HHV-8 als Auslöser des Kaposi-Sarkoms identifiziert Grundlegende

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Preisverleihung
Einer der höchstdotierten deutschen Wissenschaftspreise wurde kürzlich in der
Frankfurter Paulskirche verliehen: Die
US-amerikanischen Forscher Yuan Chang
und Patrick S. Moore erhielten den mit
120 000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und
Ludwig Darmstädter-Preis. Die Preisträger
haben zwei zuvor unbekannte Tumorviren
des Menschen entdeckt und nachgewiesen, dass sie für Krebserkrankungen verantwortlich sind: das Humane Herpesvirus
8 (HHV-8), auch bekannt unter dem älteren Namen Kaposi-Sarkom-Herpesvirus
(KSHV), und das Merkelzell-Polyomavirus
(MCV).
Prof. Dr. Yuan Chang (57) ist Pathologin
und Virologin am Krebsinstitut der Universität Pittsburgh, Pennsylvania. Ihr Ehemann Prof. Dr. Patrick S. Moore (60) ist
Epidemiologe und Virologe und Direktor
des Krebsvirologie-Programms an diesem
Krebsinstitut.
„Wir können davon ausgehen, dass weltweit jede sechste Krebserkrankung auf
eine Virusinfektion zurückgeht“, sagte in
seiner Laudatio Prof. Dr. Harald zur Hausen, Vorsitzender der Paul Ehrlich-Stiftung.
Die Preisträger haben mit „eleganter Methodik“ zwei neue virale Erreger entdeckt.
„Chang und Moore wählten eine andere
als die zuvor übliche Strategie: Die beiden
hatten erkannt, dass die Suche nach einem
neuen Tumorvirus eine Suche nach dessen
Genen sein muss, nicht nach seinen Viruspartikeln.“ Zur Hausen hatte ebenfalls
Tumorviren entdeckt – humane Papillomviren (HPV-16 und HPV-18) als Auslöser
des Zervixkarzinoms – und dafür 2008 den
Nobelpreis erhalten.
Mit der Entscheidung der Preisträger, nach
den Genen zu suchen, haben sie „die
Fahndung nach neuen humanen Tumorviren entscheidend vorangebracht … Es
kann sehr wohl sein, dass in Zukunft weitere humane Tumorviren gefunden werden“, so der Stiftungsrat in seiner Begründung.
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Yuan Chang und Patrick Moore erhalten den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstädter-Preis 2017
(Quelle: Uwe Dettmar).
HHV-8 als Auslöser des
Kaposi-Sarkoms identifiziert
„Zuerst ist die Epidemiologie bei einer
Krebserkrankung wichtig“, sagte Chang.
Ungewöhnlich viele Kaposi-Sarkome traten zu Beginn der AIDS-Epidemie auf, vor
allem bei Männern, die Sex mit Männern
hatten (MSM). Daher vermutete man eine
infektiöse Ursache beim Kaposi-Sarkom.
Die Infektion sei wahrscheinlich häufig in
Afrika, selten in der Allgemeinbevölkerung
in Industrieländern; dort werde sie v. a.
durch Geschlechtsverkehr übertragen
(v. a. bei MSM), selten durch Blut – so die
epidemiologische Vorhersage der Forscher in den 80er-Jahren, erklärte Chang
gegenüber TDT.
Vielerorts wurde nach dem Erreger gesucht. Erst Chang und Moore waren mit
ihrer Strategie erfolgreich. „Wir suchten
nach viralen Gene in Tumoren statt nach
dem ganzen Virus“, so Chang. „Viren vermehren sich in der Regel nicht mehr in
Tumorzellen. Deshalb gibt es dort auch
keine großen Mengen an Viruspartikeln,
die man finden könnte, aber es gibt virale
Gene“, sagte Moore.
Für die Suche subtrahierten Chang und
Moore das gesamte menschliche Genom
vom Genom der Tumorzellen. Die Idee
dahinter: So bleiben nur Sequenzen übrig,
die nicht zum menschlichen Erbgut gehören, sondern zum Tumorvirus. Sie fanden
bei ihrer Subtraktion tatsächlich zwei
DNA-Schnipsel, die einem neuen Herpesvirus zugeordnet werden konnten: bei
Veröffentlichung 1994 KSVH genannt,
später in HHV-8 umbenannt [1].
Chang und Moore zeigten auch, dass HHV8 für Kaposi-Sarkome verantwortlich ist:
Sie wiesen nach, dass alle Kaposi-Sarkome
diese Viren enthalten – nicht nur diejenigen, die bei AIDS entstehen, sondern
auch die seltenen, sporadisch auftretenden Erkrankungen in den USA, Europa
und Afrika [2]. Sie zeigten auch, dass eine
Virusinfektion der Tumorerkrankung vorausgeht. Weitere Belege für die Kausalität
folgten, sodass heute kein Zweifel mehr
daran besteht, dass das HHV-8 die Ursache
für das Kaposi-Sarkom ist.
Grundlegende Prinzipien
der Tumorvirologie
„Mit der Charakterisierung von HHV-8
klärten wir auch eins der wichtigsten
allgemeinen Prinzipien der Tumorvirologie
auf: Viral bedingte Tumore sind biologische Unfälle“, sagte Chang im Gespräch
mit TDT. Sozusagen eine molekulare Sackgasse: Das Virus verursacht Krebs – virale
RNA oder Proteine führen zur Zellproliferation oder verhindern Apoptose – und tötet
den Wirt. Das Virus repliziert allerdings
nicht in großer Zahl und gelangt nicht
wieder als infektiöses Agens aus der
Tumorzelle heraus, sondern geht früher
oder später mit den Krebszellen unter –
TumorDiagn u Ther 2017; 38: 148–150
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Paul Ehrlich-Preis 2017:
Mit kluger Strategie zwei
Tumorviren entdeckt
Die beiden Forscher haben auch eine
zweite Besonderheit bei virusbedingtem
Krebs entdeckt: die kritische Rolle des
Immunsystems. Ein funktionierendes Immunsystem ist sehr wichtig, um Viren in
Schach zu halten und virale Tumoren zu unterdrücken. Ist das Immunsystem dagegen
supprimiert, kann leichter Krebs entstehen.
Das Risiko, an Krebs durch Viren zu erkranken, ist in Entwicklungsländern höher
als in westlichen Industrienationen. Neben
einer oft höheren Infektionsrate spielt
auch die Mangelernährung eine Rolle,
erklärte Chang: Denn auch diese verursacht Probleme mit dem Immunsystem.
MCV mit verfeinerter
Strategie entdeckt
Die beiden Preisträger verfeinerten ihre
Strategie bei der Suche nach dem Virus,
das für einen anderen Tumor bei Immunsupprimierten verantwortlich ist, das Merkelzell-Karzinom. 14 Jahre nach der Entdeckung von HHV-8 subtrahierten sie nicht
mehr das gesamte menschliche Genom
von der Tumor-DNA, sondern nur noch
die Boten-RNA – und dies digital am Computer. Denn inzwischen war das Humangenom sequenziert und in Datenbanken
hinterlegt. Dieses verfeinerte Verfahren
heißt digitale Transkriptom-Substraktion
(DTS). „Trotzdem dauerte die Suche 8 Jahre“, sagte Moore.
Chang und Moore fanden auf diese Weise
MCV und wiesen nach, dass dieses Virus
tatsächlich für Merkelzell-Karzinome verantwortlich ist. Da MCV im Gegensatz zu
HHV-8 in der Allgemeinbevölkerung weit
verbreitet ist [3], wäre ein Nachweis von
MCV in Tumoren kein Beleg für seine ursächliche Rolle bei der Krebsentstehung.
Sie zeigten dagegen, dass bei allen Zellen
eines Merkelzell-Karzinoms das Virus an
derselben Stelle integriert ist – der Tumor
also aus einer einzigen Zelle mit integriertem MCV hervorgegangen sein muss
(klonale Integration). Dieser – beliebige –
Integrationsort ist bei verschiedenen
Patienten unterschiedlich. Jedes Merkelzell-Karzinom hat also einen individuellen
Integrationsort, aber innerhalb eines
TumorDiagn u Ther 2017; 38: 148–150
Tumors sitzt MCV immer an der gleichen
Stelle im humanen Genom.
Durch MCV neue Einsichten, wie Krebs entsteht
„Wir glauben, dass Krebs eine genetische
Erkrankung ist, die entsteht, wenn Mutationen bei Genen auftreten, die das Zellwachstum regulieren“, so Moore in seiner
Dankesrede. Allerdings habe die Zelle mehrere Kontrollsensoren, die bei Mutationen
den programmierten Zelltod auslösen. Tumorviren inaktivieren viele dieser Krebskontrollwege. „Durch die Erforschung von
MCV und anderen Tumorviren können wir
zelluläre Kontrollwege identifizieren, die
möglicherweise auch bei Krebsformen beeinflusst werden, die nicht durch Viren
ausgelösten werden“, so Moore.
MCV habe sich in Co-Evolution mit uns
entwickelt, sodass das Virus nur selten
Krebs auslöse. „Die meisten hier im Raum
haben das Virus in der Haut, entwickeln
aber keine Symptome oder Krankheit.
