein Schaden in Höhe von etwa 70 000 Euro. (SZ) Diebstahl von zwei Kleintransportern scheitert Radeburg. Einen gesichert abgestellten silbergrauen VW T5 Caravelle entwendeten Unbekannte von einem Parkplatz am Meißner Berg. Der Wert des sechs Jahre alten Fahrzeuges beträgt etwa 25 000 Euro. Bei zwei weiteren Fahrzeugen, ein VW T4 und einen Mercedes Sprinter, scheiterte der Diebstahl. (SZ) Schwarzen VW Passat gestohlen Radebeul. Unbekannte entwendeten einen auf der Serkowitzer Straße gesichert abgestellten schwarzen Pkw VW Passat im Wert von etwa 6000 Euro . (SZ) Verbotene Liebe Gerichtsbericht Ein 24-jähriger Meißner hat mindestens dreimal Sex mit einer Zwölfjährigen. Darauf stehen zwei Jahre Haft – pro Tat. Von Jürgen Müller „Kann die Liebe Sünde sein?“ sang schon Zarah Leander vor rund 80 Jahren. Sie kann, und nicht nur das. Liebe kann auch ein Verbrechen sein. Dann nämlich, wenn einer der Partner noch ein Kind, also jünger als 14 Jahre alt ist. Darauf stehen laut Strafgesetzbuch mindestens zwei Jahre Gefängnis, für jedes Mal. Genau das wird dem heute 25 Jahre alten Meißner vorgeworfen. Mindestens dreimal soll er mit einem damals zwölfjährigen Mädchen Geschlechtsverkehr gehabt haben. Er streitet das nicht ab. „Es war Liebe“, sagt er. Und auch, dass das Kind erst zwölf Jahre alt war, hat er gewusst. Nicht gewusst hat er, dass er sich dadurch straf- bar, eines Verbrechens schuldig macht. Er zeigt ehrliche Reue. „Ich bin mit einem sehr schlechten Gewissen in die Verhandlung gekommen und weiß, dass das nicht gut ausgeht“, sagt er. Der Schwester ausgespannt Kennengelernt hat er das Mädchen in einem Internet-Forum. Nachdem sich die beiden einige Zeit geschrieben haben, fährt er nach Chemnitz. Die Eltern des Mädchens hätten nichts dagegen gehabt, dass die Zwölfjährige mit ihm, dem doppelt so alten Mann, mit nach Meißen fährt, sagt er. Im Kinderzimmer der Wohnung seiner Mutter, bei der er immer noch lebt, ist es dann passiert. Insgesamt dreimal hätten sie einvernehmlichen Sex gehabt. „Sie wollte es auch, hatte vor mir schon Geschlechtsverkehr“, sagt der Angeklagte. Sicher ist es ungewöhnlich, dass sich die beiden trotz des großen Altersunterschieds offenbar verstehen. Das Mädchen ist zumindest körperlich für sein Alter weiter entwickelt, der Angeklagte, der nur einen Hauptschulabschluss hat, eher zurück- geblieben. Das zeigt sich auch an den Freizeitaktivitäten der beiden. Sie haben sich vor allem Filme angeschaut, Comics und Horrorstreifen. Gesprochen haben sie offenbar wenig miteinander. „Wir wussten nicht, worüber wir uns unterhalten sollten“, sagt der junge Mann. Plötzlich macht die junge Frau mit ihm Schluss. Das Mädchen hat sein Ziel erreicht, den „Konkurrenzkampf“ mit der älteren Schwester gewonnen. Mit der nämlich hatte sich der Angeklagte zuvor geschrieben. Die Zwölfjährige hat ihn ausgespannt und mit ihm geschlafen. Für sie ist es offenbar aufregend, mit einem Jungen zu gehen, der doppelt so alt ist wie sie. Im Alter kehrt sich so was ja manchmal um. Gerne suchen sich dann ältere Frauen jüngere Männer. Sehr innig kann das Verhältnis zumindest von ihrer Seite aus nicht gewesen sein. „Vor dem Valentinstag ist sie fremdgegangen“, sagt der junge Mann und beschreibt seine Ex-Freundin als zickig und extrovertiert. „Wenn sie etwas wollte, hat sie immer ihren Willen durchgesetzt.“ Dennoch, abfinden will er sich mit der Trennung nicht. „Ich wollte mit ihr reden, die Gründe für die Trennung wissen“, sagt der junge Mann. „Was gibt es da nicht zu verstehen, wenn eine Frau nein sagt“, will die vorsitzende Richterin Ute Wehner wissen. Gegenfrage: Was gibt es da nicht zu verstehen, wenn jemand die Gründe einer für ihn völlig unerwarteten, unerklärlichen, demütigenden, einseitig getroffenen Entscheidung wissen will? Dass er von der jungen Dame für dumm verkauft wird, treibt den Angeklagten beinahe in den Wahnsinn. Jedenfalls versucht er, sie immer wieder anzurufen, veranstaltet einen regelrechten Telefon-Terror. „Körperlich Frau, im Kopf ein Kind“ Madam Zickig aber will nicht reden. Für sie ist die Sache abgehakt, sie hat einen neuen Freund. Was andere denken und fühlen, ist ihr offenbar völlig egal. Auch, was mit dem Angeklagten wird, ist ihr schnuppe. Der Ausgang der Verhandlung interessiert die mittlerweile 14-Jährige nicht. Gleich nach ihrer Zeugenvernehmung verlässt sie den Saal. Ihr Stiefvater hat sie treffend beschrieben: „Körperlich eine Frau, im Kopf ein Kind.“ Staatsanwalt Ralf Grunenberg zeigt großes Verständnis für den Angeklagten. Im Gegensatz zu ähnlichen Taten sei hier der Altersunterschied nicht ausgenutzt worden. „Es war eine Liebesbeziehung. Bei der Geschädigten sind keine bleibenden psychischen Schäden zu erwarten“, sagt er und spricht von einem minderschweren Fall. Dadurch wird das Strafmaß beträchtlich reduziert. Der Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Verteidiger Ralf Petzold, der mit einer unbedingten Haftstrafe für seinen Mandanten gerechnet hatte, ist überrascht von dem Antrag. „Ich habe den Ausführungen des Staatsanwaltes nichts hinzuzufügen“, sagt er. Das hat auch das Jugendschöffengericht nicht. Es verurteilt den Meißner zu der beantragten Strafe. Als Bewährungsauflage muss er 150 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten.