Folge 5 NACHGEFRAGT „Energieeffizienz bedarf Vergleichsgrundlagen und Maßstäbe“ Dipl.-Ing. Frank Andrä ist Geschäftsführer der Inductoheat Europe GmbH in Reichenbach. Im Interview mit elektrowärme international (ewi)* spricht der Unternehmer über die Zukunft der Energiewirtschaft, technologische Herausforderungen und verrät, was seine persönliche Energie-Sparleistung ist. Der Energiemix der Zukunft: Wagen Sie eine Prognose? Andrä: Im globalen Maßstab sehe ich weiterhin Fossile Brennstoffe, Atomkraft eventuell ersetzt durch Kernfusion und in zunehmendem Maß Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme. Deutschland im Jahr 2020: Wie wird sich der Alltag der Menschen durch den Wandel der Energiewirtschaft verändert haben? Was tanken die Menschen? Wie heizen sie ihre Häuser? Wie erzeugen sie Licht? Wagen Sie ein Szenario! Andrä: Energieeffizienz wird sich im Design aller Produkte niederschlagen und erhebliche Einsparungspotentiale freisetzen. Fossile Brennstoffe werden zugunsten von Elektrizität sowie dezentralen Lösungen zur Energie- und Wärmegewinnung zunehmend substituiert. Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme etc.: Welche regenerative Energiequelle halten Sie für die mit der größten Zukunft? Andrä: Einzelne regenerative Energien werden sich jeweils dort durchsetzen, wo ihre Verfügbarkeit und die notwendige Infrastruktur zur Nutzung in optimaler Weise gegeben ist. Vom Potential sind sicherlich Sonne und Wind aussichtsreich, Erdwärme punktet mit der Kontinuität ihrer Verfügbarkeit. Die „Black light power“ Technologie ist ebenso sehr vielversprechend und nutzt Wasser als Energieträger. In welche der aktuell sich entwickelnden Technologien würden Sie demnach heute investieren? Andrä: Speichermedien für Energieträger. Wie schätzen Sie die zukünftige Bedeutung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle, Gas ein? Andrä: Aufgrund der Verknappung wird der Wert fossiler Brennstoffe größer. Der Schwerpunkt der Nutzung wird vorrangig in der chemischen Industrie als Rohstoff zu finden sein. Und Atomkraft? Welche Auswirkungen sind nach Deutschlands aktueller Stellungnahme zu erwarten? Andrä: Ein beschlossener Ausstieg aus der Atomenergie forciert die Entwicklung umweltverträglicher Alternativen, das eröffnet interessante neue Geschäftsfelder. Ohne eine konkrete Lösung für die Thematik Endlagerung hat der Ausstieg sein Ziel jedoch verfehlt. Stichwort Energiewende: Welche Änderungen müssen sich auf politischer, auch welt-politischer, auf gesellschaftlicher und ökologischer Ebene ergeben, damit man realistisch von einer Wende sprechen kann? Andrä: Ökologisches Bewusstsein hat zwei Seiten, die ideelle und materielle. Im ideellen Bereich können wir mit gutem Beispiel vorangehen und effiziente Alternativen aufzeigen. Sind diese konkurrenzfähig, werden sie auch schrittweise Akzeptanz im globalen Maßstab finden. * Das Interview führten Dipl.-Ing. Stephan Schalm und Silvija Subasic. Mit der Rubrik „Nachgefragt“ veröffentlicht die elektrowärme international eine neue Interview-Reihe zum Thema „Energie“. Befragt werden Persönlichkeiten aus Unternehmen, Verbänden und Hochschulen, die eine wesentliche Rolle in der elektrothermischen Prozesstechnik und in der industriellen Wärmebe­handlung spielen. 