Aber wenn bestimmte Mutationen im
Virusgenom (nicht in menschlichen Zellen) auftreten, wird aus dem harmlosen
Virus ein Auslöser für eine tödliche Krebserkrankung – wenn das Immunsystem
geschwächt ist“, so Moore.
Über das humane Mikrobiom sei schon
einiges bekannt – wenig dagegen über
unser Virom, so Moore. Möglicherweise
werden weitere Krebsarten durch Mutationen bei Viren ausgelöst, die in oder auf
uns existieren.
Therapie bei MCV in Sicht,
Vakzine gegen HHV-8 nicht
„Für die Therapie des Merkelzell-Karzinoms
sind wir optimistisch“, sagte Chang. „Viele
Patienten sprechen auf eine CheckpointHemmung an, einige sogar mit einer kompletten Remission.“ Die Situation beim
Kaposi-Sarkom sei dagegen eine Enttäuschung, sagte Moore. „Obwohl Forscher
weltweit Kandidaten für einen Impfstoff
und Zielmoleküle für die Therapie gefunden
haben, gibt es wenig kommerzielles Interesse, einen Impfstoff oder eine spezifische
Therapie zu entwickeln.“ Chang ergänzt:
„Die Impfstoffentwicklung ist ein ökonomi-
sches Problem, kein wissenschaftliches.“
Daher möchten die beiden Forscher einen
Teil ihres Preisgeldes auch für ein Treffen
einsetzen – um vielleicht doch die Entwicklung einer Vakzine gegen HHV-8 anzustoßen oder zu ermöglichen.
INFOBOX
HHV-8, das Humane Herpesvirus 8,
verursacht das Kaposi-Sarkom, vor allem bei immunsupprimierten Personen. Dieser Tumor der Blutgefäßzellen tritt vor allem bei AIDS-Patienten
auf, ist aber auch in Afrika weit verbreitet – nicht nur bei HIV-Infizierten.
HHV-8 verursacht noch zwei weitere
seltene Tumorerkrankungen: das primäre Effusionslymphom und Morbus
Castleman.
Zu den anderen bekannten Herpesviren gehören beispielsweise HHV-1
oder Herpes-simplex-Viren, die Lippen- oder Genitalherpes auslösen,
HHV-3 oder das Varizella-Zoster-Virus
sowie HHV-4 oder das Epstein-BarrVirus (EBV), das z. B. das Burkitt-Lymphom auslösen kann.
HHV-8 besitzt ein sehr großes DNAGenom, es kodiert für über 90 Gene.
Das Virus integriert nicht ins Wirtsgenom.
In der gesunden Allgemeinbevölkerung (Europa und USA) sind weniger
als 5 % mit HHV-8 infiziert, in manchen
Teilen Afrikas sind es rund 50 %. Rund
die Hälfte der HIV-Infizierten ist auch
mit HHV-8 infiziert.
MCV, das Merkelzell-Polyomavirus, ist
für das Merkelzell-Karzinom verantwortlich, einen äußerst seltenen, bösartigen Tumor der Haut mit schlechter Prognose. Die Merkelzellen in der
Haut sind für die Wahrnehmung von
Vibrationen verantwortlich. Das Merkelzell-Karzinom tritt häufiger auf bei
immunsupprimierten und älteren
Personen.
MCV besitzt ein kleines DNA-Genom,
das für 5 – 6 Gene kodiert. Bei Immunsuppression und bestimmten
Mutationen im Virusgenom integriert
das ganze Virus ins menschliche
Genom und verursacht dann Krebs.
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das Virus kann sich also nicht weiterverbreiten.
Preisverleihung
In der Allgemeinbevölkerung ist MCV
sehr häufig, ca. 80 % sind infiziert –
aber weniger als 2 bis 3 % erkranken
an Krebs.
Maren Schenk, Schriesheim
Literatur
[1] Chang Y, Cesarman E, Pessin MS et al. Identification of Herpesvirus-like DNA sequences
in AIDS-associated Kaposi’s Sarcoma.
Science 1994; 266: 1865 – 1869
[2] Moore PS, Chang Y. Detection of Herpesvirus-like DNA sequences in Kaposi´s Sarcoma
in patients with and those without HIV infection. N Engl J Med 1995; 332: 1181 – 1185
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[3] Feng H, Shuda M, Chang Y et al. Clonal integration of a polyomavirus in human Merkel
cell carcinoma. Science 2008; 319: 1096 –
1100
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TumorDiagn u Ther 2017; 38: 148–150
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