1 SWR2 MANUSKRIPT SWR2 Musikstunde Fürst Igor - Strawinsky (4) Ein besonderer Heiliger Mit Bernd Künzig Sendung: 20. Juli 2017 Redaktion: Dr. Bettina Winkler Produktion: SWR 2017 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 SWR2 Musikstunde mit Bernd Künzig 17. Juli – 21. Juli 2017 Fürst Igor - Strawinsky (4) Ein besonderer Heiliger Signet mit Bernd Künzig und Fürst Igor (Strawinsky), der sich heute als ein besonderer Heiliger erweisen wird. Indikativ Die geistliche Musik nimmt im Werk des Komponisten Igor Strawinsky einen gewichtigen Platz ein. Besonders Mitte der 1920ger Jahre bezeichnete er sich selbst als strengen Anhänger der christlichen Orthodoxie. Die Rückkehr in den Schoss der Kirche hatte sowohl persönliche, als auch gesellschafts-politische Gründe. Strawinsky galt als ein typischer Weißrusse, der aus seiner Verachtung der roten Revolution in Russland nie einen Hehl gemacht hat. Zu Zeiten des kalten Kriegs musste er sogar für den ideologischen Kulturkampf herhalten. Auf der Weltfriedenskonferenz in New York 1949 provozierte der mit Strawinsky befreundete Komponist Nikolas Nabokov den aus der Sowjetunion abgeordneten Dmitri Schostakowitsch. Er wusste, dass dieser ein großer Bewunderer des emigrierten Komponisten war und fragte, ob er denn dem Parteivorwurf der formalistischen Nutzlosigkeit der Werke Strawinskys zustimmen würde. Unter den gestrengen Augen der ihn begleitenden Politkommissare blieb Schostakowitsch fast nichts anderes übrig, als dem zuzustimmen. Die Begegnung zwischen Schostakowitsch und Strawinsky während dessen einziger Reise 1962 in die Sowjetunion sollte auf beiden Seiten merkwürdig einsilbig verlaufen. Für den tief Gläubigen blieb die UDSSR als Land des staatlich verordneten Atheismus die entfremdete Heimat. Die christliche Orthodoxie war somit ein Stück Heimat, das der Entwurzelte wie seine Ikonen dorthin mitnehmen konnte, wohin er sich wenden sollte. Die musikalischen 3 Auseinandersetzungen mit dieser Heimat waren aber keineswegs orthodox. Bereits die frühe monumentale Chorkantate „Le roi des étoiles“ ist ein eigentümliches religiöses Bekenntnis, das auf dem apokalyptischen Gedicht des symbolistischen Dichters Konstantin Balmont basiert. Strawinsky, der gewisslich kein Anhänger der Musik Richard Wagners war, langweilte sich im Jahr vor der Komposition der Kantate bei den Bayreuther Festspielen 1912 tödlich bei einem Besuch des „Parsifal“ mit seiner Abendmahlsandacht im ersten Akt. Seinen Besuch bilanzierte er mit den Worten: „Ich habe meine Bedenken, wenn man eine Theateraufführung auf die gleiche Ebene stellt mit der heiligen, symbolischen Handlung des Gottesdienstes.“ Dennoch näherte er sich mit seiner Kantate den so beliebten kunstreligiösen Strömungen der Jahrhundertwende an, wie sie auch in vollkommen anders gearteten Werken Claude Debussys oder Arnold Schönbergs aus jener Zeit ihre Spuren hinterlassen hatten. Musik: Le Roi des etoiles The Cleveland Orchestra and Chorus Leitung: Pierre Boulez DGG 00289 477 8733 LC 0173 (5:30) Das Cleveland Orchestra und sein Chor unter der Leitung von Pierre Boulez mit “Le roi des étoiles“ aus dem Jahr 1913. Die religiöse Einkehr Strawinskys seit 1925 sollte auch Werke wie den „Oedipus rex“ oder das mit dem Dichter André Gide verfasste Melodram „Persephone“ prägen. Das