2-2012 elektrowärme international 67 NACHGEFRAGT Folge 5 Ihre Forderung an die Bundesregierung in diesem Zusammenhang? Andrä: Energiewende ist ein langfristiger gesamt­ gesellschaftlicher Prozess und muss daher parteiübergreifend getragen werden. Für die notwendigen Innovationen sollten auch Förderprogramme und Zugangsmöglichkeiten für Klein- und Mittelunternehmen geschaffen werden, das kann gegen das Beharrungsvermögen der Etablierten und den damit verbundenen Lobbyismus wirken. Energiewende muss zu einem Standortvorteil werden und darf sich nicht ins Gegenteil für die Unternehmen verkehren, dafür hat die Politik die Voraussetzungen zu schaffen. Die Erneuerbaren Energien haben mindestens zwei Probleme: die fehlende Infrastruktur und das Beharrungsvermögen der Etablierten auf herkömmlichen Energieformen. Ändert sich das in absehbarer Zeit? Andrä: Das ist ein Prozess, dessen Dynamik im Wesentlichen von den Umgebungsvariablen abhängt. Ich glaube jedoch, dass wir mit vielen Technologien erst am Beginn stehen und sich durch deren Anwendung permanent neue effizientere Alternativen ergeben. In einer so frühen Phase in Infrastruktur zu investieren birgt auch gewaltige unternehmerische Risiken. Der Schwerpunkt wird deshalb bei der Nutzung vorhandener Infrastruktur liegen, die durch technologische Verbesserungen leistungsfähiger wird. Sie das Thema ein? Was halten Sie für die bedeutendste Entwicklung auf diesem Gebiet? Andrä: „Energieeffizienz“ bedarf Vergleichsgrundlagen und Maßstäbe sowie Richtwerte. Hier liegt eine Herausforderung in der Standardisierung. Als Maschinenbauer und Entwickler im Bereich induktiver Erwärmungsprozesse arbeiten wir schon heute mit einer sehr effizienten Form der Energieübertragung: der Induktion. Unser Schwerpunkt liegt hierbei auf der Prozessoptimierung u.a. im Zusammenwirken mit innovativer Stromquellentechnologie, um die Prozessverluste so gering wie möglich zu halten. Das ist ein ganzheitlicher Ansatz, der bereits bei der Bauteildefinition anfängt und nicht zuletzt z.B. bei der Nutzung entstehender Prozesswärme aufhört. Die Leistungselektronik und computerunterstützte Software geben hier zunehmend Impulse. Welche Vorteile bieten Ihrer Meinung nach elektrische Prozesswärmeverfahren? Andrä: Hoher Wirkungsgrad, geringe CO2 Belastung, definierte zeitliche und örtliche Erwärmung, schnelle direkte Erwärmung innerhalb des Bauteils und eine optimierte Regelbarkeit und Reproduzierbarkeit sind nachhaltige Vorteile. Im Bereich der induktiven Härtetechnik kommt hierzu noch die Implementierung in den Teilefertigungsprozess und die damit verbundene Fertigungsautomatisierung. „Ökologisches Bewusstsein hat zwei Seiten, die ideelle und materielle.“ Unabhängig von der Energieform und Technologie, viele halten das Stichwort „Energieeffizienz“ für den Schlüssel zur Energiefrage der Zukunft. Wie schätzen 68 Wie beurteilen Sie die Entwicklung zur Effizienzsteigerung? Andrä: „Der Worte sind genug gewechselt, allein nun lasst uns Taten sehen!“ Wie wird sich der Energieverbrauch Ihrer Meinung nach verändern? Andrä: In Deutschland sehe ich einen Rückgang von jährlich 2 bis 4 %. Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen heute auf dem Energiemarkt? Andrä: Als führender Anbieter im Bereich der induktiven Wärmebehandlung bedienen wir ein breites Spektrum an Industriebereichen, z.B. den Automotivbereich ebenso elektrowärme international 2-2012 Folge 5 wie den Maschinenbau, Elektromotorenindustrie, Luftund Raumfahrt oder die Elektronikindustrie, um einen Ausschnitt zu vermitteln. Im Vergleich zu alternativen Verfahrensprozessen können wir häufig durch ein deutlich günstigeres Einsatz-/ Nutzenverhältnis punkten. Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen auf dem Energiemarkt in 20 Jahren? Andrä: Wir sehen eine deutliche Ausweitung unseres Geschäftsfeldes gerade unter dem Druck zunehmenden Einsatzes ressourcenschonender Verfahren und entwickeln hierzu die notwendigen Verfahren und Produkte kontinuierlich weiter. Was wird die wichtigste Innovation/ Projekt Ihres Unternehmens sein? Andrä: Mit unserer patentierten weltweit einzigartigen IFP Technologie – einem zwangsgeführten Umrichter – sind wir in der Lage die Arbeitsfrequenz und damit Einhärtetiefe unabhängig von der Induktorgeometrie an die Bauteilforderungen anzupassen. Das erhöht den Gesamtwirkungsgrad des Prozesses, in Abhängigkeit von der jeweiligen Erwärmungsaufgabe, erheblich. Welche Herausforderungen sehen Sie auf sich zukommen (wirtschaftlich, technologisch, gesellschaftlich)? Andrä: Wirtschaftlich ist die Balance zwischen technischem Anspruch in einem zunehmend reglementiertem Umfeld und den internationalen Märkten zu meistern. Technologisch sind wir u.a. durch unsere Inductotherm Gruppe an einer Vielzahl von Zukunftsprojekten beteiligt. Hier treffen wir die Entscheidungen regional und branchenspezifisch. Unserer gesellschaftlichen Verantwortung stellen wir uns in der Unterstützung von Ausbildung, Forschung und Lehre sowie dem vorantreiben effizienter Technologien. Nicht zuletzt aber auch als attraktiver Arbeitgeber. NACHGEFRAGT Wie beeinflussen die EU-Erweiterung und die Globalisierung Ihr Geschäft? Andrä: Wir sind als Inductotherm Group global ausgerichtet und lokal aufgestellt. Das sichert uns ein kontinuierliches Wachstum. Unser Anspruch hierbei ist die Sprache unserer Kunden zu sprechen und den Vorsprung auf dem technologischen und ökonomischen Sektor langfristig zu sichern. Wie wichtig ist ein Markenname für den Produkterfolg im industriellen Bereich? Andrä: Ein Markenname hat einen hohen Stellen- und Wiedererkennungswert, wenn damit auch die Wertigkeit des Produktes verbunden ist. Für uns ist deshalb der Markenname ein wichtiges Marketinginstrument. Haben Sie wegen Fachkräftemangels Entwicklungen nicht oder nur verzögert in Deutschland durchführen können? Andrä: Ja, denn Fachkräftemangel, speziell in der Stuttgarter Region, ist ein uns kontinuierlich begleitendes Thema. Speziell in unserer Branche gibt es zu wenig verfahrensbezogene Ausbildung bis hin zum Ingenieurwesen. Wir tun deshalb viel, um die Attraktivität unserer Branche gerade jüngeren Menschen nahe zu bringen und ergänzen dies durch ein eigenes Ausbildungsprogramm für unsere Mitarbeiter in unserer Academy. Braucht eine Führungsmannschaft mehr Medienkompetenz, um Investoren und Anleger zu überzeugen? Andrä: Unbedingt, denn unsere Welt wird leider zunehmend von Schlagzeilen bestimmt. Was würden Sie in Ihrem Unternehmen ändern wollen? Andrä: Mehr Freiräume schaffen für die Umsetzung kreativer Veränderungsprozesse. „Mehr Freiräume schaffen für die Umsetzung kreativer Veränderungsprozesse.“ 2-2012 elektrowärme international 69 NACHGEFRAGT Folge 5 ZUR PERSON Dipl.-Ing. Frank Andrä Geb. 02. Januar 1962 in Zeitz Ausbildung: Instandhaltungsmechaniker mit Abitur Dipl.-Ing. für Wissenschaftlichen Gerätebau an der Friedrich Schiller Universität Jena Berufliche Tätigkeit: 1989 – 1990 Entwicklungsingenieur Elektrogerätewerk Suhl 1990 – 1995 Projektleiter Entwicklung KEUSCH GmbHProdukt­planungsgesellschaft 1996 – 2001 Geschäftsbereichsleiter Entwicklung/ Produktmanagment CONTACT GmbH 2001 – 2004 Prokurist Gesamtleiter Vertrieb und Produktmarketing CONTACT GmbH 2004 – 2011 Geschäftsführer HWG-Inductoheat GmbH Seit 2011Geschäftsführer Inductoheat Europe GmbH Mitglied im BCOC und im Wirtschaftsrat