antike Selbstopfer des Königs zur Rettung der Stadt Theben oder die Wiederkehr der mythischen „Persephone“ aus dem Hades waren dabei nichts anderes als Vorläufer der christlichen Symbolik. Und das Opfer des Ödipus und die Symbolik der Persephone als Bringerin des Frühlings und der wiedererwachten Natur, verbindet das Opernoratorium und das Melodram bereits mit Strawinskys bekanntestem und erfolgreichstem Werk „Le Sacre du printemps“, dem sogenannten Frühlingsopfer. Der Untertitel des Balletts weist es zwar als heidnisches Bild aus, die Rituale aber, die Strawinsky in vielen seiner Kompositionen umzusetzen versuchte, bilden die 4 gemeinsame Basis dieser so differenten Werke. Derartige Ritualisierungen prägen nun auch ein Werk, welches dem Titel gemäß zunächst wie ein Stück absoluter, sinfonischer Musik erscheint. Doch lediglich das frühe Abschlussstück seiner Studienjahre bei Rimsky-Korsakow, die Sinfonie in Es-Dur, erfüllt diese Kategorie. Die Bläsersinfonien von 1920, die die russische Phase beschließen, haben mit der sinfonischen Form nichts zu tun. Und so ist auch die zwischen „Oedipus rex“ und „Persephone“ komponierte „Symphonies des Psaumes – die Psalmensinfonie“ eher ein Chorwerk mit religiöser Dimension, als ein Repräsentant von Strawinskys Auseinandersetzung mit der absoluten Musik. Die sollte erst mit der späteren „Symphony in C“ stattfinden. Obwohl Strawinsky mit Werken wie dem „Oktett“ und dem Ballett „Apollon musagète“ die russische Phase längst hinter sich gelassen hatte, knüpft die „Psalmensinfonie“ mit ihrer dominierenden Bläserbesetzung und ihren langen Linien aus geschichteten, harmonisch eingefärbten Akkorden an die „Symphonies d’instrument à vents“ an. Das Ostinato im Allegroteil des Schlusssatzes erinnert an die gewalttätigen Passagen des „Le Sacre du printemps“. Manche Interpreten sprechen hier sogar von „skythischen Elementen“, die darin aufscheinen würden. Doch auch Strawinskys mit dem Oktett einsetzende verstärkte Beschäftigung mit kontrapunktischer Komposition in seiner nachrussischen Phase ist hier aufgegriffen. Das Stück endet schließlich mit einem ritualhaften Schreiten des Lobgesangs „Laudate“, unterstützt von einem regelmäßigen Puls der Pauke. Dies ist auskomponierte Ewigkeit von berückender Schönheit. Die Bläserharmonien entfalten die Farbigkeit von Fenstern in gotischen Kathedralen. Wie hören den Rundfunkchor Berlin und die Berliner Philharmoniker. Der Dirigent ist Pierre Boulez. Musik: Symphonies des psaumes – 3. Alleluia Rundfunkchor Berlin; Berliner Philharmoniker Leitung: Pierre Boulez DGG 00289 477 8734 LC 0173 (10:39) 5 Die 1930 abgeschlossene „Symphonie des Psaumes“ ist trotz der Vertonung von Versen aus den biblischen Psalmen keine sakrale Musik, sondern ein Werk für den Konzertsaal, das zum 50jährigen Bestehen des Boston Symphony Orchestras entstand. Doch Strawinsky betonte in der Widmung, dass er es zum „Ruhme Gottes“ komponiert habe. Erst am Ende des zweiten Weltkriegs sollte er sich erstmals mit einer Messevertonung den kirchlichen Riten kompositorisch annähern. Die Komposition der halbstündigen „Mass“ beschäftigte Strawinsky für ungewöhnlich lange Zeit zwischen 1944 und 1948. Aber auch sie ist ein Werk, das zwischen der nachrussischen Phase und den Vorläufern eine kompositorische Verbindungslinie zieht. Die Besetzung mit Chor und einem reinen Bläserensemble blickt erneut auf die „Symphonies d’instrument à vent“ zurück. 1947, während der Komposition an der „Mass“, revidierte Strawinsky die Bläsersinfonien und stellte eine in zahlreichen Details abweichende zweite Version her. Wie dort dominieren auch in „Mass“ die statischen Akkordschichtungen der Bläser, die so charakteristisch sind für das vertikale Komponieren Strawinskys. Um 1943 spielte er einige der Messen Mozarts auf dem Klavier. Mit der ihm eigenen Ironie charakterisierte er sie als Erscheinungen einer „opernhaften Rokoko-Süße der Sünde“. „Mass“ hingegen ist ein Zeugnis der kalten Gläubigkeit. Wie die Kirchen ist sie aus kaltem Stein gebaut. Und in ihrer polyphonen Strenge nähert sie sich der alten Musik an. Die Musik Guillaume de Machaults und der mittelalterlichen Ars Nova sollte er aber erst nach Vollendung von „Mass“ kennenlernen. Dennoch bleibt der archaische Gestus dieser Musik klar erkennbar. Der Trinity Boys Choir und der English Bach Festival Chorus singen das Kyrie aus „Mass“. Sie werden begleitet von Mitgliedern des English Bach Festival Orchestras. Die Leitung hat Leonard Bernstein. Musik: Mass - Kyrie Trinity Boys Choir; English Bach Festival Chorus Members of the English Bach Festival Orchestra Leitung: Leonard Bernstein DGG 479 4650 LC 0173 (3:13) 6 Das nächste Werk nach “Mass” sollte Strawinskys einzige abendfüllende Oper „The Rake’s progress“ werden. Die Uraufführung fand im Rahmen der Biennale von Venedig 1951 im Teatro La Fenice statt. Kompositorisch sollte Strawinsky vier Jahre später mit seiner nächsten geistlichen Komposition nach Venedig zurückkehren. Der 1955 entstandene „Canticum sacrum“ ist nun keine rituelle Gebrauchsmusik für den Gottesdienst, sondern eine kompositorische Auseinandersetzung mit dem venezianischen Markusdom, in dem er ein Jahr später auch uraufgeführt wurde. In der einleitenden Dedicatio wird die Stadt Venedig von den beiden Solisten direkt besungen. Die Architektur des Doms mit seinem Querschiff, den zahlreichen Seitenkapellen und Balkonen hat sich in die Komposition direkt eingeschrieben. Auch das Trompetengeschmetter des „Euntes in mundum“ wirkt wie eine Reminiszenz an die Mehrchörigkeit, die von Giovanni Gabrieli in der Renaissance für den Dom geschrieben wurde. An mehreren Stellen setzt Strawinsky Haltetöne der tiefen Instrumente ein, über denen die hohen Töne weggleiten und die Basstöne den Klangraum zum sakralen Echoraum vergrößern. In der Tat ist der „Canticum sacrum“ für einen modernen Konzertraum ungeeignet. Hat sich in „Mass“ der kalte Stein der Kirchen eigeschrieben, so ist der „Canticum Sacrum ad honorem Sancti Marci Nominis“ für diesen geschrieben. Wir hören den Anfang mit Richard Morton, Tenor, Marcus Creed, Bariton, dem Chor der Christ Church Cathedral Oxford und dem Philip Jones Ensemble unter dem Dirigat von Simon Preston. Musik: Canticum sacrum – Dedicatio und Euntes in mundum Richard Morton, Tenor; Marcus Creed, Bariton; Chor der Christ Church Cathedral Oxford Philip Jones Ensemble Leitung: Simon Preston DGG 479 4650 LC 0173 (2:57) Als Strawinsky den “Canticum sacrum” komponierte, hatte er nach seiner letzten Oper “The Rake’s progress” seinen Kompositionsstil noch einmal radikal geändert und erneuert. 