Deutschland verheiratet Wie wichtig sind Ihrem Unternehmen Expansionen im Ausland? Andrä: Das ist ein Teil unserer Geschäftsstrategie und wird von unseren Key-Kunden auch erwartet. Ist Ihr Unternehmen offen für Erneuerbare Energien? Andrä: Ja, unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung. Nutzt Ihr Unternehmen bereits Erneuerbare Energien? Andrä: Ja, wir nutzen Abwärme in unseren Härtereien zur Hallenklimatisierung. Wie offen ist Ihr Unternehmen für neue Technologien? Andrä: Die konsequente Nutzbarmachung neuer Technologien ist die Basis unseres Unternehmenserfolges seit Bestehen des Unternehmens. Wie viel gibt Ihr Unternehmen jährlich für Investitionen aus? Andrä: Wir investieren kontinuierlich und überdurchschnittlich. Was war/ist Ihre größte Energiespar-Leistung als Privatmann? Andrä: Die Investition in unsere Photovoltaikanlage auf dem Hausdach. Sie hat unser Bewusstsein für Energieverbrauch beeinflusst, so dass unser Eigenverbrauch um ca. 10 % gesunken ist. Wie könnte man Ihren Umgang mit den Mitarbeiter/ innen charakterisieren? Andrä: Ehrlich, unvoreingenommen und offen. Was schätzt Ihr Umfeld besonders an Ihnen? Andrä: Ideengeber, Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit. Welche moralischen Werte sind für Sie besonders aktuell? Andrä: Vertrauen, Verbindlichkeit und Verantwortungs­ übernahme. Wie schaffen Sie es, Zeit für sich zu haben, nicht immer nur von internen und externen Herausforderungen in Anspruch genommen zu werden? Andrä: Ich versuche mir den Samstagabend und Sonntag freizuhalten und nutze unter der Woche die Zeit nach 20:00 Uhr, falls nicht unterwegs, für einen sportlichen Ausgleich. Das funktioniert in 70 % der Fälle. Haben/hatten Sie Vorbilder? Andrä: Albert Schweitzer. Wie wurden Sie erzogen? Andrä: Streng, aber fürsorglich und mit der Möglichkeit, meine Talente auszuprobieren. 70 elektrowärme international 2-2012 Folge 5 NACHGEFRAGT Was wünschen Sie der nächsten Generation? Andrä: Dass wir ihr eine Zukunft hinterlassen und sie unsere Fehler nicht wiederholt. Was hat Sie besonders geprägt? Andrä: Mein Militärdienst, die Studienzeit und der Fall der innerdeutschen Grenze. Was ist Ihr Lebensmotto? Andrä: Sich selbst treu bleiben, den Moment genießen und seinen Nächsten Gutes tun. Auf was können Sie ganz und gar nicht verzichten? Andrä: Familie, Freunde, Reisen. Welchen Beruf würden Sie gerne ausüben, wenn Sie die Wahl hätten? Andrä: Ich würde das Gleiche tun. Welches war in Ihren Augen die wichtigste Erfindung des 20. Jahrhunderts? Andrä: Halbleitertechnologie. Welche Charaktereigenschaften sind Ihnen persönlich wichtig? Andrä: Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Fairness. Wann denken Sie nicht an Ihre Arbeit? Andrä: Beim Sport, Heimwerken und im Schlaf. Wie lautet Ihr persönlicher Tipp an nächste Generationen? Andrä: Mut zum Querdenken aufzubringen, Neues wagen und sich nicht an Statussymbolen orientieren. Was ist Ihrer Meinung nach der Sinn des Lebens? Andrä: Für seine Mitmenschen eine Bereicherung zu sein und selbst so viel wie möglich von den Facetten des Lebens kennenzulernen. Was wünschen Sie der Welt? Andrä: Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Religionen, visionäre Politiker, die sich dem Wohl der Gesellschaft widmen und eine lebenswerte Zukunft. Die Redaktion der elektrowärme international bedankt sich für das interessante und offene Gespräch. BRAND NEW Heute schon Know-how geshoppt? Der neue Internetauftritt der ewi www.elektrowaerme-online.de 2-2012 elektrowärme international Vulkan-Verlag 71