7 Nach einer tiefen Krise begann er mit Hilfe seines jungen Assistenten Robert Craft mit Zwölftonreihen zu arbeiten. Dazu mehr in der letzten Folge unserer Strawinsky-Musikstundenwoche. Der „Canticum sacrum“ ist nicht durchgängig eine Zwölftonkomposition, die nächste geistliche Komposition „Threni“ von 1957 dagegen von Anfang an. Dem Werk liegen die Wehklagen des Jeremias zugrunde. Ästhetisch scheint Strawinsky von allem was hinter ihm lag, weit entfernt zu sein. Und dennoch: die Technik mit zwölftönigen Reihen zu komponieren, setzte ein hohes Bewusstsein für kontrapunktische Arbeit voraus, wie es sich vor allem in der mittleren Werkphase Strawinskys seit dem „Oktett“ manifestierte. Und „Threni“ ist viel stärker ein rituelles Werk als etwa der „Canticum sacrum“, der das Wort in Bezug auf den Raum denkt, durch den es angeregt wurde. Die rhythmische Prägnanz des Anfangs mit seinem Ostinato führt zum Strawinsky der russischen Periode zurück. Der geflüsterte rhythmisierte Sprechchor steht dem Wortritual von „Les Noces“ nahe. Auch dieses Ballett war in seinem ersten Bild eine zwar anders gelagerte Klage der Braut, aber nicht weniger eine Lamentation, wie es „Threni“ schon seinem Sujet entsprechend sein sollte. Wenngleich sich Strawinsky in diesen späten Werken noch einmal neu erfand, so geschah dies doch nie, ohne seine Herkunft zu vergessen oder gar zu verleugnen. Und so ist er auch in den späten „Threni“ der entwurzelte Russe geblieben. Julie Moffat, Sopran, Jannifer Lane, Mezzosopran, Martin Hill, Tenor 1, Joseph Cornwell, Tenor 2, The Simon Joly Chorale und The Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Robert Craft mit Incipit, Aleph und Diphona I aus den „Threni“. Musik: Threni – Incipit, Aleph und Diphona I Julie Moffat, Sopran; Jannifer Lane, Mezzosopran, Martin Hill, Tenor 1 Joseph Cornwell, Tenor 2; The Simon Joly Chorale, The Philharmonia; Leitung: Robert Craft DGG 479 4650 LC 0173 (5:14) 8 Ein letztes Mal sollte sich Strawinsky 1962 einem Musiktheater zuwenden. Aber „The Flood – Die Flut“ ist ein besonders kurioser Fall im Werk des Komponisten, und doch auch unterschätzt. Denn es sollte ausgerechnet ein musikalisches Fernsehspiel werden, das die biblische Geschichte vom anfänglichen Chaos bis zur Sintflut und dem Bund Gottes mit Noah erzählen sollte. In keinem seiner anderen Werke für das Musiktheater ist Strawinsky derart erzählerisch verfahren. Fast schon klangmalerisch berichtet das Vorspiel über die Schöpfung der Welt aus dem leeren Anfang. Mit der Zwölftontechnik gelang Strawinsky eine rhythmisch zupackende Musik, die in ihrer griffigen Schärfe so charakteristisch für ihn ist. Und noch einmal setzte er wie in der „L‘histoire du soldat“ einen Rahmen des deutlich gemachten Spiels, in dem er auch hier einen Erzähler zum Einsatz bringt, zwischen dessen Textpassagen aus den Mysterienspielen des englischen Mittelalters die musikalischen Ereigniszellen gesetzt werden. Die Stimme Gottes wird von zwei Stimmen gesungen und mit einem trommelnden Rhythmus eingeleitet. Wie in den frühen „Les Noces“ oder in den späten „Threni“ erneut ein Wortritual. Und dennoch – und vielleicht zum ersten Mal in seiner Karriere – unterwarf sich Strawinsky den Konventionen. „The Flood“ ist weder ein choreographiertes Ritual wie die frühen Ballette noch eine Abstraktion wie die späteren. Es handelt sich in der Tat um eine musikalische Fernseherzählung. Und Strawinsky fehlte vielleicht die Erfahrung eines Stummfilmpianisten wie dem jungen Schostakowitsch, um daraus etwas Innovatives zu gestalten. Das mag einen Teil des Misserfolgs dieses späten Musiktheaters erklären. Ein anderer mag das spröde Dirigat Strawinskys gewesen sein, das dieses Stück zu einem der am wenigsten gespielten im Oeuvre des Komponisten machte. Erst unter der Leitung des englischen Komponisten Oliver Knussen entstand eine adäquate Realisation, aus der wir das Chaos und die Schöpfung mit Michael Berkley als Erzähler, David Wilson-Johnson und Stephen Richardson als Stimme Gottes, Peter Hall in der Rolle Luzifers Satan, dem New London Chamber Choir und der London Sinfonietta hören. Musik: The flood - Vorspiel 9 Michael Berkley, Erzähler; David Wilson-Johnson, Stephen Richardson Gott; Peter Hall, Satan New London Chamber Choir; London Sinfonietta Leitung: Oliver Knussen DGG 479 4650 LC 0173 (5:46) Strawinskys letzte Werke sind nicht nur überwiegend religiös bestimmt, sondern auch solche des Abschieds. „The Flood“ war immerhin das Werk eines Achtzigjährigen, dessen späte Kreativität und Neubesinnung auf die Zwölftontechnik doch erstaunte. Und so war auch der Abschied von bemerkenswerter Vitalität. In einem Fall knüpfte er sogar an das Früheste an. Gedenkstücke gab es im Werk Strawinskys zu Hauf. Den Anfang machte der „Chant funèbre“, der orchestrale Trauergesang für seinen verstorbenen Lehrer Rimsky-Korsakow im Jahr 1908. Das letzte Gedenkstück wurde 1965 der „Introitus“ mit den Versen über die ewige Ruhe und das Leuchten des ewigen Lichts aus der lateinischen Totenmesse. Gewidmet ist es dem Gedenken an den im gleichen Jahr verstorbenen englischen Dichter T.S. Eliot. Der flüsternde Chor evoziert noch einmal das Wortritual von „Les Noces“. Ansonsten dominieren in den Männerstimmen die typischen klaren Linienführungen. Die Instrumentation ist bewusst sinister gehalten mit Harfe, Klavier in tiefer Lage, Gongs, und solistischer Bratsche und Kontrabass. Die Pauke schließlich schlägt einen gleichmäßigen Rhythmuspuls, der den Kondukt, den schreitenden Trauermarsch evoziert. Und seit dem im Jahr 2016 wiederentdeckten Stimmmaterial des frühen „Chant funèbre“ können wir erstaunt den sich schließenden Kreis erkennen. Hier im Späten, wie dort im Frühen ein Kondukt, der fast von der gleichen rhythmischen Geste des Paukenrhythmus getragen wird. Es ist, als würde Strawinsky im biblischen Alter über ein zerrissenes Jahrhundert hinweg an das verloren Gegangene zurückdenken. Wiederherstellen lässt sich dabei nichts. Ein später Zwölftonkomponist blickt auf das Früheste, Unwiederbringliche zurück. Eine komponierte Trauerarbeit im doppelten Sinne. 10 Musik: Introitus (T.S. Eliot in memoriam) Netherlands Chamber Choir; Schönberg Ensemble Leitung: Reinbert de Leeuw DGG 479 4650 LC 0173 (4:05) Die vierte Folge über Igor Strawinsky den besonderen Heiligen ging zu Ende mit dem „Introitus“, dem Trauergesang zum Gedenken an den englischen Dichter T.S. Eliot. Es sang der Netherlands Chamber Choir. Reinbert de Leeuw dirigierte das Schönberg Ensemble. In unserer letzten Folge wenden wir uns der späten Moderne im Werk Igor Strawinskys zu. Am Mikrophon war Bernd Künzig.